Londinium ist der antike Name von London. Es handelte sich um die größte Stadt und Hauptstadt der römischen Provinz Britannien. Durch seine günstige Lage an der Themse, die wiederum einen guten Anschluss ans Meer bot, war Londinium ein bedeutendes Handelszentrum.
Geschichte
Die Stadt scheint keine keltischen Vorgängerort gehabt zu haben. Im heutigen Stadtgebiet von London gibt es aber diverse vorgeschichtliche Siedlungen, doch ist keine von diesem als wirkliche Vorgängersiedlungen zu bezeichnen. Es wird ein römsiches Militärlager an Stelle der späteren Stadt vermutet, doch konnte dies bisher archäologisch nicht nachgewiesen werden und es bleibt daher sehr spekulativ.
Die erste nachweisbare römische Siedlung entstand bei Cornhill (im Osten des heutigen Stadtzentrums). Diese erlangte schon früh bedeutende Ausmaße. An der Stelle des späteren Forums gab es einen großen freien Platz, der wahrscheinlich als Markt fungierte. Dem Bericht von Tacitus zu Folge war die Stadt wegen seiner zahlreichen Kaufleute und umfangreichen Handelsbeziehungen berühmt.[1] Beim Aufstand der Boudicca im Jahr 60 n. Chr. wurde der Ort, der sicherlich nicht befestigt war, vollkommen niedergebrannt.
In den Jahren nach dem Aufstand wurde die Stadt wieder aufgebaut und Londinium wurde nun Hauptstadt der britannischen Provinz. Es wurde ein Forum in Stein erbaut, das um 120 nochmals ausgebaut wurde. Obwohl es früh schon zahlreiche Steinbauten gab, so bestand die Großteil der Wohnbebauung aus Holzbauten, die wiederum bei verschiedenen Stadtbränden vernichtet wurden. Diese sind nur archäologisch fassbar. In einem Fall konnten ein Warenlager ausgegraben werden, das in Flammen aufging und das sich voll von importierter Terra Sigillata fand.
Die Stadt hatte einen Plan mit sich rechtwinkelig kreuzenden Straßen. Es gab jedoch zahlreiche Unregelmäßigkeiten, die vielleicht auf das ungeplante frühe Wachstum der Stadt zurück zu führen sind. Im Jahr 122 besuchte Kaiser Hadrian die Stadt und es wird vermutet, dass der Bau und Ausbau einiger öffentlicher Gebäude dem Kaiser zuzuschreiben ist. In der Folgezeit erreichte die Stadt ihre größte Blütezeit und es wird vermutet, dass mehrere zehntausend Menschen hier lebten. Um 200 wurde die britannische Provinz zweigeteilt. Londinium blieb die Hauptstadt von Britannia Superior. Am Ende des dritten Jahrhunderts (286) war die Stadt wahrscheinlich Hauptort des Gegenkaisers Carausius. Britannien wurde 296 von dem Kaiser Constantius I. zurückerobert, auf dessen Münzen sich das älteste Bild der Stadt finden. Die Quellen berichten von einer Plünderung der Stadt durch Franken, die der Kaiser gerade noch verhindern konnten. Kurz darauf kam es zu einer erneuten Provinzteilung. Londinium wurde nun der Hauport der Provinz Maxima Caesariensis. Die Stadt wurde vielleicht in den Status einer Kolonie erhoben. Um 314 hatte die Stadt auch einen Bischof.
Im vierten Jahrhundert wurde die Stadt in Augusta umbenannt.[2] Wie bei so gut wie allen britannischen Städten ist im Laufe des vierten Jahrhunderts ein Verfall feststellbar, obwohl es anscheinend noch eine Reihe von bewohnten ansehnlichen Stadtvillen gab, die selbst im vierten Jahrhundert errichtet wurden. Im Laufe des fünften Jahrhunderts wurde die Stadt weitestgehend verlassen.
Handwerk und Handel
Es gibt zahlreiche Belege für verschiedene Handwerksbetriebe. An der Stelle des späteren Praetoriums scheint ein Goldschmied im ersten Jahrhundert gearbeitet zu haben. Aus der Stadt vor dem Aufstand der Boudicca gibt es auch Belege für Eisenschmiede und Kupferverarbeitung. Bemerkenswert, da nicht oft anzutreffen sind die Reste von Glaswerkstätten aus dem ersten und zweiten Jahrhundert. Vor dem Aufstand operierte in der Stadt auch eine Töpferei, wobei der Töpfer eventuell aus dem Rhonetal kam, wo es schon vorher eine blühende Töpferindustrie gab. Besonders wichtig war aber der Handel. Am Ufer der Themse konnten Kaianlagen ausgegraben werden und es fand sich in der Themse sogar ein relativ gut erhaltenes Schiff. Inschriften belegen, dass die Einwohner der Stadt aus allen Teilen des römischen Reiches nach Londinium kamen. Die besondere Bedeutung des Handels belegen auch die zahlreichen Warenlager, vor allem an den Ufern der Themse.
Die Bauten
Forum
Im Zentrum der Stadt stand das Forum. Es handelte sich um den größten Bau dieser Art nördlich der Alpen. Es lassen sich zwei Bauphasen unterscheiden, wobei das Forum in der zweiten Bauphase deutlich erweitert wurde. Die Identifikation des Baues in der ersten Phase als Forum ist umstritten und es ist auch vorgeschlagen worden, dass es sich bei den gefundenen Resten um Lagerhäuser handelte. Der Ausbau wird oft mit dem Besuch von Kaiser Hadrian in Verbindung gesetzt, obwohl es bisher nicht bewiesen werden kann. Das Forum bestand aus einem großen freien Platz mit einem Wasserbecken in der Mitte. Der Platze war einst von Kolonnaden und Läden gesäumt. Im Norden schloss sich eine Basilika mit Apsiden an. Der ganze Komplex war ca. 168 x 167 m groß. Der Haupteingang lag wohl im Süden. Das ganze Forum wurde um 300 abgerissen und nie wieder aufgebaut.
Praetorium
Am Ufer der Themse (in der Gegend der heutigen Cannon Street Station) stand ein großes repräsentatives Gebäude mit einem Garten, Wasserbecken und Springbrunnen. Es handelt sich vielleicht um das Praetorium der Stadt, obwohl die schlecht erhaltenen Reste eine andere Funktion, wie die eines großen Bades nicht vollkommen ausschließen. Der Gebäudeplan ist nur in Teilen erhalten. Der Bau war aber einst reich ausgestattet, wie Reste von Mosaiken zeigen. Es gab einen großen Mittelsaal und Bauteile mit Apsiden. Der Bau wurde in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts errichtet, wobei diverse An- und Umbauten in der Folgezeit beobachtet werden konnten. Der Bau wurde bis ca. 300 benutzt.
Tempel
Londinium hatte sicherlich mehrere Tempel. Durch Inschriften ist der Bau einer Muttergottheit und vielleicht ein Tempel der ägyptischen Göttin Isis belegbar. Auf einem Altar wird die Renovierung eines Jupitertempels erwähnt. Mit Sicherheit konnte nur ein Mithraeum identifiziert werden. Der Bau enthielt bei seiner Auffindung 1954 noch zahlreiche Skulpturen und ist heute noch erhalten.
Andere öffentliche Bauten
Mehrere Bäder sind bekannt, wobei es im Einzelfall nicht immer sicher ist, ob die gefundenen Reste zu öffentlichen oder privaten Badeanlagen gehörten. Das kleine Bad am Huggin Hill (Nahe des Ufers der Themse), das in flavischer Zeit errichtet wurde und fast vollständig ausgegraben werden konnte, ist sicherlich ein öffentliches Bad gewesen. Es wurde jedoch schon am Ende des zweiten Jahrhunderts abgerissen.
Etwas südlich des Militärlagers konnten die Fundamente eines Amphitheaters ausgegraben werden. Es war ca. 130 x 110 m groß und ist im zweiten Jahrhundert erbaut worden und wurde in der Mitte des vierten Jahrhunderts aufgegeben.
Lager
Am Ufer der Thames konnten zahlreiche Lagerbauten ausgegraben werden, die die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt unterstreichen. Die Uferlinie schob sich dabei im Laufe der Jahrhunderte immer weiter nach Süden, womit also neues Land gewonnen wurde. Teile der Uferbefestigungen mit den Landestegen aus Holz sind bei Ausgrabungen gefunden worden und waren zum Teil überraschend gut erhalten.
Militärlager
Im Norden der Stadt gab es ein ca. 4.5 ha großes Militärlager, das am Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Jahrhunderts errichtet wurde. Es ist umstritten, was für eine Militärtruppe hier stationiert war. Vielleicht Soldaten, die in Verbindung mit dem in Londinium residierenden Statthalter standen. In Texten auf Weihesteinen aus der Stadt erscheinen Legionen. Doch ist es sehr zweifelhaft, dass diese hier ihr Lager hatten. Drei Legionen sind bezeugt. Es sind die Secunda Augusta, die Legio XX Valeria Victrix und die Legio VI Victrix.
Wohnbauten
Wohnbauten konnten im ganzen modernen Stadtgebiet beobachtet werden. Da die Ausgrabungen jedoch meist nur kleine Ausschnitte erfassen, sind nur wenige Gebäude in ihrem Gesamtplan erkennbar. Im ersten und zweiten Jahrhundert scheinen vor allem Holzbauten dominiert zu haben, die dicht an dicht die Stadt bedeckten, obwohl es auch bedeutende Steinhäuser gab. Im dritten Jahrhundert wurden immer mehr Steinbauten errichtet, wobei diese Bauten meist größer waren und es den Anschein hat, dass es einen Rückgang in Handwerk und Industrie gab. Diese Häuser, besonders im Zentrum der Stadt, hatten Mosaiken, Wandmalereien, Hypokausten und Badanlagen.
Stadtmauer
Die Stadtmauer, die ca. 3,2 km lang war, ist am Ende des zweiten Jahrhunderts errichtet worden. Es gab mindestens sechs Tore, mindestens ein weiteres kann zur Themse hin erwartet werden, wo es eine Brücke über den Fluss gab. Sie schloss das Militärlager, aber auch das Amphitheater mit ein, was in den meisten anderen britanischen Städten in der Regel nicht der Fall ist.
Vorstädte
Auf der Südseite der Themse (heutiges Southwark) gab es eine große Vorstadt, die mit der eigentlichen Stadt durch eine Brücke verbunden war. Das Gelände war hier flach, wurde oft überflutet, so dass nur auf einer Reihe von kleinen Hügeln gesiedelt werden konnte. Die Bebauung scheint typisch für ein Vorstadt gewesen zu sein und entwickelte sich vor allem entlang der Ausfallstraßen. Hier konnten jedoch auch bedeutende Steinbauten mit teilweise reicher Innenausstattungen ausgegraben werden. Hier stand wahrscheinlich auch der Isis-Tempel.
Nekropolen
Außerhalb der Stadtmauern gab es umfangreichen Nekropolen mit teilweise monumentalen Grabbauten. Das monumentale Grabmal des Gaius Iulius Alpinus Classicianus gehört einer historisch fassbaren Person. Andere Grabsteine belegen den kosmopolitischen Charakter der Bevölkerung. Alfidus Olussa z.B. stammten aus Athen.
Anmerkungen
Literatur
- Gustav Milne: The Port of Roman London, London 1993 (reprint) ISBN 0713443650
- Ralph Merrifiled: London, City of the Romans, 1983 ISBN 0520049225
- John Wacher: The Towns of Roman Britain, Routledge, London/New York 1997, S. 88-111 ISBN 0-415-17041-9