Die Speicherstadt in Hamburg ist der größte auf Eichenpfählen gegründete Lagerhauskomplex der Welt und steht seit 1991 unter Denkmalschutz.


am linken Bildrand abgeschnitten die Kehrwiederspitze, Türme (v.l.n.r.): (?, da neues Rathaus erst von 1897), St. Nikolai, St. Petri, St. Katharinen und St. Jakobi

Geografie
Die Speicherstadt ist heute eine der Länge nach – im Westen die Kehrwiederspitze und Sandtorhöft, im Osten die Ericusspitze – von mehreren Fleeten durchzogene etwa 1,5 Kilometer lange und 200–250 Meter breite Binneninsel der Elbe im nordöstlichen Hamburger Hafen.
Durch Binnenhafen, Zollkanal, Dovenfleet (ehem.) und Oberhafen vom Altstadtkern getrennt, durch Niederbaumbrücke, Brooksbrücke (Auf dem Sande), Jungfernbrücke (nur noch für Fußgänger wieder errichtet), Kornhausbrücke (Bei St. Annen) und Oberbaumbrücke (ersetzte nach dem zweiten Weltkrieg die Große Wandrahmsbrücke direkt zum Meßberg) mit ihm verbunden.
Nach Süden – dem eigentlichen Hafenbereich mit Überseeanleger (Hamburg Cruise Center) und künftiger HafenCity – begrenzt durch Sandtorhafen (siehe nebenstehendes Foto), Brooktorhafen, Sülzedurchfahrt (ehem.) und Ericusgraben und angebunden über die Brooktorallee/Überseeallee.
Geschichte
Zum Baubeginn der Speicherstadt im Freihafen wurden ab 1883 die Häuser auf den Elbinseln Kehrwieder, Brook und Wandrahm abgerissen, die zu einem besonders malerischen Altstadtviertel aus dem 17. und 18. Jahrhundert gehörten, das noch fast vollständig erhalten war. Etwa 20.000 Menschen mussten neue Wohnungen finden, in der Regel ohne staatliche Unterstützung. Der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, prägte aus diesem Anlass das Wort von der „Freien und Abrissstadt Hamburg“.
Die Kaufleute betrachteten den Bau jedoch als notwendig, nachdem Hamburg sich dem Deutschen Zollverein im Jahre 1888 anschloss. Bis zu diesem Zeitpunkt war ganz Hamburg Zollausschlussgebiet. Um den Hafenbetrieb nicht durch Zölle zu stören, wurde der Bau eines Viertels nötig, das nicht dem deutschen Zollgebiet angehörte, sondern Freihafengebiet war. In dieser Enklave sollte weiterhin das angestammte Privileg der Hamburger Kaufleute gelten, Importgüter zollfrei lagern, veredeln und verarbeiten zu dürfen. Dadurch konnte der Überseehandel zollfrei abgewickelt werden.
Durch die Zunahme des Containerumschlags und der damit verbundenen Verlagerung der Umschlagplätze sowie automatisierter Lagerverwaltungssysteme, die die Erfassung unverzollter Ware an jedem Ort ermöglichen, wurde der Freihafenstatus der Speicherstadt entbehrlich.
Im Jahre 2003 wurde die Freihafengrenze verlegt und zunächst der Bereich Kehrwieder aus dem Freihafengebiet herausgenommen. Seit 2004 liegt das gesamte Gebiet der Speicherstadt außerhalb des Freihafens und ist somit – mit Ausnahme der zahlreichen Teppichlager – zollrechtlich Inland. Die Zollgrenze verläuft jetzt weiter südlich kurz vor den Hamburger Elbbrücken. Diese Verlagerung diente der Vorbereitung für den Aufbau der HafenCity, die auch die historische Speicherstadt umfassen wird.
Architektur und historische Nutzung
Die Lagerhäuser (Speicher) in neugotischer Backsteinarchitektur haben jeweils auf der einen Seite Anbindung ans Wasser (Fleet) und auf der anderen Seite an die Straße. Gelagert wurde Stückgut, vor allem Kaffee, Tee und Gewürze auf fünf „Böden“ (Stockwerke) übereinander und über eine eigene jeweils am Hausgiebel montierte Seilwinde erreichbar. In den Lagerhäusern, die meistens unbeheizt waren und Holzfußboden hatten, herrschten relativ gleichmäßige klimatische Lagerbedingungen.
Die Lagerung, eventuell auch eine Weiterverarbeitung, wurde von Quartiersleuten für die Importeure, die keine eigenen Lager unterhielten, übernommen. Die Quartiersleute waren meist auf bestimmte Güter spezialisiert und verfügten über eine fundierte Sachkenntnis. Insbesondere bei Tee und Kaffee wurden die importierten Sorten verkostet und Mischungen fertig konfektioniert. Zu ihren Aufgaben gehört noch heute die Qualitätsprüfung der Waren und der Versand von Proben. Infolge der Rationalisierung des Überseehandels durch die „Blechschachteln“ haben sich die Betriebe näher an den Containerterminals angesiedelt.
Die Speicherstadt liegt in einem Gebiet, das bei einer Sturmflut vom Elbwasser überflutet werden kann, wodurch sich der untere Boden nicht zum Lagern eignet und nur zu Versandvorbereitungen dient.
Heute beträgt die Nutzfläche der Speicherstadt etwa 630.000 Quadratmeter und beherbergt neben zahlreichen Teppichhändlern und Agenturen immer mehr Museen und Ausstellungen. Im Sandtorquaihof in der Straße Pickhuben haben Verlag und Redaktion der Meereszeitschrift mare ihren Sitz.
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Sandtorquaihof, Sitz der Zeitschrift mare
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Detail des Gebäudes Sandtorquaihof
Sehenswürdigkeiten
In der Speicherstadt ist heute eine Vielzahl touristischer Attraktionen untergebracht, so die größte H0-Modelleisenbahnanlage der Welt, das Miniatur Wunderland Hamburg, ein Museum zur Geschichte der Speicherstadt mit spannenden Veranstaltungen (Speicherstadtmuseum), das Deutsche Zollmuseum, die aufregende „Geschichts-Geisterbahn“ Hamburg Dungeon, das Gewürzmuseum und vieles andere mehr. Aus baurechtlichen Gründen war die ebenfalls hier gezeigte und sehr erfolgreiche Titanic-Ausstellung zeitlich befristet.
Kunst
Die Speicherstadt ist ebenfalls für kunstinteressierte Menschen ein spannendes Terrain. Das Körber-Forum zum Beispiel bietet ein monatliches wechselndes Programm von Lesungen, Künstlergesprächen, Buchpräsentationen u. ä. an. Auch ein Theater in der Speicherstadt ist hier zu Hause, jährlich finden Aufführungen des bekannten „Hamburger Jedermann“ statt, das Kehrwieder-Theater bietet regelmäßig wechselnde Varieté-Programme und mit der Joop van den Ende Academy findet sich in der Speicherstadt sogar eine Ausbildungstätte für werdende Musicaldarsteller.
Literatur
- Boris Meyn: Die rote Stadt. Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3499234076.
- Historischer Roman eines promovierten Kunst- und Bauhistorikers, der sich detailliert mit Planung und Bau der Speicherstadt beschäftigt.
- Thomas Hampel, Heinz-Joachim Hettchem, Ralf Lange, Michael Batz: Speicherstadt. Ein Viertel zwischen Tradition und Vision. Christians, Hamburg 2004, ISBN 3767214407.