Als Tierprozesse werden gerichtliche Prozesse mit Tieren als Angeklagten bezeichnet. Tierprozesse wurden vom 13. bis ins 19. Jahrhundert in Europa durchgeführt, wobei bis in das 19. Jahrhundert hinein Tiere in Europa angeklagt wurden.
Antike und im Mittelalter bis zum 13. Jahrhundert:
- Schädliche Tiere wurden spontan aus Rache oder Prävention getötet, ohne gerichtliche Verfahren. Damit wurde die technische Kontrolle vollzogen: Gewalt des Stärkeren. Mensch und Tier wurden auf ganz unterschiedliche Stufen gesehen.
Im späten Mittelalter und in der Neuzeit
- Neu war der gerichtliche Prozess gegen Tiere, womit diese damit auf eine menschliche Stufe gestellt wurden. Zusätzlich zur technischen Kontrolle kam der Versuch der sozialen Kontrolle: Beeinflussung der Tiere durch Verträge, Drohung, Abschreckung.
- Hintergründe:
- ab 13. Jahrhundert:
- europäische Rezession
- verstärkte Häretikerverfolgungen
- Inquisition
- Integrierung des Offizialprozesses
- Folter zur Wahrheitsfindung
- Ausweitung der Leibesstrafen
- ab 14. Jahrhundert: [1]
- Jagd auf Leprose
- Judenverfolgung
- Hexenverfolgung
Verstärkt wurden Tierprozesse in Frankreich geführt; auch in England und im Heiligen Römischen Reich fand eine Vielzahl von Prozessen statt. Weitere Länder waren zum Beispiel Italien, die Niederlande oder die Schweiz. In der frühen Neuzeit liefen sie parallel zu den Hexenprozessen. Die Anzahl der Opfer wird auf eine Zahl zwischen 150 bis zu einigen Tausend Tieren geschätzt. Die meisten Tiere, die zum Tode verurteilt wurden, wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder am Galgen gehängt.
Tiere wurden vor Gericht wie Menschen behandelt und so gab es auch Strafprozesse gegen sie. Man ging davon aus, dass nicht nur Menschen, sondern auch Tieren das Böse innewohnen könne. Vielen Tieren blieb aus dieser Zeit ein schlechter Ruf, manche wurden auch mit den Hexen in Verbindung gebracht.
vgl. Journal of interdiszip. history 2002 (Dinzelbacher, Animal trials)
Beispiele
Jahr | Land | Tier | Bestrafung | Anklagepunkt |
---|---|---|---|---|
13. Jh. | Schweiz | Schwein | Galgen | Kindesmord |
14. Jh. | - | Stier | Galgen | Verletzung eines Menschen |
1386 | England | Schwein | Galgen | Kindesmord |
1403 | Frankreich | Schwein | Galgen | - |
1474 | Schweiz (Basel) | Hahn | Scheiterhaufen | Basilisk (legte ein Ei) |
1516 | Frankreich | Heuschrecken | verbannt | Zerstörung der Ernte |
1519 | Italien (Südtirol) | Mäuse | verbannt | Zerstörung der Vorräte |
1559 | Deutschland | Vögel | verbannt | Störung einer heiligen Messe |
1685 | Deutschland | Wolf | Galgen | Tötung von Menschen und (Zucht-) Tieren |
18. Jh. | - | Stier | lebendig begraben | Auslöser einer Seuche |
18. Jh. | Großbritannien | Schwein | - | Kindesmord |
1740 | Frankreich | Kuh | Galgen | Zauberei |
Weblinks
- Karin Barton: Verfluchte Kreaturen: Lichtenbergs „Proben seltsamen Aberglaubens“ und die Logik der Hexen- und Insektenverfolgung im „Malleus Maleficarum“ (pdf), Druckfassung erschienen in: Ulrich Joost, Alexander Neumann (Hg.), Lichtenberg-Jahrbuch 2004, S. 11, Saarbrücken 2004 (SDV Saarländische Druckerei und Verlag), ISBN 3930843870
Quellen
- ↑ Peter Dinzelbacher: Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess. Magnusverlag. 12/2006. ISBN 978-3-88400-504-0