Bitumen (lat. für Erdpech) ist ein in Vakuumdestillation aus Erdöl gewonnenes Material. Es ist ein nahezu nicht flüchtiges, klebriges und abdichtendes erdölstämmiges Produkt mit temperaturabhängigem elastoviskosem Verhalten, das in Toluol vollständig oder nahezu vollständig löslich ist und auch in Naturasphalt vorkommt. Es besteht hauptsächlich aus hochmolekularen Kohlenwasserstoffen (langkettig und aromatisch) und enthält daneben chemisch gebundenen Schwefel, Sauerstoff, Stickstoff und einige Spuren von Metallen. Es ist in Wasser praktisch unlöslich und wird daher verwendet, um empfindliche Stoffe und Bauteile gegen Wasser zu schützen. Physikalisch gesehen gehört Bitumen zu den thermoplastischen Stoffen, das heißt seine Eigenschaften sind temperaturabhängig. Bei Abkühlung wird es spröde, bei Erwärmung durchläuft es stufenlos alle Zustände von fest über zähflüssig bis dünnflüssig. Bei steigenden Temperaturen fängt es an, sich langsam zu zersetzen. Es hat keinen Schmelzpunkt wie zum Beispiel Wasser.
Gegenüber Wasser ist es sehr stabil. Es lassen sich in der Praxis jahrelange Wassereinwirkungen nur an der Oberfläche nachweisen. Es ist chemisch stabil gegenüber nicht-oxidierenden Säuren und Basen, reagiert aber im Brandfall heftig mit Sauerstoff. Bitumen ist löslich oder aufquellend gegenüber ähnlichen Kohlenwasserstoffen, zum Beispiel Benzin oder Öl.
Neben der Möglichkeit Bitumen aus Erdöl zu gewinnen gibt es natürliche Bitumenvorkommen auf der Erde, auch Naturbitumen genannt. Das wohl bekannteste Vorkommen ist der Pitch Lake auf der Insel Trinidad. Dort sprudelt ständig flüssiges Bitumen aus dem Untergrund hervor und hat im Verlauf der Erdgeschichte einen Asphaltsee gebildet. Man bezeichnet diese Mischung aus Naturbitumen und Gesteinsmaterial auch als Trinidad-Naturasphalt.
Anwendung im Bauwesen
Im Hochbau wird Bitumen beispielsweise zum Schutz von Gebäudeteilen gegen Wasser verwendet.
Dabei kommen Bitumenanstriche zur Verwendung oder verschiedene Bitumenwerkstoffe, zum Beispiel Bitumendachbahnen als Dachabdichtung. Es gibt sie als Bitumenbahnen (Trägereinlagen mit beidseitigen Bitumen-Deckschichten) oder als Polymerbitumenbahnen (Elastomer-(PYE) und Plastomer-(PYP) Bitumenbahnen). Bei der Kelleraußenisolierung kommt unter anderem die Bitumendickbeschichtung zum Einsatz.
Eine so genannte bitumenhaltige Haftschicht wird ebenfalls gern im Hochbau eingesetzt. Sie verbindet zum Beispiel einen Brückenbelag mit der Stahlplatte und schützt den Stahl zugleich gegen Korrosion.
Zur horizontalen Abdichtung werden im Innenbereich auch Gussasphaltestriche, verwendet, im Außenbereich, z.B. auf Parkdecks und Brücken in Deutschland ein System aus Bitumen- oder Kunststoffbahnen und Gussasphalt.
Ist Bitumen dauerhaft der Witterung ausgesetzt, wird es aufgrund von Oxydationsvorgängen spröde und rissig. Oberflächenschutzsysteme oder die Beimischung von Kunststoffen können die Wirkungsdauer der Abdichtung wesentlich verlängern.
Bitumenabdichtungen sollten im Normalfall mit einem Gefälle von mindestens 2% ausgeführt werden, damit das Wasser abfließen kann. Bei geringerem Gefälle kann Wasser stehen bleiben. Wasser beschleunigt den biologischen und chemischen Abbau des Bitumens. Physikalisch schadet das stehen gebliebene Wasser durch Nass-Trockenzonen im Sommer und Eisbildung im Winter.
Im Straßenbau wird Bitumen als Bindemittel zwischen Mineralstoffen verwendet, das Gemisch bezeichnet man als Asphalt. Diese Rolle übernahm bis in die 1970er Jahre neben den Bitumen auch der Teer, der heute wegen seiner krebserregenden (karzinogenen) Wirkung für den Bereich öffentlicher Auftraggeber verboten ist. Ein generelles Verbot für Teer ist vom Gesetzgeber nicht erlassen.
Auch für die Herstellung von Asphalt werden immer häufiger Bitumina verwendet, die mit Polymeren modifiziert sind. Insbesondere für Beläge auf stark frequentierten Verkehrswegen wird häufig polymermodifiziertes Bitumen (PmB) verwendet.
In anderer Form findet Bitumen Verwendung als Rückenbeschichtung von Teppichfliesen.
Prüfverfahren
Die Eigenschaften verschiedener Bitumenarten werden durch besondere Prüfverfahren untersucht. Diese sind festgelegt in den DIN-Normen für Straßenbaubitumen. Die wichtigsten Kennzahlen sind der Erweichungspunkt RuK (EP RuK), der Brechpunkt nach Fraaß und die Werte der Nadelpenetration.
In Deutschland werden folgende Arten von Bitumen unterschieden.
Sorte | EP RuK | Penetration | Alte Bezeichnung bis 2000 |
160/220 | 35-43 (37-43) | 160 - 220 | B 200 |
70/100 | 43-51 (43-49) | 70 - 100 | B 80 |
50/70 | 46-54 (48-54) | 50 - 70 | B 65 |
30/45 | 52-60 (53-59) | 30 - 45 | B 45 |
20/30 | 55-63 (57-63) | 20 - 30 | B 25 |
Neben den normalen Bitumen werden in Deutschland so genannte polymermodifizierte Bitumen (PmB) verwendet. Ihnen wurden Polymere zugesetzt welche die Elastizität heraufsetzten. Es werden acht Arten unterschieden.
Eigenschaft | PmB 130 A | PmB 65 A | PmB 45 A | PmB 25 A | PmB 65 C | PmB 45 C | PmB 25 C | PmB 40/100-65 H |
Nadelpenetration in 1/10 mm | 100-200 | 50-90 | 20-60 | 10-40 | 50-90 | 20-60 | 10-40 | 40-100 |
EP RuK in °C | 40-48 | 48-55 | 55-63 | 63-71 | 48-55 | 55-63 | 63-71 | 65 |
Brechpunkt in °C | -20 | -15 | -10 | -5 | -15 | -10 | -5 | -15 |
Duktilität bei 7°C | 70 | - | - | - | - | - | - | - |
Duktilität bei 13°C | - | 70 | - | - | 20 | - | - | - |
Duktilität bei 25°C | - | - | 40 | 20 | - | 15 | 10 | 60 |
Biegebalkenrheometerwert bei -16°C in MPa | 200 | 250 | 300 | 350 | 250 | 300 | 350 | 200 |
In Ländern mit kaltem Klima werden auch Bitumen verwendet, die durch den Zusatz von Fluxölen eine niedrigere Viskosität aufweisen. Diese Bitumen werden auch als Fluxbitumen bezeichnet.
Verarbeitung
Bitumen ist bei normaler Umgebungstemperatur nicht verarbeitbar oder förderbar. Zum Verarbeiten von Bitumen in ein Endprodukt sind somit Hilfsmittel erforderlich. Die bekannteste Möglichkeit ist das Erhitzen von Bitumen bis zum flüssigen Zustand. Weitere Möglichkeiten sind die Verarbeitung als Bitumenemulsion (Bitumen in Wasser emulgiert), Zugabe von Wasser und Umgebungsluft Schaumbitumen oder die Zugabe von Lösemitteln, so genanntes Verschnittbitumen. Weiterhin werden zur leichteren Verarbeitbarkeit Fluxmittel (petrostämmig) hinzugegeben; eine Erhitzung des so entstandenen Fluxbitumen bleibt weiterhin notwendig zur weiteren Verarbeitung. Seit 2003 werden die petrostämmigen Fluxmittel zunehmend durch Öle aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzt.
Geschichte
Jahr | Ort | Verwendung |
6700 v. Chr. | 'Ain Ghazal | Bitumen wird verwendet, um Augenkonturen an Kalkmörtelstatuen zu modellieren |
3000 v. Chr. | Babylon | Bitumen wird erstmals nachweislich an Stellen gefördert, wo es natürlich austritt |
2600 v. Chr. | Irak | Kalksteintafel umrahmt mit Muscheln und Bitumen in Tell Aamar |
2200 v. Chr. | Assyrien | Altar im Mausoleum von Bur-sin mit Bitumen bestrichen |
1. Jahrhundert v. Chr. | Rom | Diodor schreibt in Bibliotheke enthusiastisch über die antike Bitumenindustrie |
1832 | Grosny | Die Destillationsanlage der Gebrüder Budinin liefert neben Petroleum auch kleine Mengen an Bitumen |
1870 | USA | Die ersten größeren Anlagen zur Gewinnung von Bitumen entstehen |
1873 | Baku | Mit der so genannten Blasendestillation wird die kontinuierliche Gewinnung von Bitumen möglich |
1876 | Washington DC | Vergleichstest zwischen Bitumen und Naturasphalt |
1888 | USA | Die erste Form der Penetration wird durch H.E. Bowen entwickelt |
1894 | USA | Erste industrielle Anlagen zur Herstellung von Bitumen mittels Blasendestillation |
1905 | New York City | Das erste Fachbuch zur Verarbeitung von Bitumen wird durch C. Richardson veröffentlicht |
1906 | Deutschland | Die erste Bitumenemulsion wird patentiert |
1910 | Europa und USA | Isolationen aus Bitumen für elektrische Anlagen |
1910 | Europa und USA | Abdichtung von Zündschnüren mit Bitumen |
1910 | Kanada | Die ersten Dächer werden mit Bitumen abgedichtet |
1924 | Seattle | Bitumen wird zur Abdichtung von Staudämmen verwendet |
1936 | USA | Die Prüfung Erweichungspunkt RuK wird entwickelt |
1937 | Berlin | Die Prüfung für den Brechpunkt nach Fraaß wird entwickelt |
1948 | USA und Sowjetunion | Bitumen wird in den Brennsätzen von Feststoffraketen verwendet |
1948 | Europa | Verwendung als Klebstoff bei der Brikettherstellung |
1948 | Europa | Isolierbänder mit Bitumen werden hergestellt |
1957 | Iowa | Schaumbitumen wird entwickelt und getestet |
1961 | England | Der Heißwalzasphalt wird patentiert |
1967 | Europa | Polymermodifiziertes Bitumen wird entwickelt und getestet |
1978 | Österreich | Bitumenemulsionen mit polymermodifizierten Bitumen werden entwickelt |
1999 | Deutschland | Das Patchverfahren für kleinflächige Reparaturen wird entwickelt |
2000 | Deutschland | Erste Versuche mit Additiven zur Senkung der Viskosität |
Siehe auch: Themenliste Straßenbau
Weblinks
- Bitumen-Artikel des Berufsgenossenschaftlichen Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin
- http://www.arbit.de/ Arbeitsgemeinschaft der Bitumen-Industrie e.V
- http://bitumen-magazin.de/ das aktuelle wissenschaftliche Magazin zum Thema Bitumen
- Der Dichte Bau Infoseite des vdd Industrieverband Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen e.V.
- Informationsblatt für den Transport von erwärmten flüssigen Stoffen der Klasse 9 am Beispiel Bitumen (Quelle: www.bp.com)
- Asphalt + Bitumen Beratung