Heuristik

analytisches Vorgehen, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Juli 2007 um 10:37 Uhr durch Ordnung (Diskussion | Beiträge) (+kat). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Heuristik bezeichnet man allgemein wiederholbare Vorgehensweisen in Lern-, Erkenntnis-, und Problemlösungsprozessen. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen Verb εὑρίσκω (heurísko, „ich finde“) ab (siehe auch: Heureka). Er wurde im 4. Jahrhundert vom griechischen Mathematiker Pappos von Alexandria eingeführt und bedeutet heute soviel wie „Findekunst“, im weiteren Sinne „Suchmethode“.

Die bekannteste und einfachste Heuristik ist die Lösung eines Problems mittels „Versuchs und Irrtums“ (Englisch: by trial and error).

Abgrenzung zum Algorithmus

Es ist üblich, Heuristiken, die keine sicheren Ergebnisse liefern, den Algorithmen, die dies tun, als Gegensatz gegenüber zu stellen. Manche Autoren, wie D.C. Dennett ("Darwin's dangerous idea", 1996), argumentieren dagegen, dass Heuristiken ebenfalls Algorithmen seien, die eine ganz präzise Aufgabe erledigen, nämlich einen großen, komplexen, oder sonstwie unübersichtlichen Suchraum so zu beschneiden, dass man handlungsfähig wird.

Philosophie

In der Philosophie spricht man von einer heuristischen Herangehensweise insbesondere dann, wenn eine bekannte Einheit X aufgrund ihrer Ähnlichkeit genutzt wird, um das Verständnis oder das Wissen über eine unbekannte Einheit Y zu erweitern beziehungsweise zu vertiefen. In diesem Sinne können Gleichnisse, Metaphern und sogar Fabeln als heuristische Mittel angesehen werden, um den Erkenntnisprozess eines Menschen zu fördern.

So nutzt beispielsweise Platons bekanntestes Werk Politeia jene heuristische Mittel, indem es einen idealen Staat nicht als Muster für tatsächlich existierende Staaten beschreibt. Vielmehr zeigt er schlussfolgernd auf, wie Dinge verbunden werden müssten und wie sie aufeinander wirken, wenn man bestimmte Prinzipien rigoros verfolgt.

Mathematik

Im mathematischen Sinne wird der Begriff Heuristik für zwei verschiedene Verfahrensarten zur Lösung mathematischer Probleme verwendet.

Auf der einen Seite werden besonders einfache aber mitunter nur mit hohem Zeitaufwand zur Lösung führende Verfahren heuristisch genannt. Ein Beispiel hierfür ist das gezielte Raten von Nullstellen einer Polynomfunktion, indem die ganzzahligen Teiler des Koeffizienten vom Polynom kleinsten Grades der Funktion ausprobiert werden.

Auf der anderen Seite sind speziell in der Optimierung Eröffnungsverfahren heuristische Verfahren, jene Methoden also, die innerhalb kurzer Zeit und ohne großen Aufwand eine zulässige Lösung liefern. Diese so genannte Basislösung kann durch mehrfaches Anwenden der Heuristik (in mehreren Iterationen) präzisiert werden. Dennoch ist die gefundene Lösung meist nicht die Optimallösung. Jedoch ist das finden einer Optimallösung gerade bei komplexen Problemen nicht immer praktikabel oder effektiv. Ein Beispiel dafür ist das Matrixminimumverfahren zur Ermittlung einer Basislösung des Transportproblems oder die Einsparheuristik.

Viele bekannte Aussagen zur Heuristik in der Mathematik machte insbesondere der amerikanische Mathematiker und Schriftsteller George Pólya. In seiner Reihe Vom Lösen mathematischer Probleme behandelt er intensiv Problemlösungsstrategien mittels heuristischer Methoden.

Psychologie

In der Psychologie sind Heuristiken einfache, effiziente Regeln, die sich durch evolutionäre Prozesse gefestigt haben, oder erlernt wurden. Sie werden insbesondere genutzt, um die Lagebeurteilungen, Entscheidungsfindungen und Problemlösungen von Menschen in komplexen Situationen, in denen es häufig an Informationen mangelt, zu erklären.

In den meisten Fällen erbringen diese heuristischen Vorgehensweisen das erwartete Ergebnis und führen daher zu einer befriedigenden Problemlösung. Es kann jedoch bei der Anwendung auch zu Fehleinschätzungen (Englisch: bias) kommen.

Wahrnehmungspsychologie

Die Wahrnehmungspsychologie fand zahlreiche Heuristiken, die insbesondere im Bereich der Objekterkennung bei der visuellen Wahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. Hier werden sie vom Gehirn dazu eingesetzt, aus den zweidimensionalen Bildern auf der Netzhaut dreidimensionale Objekte zu rekonstruieren. Wie spätestens die Künstliche Intelligenz-Forschung zeigte, ist dies eine enorme Leistung, denn häufig sind die Objekte teilweise verdeckt, oder die Ursachen von Hell-Dunkel-Übergängen, die für das Erkennen von Objektumrissen ("Kantendetektion") wichtig sind, sind uneindeutig.

Am häufigsten werden bei der Deutung der Informationen so genannte Top down-Verfahren eingesetzt, bei denen fehlende Bildinformationen aus dem Gedächtnis ergänzt werden. Sie ermöglichen dem Betrachter, bekannte Objekte schnell zu erkennen und in einen passenden Zusammenhang zu stellen. Ein Beispiel dafür ist die “Licht von oben-Heuristik“. Hierbei nimmt das Gehirn im Zweifelsfall an, dass das Licht von oben auf die Szene fällt und die Objekte entsprechende Schatten werfen. Diese werden bei der Kantendetektion "herausgerechnet". Weitere Beispiele liefern die Gesetze der Gestaltpsychologie.

Da die eingesetzten Verfahren lediglich Heuristiken sind, sind sie anfällig für bestimmte Fehler. Diese werden augenfällig bei optischen Täuschungen.

Denkpsychologie

Im Bereich der Denkpsychologie stellen Heuristiken nicht nur dann Lösungen zur Verfügung, wenn die Situation aufgrund fehlender Informationen schwer einschätzbar ist, sondern auch, wenn die Lagebeurteilung aus Zeit- oder Motivationsmangel unvollständig ist.

Die Forschung auf diesem Gebiet haben insbesondere die Psychologen Daniel Kahneman, Amos Tversky und Gerd Gigerenzer vorangetrieben. Von ihnen stammen die bekanntesten Studien zu häufig angewandten Heuristiken, darunter unter anderem:

Informatik

In der Informatik kommen, ähnlich wie in der Mathematik, heuristische Methoden zum Einsatz, um mit geringem Rechenaufwand und kurzer Laufzeit zulässige Lösungen für ein bestimmtes Problem zu erhalten. Die angewandten Verfahren stellen bei komplexen Aufgaben meistens einen Kompromiss zwischen dem Rechenaufwand und der Güte der gefundenen Lösung dar.

Spezialfälle solcher komplexen Aufgaben sind Suchprobleme, bei denen ein Suchraum beziehungsweise Suchbaum durchquert wird. Die Wahl des Weges wird durch eine Bewertungsfunktion getroffen. Diese schätzt die Entfernung der zur Auswahl stehenden Wege zum Ziel anhand festgelegter Kriterien und stellt daher eine heuristische Methode dar.

Zudem werden Heuristiken im Sinne des Vergleichs und Schlussfolgerns bei der Mustersuche durch Virenscanner eingesetzt. Der Scanner untersucht dabei die Prozesse des Betriebssystems nach einer ungewöhnlichen Häufung bestimmter typischer Verhaltensmuster. Findet er diese, so kann er auf einen Virenbefall schlussfolgern und ist damit auch in der Lage, Viren zu lokalisieren und zu bekämpfen, die ihm nicht explizit bekannt sind.

Literatur