Kundenwert
Der Kundenwert ist eine wirtschaftliche Kundenlebenszeitbetrachtung. Nicht jeder Kunde ist für das Unternehmen profitabel. Jedes Unternehmen hat in seinem Kundenstamm eine gewisse Anzahl von Kunden, für die mehr Geld für die Beziehungspflege ausgegeben wird, als an ihnen verdient wird. Diesen Zustand soll eine Kundenbewertung im Rahmen des Customer Relationship Management verbessern. Dabei werden Kunden nach ihren Potenzialen, die vom Unternehmen genutzt werden können, eingeschätzt.
Ermittlung des Kundenwertes
Zur Ermittlung des Kundenwertes gibt es verschiedene Verfahren (vgl. Geml/Lauer: Das kleine Marketing-Lexikon, 3. Aufl., Düsseldorf 2004):
- Customer Lifetime Value, bei dem die Profitabilität eines Kunden in Form seines Kapitalwertes für die einzelnen Perioden der Geschäftsbeziehung berechnet wird.
- Kundendeckungsbeitragsrechnung, bei der Erlöse und Aufwand für jeden Kunden gegenseitig aufgerechnet werden, um die Überschüsse pro Kundenbeziehung zu erhalten.
- ABC-Kundenanalyse, bei der die Kunden nach der Pareto-Regel eingeteilt werden. Die 20 % umsatzstärksten Kunden sind A-Kunden, die 20 % umsatzschwächsten sind C-Kunden, der Rest sind B-Kunden. Um Hinweise für die Bearbeitung dieser Kundengruppen zu gewinnen, muss auch das Kundenpotenzial berücksichtigt werden (s.u.).
- Scoring-Modell, bei dem alle Transaktionen mit einem Kunden mit positiven und negativen Punkten bewertet und gewichtet werden. Der gewichtete Punktewert wird zur Kundeneinteilung herangezogen.
- Kunden-Portfolio (siehe unten).
Alle diese Einteilungen haben das Ziel, eine differenzierte Kundenbeziehungsstrategie anzuwenden, um der Kundenbehandlung nach dem Gießkannenprinzip entgegenzuwirken. Aus Kostengründen erhalten nur die profitabelsten Kunden eine aufwändige Betreuung und bei unrentablen Kunden werden die Kosten zurückgefahren.
Die Fokussierung auf die Profitabilität der Kunden hat den Vorteil, dass eine langfristige Perspektive eingenommen wird. Die Ausgaben für Kunden stellen Investitionen dar, die langfristige Erträge erbringen müssen (vgl. Gupta/Lehman).
Kundenportfolio
Der in der Finanzwirtschaft entwickelte Portfolio-Ansatz geht davon aus, dass die verschiedenen Anlagemöglichkeiten so gemischt werden sollten, dass Gewinn und Risiko in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dieser Ansatz auch im Bereich der strategischen Unternehmens- und Marketingplanung genutzt.
Im Hinblick auf den Kundenwert bedeutet dies, dass die in den jeweiligen Kunden investierten Mittel in einem ausgewogenen Verhältnis zu dessen Profitpotenzial stehen müssen.
Hierbei sind folgende vier Kundengruppen zu unterscheiden (vgl. Gupta/Lehman):
- Stars: Diese Kunden ziehen einen großen Nutzen aus den Produkten und/oder [Dienstleistung]]en des Unternehmens. Auf der anderen Seite sind sie sehr wertvoll für das Unternehmen, da sie hohe Deckungsbeiträge erbringen sowie eine lang andauernde Kundenbindung haben. Hier handelt es sich um eine klassische Win-Win-Situation. Diese Kundengruppe ist die attraktivste für das Unternehmen.
- Arme Hunde: Diese Kunden ziehen nur einen geringen Nutzen aus den Produkten und/oder Dienstleistungen der Firma und sie repräsentieren nur einen geringen Wert für das Unternehmen. Falls es nicht gelingt, sie zu profitableren Kunden zu machen, sollten die Investitionen in diese Kundengruppe reduziert werden.
- Fragezeichen: Sie stellen einen hohen Wert für das Unternehmen dar, ziehen jedoch selbst nur einen geringen Nutzen aus den Produkten bzw. Dienstleistungen des Unternehmens. Dies können z.B. langjährige Kunden sein, die vor allem aus Gewohnheit bei dem Unternehmen bleiben. Die Beziehung zu diesen Kunden ist durch Aktionen der Mitbewerber gefährdet, da sie durch das Unternehmen nicht optimal betreut werden. Hier sollte über verbesserte Produkte oder Dienstleistungen für diese Kundengruppe nachgedacht werden sowie über zusätzliche Leistungen und ähnliche Aktivitäten.
- Trittbrettfahrer: Sie ziehen einen hohen Nutzen aus den Produkten bzw. Dienstleistungen des Unternehmens, haben aber nur einen geringen Wert für das Unternehmen. Dies sind z.B. Großunternehmen, die hohe Preisnachlässe durchsetzen. Im Allgemeinen sollten die Preise für diese Kundengruppe erhöht und/oder das Serviceniveau gesenkt werden. Jedoch müssen speziell bei der Bewertung dieser Kundengruppe auch Ausstrahlungseffekte berücksichtigt werden, die aus dem Wechsel eines solchen Kunden zum Wettbewerb entstehen.
Kundenpotenzialanalyse
Mittels der Kundenpotenzialanalyse werden die Zukunftschancen der einzelnen Kunden bewertet, um Hinweise für die differenzierte Bearbeitung dieser Kunden zu gewinnen. Eine rein vergangenheitsbezogene Betrachtung von Zahlen aus dem eigenen Rechnungswesen, wie z.B. Umsätze, Bestelleingänge, Deckungsbeiträge reicht hierzu nicht aus.
Die Analyse sollte sich u.a. auf folgende Kriterien richten (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen):
- Unternehmensgröße und -wachstum des Kunden
- Wettbewerbssituation des Kunden
- Unternehmensführung des Kunden
- Einflüsse gesamtwirtschaftlicher Gegebenheiten wie z.B. Konjunkturabhängigkeit.
Kritik an den Verfahren
Die vorgestellten Verfahren haben den gemeinsamen Nachteil, dass sie nur das Kaufverhalten der Kunden bewerten. Der Wert eines Kunden eines Kunden äußert sich auch in seinem Zahlungsverhalten. Dazu müsste ermittelt werden, inwieweit der Kunde die mit dem Lieferanten vereinbarten Zahlungsbedingungen einhält.
Literatur
- Geml, R./Lauer, H.: Das kleine Marketing-Lexikon, 3. Aufl., Düsseldorf 2004, ISBN 3-87881-183-7
- Gupta, S./Lehman, D.R.: Managing Customers as Investments, Upper Saddle River, NJ 2005
- Krenz, J.: Die Analyse des Kundenwertes, vdm 11/2006, ISBN 3-86550-591-0
- Nieschlag/Dichtl/Hörschgen: Marketing, 18. Aufl., Berlin 1997
- Wind, J.Y./ Main, J.: Driving Change, NY 1998
Siehe auch
- Average Revenue per User: durchschnittlicher Umsatz pro Kunde
- Key Account Management