Altenglisch

frühe Form des Englischen, von circa 450 bis 1100 gesprochen
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Die angelsächsische bzw. altenglische Sprache gehört innerhalb der Gruppe der germanischen Sprachen, die der indoeuropäischen Sprachfamilie angehört, zu den westgermanischen Sprachen. Sie entstand, als die Angeln, Sachsen und Jüten sich ab ca. 450 in England ansiedelten. Für Sprecher des modernen Englisch ist diese Sprache ohne gezieltes Erlernen nicht mehr verständlich.

Allgemein

 
Das Runenalphabet, mit dem Altenglisch geschrieben wurde, bevor die lateinische Schrift eingeführt wurde.

Durch die dänische und norwegische Einwanderung hat die englische Sprache gegenüber der altsächsischen Sprache auch zahlreiche skandinavische Elemente integriert, die allerdings erst in den mittelenglischen Texten in größerer Zahl auftauchen. Stärker noch als in der niedersächsischen Sprache wurden auch Elemente der lateinischen Sprache aufgenommen, insbesondere im Bereich des religiösen Wortschatzes.

Die angelsächsische Sprache, die sich ab dem 5. Jahrhundert vom kontinentalen Westgermanisch abspaltete, ist vom 8. Jahrhundert an schriftlich belegt und erreicht um 1000 ein hohes Maß an Standardisierung (Spätwestsächsisch der "Schule von Winchester"). Mit der Eroberung Englands durch die französischen Normannen 1066 wurde die Sprache durch den französischen Einfluss aus der Normandie so sehr verändert, dass man sie ab diesem Zeitpunkt als mittelenglische Sprache bezeichnet.

Zur Zeit des Altenglischen bildete das Englische ein Dialektkontinuum mit den westgermanischen Sprachen auf dem Festland, die Dialektspecher auf dem Festland und der Insel konnten sich miteinander verständigen, aber seitdem haben sich die Sprachen auf beiden Seiten des Ärmelkanals, gefördert auch durch die geographische Trennung, so weit auseinander entwickelt, dass heute kein Dialektkontinuum mehr existiert.

Die vier Hauptdialekte der angelsächsischen Sprache waren: Nordhumbrisch, Merzisch (Südhumbrisch), Kentisch und Westsächsisch. Die Überlieferung ist größtenteils westsächsisch geprägt.

Altenglische Literatur

 
Erste Seite der Beowulf-Handschrift

Hauptartikel: Altenglische Literatur

Das Beowulf-Epos, niedergeschrieben um 1000, aber vermutlich älter, ein germanisches Heldenepos in stabreimenden Langzeilen, ist eines der bekanntesten Stücke angelsächsischer Dichtung. Ferner wurden die christlich-religiösen Gedichte des Cynewulf in altenglischer Sprache geschrieben.

Die Caedmon-Handschrift mit religiösen Dichtungen zu alttestamentlichen Themen, das Exeter-Buch (siehe auch: Exeter) mit Dichtungen zu religiösen und weltlichen Themen, der Codex Vercellensis mit Predigten und kleinere Dichtungen, sowie in der Prosa diverse Rechtstexte seit dem 7. Jahrhundert und Urkunden, die seit dem 8. Jahrhundert in altenglischer Sprache verfasst wurden, sind weitere Quellen, aus denen das Angelsächsische als Literatursprache bekannt ist.

Einfluss auf englische Schriftsteller der Moderne

Heutzutage begeistern sich immer mehr Briten und auch andere Englischsprecher für diese Sprache und Literatur ihrer Vorfahren. Besonders gefördert wurde dies durch die Publikationen J. R. R. Tolkiens, der Professor für Alt- und Mittelenglisch war. Durch seinen Essay Beowulf: The Monsters and the Critics stellte er die Forschung an den altenglischen Texten in den 1930er Jahren auf eine neue Grundlage; man begann neben der Sprache stärker auch die Inhalte zu betrachten, die vorher in ihrer Denkweise als hoffnungslos veraltet gegolten hatten (Lit.: Tolkien). Auch in Tolkiens fiktiven Werken spielt das Angelsächsische eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Eines seiner fiktiven Völker (nämlich das von Rohan) ähnelt in Sprache und Kultur den Angelsachsen des 5. Jahrhunderts, vor allen denen in der Provinz Mercia, in der Tolkien den Großteil seines Lebens verbrachte. (siehe: deutsche FAQ zu Tolkien)

In neuerer Zeit hat die neuenglische Versübersetzung des Beowulf durch Seamus Heaney, einen populären irischen Dichter und Literaturnobelpreisträger, in den Feuilletons aller englischsprachigen Länder einiges Aufsehen erregt (Lit.: Heaney).

Grammatik

Die Struktur des Altenglischen ähnelt eher derjenigen des Lateins als der des heute gesprochenen Neuenglischen. Es wurden 4 Kasus (Fälle) und bei Verben (im Singular) 3 Personen unterschieden. Die Satzstellung war noch freier, als sie es sogar heute noch im Deutschen ist. Auch ein fünfter Kasus (der Instrumental) ist in Resten erhalten geblieben: so ist das neuenglische Wort why "warum" (ae. hwy) ein alter Instrumental des Wortes "was".

Substantive

Die Substantive waren, wie in allen alten germanischen Sprachen und z. B. auch im Lateinischen, in mehrere Klassen ("Stämme") unterteilt, von denen jede ein anderes Deklinationsschema hatte (es gab a-, o-, i-, u-, n-, r- und weitere konsonantische Stämme, die häufig jeweils noch weiter unterteilt werden können).

So wurde z.B. die Maskulina der am stärksten vertretenen a-Stämme folgendermaßen dekliniert:

Maskuline a-Stämme Numerus
Singular Plural
Kasus Nominativ stan stanas
Akkusativ stan stanas
Genitiv stanes stana
Dativ stane stanum

Nominativ und Akkusativ (1. und 4. Fall) sind im Singular oft, im Plural immer gleich. Im Neuenglischen sind nur der Nominativ-Akkusativ Singular (stan, heute stone), der Nominativ-Akkusativ Plural (stanas, heute stones) sowie, bei einigen Substantiven, der Genitiv Singular erhalten geblieben. Von einer Klassenunterteilung ist, bis auf ein paar Ausnahmen wie child-children, goose-geese, ox-oxen, nichts erhalten geblieben.

Verben

Die Verben werden grundsätzlich in zwei Gruppen geteilt, die starken Verben und die schwachen Verben. Innerhalb dieser erfolgen weitere Aufgliederungen. So werden zum Beispiel die starken Verben, welche die verschiedenen Zeitformen unregelmäßig (beispielsweise mittels Ablaut) bilden, in sieben Klassen eingeteilt.

Die Konjugation der altenglischen Verben soll hier am starken Verb helpan, "helfen", aus der dritten Ablautreihe beispielshaft dargestellt werden.

Indikativ Tempus
Präsens Präteritum
Person 1. Singular help halp
2. Singular hilpst hulpe
3. Singular hilpþ halp
Pluralform helpaþ hulpon
Optativ Tempus
Präsens Präteritum
Person Singularform helpe hulpe
Pluaralform helpen hulpen
Imperativ
Person Singularform help!
Pluralform helpaþ!
Infinite Formen
Infinitiv Flektierter Infinitiv Partizip Präsens Partizip Präteritum
helpan to helpenne helpende (ge)holpen

Das Verb 'sein' wird eigentlich von drei anderen Stielen zusammengesetzt:

Konjugation Pronomen sindon bēon wesan Deutsch
Infinitiv sindon bēon wesan sein
Präsens Indikativ
ic eom bēo wese bin
þū eart bist wesst bist
hē/hit/hēo is bið wes(t) ist
wē/gē/hīe sind(on) bēoð wesað sind/seid
Präteritum Indikativ
ic wæs war
þū wǽre warst
hē/hit/hēo wæs war
wē/gē/hīe wǽron waren/wart
Präsens Konjunktiv
ic/þū/hē/hit/hēo sīe bēo wese sei/seist
wē/gē/hīe sīen bēon wesen seien/seiet
Präteritum Konjunktiv
ic/þū/hē/hit/hēo wǽre wäre
wē/gē/hīe wǽren wären
Imperativ
(singular) bēo wes sei
(plural) bēoð wesað seid
Präsens Partizip bēonde wesende seiend
Präteritum Partizip gebēon gewesen

Die anwesenden Formen von wesan wird fast nie benutzt. Die beon Formen werden normalerweise in Anspielung auf zukünftige Taten benutzt. Das moderne englische Verb 'to be' nimmt seine anwesenden Indikativformen von sindon, seine vergangenen anzeigenden Formen von wesan, seine anwesenden Konjunktivformen von beon, seine vergangenen Konjunktivformen von wesan, und sein Imperativ und Partizipformen von beon.

Textprobe

Das Vater Unser auf Altenglisch (westsächsisch):

Fæder ure þu þe eart on heofonum | Vater unser, der du bist im Himmel
si þin nama gehalgod | sei dein Name geheiligt
tobecume þin rice | komme dein Reich
gewurþe þin willa | geschehe dein Wille
on eorðan swa swa on heofonum | auf Erden wie im Himmel
urne gedæghwamlican hlaf syle us to dæg | Unser tägliches Brot gib uns heute
and forgyf us ure gyltas | Und vergib uns unsere Schulden
swa swa we forgyfað urum gyltendum | wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
and ne gelæd þu us on costnunge | Und nicht führe du uns in Versuchung
ac alys us of yfele soþlice. | sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen

Siehe auch

Altniederdeutsch, Altenglische Namen, Altenglische Literatur, Englische Sprache

Literatur

  • Campbell, Alistair: Old English Grammar. Oxford: Oxford University Press, 1959. ISBN 0-19-811943-7
  • Mitchell, Bruce und Robinson, Fred: A Guide to Old English. Sixth Edition. Oxford: Blackwell Publishing, 2001. ISBN 0-631-22636-2
  • Obst, Wolfgang und Schleburg, Florian: Lehrbuch des Altenglischen. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2004. ISBN 3825315940
  • John R. Tolkien: Beowulf, the monsters and the critics. Sir Israel Gollancz memorial lecture 1936. Oxford Univ. Press, London 1936, Oxford 1971, Arden Libr, Darby 1978 (Reprint).
  • Beowulf. Transl. by Seamus Heaney. Faber and Faber, London 1999, 2000, Norten, New York 2002. ISBN 0-393-97580-0