Siegfriedbrunnen

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Siegfriedbrunnen im Sinne der Nibelungensage werden Brunnen in der Nähe des Odenwaldes genannt, an denen Siegfried von Hagen von Tronje ermordet worden sein soll.

Da es sich beim Nibelungenlied um eine Dichtung handelt und die Interpretationsbandbreite recht groß ist, beanspruchen verschiedene Gemeinden eine Siegfriedquelle. Ein Nachweis über den genauen Standort ist bisher nicht gelungen.

Folgende Brunnen werden mit dem Geschehen in Verbindung gebracht:


Siegfriedsage und Nibelungenlied

Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches deutsches Epos, das in nordisch-germanischen Sagenstoffen tatsächliche historische Ereignisse aus der Zeit der Völkerwanderung verarbeitet. Die auftretenden Personen sind teilweise an Persönlichkeiten angelehnt, die wirklich gelebt haben.

Sein historischer Kern ist der Untergang des Burgunderreiches, das 413 n. Chr. in der Zeit der Völkerwanderung als Verbündete Roms unter König Gundahar (Gunther) um Worms gegründet und vom weströmischen Heerführer Aetius im Jahre 436 n. Chr durch hunnischen Hilfstruppen zerschlagen wurde. In das Epos sind als weitere historische Begebenheiten u.a. der Tod des Hunnenkönigs Attila („Etzel“) in der Nacht seiner Hochzeit mit der Germanin Ildico im Jahre 453 verwoben.

Der eingearbeitet Sagenstoff erzählt u.a. die Geschichte des Helden Siegfried, der nach der Tötung eines Drachens und einem Bad im Drachenblut durch einen Hornpanzer unverwundbar wird, mit Ausnahme einer kleine Stelle an der Schulter, die ein Lindenblatt beim Bad bedeckt hatte. Der Intrigant Tronje von Hagen nutzt diese Stelle aus, um Siegfried nach einem listig arrangierten Wettlauf zu einer Quelle (= Siegfriedbrunnen) rücklings mit einem Speer zu ermorden, als sich Siegfried zum Trinken arglos bückt.

Verfasser und Handschriften des Nibelungenliedes

Das Nibelungenlied wurde auf der Grundlage vorhandener älterer mündlicher Traditionen um 1200 erstmals verschriftlicht. Es ist in mittelhochdeutscher Sprache verfasst. Der Autor ist unbekannt. Die Forschung nimmt allgemein an, dass es im Bereich der Diözese Passau, zu der seinerzeit auch Wien gehörte, entstanden ist. Als Auftraggeber und Mäzen wird der Passauer Bischof Wolfger von Erla vermutet. Einen einheitlichen Verfasser gab es vermutlich nicht. Bis zum 16. Jahrhundert entstanden über 35 nachweisbare Handschriften und Fragmente, deren Texte mehr oder weniger große Abweichungen enthalten. Die wichtigsten Überlieferungen werden mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet. Für die Bestimmung des Siegfriedbrunnens hat Handschrift C besondere Bedeutung. Sie ist zwar älter als Handschriften A und B, stellt aber die jüngere Textfassung dar und enthält gegenüber diesen zahlreiche teils erhebliche Überarbeitungen. Die später entstandenen Handschriften B und C beruhen also auf textlichen Fassungen, die ihrerseits wieder der Handschrift C vorausgegangen sind. Insgesamt vermittelt Handschrift C den Eindruck einer vom Autor gezielt geschaffenen „verbesserten Auflage“ des Nibelungenliedes. Auch der Name „Nibelungenlied“ leitet sich aus Handschrift C ab, die mit der Schlusszeile (Strophe 2439,4) endet: „hie hat daz mære ein ende daz ist d/er\ Nibelunge liet (Hier hat die Mär ein Einde, das ist der Nibelungen Lied“, während die Fassungen A und B mit den Worten „... der Nibelungen Not (nibelunge nôt)“ schließen.

Eine - von der allgemeinen Forschung allerdings überwiegend abgelehnte - Theorie schreibt Handschrift C dem Lorscher Abt Sigehart (Abt von 1167 bis 1210) zu. Teilweise wird auch angenommen, dass es sich überhaupt nicht um eine in einem Kloster, sondern um eine weltliche, etwa auf einer Burg entstandene Fassung handelt.

Siegfriedbrunnen als realer Ort im Nibelungenlied

Zu den auffälligen Änderungen in Fassung C zählen die eingefügten zum Teil sehr konkreten Ortsbeschreibungen. In den Kapiteln (Aventiuren „Abenteuern“) 15 bis 17, die den Aufbruch zur Jagd (Av. 15), die Jagd mit Wettlauf und Ermordung Siegfrieds am Siegfriedbrunnen (Av. 16) und die Verbringung des Leichnams zurück nach Worms (Av. 17) schildern, sind diese mehrfach enthaltenen. In Av. 16 fügte der Autor der Handschrift C am Ende folgende vierzeilige Strophe neu in das Nibelungenlied ein:

(1013,1) Von dem selben brunnen da Sivrit wart erslagen (Von demselben Brunnen, da Siegfried ward erschlagen)
(1013,2) sult ir div rehten mære von mir hoern sagn (sollt ihr die rechte Kunde von mir hören sagen:)
(1013,3) vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenhaim (Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt, Otenheim.)
(1013,4) da vliuzet noch d/er\ brunne des ist zwifel dehein (Dort fließet noch der Brunnen, daran kann kein Zweifel sein.)

Mit der Ortsangabe „Otenhaim“, gelegen vor dem Odenwald, wird der Autor sehr konkret. Zweifellos verweist er hier auf eine ganz bestimmte, ihm offenbar bekannte reale Örtlichkeit, die er mit seiner Ergänzung der früheren Handschriften dem Publikum mitteilen will. Sein weiterer ausdrücklicher Hinweis, wonach der dortige Brunnen „noch immer fließet“, legt nahe, dass er tatsächlich einen konkreten, bei Herstellung der Handschrift C noch vorhandenen und dem Autor auch persönlich bekannten Brunnen gemeint haben könnte.

An anderer Stelle wird der Bezug zum Odenwald zusätzlich bestätigt. Am Ende des 15. Abenteuers, vor Beginn der verhängnisvollen Jagd, sagt Gunter zu Hagen in Fassung C:

(0919,1) Nv wir d/er\ hereverte ledic worden sin (Da wir uns der Heerfahrt so entledigt sehn,)
(0919,2) so wil ich iagen riten von Wormez vb/er\ den Rin (so will zur Jagd ich reiten von Worms über den Rhein)
(0919,3) vñ wil kurcewile zem <Otenwalde> han (und will Kurzweil  beim Odenwalde haben)
(0919,4) iagen mit den hunden als ich vil dicke han getan (Jagen mit den Hunden wie ich es oft getan.)

Auch hier enthält Handschrift C eine auffällige Abweichung gegenüber den anderen Fassungen. Handschrift A lautet an dieser Stelle wie folgt:

„Nv wir d/er\ hereverte ledic worden sin („Da wir uns der Heerfahrt so entledigt sehn)
so wil ich iagen riten bern unde swin  (So lasst uns nun Bären und Schweine jagen gehen)
hin zem Otenwalde als ich vil dicke han.“ (Nach dem Odenwalde wie ich oft getan.“)
daz hete geraten Hagene der vil ungetriuwe man. (Geraten hatte das Hagen dieser ungetreue Mann.)

Statt von einer „Jagd auf Bären und Schweine“ in Fassung A spricht der Autor der Fassung C also von einem „Jagdausritt von Worms über den Rhein“ und bestätigt dabei ein weiteres Mal, dass ihm daran gelegen war, anstelle abstrakter anonymer Schauplätze die Handlung an realen und bekannten Örtlichlichkeiten stattfinden zu lassen.

In ältere Handschriften ist an gleicher Stelle noch nicht vom Odenwald, sondern vom „Wasgenwald“ die Rede („... will zur Jagd ich reiten von Worms über den Rhein / und will zur Kurzweil zum Wasgenwald hinan / zu jagen mit den Hunden wie ich es oft getan“). Dies wurde meist als Versehen des Verfassers ausgelegt, der sich am Rhein nicht so gut ausgekannt und den Odenwald mit den Vogesen bzw. dem elsässischen Wasgau verwechselt habe. Spätere Handschriften hätten diesen Fehler dann korrigiert. Nach einer anderen Theorie war dagegen ein „wasiger Wald“ gemeint, nämlich ein auewaldartiger, mit Wiesen durchsetzter Wald („Wasen“ = feuchte Wiesen), wie er in vergangenen Jahrhunderten für das Weschnitzgebiet zwischen Rhein und Odenwald typisch war.

Das Zentrum des Nibelungenreiches war Worms. Worms und der Wormser Dom werden im Nibelungenlied - und zwar in allen Handschriften - immer wieder erwähnt. Von Worms aus ist die Jagdgesellschaft aufgebrochen und überquerte dabei den Rhein. Die Jagd und die Ermordung Siegfrieds siedelte der Autor somit rechtsrheinisch an.

Die Überquerung des Rheines wird noch an anderen Stellen beschrieben („manch Saumroß zog beladen vor Ihnen überrhein“ und „da harrten sie des Abends und fuhren über Rhein.“).

Auch der Odenwald liegt rechtsrheinisch; ebenso die Weschnitz. Die Ortsangaben passen insoweit zueinander.

Eine weitere Auffälligkeit der Handschrift C ist die Bezugnahme auf Kloster Lorsch, das in den anderen Handschriften nicht erwähnt ist. Dies könnte für die Hypothese sprechen, dass tatsächlich der Lorscher Abt Siegehart Autor dieser Fassung war. Kloster Lorsch war in karolingischer Zeit eines der bedeutendsten Klöster Deutschlands und ein geistiges und kulturelles Zentrum des Frankenreiches. Es wurde Grablege der deutschen (ostfränkischen) Könige Ludwig der Deutsche und Ludwig der Jüngere. Als Königskloster war es Reichsbesitz und stand im Range eines Fürstentums. Auch wenn das Kloster bei Entstehung der Handschrift C schon im Niedergang begriffen war, ist seine Erwähnung im Nibelungenlied ein Reflex seiner einstigen Bedeutung. Die Bezugnahme auf Lorsch befindet sich in den Strophen 1158 bis 1165, die an das Ende von Av. 19 angefügt wurden und wie folgt lauten:

(1158,1) Eine riche fursten aptey  stifte vroe vote (Ein reiches Fürstenkloster stiftete Frau Ute)
(1158,2) nach Danchrates tode  von ir gvote (nach dem Tode Dankrats aus ihrem Witwengute)
(1158,3) mit starchen richen vrborn  als ez noch hivte hat (mit reichen Einkünften, die ihm noch heut gehören)
(1158,4) daz kloster da ze Lorse  des dinch vil hohe an eren stat (dort zu Lorsch dem Kloster. Sein Ansehen steht in hohen Ehren.)
(1161,1) Do was d/er\ frowen voten  ein sedelhof bereit (Da stand für Frau Ute ein Sedelhof bereit)
(1161,2) ze Lorse bi ir chloster  mit grozer richeite (zu Lorsch bei dem Kloster, reich, groß und weit)
(1161,3) dar zoch sich div witewe  von ir chinden sit (Dahin zog die Witwe von ihren Kindern fort)
(1161,4) da noch div frowe here  begrabn in eime sarche lit (Es ruht die hehre Fraue in einem Sarg begraben dort)
(1162,1) Do sp/ra\ch div kuniginne  vil liebiv tohter min
(1162,2) sit dv hie niht maht beliben  so soltv bi mir sin
(1162,3) ze Lorse in mime hvose  vñ solt din weinen lan
(1162,4) des antwrt ir Chriemh'  wem liez ich danne minen man?
(1164,1) Do schvof div iam/er\s riche  daz er wart vof erhabn
(1164,2) sin edelez gebeine  wart and/er\ stvnt begrabn
(1164,3) ze Lorse bi dem munster  vil werdechlichen sit
(1164,4) da d/er\ helt vil choune  in eime langen sarche lit

Eine weitere, auch in anderen Fassungen enthaltene Ortsangabe lautet „Spehtsharte“ und hat teilweise zu Missverständnissen geführt. Der listige Hagen hatte den Wein für das Gelage nach der Jagd fernab in den „Spehtsharte“ bringen lassen, so dass die Jäger ihren Durst mit Brunnenwasser löschen mussten. Dadurch konnte Hagen den Wettlauf mit Siegfried zum Brunnen arrangieren und den Mord ausführen. Die Stelle lautet in Handschrift C:

(0976,1) Do sp/ra\ch d/er\ von Tronege  vil lieb/er\ herre min (Da sprach der von Tronje „Viel liebe Herren mein,)
(0976,2) ich wande daz diz pirsen  hivte solde sin (ich wähnte dass das Pirschen sollte heute sein)
(0976,3) da zem Spehtsharte  den win den sande ich dar (fern im Spechtsharte den Wein hin sandt’ ich dort)
(0976,4) sin wir hie vngetrunchen  wie wol ihz imm/er\ mer bewar (heute gibt es nicht zu trinken doch vermeid’ ich es hinfort.“)

Die Bezeichnung „Spehtsharte“ legt die Deutung als „Spessart“ nahe. Dieser liegt aber 100 km von Worms entfernt. Es gibt keinen Sinn, dass der Wein „irrtümlich“ in eine von Worms und vom Jagdgebiet dermaßen weit entfernte Gegend geschickt worden sein soll, unter den damaligen Verhältnissen für ein bepacktes Pferd weit mehr als eine Tagesreise.

Zwei Zeilen später wird mitgeteilt, dass der Brunnen „vor den Bergen“ liegt. Die Stelle lautet in Handschrift C (die anderen Handschriften sind ähnlich):

(0978,1) Do sp/ra\ch ab/er\ Hagene  ir edeln ritter balt (Da sprach aber Hagen: „Ihr edlen Ritter, schnell)
(0978,2) ich weiz hie vil nahen  einen brunnen d/er\ ist chalt (ich kenne hier einen sehr nahen, kühlen Quell)
(0978,3) daz ir niht enzvrnet  da svln wir hine gan (dass Ihr mir nicht zürnet, da rat ich hinzugehn.“)
(0978,4) d/er\ rat wart manigem degene  ze grozen sorgen getan (Der Rat war manchem Degen zu großem Leid geschehn).
(0979,1) Den helt von Nid/er\landen  dwanch des durstes not (Den Held von Niederlanden zwang des Durstes Not)
(0979,2) den tische er deste ziter  rvchen dan gebot (Den Tisch hinwegzurücken der Held alsbald gebot:
(0979,3) er wolde fvr die berge  zv dem brunnen gan (Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen gehen.)
(0979,4) do was d/er\ rat mit meine  von den degenen getan (Da war der Rat aus Arglist von dem Degen geschehn).

Eine indirekte Ortsangabe ergibt sich schließlich daraus, dass die Leiche Siegfrieds bis zum Abend am Lagerplatz blieb und in der Nacht nach Worms verbracht wurde, wo sie bereits bis zur Morgenmette eingetroffen war. Die Lagerplatz kann also nur einige Stunden von Worms entfernt gelegen haben (immer unterstellt, dass die Autoren des Nibelungenliedes bei den Ortsbeschreibungen wirklich an reale Örtlichkeiten gedacht haben).

Die Siegfriedbrunnen

Odenheim

Odenheim ist seit 1974 Stadtteil von Östringen. Es liegt im Kraichgau (Baden-Württemberg) ca. 25 km südlich von Heidelberg und 30 km nordöstlich von Karlsruhe. Der Odenheimer Siegfriedbrunnen, der früher Sisbrunnen genannt wurde, befindet sich wenige Kilometer vom Ortskern entfernt. Die Quelle wurde 1932 gefasst und mit einer Tafel versehen, die Hagen zeigt, wie er den Speer auf Siegfried schleudert.

Odenheim rechtfertigt den Anspruch, über den „echten“ Siegfriedbrunnen zu verfügen, damit, dass es der einzige heute bekannte Ort ist, auf den die Bezeichnung „Otenhaim“ im Nibelungenlied passen könnte. Es kann weiterhin darauf verweisen, dass der Ort schon im Jahre 769 urkundlich erwähnt wurde und sich in seiner Nähe eine im Jahre 1122 begründete Benediktinerabtei befand. Da es durchaus nahe liegt, dass Handschrift C von einem Mönch in einem Kloster geschrieben wurde, ist es plausibel, dass dies in der Benediktinerabtei bei Odenheim geschehen sein könnte und der Autor die ihm bekannte Quelle bei Odenheim gemeint hat.

Die Forschung lehnt Odenheim als Ort des wahren Siegfriedbrunnens dennoch allgemein ab. Gegen Odenheim werden zwei gewichtige Gesichtspunkte angeführt: Es liegt zum einen gut 30 km vom Südrand des Odenwaldes entfernt im Kraichgau und wäre deshalb zu keiner Zeit als „ein Dorf vor dem Odenwald“ beschrieben worden. Zum anderen beträgt die Entfernung nach Worms rund 80 km und ist dadurch zu groß, um mit dem im Nibelungenlied beschriebenen weiteren Geschehen zusammenzupassen. Siegfried Leiche blieb danach bis zur Nacht am Rastplatz liegen und wurde noch in der Nacht nach Worms transportiert, wo sie schon etwa fünf bis sechs Stunden später zur Morgenmette eingetroffen war. Dies wäre unter den damaligen Verhältnissen in dieser kurzen Zeit von Odenheim aus nicht möglich gewesen. Für die Jagdgesellschaft aus Worms hätte für eine so weite Anreise für eine Jagd auch kein Grund bestanden.

Grasellenbach

Der Siegfriedbrunnen in Grasellenbach liegt an einem Waldweg etwa 1,5 km südlich des Ortszentrums. Das Wasser fließt aus einem mit einer Wappenlilie verzierten flachen Stein. Eine in einen Steinblock gehauene Inschrift weist die Quelle als „Siegfrieds-Brunnen“ aus. 1851 wurde daneben ein gotisierendes Steinkreuz errichtet, in dessen hohen Sockel die Strophe 981 aus der 16. Aventiure des Nibelungenliedes in mittelhochdeutscher Sprache eingemeißelt ist.

Im Jahr 1951 versiegte der Brunnen, nachdem der alte Laubwaldbestand in der Umgebung des Brunnens aus forstwirtschaftlichen Gründen durch schneller wachsendes Nadelholz ersetzt und damit die Grundwassersituation verändert wurde. Um die Illusion einer Quelle aufrechtzuerhalten, wird diese seitdem von einer kommunalen Wasserleitung gespeist.

Die Quelle in Grasellenbach ist unter den verschiedenen Siegfriedbrunnen der bekannteste und wird im Ort seit längerem für den Fremdenverkehr intensiv vermarktet

Der Anspruch als Siegfriedbrunnen beruht auf den Forschungen des Geheimen Staatsrates Dr. Johann Friedrich Knapp aus Darmstadt aus dem Jahre 1844. Knapp hatte auf der Grundlage der Angaben im Nibelungenlied gezielt nach dem Siegfriedbrunnen gesucht. Dabei stieß er auch auf den Brunnen in Grasellenbach, der schon seit Menschengedenken unabbhängig vom Nibelungenlied den Namen Siegfriedsbrunnen getragen hatte. Nach alten Erzählungen sollte hier ein mächtiger Ritter namens Siegfried, der auch der Gehörnte genannt wurde, erschlagen worden sein, als er an der Quelle trinken wollte. Direkt neben der Quelle befand sich ein altes Sühnekreuz, wie es in früheren Zeiten oft zur Erinnerung an eine Mordtat errichtet wurde. Knapp fiel die Parallele zum Nibelungenlied auf. Weiterhin bemerkte er, dass die Quelle am Fuße des 548 Meter hohen Spessartskopf gelegen war, und deutete diesen als den im Nibelungenlied erwähnten „Spehtsharte“, in den Hagen den Wein bringen ließ. Den „Wasgenwald“ setzt er - weniger überzeugend - mit der heutigen Flurbezeichnung „Weschrein“ bzw. der nicht weit entfernt vorbeifließenden Weschnitz bzw. dem nahegelegenen gleichnamigen Dorf gleich. Die zentrale Ortsangabe „Otenhaim“ im Nibelungenlied konnte Knapp allerdings nicht plausibel erklären. Dies ist eine der großen Schwachpunkte seiner Forschung. Knapp konnte keinen solchen Ort in der Nähe von Grasellenbach ausfindig machen. Er nahm an, dass der Ort Otenhaim identisch mit dem Distrikt Dautenhan, Doteshan oder Dotenhan sein könnte, der 1613 in einer Beschreibung der Gemarkung Gras-Ellenbach erwähnt wird; eine Annahme, die die Forschung als wenig überzeugend wertet.

Grasellenbach liegt auch nicht „vor“ dem Odenwald, wo sich nach dem Nibelungenlied der Siegfriedbrunnen befinden soll, sondern rund 20 km tief im Odenwald selbst. Knapp sah dieses Problem und verwies hierzu auf eine Stelle im Nibelungenlied, in der Siegfried einem Bären nachjagt, der sich in eine Bergschlucht zu retten versucht. Diese lautet in Handschrift C:

(0956,1) Der brache wart v/er\lazen  d/er\ ber spranch von dan (Da lösten sie den Bracken / der Bär sprang hindann)
(0956,2) do <wolde> in erriten  d/er\ Chriemh' man (Da wollte ihn erreiten / der Kriemhilde Mann)
(0956,3) er chom in ein gevelle  done chundes niht wesn (Er kam in eine Bergschlucht / da konnt er ihm nicht bei)
(0956,4) daz starche tyer do wande  vor dem iægere genesn (Das starke Tier da wähnte / sich von den Jägern frei)

und in Handschrift A nahezu wortgleich:

Er kom in ein gevelle / dône ez niht wesen;
Daz starke tier dô wânde / vor den jegeren genesen

Daraus sollte seiner Meinung nach zu folgern sein, dass die Jagd im Gebirge stattfand, somit nicht „vor“, sondern tatsächlich „im“ Odenwald; im Hinblick auf die mehrfach enthaltene sehr eindeutige Aussage, dass Otenheim und der Siegfriedbrunnen „vor dem Odenwalde“ bzw. „vor den Bergen“ liegen, eine durchaus problematische Annahme. Zudem ist „gevelle“ mit „Bergschlucht“ recht frei übersetzt; die wörtliche Übersetzung lautet nur „Gefälle“. Die Forschung hält dieses Wort deshalb für keinen entscheidenden Hinweis auf eine Örtlichkeit bei Grasellenbach.

Gegen Grasellenbach spricht auch die große Entfernung zu Worms. Siegfrieds Leiche hätte unmöglich noch in der Nacht von Grasellenbach nach Worms gebracht werden können; für ein bepacktes Pferd damals ein guter Tagesmarsch, zumal unter den schwierigeren Bedingungen im Gebirge, dem langsameren Voranschreiten bei Nacht und der noch notwendigen Rheinüberquerung.

Auch die Deutung „Spehtsharte“ als Spessartskopf ist problematisch. Die Siegfriedsquelle liegt am Fuß des Spessartskopfes, so dass der Wein, den Hagen nach dort verbringen ließ, allenfalls 1000 Meter entfernt gewesen sein konnte. Hagen hätte dann kaum verkündet, er habe den Wein versehentlich „fern in den Spehtsharte gesandt, weshalb es heute nichts zu trinken“ gebe. Statt zur Quelle hätten die Jäger gleich zur Lagerstelle des Weines laufen können.

Hiltersklingen (Hüttental, Mossautal)

Der zwischen Hüttental und Hiltersklingen (heute Ortsteile von Mossautal) an der B 460 gelegene Brunnen heißt „Lindelbrunnen“. Das aufgefangene Wasser läuft in dünnem Strahl an einer runden Steinfassung zwischen aufgetürmten Steinblöcken. Die Quelle wurde bereits im Jahre 773 n. Chr. in einer Beschreibung der Mark Heppenheim erwähnt, hat also schon vor langer Zeit die besondere Beachtung der Menschen gefunden. Der Brunnen liegt nur ca. 5 km von dem alle Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Siegfriedbrunnen in Grasellenbach entfernt und wird deshalb wenig beachtet.

Gegen den Siegfriedbrunnen von Hiltersklingen führt die Forschung die gleichen Argumente wie gegen den Siegfriedbrunnen von Grasellenbach an. Er liegt tief im Odenwald und nicht „vor“ dem Odenwald, wie das Nibelungenlied vorgibt, und ist zudem sehr weit von Worms entfernt.

Heppenheim

Der Siegfriedbrunnen in Heppenheim hieß ursprünglich Lindenbrunnen, und zwar immer mit einer bestimmten Anzahl Bäume („Zwei“, „Drei“, „Vier Linden“), da von Alters her Linden für den Platz charakteristisch waren. Erst 1931 wurde er durch Beschluss des Stadtrates in Siegfriedbrunnen umbenannt, nachdem er durch die Forschungen des Darmstädter Archivdirektors Julius Reinhard Dieterich in den 1920er Jahren als möglicher Siegfriedbrunnen entdeckt worden war. Es wurde sodann der aus einem Stück bestehende Brunnenrand eines anderen Brunnens nach hier versetzt und 1955 mit einem schmiedeeisernen Abdeckgitter versehen. Ursprünglich handelte es sich um eine Riedquelle, die von den aus dem Odenwald kommenden Bächen, die vor den Bergen versickerten, gespeist wurde. Durch die Regulierung der Bäche wurde dem Brunnen Wasser entzogen, so dass er zunächst zum Schöpfbrunnen wurde und seit der Trockenlegung der Heppenheimer Westgemarkung nach dem Zweiten Weltkrieg und dem damit verbundenen Grundwasserabfall um zwei Meter kein Wasser mehr führt.

Das Gewerbe- und Industriegebiet hat den ursprünglich weit vor der Stadt gelegenen Brunnen zwischenzeitlich eingeholt. Der Platz liegt heute in schmuckloser Umgebung zwischen Hochhäusern, dem Fabrikgelände der Langnese-Iglo GmbH und einem großen Einkaufsmarkt. Eine auf einem Findling angebrachte Metalltafel und eine weitere Schrifttafel auf einer Holzwand geben nähere Erläuterungen zur Nibelungensage und zum Ort der Ermordung Siegfrieds.

Unter den verschiedenen Siegfriedbrunnen nimmt Heppenheim eine starke Position ein. Insbesondere die Entfernungsverhältnisse, die alle anderen Siegfriedbrunnen im Grunde ausschließen, passen hier gut. Er liegt auch vor, nicht im Odenwald („vor dem Otenwalde ein dorf lit Otenhaim“). Für ihn spricht weiterhin die Nähe zu dem nur wenige Kilometer entfernt gelegenen ehemaligen Kloster Lorsch. Da das Nibelungenlied und namentlich die Handschrift C mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einem Kloster entstanden ist, liegt die Vermutung nahe, dass der Autor das einstmals so bedeutende Kloster Lorsch gut kannte und dort vielleicht auch zeitweise lebte (der Lorscher Abt Sigehart gilt als möglicher Autor; siehe oben). Er dürfte damit auch den charakteristischen Brunnen in nächster Nähe des Klosters gekannt haben, so dass durchaus plausibel ist, dass er eventuell diesen Brunnen mit seiner Beschreibung gemeint hat.

Dieterich konnte auch für die Ortsbezeichnung „Otenheim“ eine plausible Erklärung geben. Zum Kloster Lorsch gehörten neben dem Hauptkloster auch die Außenstellen Altenmünster sowie das wenige Kilometer südlich des Hauptklosters gelegene Kloster „Hagen se Lorse“, das im Jahre 1130 auf dem Landbesitz der Uta von Calw aus dem Hause der Schauenburger gegründet worden war. An gleicher Stelle befand sich auch Utes Sedelhof (herrschaftlicher Eigenhof), der nach ihr „Uotenheim“, „Utenheim“ und später „Ottenheim“ genannt wurde, sowie ganz in der Nähe ein im Mittelalter untergegangenes Dorf gleichen Namens. Dieterich ging davon aus, dass dieser Ort mit dem in Handschrift C bezeichneten „Otenhaim“ gemeint war. Er lag etwa im Bereich des heutigen Lorscher Ortsteiles Seehof, ca. 3 km vom Heppenheimer Siegfriedbrunnen entfernt.

Die These Dieterichs wird durch die Einfügungen über Kloster Lorsch in Handschrift C (siehe oben) zusätzlich gestützt. Diese befassen sich speziell mit Uta von Calw und dem (Neben-)Kloster Hagen se Lorse und erwähnen ausdrücklich auch ihren Sedelhof („Ein reiches Fürstenkloster stiftete Frau Ute / nach dem Tode Dankrats aus ihrem Witwengute; ...; Da stand für Frau Ute ein Sedelhof bereit / zu Lorsch bei dem Kloster, reich, groß und weit“).

Den „Wasgenwald“ in den älteren Handschriften deutete er als Wasenwald der Weschnitz, was ebenfalls zum Heppenheimer Siegfriedbrunnen gut passen würde. Wasgen- oder Wasenwald wurden tatsächlich die Sümpfe und Wiesen der Weschnitzniederung zwischen Lorsch und Heppenheim genannt. Noch heute gibt es ganz ähnliche Flurnamen.

Als „Spehtsharte“ bestimmte er den Spissert, ein noch heute so bezeichnetes Waldstück in der Gemarkung Viernheim, nahe Hüttenfeld (etwa 7 km vom Siegfriedbrunnen in Heppenheim entfernt).

Literatur

  • Helmut Berndt: Die Nibelungen – Auf den Spuren eines sagenhaften Volkes. 1992. ISBN 3404641094
  • Julius Reinhard Dieterich: Wo Sifrit erslagen wart. Starkenburg 1926, Nr. 1