Saul Ascher

deutscher Schriftsteller
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. November 2004 um 19:56 Uhr durch Gabor (Diskussion | Beiträge) (Leben: linkfix Eunomia und Hardenberg). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Saul Ascher (* 6. Februar 1767 in Berlin; + 8. Dezember 1822 in Berlin war ein deutscher Schriftsteller.

Leben

Nach umfangreicher sprachlicher Ausbildung wurde er Buchhändler und heiratete 1789 Rachel Spanier, deren Mitgift ihm ein relativ sorgenfreies Leben ermöglichte. Ascher schloss Freundschaft mit Heinrich Zschokke und Salomon Maimon und wurde Mitglied der reformjüdisch orientierten Gesellschaft der Freunde.

Ascher war Mitarbeiter von Zeitschriften wie Berlinische Monatsschrift, Berlinisches Archiv der Zeit und ihres Geschmacks oder der Eunomia und schloss Bekanntschaft mit Karl Julius Lange. 1810 erwarb er an der Universität Halle den Grad eines Doktors der Philosophie.

Die öffentlich geäußerte Kritik an Finanzminister Altenstein, dieser würde Kontributionspflichten vernachlässigen, brachte Ascher eine Untersuchungshaft wegen seiner bösartigen Schriftstellerei im Berliner Stadtgefängnis, eine Haussuchung und die Beschlagnahme einiger Manuskripte ein; ein Verfahren wurde später durch Hardenberg niedergeschlagen.

Nach dem Tode seiner Frau 1815 wurde er zu einem Sonderling, über den Leopold Zunz bemerkte, er sei Feind aller Schwärmerei, gegen die Deutschtümler, sein moralischer Charakter wird nicht geschätzt.

Werk

In seiner ersten Publikation Bemerkungen über die bürgerliche Verbesserung der Juden betonte Ascher, angebliche spezielle jüdische Charaktereigenschaften gingen nicht auf eine Veranlagung, sondern auf die jahrhundertelange Verfolgung und Diskriminierung zurück. Über das Schicksal der jüdischen Nation bemerkt er: Unterdrückung erzeugt Kleinmütigkeit des Geistes, Verachtung unterdrückt jeden keim von Sittlichkeit und Bildung; Verfolgung jeden Keim von Moralität. Keine Nation wird mehr verfolgt und verachtet als die jüdische.

Anders als andere jüdische Autoren, die die mit dem Toleranzedikt Kaiser Joseph II. einhergehenden Reformen - und damit eingeschlossen die allgemeine Pflicht zum Heeresdienst - begrüßten, wandte sich Ascher gegen einen von Juden zu leistenden Militärdienst. Aufgrund der faktischen Zweiteilung der jüdischen Nation in Arm und Reich würden die Bemittelten sich loskaufen und die alleinige Last werde auf die Armen gewälzt. Erst eine vorauslaufende völlige Gleichberechtigung der Juden werde eine allgemeine Zustimmung auch zum Staat nach sich ziehen.

1792 erschien Leviathan oder über Religion in Rücksicht des Judentums, eine jüdische Religionskritik, in der Ascher zwischen offenbarter und anzustrebender Vernunftreligion und einem veräußerlichten „maschinenartigen“ Ritualgesetz unterschied.

In seiner 1794 erschienen Streitschrift Eisenmenger der Zweite polemisierte Ascher gegen antisemitische Äußerungen Fichtes, dem er den Namen des seinerzeit bekannten Jundenfeindes Johann Andreas Eisenmenger, dem Autor des Pamphlets Entdecktes Judentum beilegte. Mit Fichte, der zum Abschneiden jüdischer Köpfe und dem Aufsetzen anderer aufgerufen hatte, sei eine neue Phase der Judenfeindlichkeit zu verzeichnen, die statt religiöser nunmehr politische Argumente gegen die Juden ins Feld führe. Ascher plädierte für die Emanzipation und wies auf die Konfessionen überbrückenden Elemente der in den jeweiligen Offenbarungen verhüllten Wahrheiten.

1799 wurde seine Schrift Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen von der Zensur verboten mit der Begründung einer auf Umsturz der bisherigen Staatsverfassung abzielenden höchst sträflichen Absicht. Unter einem anderen Titel wurde die Beschreibung des menschheitlichen Weges zu einer höheren und würdigeren Gemeinschaft 1801 veröffentlicht. Sein revolutionär-fortschrittliches Ideal sah Ascher dabei im politischen System Napoleons verwirklicht. Das Imperium habe ohne einen bestimmten Nationalismus und Intoleranz dir Grundlagen für eine harmonischere Weltordnung geschaffen.

1809 übersetzte Ascher die Schrift "Die Neger" des Kämpfers für die Judenemanzipation Henri Grégoire, ein Werk für alle, welche die Sache der unglücklichen Schwarzen und Mulatten... verteidigen.

1811 schilderte Ascher die Umstände einer Verhaftung der reformfeindlichen Politiker Finckenstein und Marwitz, worauf die Presse angewiesen wurde, daß dieser Artikel von einem völlig ununterrichteten jüdischen Instruktor, namens Saul Ascher, herrührt, der vor einem Jahre ...dem Stadtgefängnisse übergeben worden, und, wie sich zeigt, nur zu früh daraus entlassen ist.

Im selben Jahr beschrieb Ascher die Berliner romantisch-nationalistische Christlich-deutsche Tischgesellschaft, die in ihrem Vereinsstatut eine Mitgliedschaft von Juden oder Jüdischstämmigen grundsätzlich ausschloss. Dabei brachte er im Hinblick auf antisemitische Publikationen Clemens Brentanos die Befürchtung zum Ausdruck, daß nach der Verdammung der Philister und Juden nun Indier, Mohammedaner, Chinesen und ungläubige Barbaren an die Reihe kommen...

Die „Germanomanie“

Die von Ascher 1812 begrüßte Judenemanzipation erwies sich in der Realität als wenig tragfähig. Vielmehr gewann mit der Niederlage Napoleons die deutsch-nationalistische antifranzösische und antisemitische Volkstumsideologie mit den Wortführern Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn Einfluss. In den publizistischen Meinungsstreit griff er 1815 mit seiner Schrift Germanomanie ein. Er äußerte:

Man muss die Menge, um auch sie für eine Ansicht oder Lehre einzunehmen, zu begeistern suchen; um das Feuer den Begeisterung zu erhalten, muß Brennstoff gesammelt werden, und in dem Häuflein Juden wollen unsere Germanomanen das erste Bündel Reiser zur Verbreitung des Fanatismus hinlegen.

Deutschland, so Ascher weiter, sei nicht wegen schädlicher Einflüsse aus dem Ausland geschwächt, sondern, weil es sich dem Impuls der französischen Revolution von Anbeginn entzogen habe. Die Idee einer sich anbahnenden vereinigten Menschheit sah er in der Heiligen Allianz verwirklicht. Die Forderung des antisemitischen Historikers Friedrich Rühs, Juden wegen mangelnder Ehre von der Beteiligung am Kriegsstand auszuschließen, kommentierte er damit, daß Deutschlands Heere in dem Kampf gegen Frankreich unterlagen, ehe noch die Juden...teil daran nahmen, hingegen blieben sie ... siegreich, als die Juden ... mit ihnen in Reih und Glied standen.

Der Student und Jahn-Gefolgsmann Hans Ferdinand Maßmann organisierte die Reaktion der sich angegriffen wähnenden "Germanomanen" auf dem Wartburgfest am 18. Oktober 1817 in Gestalt einer an Luthers Tat vor 400 Jahren erinnern sollenden Bücherverbrennung. Dabei wurde die die "Germanomanie" zusammen mit anderen reaktionär geltenden Schriften und Symbolen vor 500 Burschenschaftsstudenten mit dem Ruf Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum spotten. den Flammen überliefert.

Heinrich Heine kommentierte 1820 die Ereignisse in seinem Trauerspiel "Almansor": dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.

Seine Sicht der Ereignisse der Bücherverbrennung fasste Ascher 1818 in der Schrift Die Wartburgsfeier zusammen, in der er bei den Burschenschaftern eine Umkehrung der lutherischen Absicht als irrationale Verirrung aufzeigte. Er ging dabei soweit, zu polizeiliche Maßnahmen zur Unterdrückung deutschnationalistischen Gedankengutes aufzurufen.

Obwohl selbst Opfer von Intoleranz und Fanatismus ging Ascher 1818 so weit, einen staatlichen Zensurerlass gegen seine Kritiker im Frankfurter Bundestag zu beantragen.

Als eine Zusammenfassung seiner Gedanken lässt sich seine 1819 verfasste Schrift Der deutsche Geistesaristokratismus verstehen. Ausgehend vom Ideal der französischen Revolution käme Deutschland die Rolle zu, diese zu vollenden. Deutschland biete Voraussetzungen eines sich auflösenden Nationalismus zugunsten eines allmählich fortschreitenden völkerverbindenden Kosmopolitismus.

Literatur

  • Walter Grab: Ein Volk muss seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner. Frankfurt 1984, 461-494