Charles de Foucauld
Charles Eugène Vicomte de Foucauld (* 15. September 1858 in Straßburg; † 1. Dezember 1916 in Tamanrasset, Algerien) war ein französischer Priester und Mönch.

Leben und Werk
Kindheit und Jugend
Charles de Foucauld wurde am 15. September 1858 in Straßburg als älteres von zwei Kindern des Grafen de Foucauld, damals eine der reichsten Familien Frankreichs, geboren. 1863 ging die Ehe der Eltern zu Bruch, 1864 starb der Vater an Tuberkulose und im selben Jahr kurz darauf die Mutter im Wochenbett. Foucauld kam daraufhin gemeinsam mit seiner Schwester Marie in die Obhut seines Großvaters mütterlicherseits, des Oberst de Morlet. Vor den herannahenden deutschen Truppen während des Deutsch-Französischen Krieges floh die Familie 1870 über die Schweiz nach Nancy, wo Foucauld das Gymnasium besuchte. 1874 wechselte er an das Jesuitengymnasium in Paris, von diesem 1875 wegen Faulheit und asozialem Benehmens verjagt, legte er 1876 an einer staatlichen Schule das Abitur ab. Im selben Jahr Eintritt in die Militärschule Saint-Cyr, die er 1878 als Unterleutnant verließ. Während der zweijährigen Offiziersausbildung in Saint-Cyr erhielt er 45 Strafen wegen Ungehorsam, Faulheit und Nachlässigkeit, das Examen bestand er mit Mühe als einer der letzten.
Leichtes Leben, in der Armee und als Forscher
Nach der Militärschule begann er 1878 beim 4. Husarenregiment in Saumur seinen Dienst. 1879 nach Pont-à-Mousson versetzt, folgte im Dezember 1880 die Verlegung nach Algerien, wo er am 20. März 1881 wegen anstößigem Benehmen und Ungehorsam unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde.
Bereits während der Schulzeit führte Foucault einen ausschweifenden Lebenswandel, der zu Skandalen Anlass gab. Nachdem 1878 sein Großvater de Morlet gestorben war, erbte Foucauld 840.000 Goldfranken, die er in wenigen folgenden Jahren bei Prostituierten und mit nahezu täglichen Trink- und Essorgien mit Freunden vergeudete. Seine Favoritin Mimi, die er sogar in die Kaserne eingeschmuggelt haben soll, begleitete ihn auch nach Algerien, wo diese Beziehung schließlich seine Entlassung als Offizier nach sich zog. Nach dreimonatiger Algerienrundreise mit Mimi las Foucauld in der Zeitung von einem Aufstand, woraufhin er seine Geliebte verließ und in Paris die Zustimmung für seine dienstliche Reaktivierung durchsetzte. Völlig entgegengesetzt seinem bisherigen Verhalten, erwies er sich nun als tapferer Soldat und erwarb sich erstmals Achtung.
Seine Soldatenzeit in Algerien brachte ihn mit der arabischen Welt und dem Islam in Berührung und weckte seinen Entschluss, Marokko, Algerien und Tunesien zu erforschen. Als sein Ersuchen um Studienurlaub abgelehnt wurde, verließ er am 28. Januar 1882 auf eigenen Wunsch die Armee und begann Hebräisch zu lernen. Zusammen mit dem jüdischen Rabbi Mardochi Abi Serur, welcher eine ähnlich bewegte Vergangenheit wie Foucauld hinter sich hatte, begann er nun Marokko zu erforschen. Am 25. Juni 1883 überquerten die beiden die Grenze zum damals für Christen verbotenen Marokko, Foucauld gab sich dabei als russischer Rabbi Joseph Aleman aus, da Juden die Einreise gestattet war. Alleine mit Sextant und Kompass als technischer Ausrüstung ausgestattet, fertigten sie erstmals Kartenskizzen des Atlas-Gebirges an, welches bis dahin nur ein weißer Fleck auf den Landkarten war.
Nach 11-monatiger Reise kehrte Foucauld im Mai 1884 nach Paris zurück und schrieb mit Unterstützung des berühmten Saharareisenden Henri Duveyrier über seine Erlebnisse das Werk Forschungsreise durch Marokko, das ihn berühmt machte. Die Französische Geographische Gesellschaft verlieh ihm 1885 für die Ergebnisse seiner Arbeit die Goldmedaille, die englische Presse war voll des Lobes über Foucaulds Leistungen. Als angesehener Forscher arbeitete er in den folgenden Jahren in Algier und Paris in Bibliotheken. Seine Familie, die ihn wegen seines früheren skandalösen Lebenswandels am 12. Juni 1882 gerichtlich hatte entmündigen lassen, machte diese Anordnung aber erst im Januar 1889 wieder rückgängig.
In der Kirche
Bereits 1873 hatte Foucauld nach eigenem Bekunden jeglichen Glauben an Gott und die Kirche verloren. Am 30. Oktober 1886 vollzog sich bei ihm ein weiterer radikaler Wandel, als er sich der Kirche wieder zuwendete. An diesem Tag begegnete er Abbé Henri Huvelin, mit dem er von nun an bis an sein Lebensende befreundet blieb und legte vor diesem eine Lebensbeichte ab. Immer größeren Stellenwert nahm nun der Glauben in seinem Leben ein und am 16. Januar 1890 trat er in den Orden der Trappisten ein, sein Ordensname lautete Bruder Maria-Alberich. Zuerst in der Abtei Notre-Dame des Neiges in Saint-Laurent-les-Bains, ließ er sich im Juni desselben Jahres nach Syrien in die Abtei Notre-Dame du Sacré-Coeur in Midan Akbes (Maydan Akbes) im Bezirk Afrin versetzen und am 10. September 1896 ein weiteres mal nach Algerien, in das dortige Kloster Staoueli in der Provinz Algier.
Nach wenigen Monaten im Kloster Akbes, beklagte sich Foucauld beim dortigen Abt, das Klosterleben sei ihm zu wenig streng. Dies muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Trappisten der strengste Orden der gesamten katholischen Kirche waren. So trat er am 2. Februar 1897 wieder aus dem Orden aus und lebte unter ärmlichsten Verhältnissen als Klosterknecht in Nazaret und Jerusalem. Nachdem er seinen Wunsch nach völliger Armut erlebt hatte, begab er sich wieder ins Kloster Akbes, wo er sich auf die Priesterweihe vorbereitete. Nach Erhalt der Niederen Weihen wurde er am 9. Juni 1901 in Frankreich zum Priester geweiht.
Daraufhin begab er sich nach Beni Abbes in der algerischen Provinz Bechar. Hier errichtete er eine Einsiedelei, betreute seelsorglich die dort stationierten französischen Soldaten und pflegte Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Auf Einladung von General François-Henry Laperrine, Befehlshaber des französischen Kamelreiter-Korps, übersiedelte Foucauld am 13. Januar 1914 nach Tamanrasset um als Vermittler zwischen den dort lebenden Tuareg und den Franzosen zu wirken. Einige Zeit später errichtete er etwa 70 km von Tamanrasset entfernt auf dem Plateau des Assekrem (2804 m), eines Gipfels des Ahaggar-Gebirges in 2700 m Höhe eine neue Einsiedelei.
Er lernte Tamascheq, die Sprache der Tuareg, erstellte ein 2000 Seiten umfassendes Wörterbuch dieser Sprache und sammelte auf 800 Seiten die Gedichte und Fabeln dieses Volkes. Als Völkerkundler und Sprachwissenschaftler gehören seine Forschungen zur Literatur und Sprache der Kel Ahaggar heute noch zu den wertvollsten Arbeiten aus der Frühzeit der wissenschaftlichen Afrikanistik. Eine tiefe Freundschaft verband ihn mit Moussa ag Amastan, dem Amenokal (König) der Tuareg, ebenso half er bei der Schlichtung von Streitigkeiten. Mission betrieb Foucauld nicht, sondern widmete sich in seiner kargen Freizeit der eigenen spirituellen Entwicklung.
Während des 1. Weltkrieges, der auch die Sahara nicht verschonte, arbeitete Foucauld als französischer Agent und forderte in seinen Briefen an die französische Militärverwaltung ein exemplarisches Vorgehen gegen alle Aufständischen. Am 1. Dezember 1916 wurde seine von ihm in Tamanrasset errichtete Klause von plündernden Tuareg und aufständischen Senussi besetzt. Foucauld sollte verschleppt werden, um zu verhindern, dass er weiterhin militärisch wertvolle Information an die Armee leitete. Als in einiger Entfernung Reiter auftauchen, die für Méharisten (arabische Söldner in französischen Diensten) gehalten wurden, geriet einer der Bewacher in Panik und erschoss den Gefangenen. Seine Hütte wie auch er selbst wurden geplündert.
Anfangs war Foucaulds nackter Leichnam in einem Graben neben seiner Hütte verscharrt, am 26. April 1929 überführte man seine sterblichen Überreste in ein eigens errichtetes Grabmal in der Oase El Golea.
Die „Kleinen Brüder Jesu”
Während Foucaulds Zeit im Trappistenorden in Syrien tauchte in seinen Briefen zum ersten Mal der Gedanke einer neuen Gemeinschaft auf. In Beni Abbes baute er diesen Gedanken aus und brachte ihn bei den Tuareg zu Klarheit. In einer neuen geistlichen Familie, die in kleinen Gruppen mitten unter den Menschen leben müsste, sah er die Verwirklichung seines Lebensideals „Christus nachzufolgen”. Dieses Konzept eines Mönchsordens ohne Kloster, dessen Mitglieder vielmehr mitten in der Welt ihren Dienst am Nächsten taten, stellte das damalige Klosterwesen der katholischen Kirche völlig in Frage. Tief erfüllte ihn der Wunsch, nach wenigstens einem Gefährten, der sein Werk fortsetzen könnte, zu seinen Lebzeiten aber blieb er allein.
Brieflich suchte Foucauld im Vatikan um Genehmigung seiner Ordensidee nach, erhielt aber niemals Antwort. Mehrere Vorsprachen bei französischen Bischöfen blieben ebenso erfolglos. Erst 17 Jahre nach seinem Tod, 1933, entstand in Algerien die erste Gemeinschaft nach seinem Vorbild. Maßgeblich beteiligt war der 1929 zum Priester geweihte René Voillaume. Nachdem er in Tunis zwei Jahre lang Arabisch gelernt hatte, zog er mit vier jungen Priestern in die Oase El Abiodh Sidi Cheikh in der Sahara und richtete dort 1933 die erste Fraternität in Anlehnung an die Regeln ein, die Foucauld bereits in den Grundzügen ausgearbeitet und vorgelebt hatte. 1968 wurde der Orden als Kleine Brüder Jesu kirchlich anerkannt.
Seligsprechung
Charles de Foucauld wurde am 13. November 2007 in Rom selig gesprochen. An der von José Kardinal Saraiva Martins geleiteten Zeremonie nahmen auch mehrere Angehörige von Tuareg-Stämmen, sowie Pater Kosmas Thielmann OCist teil.
Werke
- Reconnaissance au Maroc 1883-1884. Paris 1888, 2 Bde. Neuaufl. Paris 1995 ISBN 2-7307-0262-8
- Chants touaregs. Recueillis et traduits par C. de. Foucauld. Hg. von Dominique Casajus, Paris 1997. [1]
- Dictionnaire touareg-francais. Hg. v. R. Basset, Paris 1951-52, 4 Bde.
- mit Anatole de Calassanti-Motylinski: Textes touaregs en prose. Hg. v. R. Basset, Paris 1922.
- Textes touaregs en prose. Hg. v. S. Chaker, H. Claudot u. M. Gast, Aix-en-Provence 1984. (wiss. kommentierte Ausgabe des Werks von 1922, herausg. von drei der führenden Tuaregfachleuten)
Literatur
- René Bazin, Charles de Foucauld: Explorateur du Maroc, ermite au Sahara. Montrouge 2004 (zuerst 1921 u. 1948) ISBN 2-85313-441-5
- Barbara Bürkert-Engel: Charles de Foucauld, Christliche Präsenz unter Muslimen. Analyse und kritische Auseinandersetzung mit einer Islamrezeption in Biographie und Nachlass. in Christentum und Islam im Dialog. Band 1, Münster 2000, ISBN 3-8258-4873-6.
- Hans Conrad Zander: Gottes unbequeme Freunde, Heilige für unsere Zeit. Gruner + Jahr, Hamburg 1982, ISBN 3-570-04724-5. (Seite 196-220)
Weblinks
- Vorlage:PND
- Internationale Webseite über Charles de Foucauld (fr.)
- Webseite über Charles de Foucauld (dt.)
- Biographie über Charles de Foucauld (dt.)
- Kurzbiografie des Charles de Foucauld (dt.)
- Gemeinschaften mit Bezug auf Charles de Foucauld (dt.)
- Charles de Foucauld et les Touaregs, 1996 (fr.)
- Chants touaregs. Recueillis et traduits par Charles de Foucauld. Paris, Albin Michel, 1997 (fr.)
- Charles de Foucauld et les Touaregs, Rencontre et malentendu, Terrain 28, 1997 : 29-42 (fr.)
- Lettres au marabout. Messages touaregs au Père de Foucauld. Paris, Belin, 1999 (fr.)
- René Bazin et Charles de Foucauld : un rendez-vous manqué ?, Impacts 2-4, 2000 : 139-153 (fr.)
Personendaten | |
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NAME | Foucauld, Charles de |
ALTERNATIVNAMEN | Foucauld, Charles Eugène Vicomte de |
KURZBESCHREIBUNG | Französischer Adliger und Ordensgründer |
GEBURTSDATUM | 15. September 1858 |
GEBURTSORT | Straßburg |
STERBEDATUM | 1. Dezember 1916 |
STERBEORT | Tamanrasset/Algerien |