Balkanfeldzüge des Maurikios
Als der oströmische Kaiser Maurikios im Jahr 582 den Thron bestieg, fand er auf dem Balkan die wohl größten "Altlasten" seiner Vorgänger vor. Bereits Justinian I. vernachlässigte die Balkanverteidigung gegen die Slawen zugunsten einer Restaurationspolitik, die nur teilweise von dauerhaftem Erfolg war. Justin II. spielte die Awaren gegen die Gepiden und später gegen die Slawen aus, erreichte aber nur, dass sich mit dem Awarenkhaganat ein Staat etablieren konnte, der eine ungleich größere Bedrohung als die Gepiden und Slawen darstellte. Hinzu kam, dass bei den Awaren aufgrund ihrer Feldzüge gegen die Slawen auf römischem Gebiet Begehrlichkeiten geweckt wurden. Ein ebenfalls von Justin II. mit den persischen Sassaniden 572 vom Zaun gebrochener und sich hinziehender Krieg band ein Großteil der Truppen, die zur Verteidigung des Balkans erforderlich waren. Seinem unmittelbaren Vorgänger und Adoptiv- und Schwiegervater Tiberios I. wiederum verdankte Maurikios leere Staatskassen. So gingen die Slaweneinfälle auf dem Balkan weiter und zerstörten vielerorts den spätantiken Charakter der Balkanprovinzen. Wenige Monate vor dem Regierungsantritt des Maurikios hatten die Awaren unter ihrem Khagan Baian mit ihren slawischen Hilfstruppen Sirmium in Pannonien eingenommen. Damit hatten sie eine Machtbasis südlich der Donau geschaffen, von der sie aus ungehindert auf der Balkanhalbinsel operieren konnten, zumal die Save im Vergleich zur Donau leicht zu überqueren war. Auch wenn gelegentlich die Awaren durch Tributzahlungen ruhiggestellt werden konnten, brachen sie immer wieder die Friedensvereinbarungen. Die teilweise unter awarischer Oberhoheit stehenden Slawen zogen selbstständig plündernd durch die Balkanhalbinsel, zum Teil offenbar in der Absicht, sich auf dem Balkan der awarischen Oberhoheit zu entziehen. Awaren und Slawen stellten daher zwei unterschiedliche Bedrohungen dar.

In seiner Regierungszeit unternahm Maurikios eine Reihe von Feldzügen gegen die Awaren und Slawen. In der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit waren sie dank eines Friedens mit Persien der Schwerpunkt seiner Außenpolitik. Der Ausgang der Feldzüge war wechselhaft, doch es überwogen hart erkämpfte Erfolge, die Grundlage für den Erhalt der spätantiken Ordnung auf dem Balkan hätten werden können, denn Maurikios war auf gutem Wege, die Landnahme der Slawen auf dem Balkan zu verhindern. Sein Werk wurde lediglich durch die politischen Wirren nach seinem Sturz zunichte gemacht. Rückblickend betrachtet waren diese Feldzüge die letzten der über Jahrhunderte geführten römischen Abwehrfeldzüge gegen Barbaren an Rhein und Donau. Zumindest in Bezug auf die Slawen hatten diese Feldzüge die den römischen Barbarenfeldzügen eigenen Wesensmerkmale eines Kampfes gegen Nichtstaatliche Bedrohung und der Asymmetrischen Kriegsführung.
Awaren- und Slaweneinfälle 582 bis 591
Nach der Eroberung Sirmiums nahmen auch die slawischen Einfälle weiter zu. Vorstöße zur Peloponnes führten 583 zur Gründung der Festung Monemvasia. 584 eroberten die Awaren Sigidunum und rollten in der Folgezeit die Kette der von Justinian I. errichteten/erneuerten Festungen entlang der Donau auf. Viminacium fiel bereits im gleichen Jahr.
Da Maurikios zunächst noch durch den von seinem Vorvorgänger Justin II. verursachten Krieg gegen das Sassanidenreich gebunden war (siehe dazu Römisch-Persische Kriege), konnte er auf dem Balkan unter dem magister militum per Thracias lediglich zusammengewürfelte Truppen den Awaren und Slawen entgegenstellen. Die Aufstellung von Truppen auf dem Balkan wurde durch den Umstand erschwert, dass es sich bei dem dortigen Kriegsschauplatz in den 580er-Jahren um einen Verteidigungskrieg auf eigenem Boden handelte, bei dem es im Gegensatz zu dem persischen Gegenstück praktisch keine Möglichkeit gab, den Wehrsold durch Plünderungen aufzubessern. Die durch diesen Umstand eher demotivierten Truppen taten sich schwer, auch nur örtliche Erfolge zu erzielen. Der Sieg des Komentiolos bei Adrianopolis um die Jahreswende 584/585 stellte eher eine Ausnahme dar und lenkte die Slawen nach Griechenland ab. Die Zerstörung großer Teile Athens fällt vermutlich in diesen Zeitraum.
Die Lage auf dem Balkan war 585 so kritisch, dass der persische Großkönig Hormizd IV. hoffte, mit einem Friedensangebot die Oströmer zur Preisgabe Armeniens zu bewegen. Da Maurikios ablehnte und erst 591 mit den Persern einen im Vergleich deutlich günstigeren Frieden aushandeln konnte, musste er die Plünderungszüge der Awaren und Slawen auf dem Balkan bis auf weiteres hinnehmen und hoffen, dass er von dem grenznahen Singidunum das awarische Gebiet bedrohen und die Awaren so von weiteren Einbrüchen abhalten konnte. Tatsächlich war die römische Präsenz an Zusammenfluss von Save und Donau stark genug, dass die Awaren ihre Raubzüge immer wieder abbrechen mussten. Vollständig unterbunden werden konnten die Feldzüge hierdurch jedoch nicht. Denn trotzdem konnten 586 awarische Angreifer Ratiaria und Oescus an der Donau zerstören und Thessaloniki belagern, während slawische Gruppen erneut bis zur Peloponnes vorstießen. Am Unterlauf der Donau scheiterten zwei Versuche des Komentiolos, den Awarenkhagen gefangen zu nehmen. Auch war der erste Balkanfeldzug des Priskos in Thrakien und Moesien ein Fiasko und ermutigte die Awaren sogar zu einem Vorstoß bis an das Marmarameer. Die Tatsache, dass Ende der 580er-Jahre der Druck der Awaren nachließ, war mehr auf den mittlerweile schlechten Zustand der von den Awaren bei Sirmium errichteten Savebrücken zurück zu führen.
Dennoch war Maurikios darauf bedacht, seine Truppen auf dem Balkan zu verstärken, zumal die slawischen Plünderungszüge unvermindert anhielten. Die diesbezüglichen Gelder erhoffte er sich 588 durch Soldkürzungen um ein Viertel. Da diese Pläne im April 588 zu Revolten an der persischen Front führten, legte Maurikios sie 589 vorläufig auf Eis. Die Folge für den Balkan war, dass Maurikios auch die nächsten drei Jahre nur begrenzte Möglichkeiten zur Eindämmung der Awaren und Slawen hatte.
Die Feldzüge 591–595
Als dann im Spätsommer 591 Maurikios Frieden mit Persien schließen und dabei auch Armenien zurück gewinnen konnte, standen ihm nicht nur die erfahrenen Veteranen des Perserkrieges für den Balkan zur Verfügung, sondern auch die Menschenreserven Armeniens. Der nachlassende Druck der Awaren und Perser ermöglichte den Römern bereits 590/591, sich auf die Slawen zu konzentrieren und die Lage auf dem Balkan langsam zu bereinigen. Maurikios bereiste Anchialos (heutiger Name Pomorje) am Schwarzen Meer und andere Städte in Thrakien persönlich, um den Wiederaufbau der Region zu beaufsichtigen und seinen Truppen und der Bevölkerung neuen Mut einzuflössen. Er beschleunigte nach dem Friedensschluss mit Persien diese Entwicklung unverzüglich mit der Verlegung seiner Truppen auf den Balkan.
592 eroberten seine Truppen Singidunum, dass offensichtlich zwischenzeitlich wieder von den Awaren erobert wurde, zurück, während kleinere Einheiten slawische Plünderer in Moesien verfolgten und die Verbindungen zwischen den römischen Städten wieder herstellten. Ziel des Maurikios war es, entlang der Donau von Ost nach West die Donaulinie wieder herzustellen, so wie es hundert Jahre zuvor Anastasios I. getan hatte. Des Weiteren beabsichtigte er, durch Präventivkriegsführung die Awaren und Slawen von römischem Gebiet fernzuhalten und durch die Möglichkeit der Plünderung im Feindesland die Feldzüge für die Soldaten attraktiver zu machen.
Sein Feldherr Priskos ging im Frühjahr 593 dazu über, die Slawen an der Überquerung der Donau zu hindern. Er fügte ihnen mehrere schwere Niederlagen zu, bevor er ihnen über die Donau in die heutige Walachei nachsetzte, wo er trotz der waldreichen und sumpfigen Gegend den Slawen weitere Niederlagen zufügen konnte. Er setzte die Operationen bis in den Herbst fort, missachtete jedoch einen Befehl von Maurikios, in der Walachei zu überwintern, um so die kalte Jahreszeit (zugefrorene Flüsse und Sümpfe, entlaubte Bäume) ausnutzen zu können. Begünstigt durch den Rückzug der römischen Truppen in das Winterquartier in Odessos zogen um die Jahreswende 593/594 die Slawen erneut plündernd durch Moesien und Makedonien und verwüsteten im Westen Aquis, Scupi und Zaldapa nahe der Dobrudscha.
594 löste Maurikios Priskos daher ab und ersetzte ihn durch seinen noch unerfahrenen Bruder Petros. Petros konnte sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten behaupten und patrouillierte die Donau zwischen Novae (heutiger Name Swischtow) und dem Schwarzen Meer. Ende August überschritt auch er die Donau und besiegte die Slawen, wodurch er deren Vorbereitungen für Plünderungszüge empfindlich stören konnte.
Diese Erfolge ermöglichten es Priskos, der den Oberbefehl über ein weiteres Heer flussaufwärts erhalten hatte, 595 entlang des Nordufers der Donau auf Singidunum zu marschieren und im Zusammenwirken mit der oströmischen Donauflotte einen awarischen Angriff auf diese Stadt zu verhindern, ohne dass es zu einer nennenswerten Schlacht kam. Die Tatsache, dass die Awaren anders als 584 die Stadt zerstören und die Bevölkerung deportieren wollten, ist ein Zeichen schwindenden Selbstvertrauens und der Bedrohung, die sie in dieser grenznahen Stadt sahen.
Die Awaren vermieden auch anschließend die direkte Konfrontation mit Priskos und drehten nach Dalmatien ab, wo sie mehrere Festungen eroberten. Zu keinem Zeitpunkt hatten slawische Einfälle in diese abgelegene und veramte Provinz bei römischen Heerführen für übermäßige Besorgnis gesorgt. Priskos konnte es sich daher nicht leisten, durch einen Feldzug in Dalmatien die Donaugrenze zu entblößen. Er begnügte sich mit der Entsendung einer kleinen Abteilung, die den Awaren immerhin einen Teil ihrer Beute wieder abnehmen konnte.
596/597
Nach dem nur teilweise erfolgreichen Awarenzug in Dalmatien herrschte anderthalb Jahre lang eine relative Ruhe auf dem Balkan. Durch ihre Niederlagen entmutigt, sahen die Awaren größere Aussicht auf Beute im Westen bei den Franken, während die Römer von ihrem Lager in Dewnja kleinere Feldzüge am Unterlauf der Donau gegen die Slawen führten.
Die Feldzüge 597–602
Von fränkischen Tributzahlungen gestärkt, nahmen die Awaren im Herbst 597 ihre Feldzüge an der Donau wieder auf und überraschten die Römer. Es gelang ihnen sogar, Priskos in Tomis am Schwarzen Meer einzuschließen. Am 30. März 598 brachen sie die Belagerung aber ab, da Komentiolos mit einem Heer von zugegeben unerfahrenen Soldaten über das Balkangebirge zur Donau bis Zikidiba nahe beim heutigen Medgidia marschierte und sich damit bis auf 30 km Tomis näherte. Aus unerklärlichen Gründen setzte Priskos den Awaren nicht nach, so dass Komentiolos – auf sich allein gestellt – nach Iatrus ausweichen musste, wo seine Truppen von den Awaren versprengt wurden und sich über das Balkangebirge nach Süden durchschlagen mussten. Die Awaren nutzten diesen Erfolg aus und stießen bis nach Drizipera bei Arkadiopolis vor und befanden sich damit genau zwischen Adrianopolis und Konstantinopel, wo Teile ihres Heeres und sieben Söhne des Awarenkhagans Baian durch die Pest dahingerafft wurden. Durch Tributzahlungen konnten die Awaren zum Abzug bewegt werden. Im gleichen Jahr wurde ein Vertrag mit dem Awarenkhagan geschlossen, der römischen Truppen ausdrücklich Feldzüge in die Walachei erlaubte. Die Römer nutzten das verbleibende Jahr zur Reorganisation ihrer angeschlagenen Heere und zur Analyse der Gründe für das Debakel. Priskos rückte in den Raum Singidunum vor und überwinterte 598/599 dort.
Im Sommer 599 brachen die Römer den Vertrag. Priskos zog mit seinem Heer flußabwärts zum nahe gelegenen Viminacium und setzte dort über die Donau. Am Nordufer besiegte er die Awaren zum ersten mal in offener Feldschlacht. Hierbei fielen weitere Sohne des Awarenkhagans Baian. Priskos und Komentiolos stießen sodann in die pannonische Tiefebene und damit in das awarische Kernland vor. Während Komentiolos in der Nähe der Donau verharrte, schlug Priskos die Awaren tief im Inneren ihres Reiches. Anschliessend verwüstete Priskos weite Landstriche, so wie es Awaren und Slawen vorher auf dem Balkan getan hatten. Einzelne Awarenstämme und die von ihnen beherrschten Gepiden erlitten besonders hohe Verluste. Des Weiteren konnte der Exarch von Ravenna 599 slawische Einfälle in Istrien abwehren.
Im Herbst 599 öffnete Komentiolos die seit Jahrzehnten nicht mehr genutzte Trajanische Pforte (die möglicherweise mit dem Schipkapass identisch ist) erneut, während im Jahre 601 Petros zur Theiß vorstieß und die Awaren von den Stromschnellen fernhielt, deren Besitz für den Zugang der römischen Donauflotte zu den Städten Sirmium und Singidunum unabdingbar war. 602 konnten die Slawen in der Walachei entscheidend geschlagen werden, während das Awarenreich durch die Anten bedroht wurde und infolge von Aufständen der Teilstämme auseinanderzubrechen drohte. Eine Gruppe von Awaren verliess sogar das Khaganat, um sich auf die Seite des Kaisers zu schlagen. Die Römer konnten nun die Donaulinie wieder weitgehend halten. Im Ergebnis zahlte sich die aggressive "Verteidigung des römischen Reiches in der Walachei und in Pannonien“ aus. Als aber Maurikios erneut einen Winterfeldzug befahl, um zum einen diese Erfolge auszunutzen und um zum anderen Geld für die Winterquartiere zu sparen, meuterte die Armee. Dies führte letztlich zum Sturz und Tod des Kaisers.
Der Balkan nach 602
Maurikios hatte die Lage auf dem Balkan bereinigt und den Plünderungszügen der Awaren und Slawen zunächst ein Ende gemacht. Er war somit seit Anastasios I. der erste Kaiser, der die Befriedung der Balkanprovinzen für sich verbuchen konnte. Damit standen die römischen Balkanprovinzen an der Schwelle einer möglichen Erholung. Sie bedurften aber eines Wiederaufbaus und Neubesiedlung der entvölkerten Landstriche. Hierfür hatte Maurikios Pläne parat; Armenier sollten als Wehrbauern auf dem Balkan angesiedelt und die bereits eingewanderten Slawen romanisiert werden. Mit seinem Sturz wurde dies jedoch ebenso zur Makulatur wie die Fortsetzung der Feldzüge und die damit einhergehende Vernichtung des Awarenreiches. Der neue Kaiser Phokas (602-610) musste nämlich erneut gegen die Perser kämpfen, die bereits in der ersten Phase des Krieges Armenien besetzen konnten. Des Weiteren hatte eine Meuterei gegen die Auswüchse der Feldzüge ihn gerade an die Macht gebracht. Aus genannten Gründen war Phokas gezwungen, die aggressive Verteidigung und ebenso die Ansiedlung armenischer Wehrbauern aufzugeben. Somit musste er als Preis für seine Machtergreifung den Sieg auf dem Balkan verschenken.
Die Annahme, dass die römische Balkanverteidigung gerade deshalb bereits unter seiner Herrschaft zusammenbrach, dürfte falsch sein. Das gleiche gilt in Bezug auf die Theorie, dass dieser Zusammenbruch sich schnell vollzog. Phokas mag auf dem Balkan untätig gewesen sein und dürfte wohl Truppen von dem Balkan an die persische Front verlegt haben, doch spricht gegen eine völlige Entblößung des Balkans vielleicht seine thrakische Herkunft. Ein Zusammenbruch während seiner Herrschaft ist auch nicht durch archäologische Funde wie etwa Münzhortungen belegt. Demgegenüber ist bekannt, dass Flüchtlinge aus Dardanien sowie aus "Dakien" und "Pannonien" erst unter seinem Nachfolger Herakleios (610-641) in Thessalonike Zuflucht suchten. Es erscheint sogar eine weitere Erholung der Balkanprovinzen unter der Herrschaft des Phokas denkbar. Dies darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass seine Untätigkeit auf dem Balkan den Grundstein für den Verlust der Balkanprovinzen legte.
Es dürfte wohl erst Herakleios gewesen sein, der alle Truppen vom Balkan abzog – denn durch den Sturz des Phokas und den damit einhergehenden Bürgerkriegswirren verschlechterte sich die militärische Lage im Osten in einem bisher nie dagewesenen Maße. Neben der Ermutigung der Awaren durch ihre Erfolge gegen die Langobarden in Friaul 610 und gegen die Franken 611 könnte dies der Grund dafür gewesen sein, weshalb die Awaren und Slawen ihre Einfälle auf dem Balkan nach der Machtübernahme von Herakleios erneuterten, frühestens ab 612. Damit deckt sich auch der Umstand, dass die Chroniken erst in den 610er-Jahren von neuen Plünderungszügen berichten, denen Städte wie Justiniana Prima oder Salona dann zum Opfer fielen. Wann welche Gegend von den Slawen „überschwemmt“ wurde, ist nicht bekannt. Lediglich einzelne Ereignisse ragen heraus; die Zerstörung von Novae nach 613, die Eroberung von Naissus und Serdika sowie die Zerstörung von Justiniana Prima 615, die dreimalige Belagerung von Thessalonike (610?, 615 und 617), die Schlacht bei Herakleia am Marmarameer 619 und die Belagerung von Konstantinopel (626). Des Weiteren siedelte Herakleios die Serben in Illyrien und die Kroaten in Dalmatien und Unterpannonien als Foederaten gegen die Awaren an, die allerdings 630 das unter byzantinischer Oberhoheit stehende Gebiet auch im Westen bis an die Save ausdehnten.
Einige Städte überlebten jedoch die Awaren- und Slawenstürme und konnten sich dank der See- und Flussverbindungen mit Konstantinopel noch lange halten. So berichten Chroniken um 625 von einem römischen Festungskommandanten Singidunums. Aber auch an schiffbaren Nebenflüssen der Donau hielten sich römische Siedlungen, etwa das heutige Weliko Tarnowo an der Jantra, in dem sich eine im siebten Jahrhundert erbaute Kirche befindet. Herakleios nutzte das kurze Zeitfenster zwischen dem Frieden mit Persien 628 und dem Einfall der Araber 634 zur Wiederherstellung der römischen Herrschaft auf dem Balkan, was vor allem durch den Bau der Festung Nikopolis 629 belegt ist. Da er jedoch anschliessend durch den Kampf gegen die Araber im Osten gebunden war, konnte er wie auch seine Nachfolger die oströmische Herrschaft über die Balkanhalbinsel nicht wiederherstellen. Die Städte, die von der Polis im Antiken Sinne zum Kastron degeneriert waren, konnten nicht wieder aufblühen. Die Folge war eine Assimilierung der verbleibenden römischen Provinzialbevölkerung durch die slawischen Neusiedler. Dennoch bewahrten einige Städte entlang der Donau und ihrer Nebenflüsse in Moesien ihrem römischen Charakter noch bis zum Einfall der Protobulgaren im Jahr 679 und standen bis zu diesem Zeitpunkt noch unter byzantinischer Herrschaft. Der Umstand, dass die Protobulgaren zunächst als Amts- und Verwaltungssprache eine Art derangiertes Griechisch nutzten, zeigt, dass es auch nach 679 römische Bevölkerung und Verwaltungsstrukturen in Moesien gab. In Dalmatien hielten sich romanische Idiome (Dalmatisch) sogar noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, während in Makedonien die Vorfahren der heutigen Aromunen als Wanderhirten überlebten. Umstritten ist bis heute, ob auch die Rumänen von den Resten der römischen Provinzialbevölkerung südlich der Donau abstammen (so die von Robert Roesler entwickelte Migrationstheorie, vgl. aber die Dako-romanische Kontinuitätstheorie). In allem war der Niedergang der römischen Macht wohl ein langsamer Vorgang, der nur deshalb vonstatten ging, da Byzanz nicht genug Truppen zur Verfügung hatte, um flächendeckend die Verbindungswege zwischen den Städten zu sichern. Daher konnte Byzanz die Oberhoheit über die Balkanslawen immer nur örtlich und zeitlich begrenzt in eine Herrschaft verwandeln, um so die Grundlage für die Assimilierung von Balkanslawen zu schaffen. Soweit jedoch Byzanz im Osten Atempausen vergönnt war, nutzte es jede Gelegenheit, um Slawen zu unterwerfen und teilweise nach Kleinasien umzusiedeln. So gelang – um zwei Jahrhunderte verzögert – zumindest in Griechenland und Thrakien eine Rehellenisierung.
Folgen der Balkanfeldzüge
Schlussendlich wurden die Erfolge der Feldzüge des Maurikios von Phokas vertan. Der von Maurikios geplante Wiederaufbau der Infrastruktur blieb ebenso aus wie die Wiederbesiedlung. Herakleios konnte sich noch weniger um die Balkanhalbinsel kümmern. Daher verbleibt als unmittelbare Folge nur die Verzögerung der slawischen Landnahme um rund zwei Jahrzehnte. Aus diesem Grund werden die Feldzüge in Teilen der Literatur fälschlicherweise als Misserfolge abgehandelt.
Langfristig dürfte sich der Umstand ausgewirkt haben, dass in der Spätphase ab 599 die Awaren in ihrem eigenen Land geschlagen wurden und nicht in der Lage waren, sich selbst und ihre Untertanen zu beschützen. Sie galten bis zur Schlacht bei Viminacium als unbesiegbar und konnten sich eine gründliche Ausbeutung der unterworfenen Völker leisten. Als dieser Nimbus zerstört wurde, brachen erste Aufstände aus, die ab 603 jedoch zunächst nieder geschlagen werden konnten; außerdem konnten die Awaren gegen Langobarden, Franken und Oströmer weitere Erfolge erzielen. Allerdings gelang es den Awaren nicht, diesen Nimbus wiederherzustellen, was allein durch die 623 beginnenden Aufstände eines Teils der Slawen unter Führung des fränkischen Kaufmanns Samo belegt wurde. Diese Aufstände fanden schon vor der awarischen Niederlage vor Konstantinopel statt und können allein schon aus diesem Grunde nicht, wie im Schrifttum gerne suggeriert wird, eine Folge der gescheiterten Belagerung sein.
Damit waren die Erfolge von Maurikios der Anfang vom Ende der awarischen Vormachtstellung, deren Schwinden für Ostrom/Byzanz dem Ende der awarischen Bedrohung gleich kam, wenn die Macht des Khaganats auch erst infolge der erfolglosen Belagerung Konstantinopels zusammenbrach und das Awarenreich erst exakt 200 Jahre später durch Feldzüge Karls des Grossen (791-803) vernichtet wurde. Die in den 630er-Jahren einsetzende Islamische Expansion, welche zum Verlust aller (ost-)römischen Orientprovinzen führte, und die damit einhergehende ständige Bedrohung des strategisch wichtigen Kleinasiens durch die Araber, hatte jedoch auch für den Balkan Folgen. Es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bevor Byzanz hier wieder in die Offensive gehen konnte und sukzessiv Teile der von den Slawen beherrschten Gebiete (Sklavinien) zurückerobern konnte. Weitere Jahrhunderte sollten vergehen, bis Basileios II. die Balkanhalbinsel wieder vollständig unter byzantinischer Herrschaft bringen konnte.
Literatur
Siehe Artikel Maurikios.
- Walter Pohl: Die Awaren. 2. Aufl., München 2002.
- Michael Whitby: The Emperor Maurice and his Historian – Theophylact Simocatta on Persian and Balkan Warfare. Oxford 1988.