Die Codices Latini Antiquiores sind ein Katalog aller heute bekannten lateinischen Handschriften (Bücher und Rollen) vor dem 9. Jahrhundert. Er enthält nur Bücher von literarischem Inhalt, damit auch Gesetzestexte, aber keine Briefe oder Urkunden. Die C.L.A. bestehen aus 11 nach Aufbewahrungsländern gegliederten Bänden, einer Aktualisierung von 1971 und zwei Ergänzungen von 1985 und 1992.
Für die Urkundenschriften ist das Schwesterunternehmen der Chartae Latinae Antiquiores ins Leben gerufen worden.
Die C.L.A wurden allein auf Basis der Paläografie, der Stilkunde der Handschriften erstellt. Sie enthalten zu jedem Codex oder Titel in einem Codex eine Beschreibung des Inhalts, Erhaltungszustand, Schrifttyp und wahrscheinlichem Erstellungsort und Zeit. Außerdem ist zu jedem so beschriebenen Objekt eine Schwarz-Weiß-Photographie im Maßstab 1:1 enthalten. Ein Nachdruck von 1988 ist in allerdings deutlich kleinerer Größe als die Originalausgabe. Diese Verkleinerung ist weder erwähnt noch erkennbar, da die Originalausgabe bei den Photos keinen Längenmaßstab enthielt.
Die C.L.A sind das bedeutendste Werk der Paläographie und das Lebenswerk von Elias Avery Lowe (1879-1969). Als in Cornell graduierter Student besuchte Lowe ab 1903 Deutschland und wurde zum Schüler von Ludwig Traube in München. Lowe hielt Traube auch später immer für unübertroffen. Auf Traubes Vorschlag schrieb er seine Dissertation mit dem Titel "Die ältesten Kalendarien aus Monte Cassino" (1908). Die Ergebnisse waren anders als zuvor erwartet, denn Lowe hat mehr Bücher ausgewertet als zuvor zu dieser Frage verwendet wurde. Das Problem war offensichtlich. Die alten Bücher waren überall verteilt. Wenn nahezu alle gesichtet waren, konnte man erwarten, sicher zu erkennen, was wann und wo verfasst wurde. Und erst damit konnte man die Bedeutung einzelner Orte für ihre Zeit abschätzen und deren Aktivitäten, besonders in der Spätantike und im frühen Mittelalter, quantifizieren.
Die C.L.A. wurden auf Lowes Vorschlag 1929 begonnen und er leitete das Projekt seit 1936 vom Institute for Advanced Study in Princeton. Die C.L.A. enthielten am Ende doppelt so viele Einträge als zunächst geschätzt. Das Projekt konnte nur gelingen durch die wesentliche Hilfe von Bernhard Bischoff, dem bedeutendsten deutschen Paläographen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn des Projekts nur ein unbekannter Student in München, übernahm er 1933 die schwierige Grenzzeit um 800, die sehr viele Codices umfasste.
Nach dem die C.L.A. in den 1970ern abgeschlossen waren, wurde eine statistische Auswertung erstellt, aber nicht veröffentlicht. Mit den Ergänzungen enthalten sie 1884 Bücher, die Anzahl der Titel, also der eigentlichen Handschriften, ist deutlich über 2000, meist sind es Fragmente. Die C.L.A. zeigen für vor der Mitte des 4. Jh. nur archäologische Funde. Danach, bis 800, die absolute Dominanz theologischer Titel. Im 6. und 7. Jh. war das Erstellen oder Kopieren säkularer Texte fast erloschen.
Am erstaunlichsten waren die Daten von Italien. Für die Zeit zwischen 400 und 800 zeigt Italien eine praktisch konstante Buchproduktion, ein lineares Anwachsen der Überlieferungsmenge. Die extremen Wirren der Völkerwanderungszeit und der vernichtende Krieg mit Byzanz im 6. Jh. scheinen weder die Produktion noch die Verlustrate der italienischen Klöster wesentlich beeinflusst zu haben. Die Verlustrate für Italien von 400 bis 800 scheint konstant und recht gering gewesen zu sein. Für die Zeit vor 350 war sie total. Ähnliche Aussagen lassen sich für die anderen Regionen nicht machen, da dort eine wesentliche Produktion ohnehin erst nach 650 zu erwarten war.
Die italienischen Codices, und davon fast nur die theologischen, wurden ins ganze christliche Europa exportiert, bis dort selbst die Produktion anlief. Für Frankreich war das ab ca. 650, England und Irland ca. 730, Deutschland und Schweiz erst gegen 800.
Für 5. bis Mitte des 7. Jh. sieht man einen starken Fluss von Italien nach Frankreich. Für das 8. Jh. ist ein deutlicher Fluss an Codices von Frankreich und England/Irland nach Deutschland auffallend. Immer vor allem theologische Werke. Eine Bewegung heidnischer Klassiker kann für den gesamten geografischen und zeitlichen Bereich der C.L.A. statistisch nicht nachgewiesen werden. Die im Bewegungsmuster erfassten 14 Klassiker sind wahrscheinlich erst später oder als Palimpsest migriert.
Siehe auch
Literatur
Codices Latini Antiquiores. A palaeographical guide to Latin ms. prior to the 9th century, herausgegeben von Elias Avery Lowe:
- The Vatican City, Oxford 1934 (Codices Latini Antiquiores 1).
- Great Britain and Ireland, Oxford 1935; 2. Auflage 1972 (Codices Latini Antiquiores 2).
- Italy. Ancona - Novara, Oxford 1938 (Codices Latini Antiquiores 3).
- Italy. Perugia - Verona, Oxford 1947 (Codices Latini Antiquiores 4).
- France. Paris, Oxford 1950 (Codices Latini Antiquiores 5).
- France. Abbeville - Valenciennes, Oxford 1953 (Codices Latini Antiquiores 6)
- Switzerland, Oxford 1956 (Codices Latini Antiquiores 7).
- Germany. Altenburg - Leipzig, Oxford 1959 (Codices Latini Antiquiores 8).
- Germany. München - Zittau, Oxford 1959 (Codices Latini Antiquiores 8).
- Austria, Belgium , Czechoslovakia, Denmark, Egypt and Holland, Oxford 1963 (Codices Latini Antiquiores 10).
- Hungary, Luxembourg, Poland, Russia, Spain, Sweden, USA and Yugoslawia, Oxford 1966 (Codices Latini Antiquiores 11).
- Supplement, Oxford 1971 (Codices Latini Antiquiores 12).
- Index of scripts. Comp. by Rutherford Aris. Osnabrück: Zeller 1982.
- Addenda to Codices latini antiquiores, edd. Bernhard Bischoff and Virginia Brown. Toronto, 1985 (SA aus: Mediaeval studies 47, S. 317 - 366)