Lochkamera

einfache Kamera mit kleiner Öffnung
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Eine Lochkamera ist das einfachste Gerät, mit dem sich optische Abbildungen erzeugen lassen. Sie benötigt dafür keine optische Linse, sondern nur eine dunkle Zelle (eine camera obscura), eine kleine Öffnung in dieser Zelle und eine Abschirmung, um das entstandene reelle Bild zu betrachten.

Funktionsweise

 
Funktionsweise einer Lochkamera

Ähnlich einer optischen Linse erzeugt ein kleines Loch auf einer Projektionsfläche eine Abbildung von angestrahlten oder selbst leuchtenden Gegenständen. Die Zeichnung rechts zeigt zwei Strahlenbündel, die von zwei Punkten eines Gegenstands in das Loch eintreten. Der kleine Durchmesser der Blende beschränkt die Bündel auf eine kleine Öffnung und verhindert die vollständige Überlappung der Lichtstrahlen. Strahlen vom oberen Bereich eines Gegenstands fallen auf den unteren Rand der Projektionsfläche, Strahlen vom unteren Bereich werden nach oben weitergeleitet. Jeder Punkt des Gegenstands wird als Scheibchen auf der Projektionsfläche abgebildet. Die Überlagerung der Scheibchenbilder erzeugt ein verzeichnungsfreies Bild. Mathematisch ausgedrückt ist das Bild das Ergebnis einer Faltung aus idealer Abbildung des Gegenstands mit der Blendefläche.

Das Bild ist sehr lichtschwach und es kann nur bei ausreichender Abdunkelung der Umgebung beobachtet werden. Dies geschieht zum Beispiel durch ein Tuch, das das Umgebungslicht außerhalb der halbtransparenten Rückwand abhält. Oder der Beobachter begibt sich selbst in die Kammer, wobei die Adaption des Auges an die Dunkelheit die Beobachtung erleichtert.

Abbildungsgeometrie einer Lochkamera

Unschärfefleck

Datei:Lochkamera prinzip bezrp.png
Abbildungsgeometrie der Lochkamera

Der Abstand der Projektionsfläche zum Loch ist die Bildweite b. Löcher können im Gegensatz zu Linsen die einfallenden Lichtstrahlen nicht brechen und demzufolge auch nicht bündeln. Es existiert kein Brennpunkt (F) und keine Brennweite (f). D ist der Durchmesser des Lochs. Der Quotient b/D ergibt die Blendenzahl, analog zur Blendenzahl f/D beim Objektiv. Je kleiner die Blendenzahl ist, desto lichtstärker ist das Bild. Eine Kammer mit b=100 mm und D=0.5 mm hat eine Blendenzahl von 100mm/0,5mm = 200. Eine Vergrößerung des Lochs auf 1 mm verringert die Blendenzahl auf 100mm/1mm = 100. Die Belichtungszeit verringert sich dabei um den Faktor 4 (Verhältnis der Lochflächen: (1mm/0.5mm)2 = 4). (Zum Vergleich: Kleinbildkameras haben kleinste Blenden zwischen 1,4 und ca. 4.)

Je kleiner der Lochdurchmesser D ist, desto kleiner sind die Strahlenbündel, umso schärfer erscheint die Abbildung. Für die Größe S des Unschärfeflecks gilt dabei

 .
 
Vergleich - Foto einer Häuserzeile mit Lochkamera und Digitalkamera.

Die Bildgröße eines Lichtpunkts nimmt also linear mit der Blendengröße ab. Hierdurch gewinnt das Bild an Schärfe, wenn zu einer geringeren Blendengröße übergegangen wird. Oft wird dies verwechselt mit der Vermutung, dass das Bild insgesamt mit abnehmender Blendengröße kleiner wird. Kleiner werden jedoch nur die Unschärfen, die das Bild eines beobachteten Gegenstandes an dessen Begrenzungslinien "ausfransen" lassen.

Schärfentiefe

Die Schärfe der Bilder ist von der Entfernung der abzubildenden Gegenstände zum Loch (Gegenstandsweite) nicht abhängig. Es ist also keine Entfernungseinstellung erforderlich, die „Schärfentiefe“ ist „unendlich“. (Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zu mit Linsen ausgestatteten Kameras, bei denen eine Entfernungseinstellung erforderlich ist und die deshalb auch als „fokussierende“ Kameras bezeichnet werden.) Die Bilder sind jedoch nie ganz scharf, da das Loch aus Gründen der Lichtstärke nicht beliebig klein gewählt werden kann. Bei großen Bildweiten (starke Vergrößerungen) hat die Lochkamera jedoch ein hohes Auflösungsvermögen, feine Details lassen sich gut erkennen.

Unabhängig von der Lichtstärke bildet die Wellenlänge des Lichts eine unter Grenze für D. Beugungserscheinungen setzen bei etwa 500 nm ein (siehe unten).

Bildgröße

Bezeichnet G die Gegenstandshöhe ( = tatsächliche Größe des betrachteten Gegenstandes), g die Gegenstandsweite (= Abstand des Gegenstandes von der Lochscheibe), b die Bildweite (= Abstand von der Lochscheibe zur Mattscheibe) und B die Bildhöhe (= Höhe des erzeugten Bildes auf der Mattscheibe), so gilt:

Datei:LochkameraBildgröße.png
Bildgröße bei der Lochkamera
 

Diese Gleichung ist aus der geometrischen Optik auch als 1. Linsengleichung bekannt, sie gilt in gleicher Weise für fokussierende Kameras. Die Bildgröße hängt also nur von den Abständen ab, nicht jedoch von der Blendengröße bzw. Lochgröße.

Anwendungen

 
Spalte im Korbgeflecht erzeugen Sonnenbildchen links an der Wand.

Im Alltag beobachtet man zuweilen Abbildungen an kleinen Öffnungen. Das Bild rechts zeigt einen Korbstuhl, der seitlich von der Sonne beschienen wird und links an der Wand einen Schatten wirft. Die engen Spalte des Korbgeflechts erzeugen Lichtmuster auf der Wand in Form runder Scheibchen einheitlicher Größe. Hierbei handelt es sich um Abbilder der kreisförmigen Sonne, nicht etwa um Umrisse des Geflechts.

Ähnliches beobachtet man im Wald, wenn Zwischenräume in dichtem Blattwerk die Sonne auf dem Boden als verschwommene Kreisscheiben abbilden (sogenannte Sonnentaler). Wer den Grund dafür nicht kennt, ist dann sehr überrascht, dass bei einer partiellen Sonnenfinsternis diese Sonnentaler als „Halbmöndchen“ erscheinen.

Auch werden Lochblenden als abbildende Linsen für Röntgenstrahlung eingesetzt. Denn, anders als für sichtbares Licht, gibt es für diese kurzwellige Strahlung keine Materialien mit geeigneter Brechzahl, aus denen sich Linsen herstellen ließen.

Auswirkungen der Lichtbeugung

Beugungserscheinungen an der Lochblende setzen der klassischen Betrachtungsweise Grenzen. Der Durchmesser S des Unschärfeflecks vergrößert sich dadurch um den Durchmesser ΔS des Beugungsscheibchens. Für diesen gilt vereinfacht:

 . Dabei ist c eine Konstante, die hier mit ≈ 1 µm angenommen werden kann.

Nach der strahlenoptischen Betrachtung nimmt die Größe des Unschärfeflecks linear mit der Blendengröße ab (siehe oben). Die Lichtbeugung zeigt ein umgekehrtes Verhalten: Die Unschärfe verhält sich umgekehrt proportional zum Lochdurchmesser. Der optimale Durchmesser Dopt ist der Wert, für den beide zusammen am kleinsten sind. Die Extremwertsuche liefert:

 
Für g>>b gilt die Näherung:  .
Mit c = 1 µm liefert die Formel   den Wert für Dopt in Millimeter, wenn b in Meter eingesetzt wird.

Der optimale Durchmesser ist damit ein wenig kleiner als die innere Zone einer Fresnel-Zonenplatte.

Beispiele:

Bildweite b (Länge der Lochkamera) Optimale Blendenöffnung Dopt für weit entfernte Objekte Größe des Unschärfeflecks S für unendlich entfernte Objekte Blendenzahl b/D
1 cm 0,1 mm 0,11 mm 100
10 cm 0,32 mm 0,63 mm 312
1 m 1 mm 2 mm 1000
10 m 3,2 mm 6,3 mm 3100

Die „Optimierung“ bezieht sich hierbei ausschließlich auf die Bildschärfe! Die Lichtstärke dieser Kameras (abzulesen an der Blendenzahl in der letzten Spalte) ist sehr gering.

Vergleich zur focussierenden Kamera

Die Bilder der Lochkamera sind im Vergleich zu denen einer fokussierenden Kamera (Kameras mit einem Linsen- oder Spiegelobjektiv) unschärfer, da das Loch aus Gründen der Lichtstärke nicht beliebig klein gewählt werden kann. Bei großen Bildweiten (starke Vergrößerungen) hat die Lochkamera jedoch ein besseres Auflösungsvermögen als eine fokussierende Kamera mit kürzerer Brennweite (f < b). Außerdem sind ihre Bilder frei von Verzeichnungen und Farbsäumen

Anders als bei der Lochkamera gibt es bei fokussierenden Kameras für jede Gegenstandsweite g nur eine bestimmte Bildweite b, in der der Gegenstand scharf abgebildet wird. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Linsengleichung. Formt man die Linsengleichung nach der Bildweite um, lässt sich damit die Bildweite berechnen:

 

Bei unendlicher Gegenstandsweite (Hier ergibt 1/g Null) ist die Bildweite b des Gegenstands genauso groß wie die Brennweite f der Linse bzw. des Objektivs (b=1*f). Soll ein Film mit einem im fotografischen Unendlichen liegenden Gegenstand belichtet werden, wird die Linse so angeordnet, dass sich der Film im Bereich des Brennpunktes befindet.

  • Bei g=unendlich ist b=f
  • Bei g=100*f ist b=1,01*f
  • Bei g=4*f ist b=1,33*f
  • Bei g=2*f ist b=2*f

Beispiel: Bei einer Linse mit f=50mm wird ein Gegenstand, der sich 200mm (4*50mm) vor der Linse befindet genau 66,67mm (1,33*50mm) hinter der Linse scharf abgebildet. Im Vergleich zur unendlichen Gegenstandsweite wird die Linse um 16,67mm nach vorn verschoben (focussiert), so dass der Abstand zum Film jetzt 66,67mm beträgt.

Experimente

 
Foto, aufgenommen mit einer Lochkamera

Das Funktionsprinzip einer Lochkamera sowie die Lichtausbreitung lassen sich gut mit einfachen, auch für Kinder geeigneten Experimenten verdeutlichen. Lochkameras lassen sich aus Getränke- oder Keksdosen bauen, aber auch Wassertonnen oder Baucontainer kommen in Frage.

Z.B. kann eine Kiste oder Dose innen matt geschwärzt und an einer Seite mit einem 0,5...1 mm großen Loch versehen werden. Die gegenüberliegende Wand bildet entweder die Mattscheibe (Ersatz der Wand durch Transparentpapier) oder man kann man mit der Dose sogar fotografieren:

Dazu wird bei absoluter Dunkelheit ein Film oder ein Fotopapier auf der dem Loch gegenüberliegenden Wand fixiert, das Loch verschlossen, das Motiv gewählt, der Verschluss geöffnet und nach Ende der Belichtungszeit (ca. 1 s) wieder verschlossen. Nach der Entwicklung entsteht ein Negativ, das ggf. durch eine Kontaktkopie zu einem Positiv verarbeitet werden kann.