KZ Natzweiler-Struthof
Inhaftiert: 52.000 Opfer 25.000


Das KZ Natzweiler-Struthof war ein Straf- und Arbeitslager der Nationalsozialisten nahe dem Ort Natzweiler im Elsass, etwa 55 km südwestlich von Straßburg, 8 km vom Bahnhof Rothau entfernt, auf einem Gipfel der Vogesen in 800 m Höhe. Der Standort wurde von Hitlers Architekt Albert Speer wegen der dortigen Granitvorkommen selbst festgelegt.
Geschichtlicher Abriss
Im September 1940 wurde beschlossen, in 800 m Höhe am Nordabhang des Mont-Louise ein Konzentrationslager für 4000 Gefangene einzurichten. Am 1. Mai 1941 begann der Bau des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof, das mit ca. 7000 Gefangenen bald deutlich überfüllt war. Etwa 52.000 Personen aus ganz Europa sowie den nahe gelegenen Gefängnissen in Epinal, Nancy und Belfort wurden dorthin sowie in die angeschlossenen Nebenlager deportiert. 22.000 Personen starben in Folge von Entkräftung, Kälte, Mangelernährung und lagerbedingten Krankheiten oder wurden direkt ermordet.
Todesrate und Hinrichtungen
Die Gefangenen mussten bei kargen Mahlzeiten in den umliegenden Steinbrüchen für Speers geplante Monumentalbauten körperlich schwer arbeiten. Die Todesrate betrug fast 40%. Zum Vergleich: KZ Stutthof 66,5%, KZ Auschwitz 57%, KZ Mauthausen 52,5%, KZ Neuengamme 50%, KZ Sachsenhausen 42%, KZ Bergen-Belsen 40%, KZ Buchenwald 25%.
Wurden sie körperlich zu schwach, wurden sie hingerichtet und in einem Krematorium verbrannt. Es gab hierbei mehrere Arten der Hinrichtung: Tod durch Genickschuss (praktiziert in eigens dafür gebauten Räumlichkeiten) und Tod durch Erhängen. Beim Erhängen gab es wieder zwei Varianten: Bei geheimer Hinrichtung wurde die Person auf einen Schemel gestellt, der dann weggestoßen wurde. Das Genick brach und der/die Betroffene starb sofort. Bei öffentlichen Hinrichtungen, speziell zur Abschreckung, mussten sich die Todeskandidaten auf eine Falltür stellen. Der Strick um den Hals wurde vorher bereits angezogen, so dass das Genick nicht brach. Die langsam öffnende Falltür verursachte dann einen schrecklichen Erstickungstod, der sich über mehrere Minuten hinzog.
Lagergefängnisse
Zur Bestrafung wurden ungehorsame Häftlinge im lagereigenen Gefängnis festgehalten. Es wurde dabei zwischen drei Inhaftierungsstufen unterschieden:
- Erste Stufe: In einem hellen Raum mit Tageslicht bei Wasser und Brot, bis zu zehn Tage, mit bis zu 18 anderen Häftlingen zusammen im gleichen Raum (etwa 2 m x 3 m). Den Gefangenen wurde hier ein Eimer zum Stoffwechsel bereitgestellt (ein Eimer pro Zimmer, also für insgesamt 19 Personen).
- Zweite Stufe: In einem dunklen Raum mit Tageslicht, bei Wasser und Brot als Nahrung, bis zu 42 Tage, nur alle vier Tage eine ordentliche Mahlzeit, ansonsten etwa ähnliche Bedingungen wie bei Stufe eins.
- Stufe drei: Es ist kein Gefangener des Lager Struthof bekannt, der diese Prozedur überlebte. Ein Gefangener wurde in eine von 5 kleinen Nischen gesperrt (Höhe etwa 1,50 m, Breite etwa 0,8 m, Tiefe etwa 1 m), in der er bis zu seiner Hinrichtung verharren musste (es starben alle bereits vor ihrer Hinrichtung). Es gab keine Möglichkeit für Stoffwechsel. Man konnte nicht stehen oder liegen. Vermutlich gab es wenig bis gar kein Essen. Wie alle Räume des Lagers ist diese Nische im Sommer extrem heiß, im Winter erfriert man schnell. Diese kleinen Kammern waren Tag und Nacht stockdunkel. Ursprünglich waren sie für Heizungsanlagen vorgesehen, aber im KZ Natzweiler-Struthof war nie auch nur eine einzige Heizung in Betrieb, denn sie wurde nie gebaut.
Fluchtversuche
Ein Häftling grub während der Arbeit im Steinbruch unbemerkt ein Loch in die Erde und bedeckte sich mit Gras, um nicht gesehen zu werden. Nachdem die anderen Häftlinge am Abend ins Lager zurück mussten, blieb er die ganze Nacht über in seinem Versteck. Tatsächlich war er der Flucht sehr nahe, denn am nächsten Morgen war noch nichts aufgefallen. Beim Morgenappell jedoch, der immer mit größter Sorgfalt abgehalten wurde, fehlte der Mann und Suchhunde wurden benutzt, um alle möglichen Aufenthaltsorte abzusuchen. Als die Suchhunde den „Ausbrecher“ stellten, wurde er festgenommen. Mit grausamen Bisswunden wurde er tagelang gefangengehalten, bis er dann ausnahmsweise wieder im Lager arbeiten "durfte" (normalerweise wurden Fluchtversuche mit dem Tod durch Erhängen bestraft). Bei einem späteren Transport in ein anderes KZ gelang ihm ein neuer Fluchtversuch.
Einem Mann gelang es, sich die Uniform des Kommandanten anzueignen. Mit dessen Wagen konnte er unbemerkt aus dem Lager entkommen, denn die Wachposten salutierten den perfekt gekleideten Kommandanten sogar. Da im Elsass die Résistance sehr aktiv war, konnte der ehemalige Häftling innerhalb weniger Tage bis nach Algerien gelangen. In Algerien hatte er nichts mehr zu befürchten. Dies war der einzig bekannte erfolgreiche Fluchtversuch im KZ Natzweiler-Struthof.
„Unternehmen Wüste“
In zehn „Außenstellen“ des KZ Natzweiler-Struthof sollte zwischen Reutlingen und Rottweil im Vorland der Alb im dortigen "Schwarzen Jura" Ölschiefer im Tagebau gebrochen, in Meiler geschichtet, verschwelt und zu Öl umgewandelt werden, als Nazi-Deutschland wegen der durch alliierte Bombenangriffe zerstörten Raffinerien und Depots und des Ausfalls des vorher aus Rumänien bezogenen Erdöls in den letzten beiden Kriegsjahren gravierenden Mangel an Treibstoffen hatte.
Vier dieser "Werke" begannen mit der Produktion:
- "Werk Wüste 2" (KZ Bisingen)
- "Werk Wüste 4" (KZ Erzingen)
- "Werk Wüste 8" (KZ Dormettingen)
- "Werk Wüste 9" (KZ Schömberg)
Der Wirkungsgrad des Verfahrens war lächerlich; im KZ Bisingen schüttete der Lagerkommandant ab und zu Öl hinzu, wohl um seinen Posten zu behalten.
Die anderen sechs KZ wurden errichtet, Inhaftierte litten darin, aber mit der Produktion wurde gar nicht erst begonnen.
In allen Lagern kamen viele der meist jüdischen Häftlinge auf unmenschliche Weise ums Leben. In Bisingen erinnerern ein Massengrab mit Kreuzen und Gedenkstein, ein Museum und ein Lehrpfad daran. Massengräber gab und gibt es auch bei den anderen KZ, manche wurden unter der französischen Besatzung von ehemaligen Mitgliedern der NSDAP exhumiert.
Weitere Außenlager
KZ „Sportplatz“ - Haslach im Kinzigtal
siehe Gedenksätte Vulkan in Haslach im Kinzigtal
KZ Echterdingen
Auf dem „Fliegerhorst“ Echterdingen wurde ab November 1944 das KZ Echterdingen eingerichtet. Ungefähr 600 jüdische Inhaftierte wurden in einem Areal rund um einen weißen Hangar, eine sogenannte Eskimohalle, eingepfercht, der heute noch auf dem „South Airfield“ der United States Army steht. Sie mussten unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen Schäden auf dem Flughafen ausbessern und in Steinbrüchen der Umgebung (z.B. im "Emerland" bei Bernhausen) arbeiten. Die ausgemergelten Häftlinge konnten mitunter nicht mehr aus eigener Kraft zurück ins Lager: Zwei Mithäftlinge mussten sie mitschleifen, oder sie wurden auf einem zweirädrigen Karren transportiert. Bewacht wurden sie von Soldaten des „Fliegerhorstes“. Im Januar 1945 begann die SS mit der Auflösung des Lagers. Zurück blieben Massengräber, so zum Beispiel in der Nähe des Waldstückes "Ramsklinge" und auf dem Flughafen - und die weiße Halle.
Außenlager Geislingen/Steige
Ein weiteres Außenlager befand sich bei Geislingen/Steige. Die Häftlinge arbeiteten für die Württembergische Metallwarenfabrik. Eingerichtet wurde es im Februar 1944 als abgetrennter Teil des bereits bestehenden Fremdarbeitslagers in der Heidenheimer Straße mit einer Fläche von 10.000 m². Die 15 vorgesehenen Aufseherinnen wurden in Ravensbrück „ausgebildet“. Das Lager selbst bestand aus fünf Wohnbaracken, einer Revier- und einer Wirtschaftsbaracke. Die ersten Häftlinge für das Lager, etwa 700 jüdische Frauen, trafen am 28. Juli 1944 ein und mussten ab dem 16. August 1944 für WMF arbeiten. Die WMF zahlte pro Häftling täglich 4 RM an das KZ, erhielt im Gegenzug 0,80 RM für Essen und Bekleidung. Die Arbeit war in zwei Schichten eingeteilt; von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr und 18:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Die überlebenden Häftlinge berichteten, dass die Meister und anderen Mitarbeiter des Unternehmens sie korrekt behandelt hätten und ihnen teilweise sogar Lebensmittel und Medikamenten zugesteckt haben. Die Versorgung der Häftlinge mit Lebensmitteln im Lager war sehr mangelhaft, zum Teil auch, da die wenigen für die Gefangenen bestimmten Lebensmittel durch die Wachmannschaften teilweise unterschlagen wurden. Daher sah sich WMF gezwungen, die Lebensmittelrationen um eine Zulage von Käse und in den Nachtschichten um 1,5 l Suppe zu erweitern. Kranke oder schwangere Frauen wurden in das KZ Auschwitz transportiert, nach dessen Auflösung u.a. nach Bergen-Belsen. Leichter verletzte Häftlinge wurden im Krankenlager des Lagers versorgt. Im März 1945 bemühten sich Aufsichtsrat und Vorstand der WMF um Auflösung des Lagers, bevor die US-Truppen die Gegend erreichten. Ab Ende März 1945 arbeiteten die Häftlinge nicht mehr für die WMF; im April wurde die Insassen Richtung Dachau „evakuiert“. Ihr Ziel erreichten sie allerdings nicht, da der Zug von alliierten Truppen gestoppt wurde.
Außenlager Neckarelz
Für die ausgelagerte Produktion von Flugzeugmotoren im badischen Obrigheim wurde die Außenstelle Neckarelz errichtet, in der gleichzeitig bis zu 7500 Häftlinge aus verschiedenen Lagern arbeiteten. Sie war von März 1944 bis März 1945 in mehreren Gipssteinstollen untergebracht. Die Häftlinge waren in einer Schule und neu errichteten Baracken untergebracht. Insgesamt waren etwa 10.000 Gefangene in einem der zum Neckarelzer Lager gehörigen sogenannten Neckarlagern, wenn auch nicht alle zur selben Zeit, da die Häftlinge nach Bedarf zwischen den Kommandos verschoben und nicht mehr arbeitsfähige selektiert wurden. Die nicht mehr arbeitsfähigen Häftlinge wurden nach Natzweiler, KZ Dachau oder Vaihingen deportiert. Allein bis Oktober 1944 waren dies bei drei Transporten mindestens 750 Personen.
Am 28. März wurden wegen des Vorrückens amerikanischer Truppen in den Neckarraum die zu diesem Zeitpunkt dort befindlichen 4.000 gehfähigen Häftlinge des Außenlagers Neckarelz über Neuenstadt und Kupferzell zum Bahnhof in Waldenburg in Marsch gesetzt. Von Waldenburg aus erfolgte ein gruppenweiser Bahntransport nach Dachau.
Außenlager Bruttig
Ein Eisenbahntunnel, der zwischen den Ortschaften Bruttig und Treis bei Cochem an der Mosel verlief, sollte 1944 zu einer unterirdischen Fabrikhalle ausgebaut werden, deren Fertigstellung zu den ehrgeizigsten Vorhaben des SS-Generals Hans Kammler zählte. Dieser war von der Reichsführung mit dem "Sofortprogramm für bombensichere Unterbringung der Flugzeugindustrie" betraut worden.
Der Tunnel zwischen Bruttig und Treis bot eine Nutzfläche von insgesamt 21.000 Quadratmetern. Für den Ausbau der 2.565 Meter langen zweigleisigen Tunnelröhre veranschlagte Kammler gigantische Mengen von Baustoffen: 550 Tonnen Baueisen, 275 Tonnen Maschineneisen, 145 Festmeter Rundholz, 610 Kubikmeter Schnittholz, 1500 Tonnen Zement und 200.000 Ziegelsteine. Das Gesamtbauvolumen betrug dreieinhalb Millionen Reichsmark. Die Durchführung der Bauplanung, sowie die Bauleitung wurde dem Architekturbüro Heese in Berlin und dort federführend dem Dipl. Ing. Remagen übertragen. Die ausführende Baufirma war die Firma Fix aus Dernau. Der Reichsbahntunnel wurde der Firma Bosch in Stuttgart zur Fertigung von Zubehör für Flugzeugmotoren zur Verfügung gestellt. Bereits im April 1944 zogen die ersten Bosch-Arbeiter in den Tunnel ein und begannen mit der Produktion von Zündkerzen.
Die Gesamtleitung des Projektes "A7" oblag dem SS Führungsstab, dessen Büro sich in einem Hotel der Stadt Cochem befand. Chef war der SS Hauptsturmführer Gerrit Oldeboershuis, genannt Oldenburg, sein Stellvertreter SS-Untersturmführer Karl-Heinz Burckhardt. Insgesamt gehörten dem Führungsstab 18 Personen an: Zivilangestellte, Luftwaffeningenieure sowie technische Offiziere und Mannschaften der Waffen-SS. Ein Problem stellte zunächst die mangelhafte Zahl an Arbeitskräften dar, die dieses umfangreiche Großprojekt realisieren sollte. Doch die SS bot sich bereitwillig an, genügend Arbeitskräfte zu "liefern". Die Konzentrationslager boten hier eine anscheinend unerschöpfliche Quelle für "Menschenmaterial".
Menschen aus fast ganz Europa wurden als KZ-Häftlinge an die Mosel verschleppt und zur Zwangsarbeit herangezogen: Franzosen, Belgier, Luxemburger, Holländer, Norweger, Polen, Ukrainer, Russen, Griechen, Italiener, Spanier und einige Reichsdeutsche. Die meisten waren politische Häftlinge oder Kriegsgefangene. Viele trugen die Bezeichnung "AZA" , was verharmlosend für "Ausländische Zivilarbeiter" stand. Einige, besonders Deutsche, waren als "Kriminelle" eingestuft. Tatsächlich wurden alle nur zu einem Zweck an die Mosel gebracht: "Vernichtung durch Arbeit". Zu ihrer Bewachung wurde ein Kommando von Angehörigen der Luftwaffe nach Cochem beordert. Sie mussten unter schwersten Bedingungen den Ausbau des Tunnels vorantreiben. In der Zeit von der Errichtung des Lagers, Anfang März bis zu seiner Evakuierung am 15. September 1944 verloren viele Hundert Häftlinge ihr Leben durch Erschöpfung, Unterernährung, Folter und Exekutionen.
Außenlager Mannheim-Sandhofen
Ab Oktober 1944 befand sich in Mannheim-Sandhofen eine Außenstelle des KZ Natzweiler. Es diente zur Unterbringung von KZ-Häftlingen, die für Daimler-Benz Mannheim als Zwangsarbeiter beschäftigt wurden. Bei dieser Außenstelle handelte es sich um ein Lager der Endzeit des Dritten Reichs - es war ein Hungerlager. Über 1.000 polnische Männer und Jugendliche, die während des Warschauer Aufstands im Sommer 1944 aus ihrer Heimatstadt verschleppt worden waren, wurden hier zur Zwangsarbeit untergebracht. Dies geschah mitten in einem Wohngebiet, und zwar in der damaligen Friedrichschule. Die Anerkennung und der Versuch, dies auch öffentlich mittels einer Gedenktafel darzustellen, stieß über Jahrzehnte hinweg auf massiven Widerstand, da die Häftlinge ja als Zwangsarbeiter für den wichtigsten Arbeitgeber der Stadt, Daimler Benz, unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten und dies natürlich nicht offen zugegeben werden wollte, weder von Teilen der Stadtverwaltung noch von der Firmenleitung von Daimler Benz selbst. Im Jahre 1978, bei der Übergabe einer Gedenktafel zur Erinnerung an die Häftlinge der ehemaligen KZ-Außenstelle Sandhofen, kam es zu einem Eklat, als bei der Feier der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Josef Bugl mit den Worten «"Das ist ein Skandal", gemeinsam mit einem Großteil der Zuhörer unter Protest die Turnhalle der Gustav-Wiederkehr-Schule während einer Rede des CDU-Stadtrats Heinrich Kirsch verlassen hatte.[1]
Gegen viele Proteste und Einwände beschloss der Mannheimer Gemeinderat auf Betreiben des Stadtjugendrings e.V. und des DGB am 6. Oktober 1987 die Einrichtung einer Dokumentationsstätte in den Kellerräumen der Gustav-Wiederkehr-Schule; die Existenz des Lagers wird bis heute auf keiner offiziellen Internetseite der Gemeinde Mannheim auch nur erwähnt.
Außenlager Spaichingen
Von Anfang September 1944 bis 18. April 1945 bestand in Spaichingen/Kreis Tuttlingen ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof. Die Waffenfabrik Mauserwerke aus Oberndorf/Neckar verlegte unter dem Tarnnamen „Metallwerke Spaichingen“ einen Teil ihrer Produktion nach Spaichingen. In verschiedenen Fabrikräumen wurden KZ-Häftlinge zur Herstellung von Flugzeug-Bordwaffen eingesetzt. Außerdem mussten sie am Rande der Stadt im Gewann „Lehmgrube“ eine Halle hochziehen, die jedoch bis Kriegsende nicht fertig wurde. Zur Unterbringung der KZ-Häftlinge reichten die „Metallwerke“ im Sommer 1944 bei der Stadt einen Plan für die Errichtung von drei Baracken ein, eine davon zweistöckig. Bis Kriegsende waren zwei fertig, eine befand sich noch im Rohbau. Die Küchen des Lagers befanden sich Gasthaus „Kreuz“. 300 bis 400 Menschen waren im Lager durchschnittlich untergebracht. Nach Überlebendenberichten waren die Zustände im Außenlager Spaichingen verheerend: SS-Bewacher unter Lagerführer Schnabler und als Kapos eingesetzte „Berufsverbrecher“ misshandelten die Häftlinge. Die Ernährung war völlig unzureichend, Lagerleitung und –köche sollen Lebensmittel verschoben haben. Notwendige Kleidung stand kaum zur Verfügung, Krankheiten grassierten. Das Standesamt Spaichingen beurkundete 1944 2 und 1945 93 im Lager gestorbene oder ermordete Häftlinge. Als Todesursachen werden Herzlähmung, Herz- und Kreislaufschwäche, Herzschlag, allgemeine Körperschwäche, Tuberkulose, Sepsis, Lungenentzündung, „auf der Flucht erschossen“, „Selbstmord durch Erhängen“ genannt. Von den 95 Opfern ist bei 24 das Herkunftsland unbekannt, bei den übrigen handelte es sich um 21 Ungarn, 20 Italiener, 15 Jugoslawen, 5 Tschechen, 5 Slowaken, 2 Franzosen und jeweils 1 Schweizer, Österreicher und Russe.1 Der Spaichinger Arzt Dr. Ruffing, der von Ende September 1944 bis Januar 1945 amtlich 10 Todesfälle feststellen musste, ohne die Leichen gesehen zu haben, schätzte vor Gericht die Toten in diesem Zeitraum auf etwa 80. Zwischen Januar und April sollen nach Auskunft eines polnischen Lagerarztes 78 Menschen gestorben sein. Folglich ließen mindestens 160 Häftlinge im KZ-Außenlager Spaichingen ihr Leben. Die Rot-Kreuz-Schwester Margarete Deller besorgte für die Häftlinge Schwerarbeiterkarten beim Wirtschaftsamt in Tuttlingen, um die Ernährungslage etwas zu verbessern. Einzelne Spaichinger Einwohner deponierten Lebensmittel entlang des Weges, den die Arbeitssklaven zweimal täglich durch die Stadt nehmen mussten. Zwei Häftlinge sollen bei dem Versuch, danach zu greifen, von einem SS-Mann erschossen worden sein. Am 11. Oktober 1944 beschwerte sich die SS beim Bürgermeisteramt über den Besitzer des Gasthauses „Kreuz“, weil er Häftlingen, die in den Küchen arbeiteten, Brot zugesteckt hatte. Das Bürgermeisteramt drohte dem Wirt daraufhin mit Lagerhaft. Als das Lager am 18. April 1945 aufgelöst wurde, folgte für die rund 400 Häftlinge ein etwa zehntägiger Marsch in Richtung Allgäu. Über die Zahl der Toten auf diesem Evakuierungsmarsch liegen widersprüchliche Aussagen vor. Ein ehemaliger Häftling berichtete als Zeuge vor dem Gericht in Rastatt, dass nur etwa die Hälfte der Männer das Ende des Marsches in Füssen erlebte. In Rastatt waren SS-Leute, Wachmannschaften und Kommandoführer auch des KZ Spaichingen angeklagt wegen Mordes, Beihilfe zum Mord, Diebstahls und Kriegsverbrechens. Nach den Prozeßakten sind von den zunächst zur Verantwortung gezogenen sieben Angehörigen des KZ-Personals drei zum Tode verurteilt worden, einer zu lebenslänglicher Zwangsarbeit, ein anderer zu fünf Jahren Gefängnis. Der Direktor der „Metallwerke Spaichingen“, Jakob Hartmann, erhielt im Laufe des Jahres 1947 mehrere Jahre Gefängnis, weil er u.a. für die schlechte Ernährung der Häftlinge verantwortlich gemacht wurde. Nach Kriegsende ließ die französische Besatzungsmacht ein Steinkreuz auf einem Massengrab errichten. 1963 wurde in Spaichingen ein KZ-Ehrenmal – eine Stahlplastik des Tuttlinger Bildhauers Roland Martin – eingeweiht. Seit 9. November 2005 erinnern drei Bronzeplatten als „Stolpersteine“ im Stadtzentrum an das Außenlager. Das Gelände des ehemaligen KZ ist das Zentrum des heutigen Spaichingen; dort entstanden Rathaus, Evangelisches Gemeindehaus, Post, Büros, Geschäfte,Wohnungen und ein Busbahnhof.
Siehe auch
Literatur
- Hans Adamo, Florence Hervé: Natzweiler Struthof. Blicke gegen das Vergessen. Regards au-delà de l'oubli. Essen, Klartext. 2002. ISBN 3-89861-092-6
- Anita Awosusi/Andreas Pflock: Sinti und Roma im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. Anregungen für einen Gedenkstättenbesuch. Geschichte - Rundgang - Biografien - Informationen, hrsg. vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg 2006.
- Bernhard Brunner: Auf dem Weg zu einer Geschichte des Konzentrationslagers Natzweiler. Forschungsstand - Quellen - Methode. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg/Referat Gedenkstättenarbeit, Stuttgart 2000.
- Zu den Außenkommandos
- Detlef Ernst, Klaus Riexinger: Vernichtung durch Arbeit. Die Geschichte des KZ Kochendorf / Außenkommando des KZ Natzweiler-Struthof. Bad Friedrichshall. 1996, neue erw. Aufl. 2003.
- Ulrich Haller, Zwangsarbeit und Rüstungsproduktion in Geislingen an der Steige 1939-1945, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte (ZWLG) 57, 1998, S. 305-368.
- Heimes, Ernst: Ich habe immer nur den Zaun gesehen - Suche nach dem KZ Außenlager Cochem, 4. Auflage, Koblenz 1999
- Heimes, Ernst: Schattenmenschen, Erzählung über das KZ Außenlager Cochem, 2. Auflage, Frankfurt 2005
- Jochen Kastilan, Das Konzentrationslager in Spaichingen, in: Spaichinger Stadtchronik, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 1990
- Manfred Kersten, Walter Schmid: Der Mauser-Zug – Tagebuch einer Odyssee, Selbstverlag
- Manfred Kersten: Gerichtsprotokolle („Nichtamtliche Übersetzung aus dem Französischen, z.T. Inhaltsmäßig und auszugsweise") vom 9. Dezember 1946 bis Januar 1947, Rastatt, Kreisarchiv Tuttlingen,
- Hans-Joachim Lang: Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren. Hamburg 2004.
- Manuel Werner: Macht und Ohnmacht jugendlicher Luftwaffenhelfer - Ein Beispiel vom Fliegerhorst und KZ Echterdingen/Filder, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg/Erzieherausschuss der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Stuttgart (Hrsg.): Durch Faszination zur Macht - die Faszination der Macht. Bausteine zum Verhältnis von Macht und Manipulation. Handreichungen für den Unterricht, Stuttgart 2003.
- Joanna Skibinska: Die letzten Zeugen. Gespräche mit Überlebenden des KZ-Außenlagers „Katzbach“ in den Adlerwerken Frankfurt am Main Hanau 2005
- Glauning, Christine Entgrenzung und KZ-System: das Unternehmen "Wüste" und das Konzentrationslager in Bisingen 1944/45 Berlin: Metropol, 2006 (Reihe Geschichte der Konzentrationslager 1933 - 1945, Bd. 7) (Zugleich Göttingen, Univ., Diss., 2004) ISBN 978-3-938690-30-7 ISBN 3938690305
Quellen
- ↑ Mannheimer Morgen,08.03.1982
Weblinks
- http://www.buchhandlung-heimes.de/KZ.htm Beschreibung des KZ Außenlagers Cochem mit seinen Nebenlagern Bruttig und Treis
- Shoa.de - Beschreibung des Lagers mit Bildern und Berichten von Überlebenden
- Umfassende Darstellung eines Schülerprojekts zur Erarbeitung einer neuen Publikation zur KZ-Gedenkstätte Natzweiler-Struthof
- SWR - Konzentrationslager im Alpvorland
- Besuch der 10ten Klassen im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof (Elsaß)
- Zusätzliche Informationen sowie eine Liste der 86 Namen nebst Kurzbiografien
- http://www.team-delta.info/wiki/index.php?title=Zeisig Beitrag von Bernhard Gross in WikiUnterirdisch zum Treiser Tunnel und dessen Um- und Ausbau zur Rüstungsfabrik
- KZ-Gedenkstätte Mannheim-Sandhofen