Benutzer:Anaxo/Fangschluss

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. Juli 2007 um 21:25 Uhr durch Anaxo (Diskussion | Beiträge) (Synonyme). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Definition

Fangschluß stellt eine Sonderform des Fehlschlusses (lat. fallacium) dar. Während Fehlschlüsse durchaus unbeabsichtigt z.B. durch fehlerhafte Informationen (Prämissen) oder infolge eines unbemerkten eigenen Denkfehlers (Schluss) verursacht sein können, handelt es sich beim Fangschluß um einen absichtlich herbeigeführten Fehler bei einem anderen (Schischkoff 1982). Dies soll durch gezielt fehlerhafte Information bzw. durch eine bewußt verfänglich gefaßte Aussage erreicht werden. Der ausgelöste Fehler wird im ursprünglichen Sinne des Wortes (Fangschluß) zum Vorteil eines Wortführers ausgenutzt. Durch den Fangschluß soll eine andere Person logisch oder persönlich in die Enge geführt, in Verlegenheit gebracht bzw. „gefangen“ oder "befangen" gemacht werden (lat. captatio mentis, engl. catch question). Daher versucht naturgemäß derjenige, der einen solchen Fehler bewirken und auslösen will, seine eigentlichen Absichten und Interessen möglichst geheim zu halten und zu verbergen. Siehe dazu, siehe z.B. unten Krokodilschluss.

Synonyme

Die dem Begriff Fangschluss am nächsten liegende Bezeichnung ist Sophismus. Hiermit ist eine spitzfindige Argumentaionsweise gemeint, die natürlich ebenfalls eine bestimmte Absicht verfolgt, nämlich eine vorwiegend politisch-soziale. Sie wurde von einer bestimmten Berufsgruppe vertreten, den Sophisten. Im Sophismus überwiegt die Beurteilung quoad hominem gegenüber der quad verecundiam (homo mensura). Der Begrif Fangschluß hat keine pointierte politisch-soziale Nebenbedeutung und ist eher allgemein zu verstehen (Lamer 1995).

Zur Praxis

Eine geeignete Methode, sein Gegenüber in Verlegenheit zu versetzen, ist es, ihm eine Fangfrage zu stellen, nicht nur an Tagen, an denen das üblich ist ("Aprilscherz"). Auch durch andere Aussagen, die als Voraussetzungen (Prämissen) für den Fangschluß anzusehen sind, kann dieses Ziel erreicht werden. Die Fangfrage ist stets eine rhetorische Frage (Hinze 1956), d.h. eine Scheinfrage, bisweilen sogar eine Vexierfrage, – auch sie ist als Scheinfrage zu bezeichnen – weil sie mit herkömmlicher Logik unbeantwortbar ist bzw. eine schwierige und fast ausweglose Situation für den Befragten herstellt (Aporie). Durch das Stellen einer Fangfrage gibt sich der Fragesteller den Anschein, als wolle er selbst sein Wissen erweitern.

Beim unkritischen oder geistig noch unreifen Zuhörer wird er damit sein Ziel erreichen, vgl. nicht nur die unterschiedliche Wertung von Begriffen wie pädagogisch und demagogisch, sondern auch die bewußte Abgrenzung von Fremdbestimmung durch Richtungen wie z.B. Antipädagogik, antiautoritäre Erziehung und Antipsychiatrie. Solche vereinnahmende zwischenmenschliche Verhaltensweisen sind oft der Anlaß für eine sog. kollusive Dauerbeziehung, in der das jeweils spezifisch beengende Beziehungsgefälle meist wechselseitig ist.

Beim kritischen Zuhörer bewirkt der Fragende mit solch versteckter Technik gerade das Gegenteil. Der hellhörige Zuhörer bemerkt, daß der Fragesteller z.B. eine Suggestivfrage an ihn richtet. Damit wird deutlich, daß sein Gegenüber eine geheime Absicht verfolgt, sei diese nun eigennütziger, überredender, belehrender, überzeugender, oder auch pädagogischer und therapeutischer Art.

Geschichte

Fangfragen sind im Alltag beliebtes Mittel, die eigene Überlegenheit auf Kosten anderer zu bestätigen oder andere zumindest auf ihren Humor zu testen. In der Philosophie stellen sie einen Anreiz dar zur Reflexion und machen ihren Schöpfer unsterblich. Ein frühes geschichtliches Beispiel dafür ist die Maieutik oder Sokratische Ironie. Der Begriff eironeia (grch. eironeia) bedeutet soviel wie Verstellung, Ausflucht, Vorwand. Als rhetorische Form erweckt sie [a] den Anschein von Unwissenheit, den man sich gibt, um andere dadurch zu fangen und zu verspotten, [b] erlaubt sie das Gegenteil von dem zu sagen, was man eigentlich meint (Benseler 1911). Verwandt ist grch. eironeia mit lat. error, was u.a. auch Irrfahrt (Abirren, Flucht) bedeutet. Auch wenn man zu diesem Begriff viel Pädagogisch-Therapeutisches lesen kann, so zeigen doch zahlreiche bekannte Beispiele für Fangschlüsse keinerlei Anhaltspunkte für pädagogisch-therapeutische Zielsetzungen. Sokrates und seine Maieutik waren da vielleicht eine Ausnahme. Dennoch sind die Ziele seiner in den Platonischen Dialogen geäußerten Gedanken vielfach nicht so leicht verstehbar. Offenheit stellt eine Grundbedingung der Sokratischen Ironie dar, vgl. im Gegensatz dazu die oben definitionsgemäß genannte Geheimhaltung des Kerns verfänglicher Aussagen. Unterscheidung und Abwägung zwischen Offenheit und Problembewußtsein stellt die Kunst der Maieutik dar, siehe Abs. xxxxxx.

Allerdings darf man bei den weiter unten erwähnten klassischen Beispielen für Fangschlüsse des Altertums nicht selbst einen logischen Fehler begehen. Die Darstellung der Prämissen, durch die der jeweils berühmte Philosoph oder Sophist ja gerade seine geistige Stärke, sein überlegenes Wissen usw. zur Darstellung bringen will, darf nicht schon von vornherein als Fangschluß bezeichnet werden. Alles hängt ja von der Art der Gegenargumentation ab, das sich seine Freiheitsgrade selbst verschaffen muß.

Als Fangschluß ist auch nicht ohne weiteres z.B. die Problematik des der Mutter geraubten Kindes zu bezeichnen. Das Krokodil wird sich vielmehr wohl kaum auf einen schlüssigen Disput mit der Mutter einlassen. Schon die Situationsbeschreibung des vom Krokodil geraubten Kindes läßt hier wenig Hoffnung für die Mutter erkennen. Eher ist sie als hilfloses Opfer einer nur ironisch gemeinten Fangfrage des Krokodils anzusehen. Dieses scheint sich eher an ihrer Hilflosigkeit mit zusätzlichem Spott zu weiden. Auch wenn die Mutter die ihr gestellte Frage verneinend im Sinne der Nichtrückgabe beantwortet, dem einzigen Ausweg logischer Argumentation zu ihren Gunsten, kann der Erfolg ihrer logischen Argumentation keinesfalls garantiert werden. Diese Logik erscheint in der Tat sophistisch, da sie offenbar um jeden Preis das Unrecht zu legitimieren sucht. Dies gilt auch für den Antistrephon. Immerhin gibt diese logische Darstellung vom Krokodilschluß einen Einblick in die für Sophisten zumindest sehr realistischen, weil einträglichen Möglichkeiten der formalen Logik, die hier eher destruktiv und demagogisch zu bewerten sind.

Doch gibt es auch Beispiele, daß schließlich auch ein Machthaber entgegen seinen Machtinstinkten (z.B. Friedrich II und der Müller von Sanssouci) bereit ist, auf die von ihm selbst häufig vorgetragene Scheinlogik (der erste Bürger des Staates zu sein) zu verzichten, doch auch Platon versuchte dies vergeblich (gescheiterter Versuch Platons, sein Staatsideal in Syrakus unter Dionysios I. zu verwirklichen). Der tiefere Sinn des Paradoxons Crocodilina liegt wohl in dem Grenzbewußtsein, daß die Macht faktischer politischer Gewalt (normaitve Kraft des Faktischen) nicht derjenigen einer nüchternen Logik folgt (normative Kraft des Geistes). Schön wär‘s.

Einige klassische Beispiele

Von den nachfolgend aufgeführten, üblicherweise als Fangschluß deklarierten 5 antiken Beispielen können nur zwei (Cornutus und Crocodilina) dem Kriterium einer strengen Definition von Fangschluß standhalten. Bekannt sind auch die Paradoxien des Zenon von Elea (etwa 490-430 v.Chr.), z.B. das Pfeil-Paradoxon oder den Wettlauf des Achilles mit der Schildkröte. Diese können natürlich mit der reinen Vernunft aufgelöst werden, mit der mathematischen Logik aber erst seit Gallilei (1564-1642) und Einstein (1879-1955) durch ihre jeweiligen Relativitätstheorien (Relativitätstheorie) sowie seit Leibniz (1646-1712) durch seine Infinitesimalrechnung. Diese Paradoxien sollten offenbar dialektische Ziele gegen Heraklit (Prinzip der Bewegung) verfolgen und damit Antinomien zum Ausdruck bringen. - Moderne Enzyklopädien enthalten Aufzählungen von annähernd 200 verschiedenen Arten verschiedener Fehlschlüsse, unter denen sich auch eine größere Zahl von Fangschlüssen befinden.

a) Cornutus (Der Gehörnte): Ja- / Nein-Antworten stellen in der Tat Fangschlüsse dar, da sie rein formallogisch zum Nachteil des Befragten führen.

b) Crocodilina (Krokodilschluß): Auch hier kann das Kriterium des Fangschlusses bejaht werden, da die Mutter auf die Fangfragen des Krokodils eingeht. Es wird allerdings nicht berichtet, wie die Geschichte endet. Man befürchtet ein wenig, daß die Mutter ein Opfer der Fangfrage wird. Hier wird indirekt das Grenzbewußtsein von dialektischer Logik (Scheinlogik) und Realität bzw. die Nahtstelle zwischen Verstand und Vernunft berührt, siehe auch Abs. Geschichte und Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 294 f..

c) Calvus (Der Kahlkopf): Dieses Beispiel eignet sich wegen des Begriffs unscharfer Mengen neben dem Soritesparadox für die Veranschaulichung von Sinn und Wert der Fuzzy-Logik (= paradoxe Logik). Hier wird allerdings nur von einer Fangfrage berichtet, von einer Reaktion hierauf ist nicht die Rede. Von Fangschluß kann daher also streng genommen auch nicht die Rede sein. Die Darstellung hebt offensichtlich auf das Gefühl der Verlegenheit des Lesers ab, wenn er sich selbst diese Frage stellt. Führt dieses schließlich intuitiv zur Erleuchtung?

d) Pseudomenos (Lügner = Paradoxon des Epimenides): hier wird nicht einmal von einer Fangfrage berichtet, geschweige denn von einem Schluß, sondern nur von einer Aussage („Alle Kreter lügen.“). Der aufmerksame Leser wird hier der begrenzten Reichweite verallgemeinernder und verabsolutierender Aussagen bewußt (Verabsolutierung).

e) Antistrephon (Sophismus des Euathlos): Auch hier kann nicht von einem Fangschluß die Rede sein, sondern vielmehr von einer Vereitelung der Fangfrage und damit auch des finanziellen Anspruchs des Philosophenmeisters. Man hat eher den Eindruck, daß hier der große Philosoph leer ausgeht. Antistrephon wird daher wohl besser als Trugschluß bzw. Sophismus bezeichnet, da das Ansinnen des großen Pythagoras hier wohl kaum aufgeht.

Wortbedeutung

Die ursprüngliche deutsche Wortbedeutung von „Fang“ ist wohl aus der Sprache der Fischerei entnommen, mhd. vach ist das Fischwehr, das eben dem Fischfang dient. Das französiche Wort für Fangfrage (question piège) verweist dagegen eher auf die Jägersprache, da piège die Fußfessel bzw. -falle (lat. pes, pedica) bedeutet. Die spanische Wortbedeutung (pregunta insidiosa) verweist auf den Hinterhalt, was ja auch militärisch (oder auch psychologisch) ableitbar wäre. Eindeutig ist dabei, daß die Fangfrage zunächst einmal zum Nachteil des Betroffenen, also des gedachten Zuhörers, gereichen soll, z.B. um die Größe des philosophischen hervortreten zu lassen. Dieser weiß zwar die Lösung ebenfalls nicht, - sonst würde er sie offenbaren und nichtin einer Farge verbergen - doch verdient die Fragestellung meistenfalls auch eine (geistesgeschichtlich meist später herausgefundene) verstandesmäßige Auflösung.

Kritik und Kunstlehre des Fangschlusses

Die Sokratische Ironie stellt ebenso wie die Rhetorik eine Gratwanderung, kein festes Besitztum dar. Das Ideal der Rhetorik (Gut-Reden = grch. eu legein) ist in sich doppeldeutig. Selbst das Philosophische Wörterbuch von Schischkoff (1982) führt zur Sokratischen Ironie auf Seite 323 aus, daß diese darin bestand, „daß sich der Weise Unwissenden gegenüber, die sich selbst für wissend und weise hielten, dumm stellte, um sie schließlich aus ihren Folgerungen ihre Unwissenheit und Torheit erkennen zu lassen und zur rechten Weisheit anzuleiten“. Mit dieser demaskierenden Zielsetzung [Habermas, Jürgen: Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik (1970). In: Zur Logik der Sozialwissenschaften, Suhrkamp Taschenbuch, Wissenschaft 517, Frankfurt 51982, Seite 365 oben: Durchbrechen von maskiertem Selbstverständnis emanzipatorischer Reflexion versus Rolle des Spielverderbers, vgl. dazu Gadamer, Hans-Georg: Rhetorik, Hermeneutik und Ideologiekritik. 1967 In: Wahrheit und Methode. Gadamers Gesammelte Werke, Band II, Hermeneutik II, J.C.B. Mohr, Tübingen 1993, Seite 248 ff.] stellt sich jedoch die Frage, ob Sokratische Ironie mit dem ureigenem Wahlspruch des Sokrates zu vereinbaren ist: „Ich weiß, daß ich nichts weiß.“ – Denn wenn jemand andere mittels Sokratischer Ironie ihre Torheit erkennen läßt, so muß er doch zumindest vorher etwas von deren Torheit wissen. Damit ist auch die Sokratische Ironie in ihrem erkenntnistheoretischen Charakter als Fangschluß eindeutig bestimmt. Positiv ist aber anzuerkennen, daß zumindest das Einlassen auf einen Dialog trotz dieses Wissens um Torheit einen gewissen Vertrauensvorschuß bzw. ein Vertrauen auf die positiven (intuitiven) Auswirkungen des echten Dialogs darstellt (Intuition).

Was jedoch die psychotherapeutische oder pädagogische Relevanz von Fangfragen betrifft, so stellt sich natürlich die nicht anders als dialektisch zu beantwortende Frage, ob man Befürworter von äußerer Einflußnahme ist oder nicht. Neben aller freundlich abwartenden therapeutischer Abstinenz ist eben doch auch tragende Beziehung im Spiel (therapeutische Abstinenz). Und diese ist eben prägend.


Siehe auch

Trugschluss, Sophisma, Paradoxien, Paralogismus, Antinomie, Diallele, Zirkelschluss, Dilemma, Hermeneutischer Zirkel, Sokratische Ironie und interesseloses Wohlgefallen, Zuschreibung, apophantische Logik, Calvus, Charaktertypen, Rätsel, Lügner, Identität, Vier Grundsätze der Logik, Satz vom Widerspruch, petitio principii

Einige Erläuterungen ...

Stanford Enccyclopedia of Philosophy (IEP), Catchword Fallacies


Literatur

  • Benseler, G.E. et al: Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch. B.G. Teubner, Leipzig 1911, Seite 248
  • Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 1904
  • Fromm, Erich: Die Kunst des Liebens, Ullstein Materialien, Frankfurt / M, 1984, Seite 75 ff., Liebe zu Gott - Ausführungen zum Thema der paradoxen und orthodoxen (Aristotelischen) Logik
  • Hinze, Fritz: Deutsche Schulgrammatik, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 5. Auflage 1956, Seite 111
  • Kirchner, Friedrich: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe. 1907
  • Schischkoff, Georgi (Hg): Philosophisches Wörterbuch. Alfred Kröner-Verlag, Stuttgart 14. Auflage 1982, Seite 184, Stichwort Fehlschluß
  • Wickert, Johannes: Einstein, Selbstzeugnisse und Bilddokumente. rororo Monographien, Hamburg, 19. Auflage 1995, Seite 43

--Anaxo 19:41, 2. Jul. 2007 (CEST)