Expansionstheorie

geotektonische Theorie von 1890 bis 1960er, heute überholt
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Juli 2007 um 17:08 Uhr durch 84.147.240.20 (Diskussion) (Links). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Expansionstheorie der Erde (auch Expansionshypothese genannt), ist eine gegen Ende des 19. Jhds. entwickelte und besonders in den 1950er Jahren diskutierte Theorie, welche später die von Alfred Wegener postulierte Kontinentaldrift und das Auseinanderbrechen des Superkontinents Pangäa durch eine ständige Vergrößerung des Erdradius zu erklären versucht. Hauptvertreter diese Theorie waren unter anderem Ott Christoph Hilgenberg, Samuel Warren Carey, László Egyed und Pascual Jordan. Diese Theorie wird derzeit jedoch im wissenschaftlich-akademischen Umfeld zu Gunsten der Theorie der Plattentektonik kaum mehr vertreten.

Bewegung der Kontinente während der Erdexpansion. Links: Atlantischer Ozean; rechts: Pazifischer Ozean.

Geschichte und Begründungsversuche

Ivan Osipovich Yarkovsky schlug 1888[1] eine Art Absorption des Äthers vor, welcher in den Himmelskörpern in neue chemische Elemente transformiert würde und so eine Expansion der Himmelskörper verursacht.[2] Roberto Mantovani veröffentlichte schließlich 1889[3] und 1909[4] eine andere, auf Wärmeausdehnung basierende Variante der Theorie. Alfred Wegener sah Ähnlichkeiten zu seiner eigenen Theorie, wobei er jedoch die Ursache der Drift bei Mantovani nicht erwähnte: Die Erdexpansion. Wegener schrieb:

Mantovani zeichnete 1909 einige Karten, welche seine Ideen zur Kontinentalverschiebung illustrierten. Seine Ideen unterscheiden sich in einigen Aspekten von meinen, sind aber in anderer Hinsicht erstaunlich übereinstimmend. Z.B. ist das der Fall bei der ehemaligen Gruppierung der südlichen Kontinente um das südliche Afrika. [5]

Gravitationskonstante

Diese Hypothese entstand in den 1950er Jahren aufgrund der Vermutung von Paul Dirac (um 1938), dass die Gravitations"konstante" in erdgeschichtlichen Zeiten langsam abnimmt. Diese Diracsche Hypothese veranlasste Pascual Jordan im Jahr 1964[6] eine für alle Planeten zutreffende Expansion zu postulieren. Max Born beschreibt Jordans Modifikation der Gravitationskonstante als "systematische Verallgemeinerung" der ART Einsteins.[7] Laut dieser Theorie der Erdexpansion wäre die Erde vor ein paar hundert Millionen Jahren nur halb so groß gewesen wie heute. Diese Theorie der stärkeren Erdbeschleunigung vor tausenden von Jahren verursacht allerdings Erklärungsprobleme bezüglich der Dinosaurier. Wenn die Erdbeschleunigung früher größer gewesen wäre, dann wären die Dinosaurier unter ihrem eigenen Körpergewicht zusammengebrochen. Haupteinwand gegen diese Theorie ist jedoch, dass neuere Messungen einer möglichen Variation der Gravitationskonstante eine obere Grenze für eine relative Veränderung von lediglich 5•10-12 ergaben. Das ist ein um das zehnfache zu geringer Wert, als ihn Jordan für seine Theorie benötigt.[8]

Wärmeausdehnung

Nach ersten Versuchen von Mantovani erklären andere die Erdexpansion auch durch einen Überschuss der inneren Wärmeproduktion, wenn diese durch radioaktive Vorgänge das Ausmaß der natürlichen Abkühlung übersteigt. Von John Joly und Arthur Holmes stammt die "Theorie der thermischen Zyklen": Hier wird angenommen, dass sich Spalten während der durch den Wärmestau bedingten Volumenvergrößerung der Erdkruste bilden. In diese Spalten dringe Magma ein und erreiche teilweise als Lava die Erdoberfläche. Durch die damit verbundene Wärmeabgabe trete nach der Phase der Aufwärmung und Ausdehnung eine Phase der Abkühlung und Schrumpfung ein. Diese Phasen bilden nach dieser Theorie eine dauernde Abfolge in der Erdgeschichte.[9] Diese Theorie steht jedoch im Widerspruch mit den meisten modernen Prinzipien der Rheologie.

Massenzunahme

Ott Christoph Hilgenberg, der seine Thesen zu Ehren Wegeners verfasste, untersuchte ab 1933[10] u.a. Phasenübergänge von Mineralien mit dem Ziel, die angenommene Erdexpansion zu begründen. Wie bei Jarkovski basiert sein System auf der Absorption und Transformation von "Äther-Energie", welche auch im Zusammenhang mit Gravitationsmodellen vom Le Sage Typ gesehen wurden. Der bekannteste Vertreter des Modells, Samuel Warren Carey, schlug noch 1996[11] ebenfalls eine Massenzunahme vor, schränkte aber ein, dass eine wirkliche Lösung des Problems erst auf kosmologischer Ebene (Expansion des Universums etc.) erreicht werden kann. Im Gegensatz zu Jordans Theorie impliziert eine solche Annahme eine geringere Gravitationswirkung in der Vergangenheit und wurde von Vertretern der Theorie zur Erklärung der enormen Größe der Dinosaurier verwendet.[12] Jedoch jegliche (unerklärte) Entstehung von neuer Materie durch Absorption eines (unerklärten) Äthers wird nicht als eine mit der modernen Physik zu vereinbarende Spekulation angesehen.

Status der Theorie

Obwohl noch immer von einigen Geologen außerhalb der herrschenden Meinung vertreten[13] gilt heute allgemein die Auffassung, dass das Erdexpansionskonzept viele globale Prozesse der Geodynamik genauso wenig erklären kann wie das durch die verschiedenen Disziplinen der Geologie (z.B. Tektonik, Paläomagnetismus, historische Geologie) zusammengetragene Wissen über das paläogeographische Aussehen der Erde sowie das durch Seismik ermittelte Bild der Erdkruste und des obersten Erdmantels. Der Haupteinwand gegen die Erdexpansion liegt jedoch im völligen Fehlen einer akzeptablen Begründung, warum der Erdradius zunehmen sollte. Diese Tatsache, zusammen mit der Weiterentwicklung der von Carey ursprünglich mitgeformten Theorie der Subduktion, führte zu dem bis heute andauernden Schattendasein des Modells.

Entstehung der Kontinente und Gebirge

Im Gegensatz zur etablierten Theorie der Plattentektonik, welche die beobachtete Drift der Kontinente mit konvektiven Strömungen im mittleren Erdmantel erklärt, folgert das Expansions-Modell dieselben Phänomene aus einer langsamen Zunahme des Erdvolumens. Nachdem die Erde entstanden war, soll sie nur eine vollständig geschlossene Kugel gewesen sein. Durch die Zunahme des Erdvolumens sei so die Erdkruste an ihren schwächsten Stellen, wo nun die Ozeane liegen, aufgerissen und habe so zur Entstehung der Kontinente geführt. Darüber hinaus sagt diese Theorie im Gegensatz zu Kontinentaldrifttheorie auch eine Übereinstimmung der Konturen bei den gegenüberliegenden pazifischen Küsten voraus, was aber durch den Augenschein nicht auf den ersten Blick zu sehen ist. Wie ein Puzzle lassen sich jedoch nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema, alle Kontinente und Inseln nahezu lückenlos zu einem (kleineren) Globus zusammenfügen, sehr schön zu sehen ist das z.B. in Animationen von Neal Adams.

Vertreter der Theorie der Erdexpansion haben eine Bildung der Ozeane erst zu Beginn des Kambriums postuliert. Die seitdem erfolgte Radiuszunahme gibt Laszlo Egyed (publ. 1957) mit 500 km an.

Die ozeanische Erdkruste ist im Vergleich zu den Kontinentalkrusten viel jünger. Die ältesten ozeanischen Krusten sind maximal 180 Mio Jahre alt, während die Kontinentalkrusten um bis zu 20-mal älter sind. Da die ozeanischen Krusten eine geringere Dicke als die kontinentalen aufweisen und sich Risse an den schwachen Stellen bilden, kann das junge Alter der ozeanischen Böden nach dieser Theorie durch die Neubildung der Ozeanböden erklärt werden. Die Plattentektonik erklärt das junge Alter der ozeanischen Kruste als Kreislauf zwischen Neubildung und Subduktion.

Gebirge entstehen laut der Expansionstheorie durch eine Änderung der Krümmung der Erde. So wird durch die abnehmende Krümmung die Erdkruste an einigen Orten zusammengedrückt, wodurch Gebirge entstehen.

Quellen

  1. Yarkovsky, 1888
  2. Drude, 1897
  3. Mantovani, 1889
  4. Mantovani, 1909
  5. In 1909, Mantovani drew some maps illustrating his ideas on continental displacements. His ideas are in some aspects different but in others astonishingly coinciding with mine. For instance, this was the case of the ancient grouping of the southern continents around austral Africa. Scalera et al., 2003, pp. 71-74
  6. Jordan, 1971
  7. Born, 1964/2003, pp. 319-320
  8. Born, 1964/2003, p. 489
  9. Hohl, 1970;´, 288-290
  10. Hilgenberg, 1933
  11. Carey, 1996, Kap. 11
  12. Scalera et al. pp. 220-224
  13. Scalera et al, 2003

Literatur

  • Yarkovsky, Ivan Osipovich: Hypothese cinetique de la Gravitation universelle et connexion avec la formation des elements chimiques. Moscow 1888.
  • Mantovani, R.: Les fractures de l’écorce terrestre et la théorie de LaOrt. In: Bull. Soc. Sc. et Arts Réunion. 1889, S. 41–53.
  • Drude, Paul: Ueber Fernewirkungen. In: Beilage zu den Annalen der Physik und Chemie, Neue Folge, Heft 1. 1897, S. I-XLIX.
  • Mantovani, R.: L’Antarctide. Je m’instruis. La science pour tous, n°38, 19 sept. 1909, S. 595–597.
  • Hilgenberg, O.C.: Vom wachsenden Erdball (The expanding Earth). Giessmann & Bartsch, Berlin 1933.
  • Born, M.: Die Relativitätstheorie Einsteins (Einstein’s Theory of Relativity). Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1964/2003, ISBN 3-540-00470-X.
  • Hohl, Rudolf: Geotektonische Hypothesen. In: Die Entwicklungsgeschichte der Erde. Brockhaus Nachschlagewerk Geologie mit einem ABC der Geologie. 4. Aufl., 1. Bd.,. 1970, S. 279–321.
  • Jordan, Pascual: The expanding earth: some consequences of Dirac's gravitation hypothesis. Pergamon Press, 1971.
  • Carey, Samuel Warren: Theories of the earth and universe: a history of dogma in the earth sciences. Stanford University Press, 1988, ISBN 0-8047-1364-2.
  • Michihei, Hoshino: The Expanding Earth evidence, causes and effects. Tokai University Press, 1998, ISBN 4-486-03139-3.
  • Scalera, G. and Jacob, K.-H. (Hrsg.): Why expanding Earth? – A book in honour of O.C. Hilgenberg. INGV, Rome 2003.

Siehe auch: