Adel

privilegierte Gesellschaftsklasse
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Als Adel (lat. nobilitas) bezeichnet man eine mit Privilegien ausgestattete kleine, elitäre soziale Gruppe innerhalb eines hierarchisch organisierten Klassen-, Kasten- oder Ständesystems, das die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe regelt. Die Zugehörigkeit zu dieser Elite kann sich durch Leistung, Geburt, Amt, Besitz oder Zuerkennung bestimmen. Er ist durch eigenes Ethos, Klassenbewusstsein und eigene Lebensformen geprägt. Er grenzt sich jeweils durch Distinktion von anderen sozialen Schichten ab. In Deutschland und Österreich sind die vom Staat eingeräumten Vorrechte des Adels seit 1919 aufgehoben.

Über den Entstehungsprozess des Adels sind nur spekulative Aussagen möglich. Das deutsche Wort „Adel“ geht zurück auf das germanische Wort: *odal (= unbeweglicher Besitz, Immobilien – im Gegensatz zum beweglichen Besitz: *fe = Vieh). Davon abgeleitet ist das Adjektiv „edel“, das – nachdem es zunehmend moralisch-sittliche Eigenschaften benannte – durch das Adjektiv „adelig“ ersetzt wurde.

Die älteste Schicht des Adels in Deutschland sind die Edelfreien (auch Hochfreien) des frühen Mittelalters, die außer dem König oder Kaiser niemandem untertan waren. Aus ihren Reihen entstand der hohe Adel der Landesfürsten und der späteren Standesherren. Durch ritterlichen Kriegsdienst (Ministeriale) und Ausstattung mit Lehen bildete sich dann im hohen Mittelalter der Ritterstand. Er war der Kern des sogenannten niederen Adels. Seit dem 14. Jahrhundert wurde der Adel auch durch kaiserlichen Adelsbrief verliehen (Briefadel).

Herkunft und Entwicklung des Adels

Über die Herkunft des Adels ist wenig bekannt. Es gibt zwar in vielen Gesellschaften die Überlieferung, es habe einmal eine Zeit gegeben, in der alle Menschen gleich waren, und dass vererbte Herrschaft erst entstand, „als die Gleichheit verloren ging“ (Tacitus, Annales 3.26). Historisch gesehen ist jedoch nüchtern festzustellen, dass – zumindest in Europa – in den schriftlichen Quellen keine Gesellschaften ohne Adel, das heißt ohne vererbbare Herrschaft, nachweisbar sind. Auch dort, wo keine schriftlichen Quellen mehr vorliegen, zeigt der archäologische Befund, dass überaus reiche Grabausstattungen neben einfachsten stehen. Archäologen sprechen im Zusammenhang mit reichster Grabausstattung von „Fürstengräbern“, ohne - mangels schriftlicher Quellen - etwas über die Herrschaftsstruktur aussagen zu können.

Alle vorindustriellen Hochkulturen bildeten eine Adelsschicht aus. Der Adel hob sich in der Regel zunächst durch einen höheren Einfluss auf das öffentliche Geschehen, in der Folge durch ein höheres wirtschaftliches Potential von der gesellschaftlichen Umgebung ab. Daraus ergab sich die Möglichkeit dieser Schicht, ihre (von ihnen ökonomisch abhängigen) Nachbarn auch militärisch und politisch zu führen. Im weiteren Verlauf konnte diese gehobene Stellung – unabhängig von der ursprünglichen ökonomischen Grundlage – erblich werden. Diese vererbbare Herrschaft (also Adel) entstand:

  • durch militärische Überlegenheit oder Leistung (Schwertadel, Rittertum, Samurai)
  • durch wirtschaftliche Überlegenheit, beispielsweise Großgrundbesitz (so vermutlich das römische Patriziat)
  • verliehen durch einen Höherrangigen, etwa König oder Kaiser (Dienst- oder Amtsadel)
  • auf Grund einer besonderen Beziehung zu den Göttern (Priesteradel; in Europa nicht sicher nachweisbar)

Antikes Rom

Schon im antiken Rom gab es einen senatorischen Adel und einen niederen Adel (equestri/Ritter). Der Aufstieg eines Bürgers in die jeweils höhere Gruppe war maßgebend durch festgelegte Vermögensgrenzen bestimmt.

Diese Tradition beruht wahrscheinlich auf der Gesellschaft der römischen Frühzeit, die entsprechend der Heeresordnung gegliedert war. Die Stellung im Heer bestimmte sich aus der selbst bereitzustellenden Ausrüstung; entsprechend nahmen Wohlhabendere höhere Stellungen ein. Ein eques ist in diesem Sinn ein Soldat zu Pferde. Über die genaue Stellung dieser Krieger, die die Keimzelle des späteren niederen Adels darstellen, ist sich die Forschung leider uneins.

Gesichert ist, dass ab den Punischen Kriegen die Bedeutung der eques vor allem im wirtschaftlichen Bereich begründet liegt. Als vermögende Schicht ohne die Ehrenpflichten der Senatoren konnten sie die vom Staat verpachteten Hoheitsaufgaben übernehmen, beispielsweise die Einziehung der indirekten Steuern und Zölle.

Mittelalter

Der Ursprung des mittelalterlichen Adels ist umstritten. Im Sachsenspiegel aus dem 12/13. Jahrhundert kommt das Wort "Adel" nur ein mal vor: Ein eheliches Kind ist entweder ein adeliges Kind oder ein leibeigenes Kind ("adel kint", "egen kint", Ssp. Ldr. I/51,2). Sonst spricht der Sachsenspiegel von den regulären Staatsbürgern als von den "Freien". Das Rechtsbuch zeigt aber auf Schritt und Tritt, dass damit ein kriegerischer, über Grund und Boden und unfreie Bauern herrschender Stand gemeint ist.

 
Die Herkunft der Sachsen, Codex Palatinus Germanicus

Das zeigt besonders eindrucksvoll die Legende über die Herkunft der Sachsen: "Unsere Vorfahren, die hier ins Land kamen und die Thüringer vertrieben, die waren in Alexanders Heer gewesen .... Da es ihrer so viele nicht waren, dass sie den Acker bestellen konnten, da ließen sie, als sie die thüringischen Herren erschlugen und vertrieben, die Bauern sitzen unerschlagen und verdingten ihnen den Acker zu ebenso beschaffenem Recht, wie es noch die Zinsbauern haben" (Ssp. Ldr. III/44,2 u. 3). Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels stellt die beiden Stände, sauber getrennt, einander gegenüber. Wie immer man die Entstehung des mittelalterlichen Adels erklären will, er stand jedenfalls z.Z. des Sachsenspiegels schon in voller Blüte. Der Adel erscheint hier allerdings nicht als eine auf den Landesherrn ausgerichtete Ritterschaft, wie sie für die späteren Jahrhunderte typisch ist, sondern eher als eine Genossenschaft der Staatsbürger, die nur im fernen, kaum wahrnehmbaren König den Garanten ihres alten, überlieferten Rechts erblickte. Das herrschaftliche, feudale Element des politischen Systems ist im hohen Mittelalter noch verhältnismäßig schwach entwickelt und offenbar keine wesentliche Voraussetzung für das Phänomen des Adels. Dieses Element fehlt ja z. B. in Polen und in den italienischen Adelsrepubliken so gut wie vollständig! Man kann überhaupt das vom Sachsenspiegel dargestellte politische System als eine Adelsrepublik auf dem langen und beschwerlichen Weg zur absolutistischen Monarchie beschreiben.

Um den Ursprung dieses politischen Systems zu erklären, muss man nicht den Begriff des "Dienstmannes" oder "Ministerialen" überstrapazieren. Alle typischen sozialen Institutionen des hohen Mittelalters finden sich schon in der "Germania" des Tacitus. "Die Sklaven verwenden sie nicht wie wir", schreibt Tacitus, "dass die Aufgaben unter dem Gesinde verteilt wären, sondern jeder schaltet auf eigenem Hof, am eigenen Herd. Der Herr trägt ihm wie einem Pächter auf, eine bestimmte Menge Korn oder Vieh oder Tuch abzugeben, und nur soweit reicht die Gehorsamspflicht des Sklaven" (Germania 25). Die freien Leute waren schon damals ein betont kriegerischer, über Grund und Boden und Unfreie herrschender Stand: "Weder öffentliche, noch privaten Angelegenheiten erledigen sie anders als in Waffen" (Germania 13). Man kennt bereits das Gefolgschaftswesen, aber es ist keineswegs jeder freie Mann ein Gefolgsmann. Das ist auch im hohen Mittelalter nicht der Fall. Solange nicht sehr viel überzeugendere Beweise für den völligen Untergang der altgermanischen Welt und für die Neuerschaffung der mittelalterlichen Welt vorgelegt werden als bisher, ist eine nur unwesentlich gestörte Kontinuität der sozialen Verhältnisse im ersten Jahrtausend n. Chr. am wahrscheinlichsten.

Die frühmittelalterlichen germanischen Herrscher regierten noch überwiegend mit und in Stammesstrukturen und –verbänden. Als im karolingischen Reich und dann unter den sächsischen und salischen Herrschern in Deutschland stammesübergreifende Strukturen geschaffen wurden und erste Ansätze von Staatsbildung erfolgten, mussten die Herrscher neben den Stammesführern (Herzögen) stammesunabhängige Funktionäre (Dienstadel, Ministeriale) installieren. Parallele Entwicklungen gab es auch in den anderen großen europäischen Reichen. Das Denken jener Zeit bewegte sich aber weiterhin in Stammes- und Familienstrukturen, und so bestand eine Tendenz, diese Funktionen erblich werden zu lassen. Da die „Bezahlung“ der Funktionsträger in einer Gesellschaft, die noch keine entwickelte Geldwirtschaft kannte, nur in der Zuweisung von Land zur Versorgung erfolgen konnte, entstand daraus das Lehnswesen und in der Folge auch die Erblichkeit des zusammen mit der Funktion verliehenen Grundbesitzes.

Im 11. Jahrhundert lässt sich eine starke Vermehrung der Ministerialen (abhängigen Adelsfamilien) feststellen, weil die Könige diese zunehmend als Verwalter ihrer Güter einsetzten. Mit der Ausdifferenzierung dieses Systems entstanden unterschiedliche Adelsränge (Herzöge, Fürsten, Grafen, niederer Adel); ein Prozess, der im 14. Jahrhundert seinen Abschluss fand. Daran schloss sich eine Phase an, in der dieser hohe Adel zunehmend versuchte, sich gegenüber der königlichen und kaiserlichen Zentralgewalt zu emanzipieren. In Deutschland und Italien gelang dies weitgehend: Hier erfolgte auf der Ebene der Territorien eine Staatenbildung in Form von Herzogtümern und Grafschaften. In England und vor allem Frankreich gingen diese Prozesse nicht so weit, und es bildeten sich zentral organisierte nationale Staaten.

Name nach Sitz oder Amt

Der Adelsname war ursprünglich eine Herkunftsbezeichnung, bezogen auf den Familienstammsitz. Bei Orts- oder Besitzwechsel wechselte man seinerzeit auch den Namen – so wurden aus Grafen von Arnstein die Grafen von Barby, als diese die Herrschaft über die Burg Barby übernahmen. Manchmal hängte man den neuen Besitz auch als zusätzlichen Namensbestandteil an („von“ Stein „zum“ Altenstein). Erst im Laufe der frühen Neuzeit, parallel zur Entstehung moderner Familiennamen wurde das „von“ zu einem vom Besitz unabhängigen, während das „zu“ ein vom Besitz abhängiges Adelsprädikat blieb.

Manche Adelsgeschlechter haben auch ganz gewöhnliche Familiennamen (Fuchs, Frübös, Gross, Gans, Stein, Schwarz), Sippennamen (Beissel, Schilling, Landschad) oder Bezeichnungen von Hofämtern (Marschall, Schenk, Truchsess). Diesen Namen wurde der jeweilige Wohnsitz mit dem Prädikat „von“ oder „zu“ hinzugefügt (Gans zu Putlitz, Marschall von Bieberstein, Schenk zu Schweinsberg, Schenk von Stauffenberg). Wurden später in Deutschland durch Nobilitierung aufgrund von Verdiensten auch bürgerliche zu adligen Namen (von Goethe, von Schiller usw.), behielt man in Österreich die Tradition bei, dass immer eine Ortsbezeichnung im Adelsnamen geführt werden soll (so z. B. Fischer von Erlach).

Deutscher Adel

Rangstufen und Begriffe

Beim deutschen Adel unterschied man zwischen Hochadel, (Fürstenstand und Grafenstand) und niederem Adel (Ritterschaft). Wichtig war diese Rangeinteilung, wenn es um die Frage der Ebenbürtigkeit ging. Zum Hochadel (dies ist ein sprachlicher, kein rechtlicher Begriff) gehörten die geistlichen und weltlichen Fürsten (Erzbischöfe, Bischöfe, Kurfürsten, Herzöge, Pfalz- und Markgrafen, Grafen).

Neben der rangmäßigen Einteilung in niederen Adel (Ritterschaft) und Hochadel gibt es weitere Begriffe zur Differenzierung:

Uradel / Alter Adel

Zum Uradel zählen nach dem Genealogischen Handbuch des Adels („Gotha“) Häuser, deren Geschlecht nachweislich spätestens um 1400 dem ritterbürtigen Adel angehört hat. Diese Familien werden in Deutschland im Gotha in den Adelshandbüchern der Reihe A unterschieden nach adligen, freiherrlichen und gräflichen Häusern geführt.

Nach österreichischer Meinung handelt es sich bei der Bezeichnung „Uradel“ um eine Erfindung des preußischen Heroldsamtes; sie konnte sich deshalb nur in Deutschland durchsetzen. In Österreich-Ungarn wurde diese Bezeichnung schon früh von allerhöchster Seite, also vom Kaiser abgelehnt. In Österreich spricht man vom „Alten Adel“.

Nach einer dritten, strengeren Auffassung zählen nur solche adelige Familien zum Uradel, die schon adelig in die Geschichte eintraten, d. h. dazu zählen nur solche adelige Familien, sie schon in ihrer ersten urkundlichen Erwähnung z. B. im 13. Jahrhundert als Adelige bezeichnet wurden. Nach dieser Auffassung lässt sich der Ursprung des Adels uradeliger Familien – im Gegensatz zu dem des Briefadels – nicht historisch fixieren.

Briefadel

Zum Briefadel zählen adelige Häuser, die, ursprünglich bürgerlicher Herkunft oder von ausländischem Adel, durch einen Adelsbrief (Adelsdiplom), meist mit Verleihung eines Wappens, in den (inländischen) Adelsstand erhoben wurden. Dabei wurde der „Status“ der „ausländischen“ Familie, die zum Teil dem „Alten Adel“ angehörte, meist entsprechend berücksichtigt; so wurde die polnische Familie Zaluski nach der Aufteilung Polens gleich in den österreichischen Grafenstand erhoben. Die Geschlechter des Briefadels werden in Deutschland in den Adelshandbüchern (siehe oben) der Reihe B (Briefadel) geführt, ebenfalls unterschieden nach untitulierten, freiherrlichen und gräflichen Häusern.

Die Verleihung von Adelstiteln begann in Deutschland in der Zeit Kaiser Karls IV. durch die Erhebung von Beamten (vor allem Juristen) in die Adelsklasse. Der älteste bekannte Adelsbrief wurde von Kaiser Karl IV. für Wyker Frosch, Scholaster an der Stephanskirche zu Mainz, am 30. September 1360 ausgestellt.

Erhebungen in den Adelsstand (Nobilitierungen) waren – und sind in den Ländern, in denen der Brauch noch geübt wird – dem Staatsoberhaupt vorbehalten. Jedoch gab es Familien oder Einzelpersonen, die das Recht (großes oder kleines Palatinat) vom Kaiser erhielten, andere im Namen des Kaisers in den Adelsstand zu erheben.

In Deutschland war die Nobilitierung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, also bis 1806, ein Vorrecht des Kaisers. Allerdings erlangten später auch einige der Territorialfürsten dieses Recht:

Bis 1806 – in Österreich bis 1918 – herrschte die Sitte, den Namen des Neu-Geadelten durch einen schön klingenden Pseudo-Ortsnamen zu ergänzen.

In neueren Adelshandbüchern wird das „von“ immer mit „v.“ abgekürzt (noch nicht in den „Gothas“), um Namen nichtadliger Familien mit „von“ (beispielsweise „von der Forst“) von adligen Namen zu unterscheiden. Dies folgt dem Gebrauch in den Ranglisten der königlich preußischen Armee. Dies lässt sich auf unterschiedlichen Sprachgebrauch im Nieder- und Oberdeutschen zurückführen. Im Niederdeutschen und Niederländischen bezeichnete ein „van“ nicht unbedingt den adeligen Stand, sondern häufig lediglich die örtliche Herkunft. Bei der „Verhochdeutschung“ der Familiennamen konnte so der Eindruck adliger Herkunft entstehen. Eine Sitte, die in Süddeutschland nicht vorkam, so dass die Abkürzung „v.“ nur bei norddeutschen Familien vorkommt, nicht aber bei süddeutschen, die das „von“ immer ausschreiben.

Schwertadel

Nach 30 Jahren Dienst in der Reichsarmee (bis 1806) hatte jeder Offizier bürgerlicher Herkunft rechtlichen Anspruch, in den (persönlichen, nichterblichen) Adelsstand erhoben zu werden, wenn er ein entsprechendes Gesuch einreichte. Die Tradition wurde in der österreichisch-ungarischen Monarchie bis 1918 aufrechterhalten. Im Deutschen Kaiserreich (1871 bis 1918) wurden Offiziere erst ab Erreichen eines Divisionskommandos (Generalleutnant) – dann aber quasi automatisch – geadelt.

Die Verleihung gewisser Orden (insbesondere der Hausorden und höchster „Tapferkeitsorden“) war mit einer Nobilitierung verbunden. So hatte z. B. bis 1918 jeder Ritter des Militär-Maria-Theresien-Ordens Anspruch auf den Freiherrenstand, dies war auch die Usance im Falle der Großkreuzinhaber des Sachsen-Ernestinischen Hausordens, des Schwarzer-Adler-Ordens und einiger anderer Orden der deutschen Teilstaaten sowie in Russland bei der Verleihung gewisser Klassen des Ordens des Heiligen Wladimir und des Annaordens.

Adel ohne Prädikat

Es gab auch Adelsfamilien, die kein Adelsprädikat im Namen führten, aber trotzdem adlig waren. Andererseits muss das „von“ vor einem Familiennamen nicht zwangsläufig auf eine adlige Herkunft hindeuten. In vielen Landschaften des deutschen Sprachraums ist ein „von“ im Namen auch bei bürgerlichen Familien weit verbreitet, besonders im niederdeutschen (etwa dem westfälischen) Sprachgebiet.

Persönlicher Adel

Persönlicher Adel ist ein lebenslanger, nicht vererbbarer Adel. In Großbritannien der Normalfall, existierte in Deutschland von 1815 bis 1918 nur in Bayern und Württemberg. Im Königreich Bayern brachte die Verleihung des Militär-Max-Joseph-Ordens den Titel „Ritter von“ ein. Ähnliche Regelungen bestanden in Württemberg für den Zivilverdienstorden der württembergischen Krone wie auch für den päpstlichen Orden vom Goldenen Sporn (z. B. Ritter von Gluck).

Geldadel

Beim „Geldadel“ handelt es sich um einen umgangssprachlichen Begriff, der auf solche Personen angewendet wird, die aufgrund ihres Vermögens in Sphären des gesellschaftlichen Lebens aufgerückt sind, die materiell denen des früheren Hochadels entsprechen; ein Beispiel hierfür wäre Bill Gates. Die Bezeichnung wurde bereits im 19. Jahrhundert für Großindustrielle verwendet, deren finanzielle Mittel ihnen ein Leben ähnlich einem barocken Fürsten ermöglichten. Manche dieser Personen wurden geadelt und zählen damit heute nicht nur zum „Geldadel“ sondern auch zum historischen Adel; z. B. die Familie von Boch.

Rangkronen

siehe Hauptartikel: Rangkrone

Glanzzeit und Niedergang des Adelsstandes

In Europa hatte der Adel seine Glanzzeit vom Mittelalter bis in das späte 18. Jahrhundert. Dann begann in manchen europäischen Ländern bereits sein Niedergang. In Deutschland und Österreich bestimmte der Adel noch bis ins 20. Jahrhundert weite Teile des öffentlichen Lebens. Seine Privilegien verlor der Adel allmählich durch die Folgen der Französischen Revolution und die Übernahme staatlicher und gesellschaftlicher Aufgaben durch das aufsteigende Bürgertum. In einer technisch komplizierter werdenden Welt erwies sich die bürgerliche Bildung in Industrie, Verwaltung und Wissenschaft als konkurrenzfähiger als die im 19. Jahrhundert noch an traditionellen adeligen Berufsbildern (Offizier, Diplomat, Landwirt,Jäger und Geistlicher) ausgerichtete Erziehung des Adels. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, während der Hitlerdiktatur hatte der deutsche Adel auch aufgrund seines autonomen kaum korrumpierbaren Selbstverständnisses oder einfacher ausgedrückt: den aufgrund seiner Erziehung zur elitären Distinktion und damit à priori geringeren Bereitschaft zur Anpassung an ein nationalistisches proletarisches System als bürgerliche Schichten, aber auch aufgrund seines selbst empfundenen moralischen Führungsethos einen zahlenmäßig und in seiner Bedeutung besonders hohen Einfluss auf den Widerstand gegen das verbrecherische Hitlerregime. Spätestens seit dem Ende des zweiten Weltkrieges konkurrieren auch nach bürgerlichen Maßstäben gut ausgebildete Mitglieder des Adels in der deutschen Wirtschaft und Politik. Der Verlust der staatlichen Privilegien 1919 hat die Vitalität und das Selbstverständnis des Adels in Deutschland als Schicht nicht entscheidend gebrochen.

Aufhebung der Adelsvorrechte in der Weimarer Republik

Für den Niedergang des privilegierten institutionellen Einflusses des Adels auf das öffentliche Leben Deutschlands sorgte der verlorene Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik. Mit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 11. August 1919 wurden alle Vorrechte des Adels abgeschafft (Artikel 109, Abs. 2[1]). Alle Bürger waren vor dem Gesetz gleichgestellt, Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses wurden ausgeschlossen. Die preußische Landesversammlung verabschiedete am 23. Juni 1920 das Preußische Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung des Hausvermögens. Dieses Adelsgesetz, das in ähnlicher Form auch von den anderen Ländern des Deutschen Reiches übernommen wurde, bestimmte, dass als Namen der bisherigen Adelsfamilien und ihrer Angehörigen die Bezeichnung zu gelten hatte, die sich bisher auf die nicht besonders bevorrechtigten Familienmitglieder als Familienname vererbte (also Prinz statt Fürst). Der bisherige Titel wurde so zum Bestandteil des Familiennamens, wobei nach einer späteren Entscheidung des Reichsgerichts die geschlechtsspezifischen Varianten weiter verwendet werden konnten (z. B. Carl Herzog von Württemberg, Diana Herzogin von Württemberg).

Die Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung aufgrund ihres Standes (Primogenitur) eine besondere Bezeichnung (Herrschertitel) hatten, durften diese persönlich beibehalten. Das betraf insbesondere die ehemals regierenden Häuser.

Viele der ehemaligen Adelstitel werden aber, auch soweit sie gesetzlich nicht zum Namensbestandteil wurden, auch heute aus Gründen der Traditionspflege oder als gesellschaftliche Höflichkeitsform häufig als Anrede verwendet. Als korrekte Grenze wird dabei staatsrechtliche Neutralität empfunden.

Weiterexistenz des deutschen Adels als soziale Gruppe

Nach der Abschaffung der vom Staat gewährten Standesvorrechte in Deutschland besteht der Adel als in sich stark differenzierte soziale Gruppe weiter. Adelsverbände wenden auch heute strenge Regeln für die Bestimmung der Zugehörigkeit zum historischen Adel an (Adelsprobe, Ahnenprobe), die sich weitgehend an in Zeiten der Monarchie geltenden Regeln der salischen Erbfolge und am bis etwa 1960 geltenden deutschen Namensrecht orientieren.

Zur Mitgliedschaft in der Vereinigung der Deutschen Adelsverbände e. V. (VdDA) oder zur Aufnahme als „adeliger Namensträger“ in das Genealogische Handbuch des deutschen Adels („Gotha“) wird nahezu ein nur leicht aktualisierter Adelsnachweis verlangt, der sich am Prinzip der Ebenbürtigkeit in seiner Ausformung im Preußen des 19. Jahrhunderts orientiert. So wird auch im „Gotha“ bei nach dem geltenden deutschen Namensrecht rechtmäßigen Trägern des gleichen adeligen Nachnamens nach „adeligen“ und „nicht adeligen“ Trägern dieses adeligen Nachnamens unterschieden.

Anlass für die Einführung dieser Vereinsregeln war ein in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts blühender Handel mit adeligen Namen, der sich der Möglichkeiten der Adoption durch adelige Namensträger bediente (bekannt ist vor allem der Fall des Consul Weyer). Die vereinsseitige Aufsicht über die Konzipierung und Anwendung dieser Regeln führt in Deutschland der Deutsche Adelsrechtsausschuss. Die Absicht des Ausschusses ist es die soziale Geschlossenheit des ehemaligen Adels durch Ausgrenzung zu erhalten. Es sollen bewusst nicht alle Möglichkeiten des heutigen liberalen deutschen Adoptions- und Namensrechts ausgeschöpft werden können, um Mitglied dieser sozialen Gruppe zu werden.

So ist z. B. Hans Graf Bobbi rechtmäßiger und „adeliger“ Namensträger. Sein mit seiner Tochter Comtesse Beatrix (Bea) von Bobbi verheirateter Schwiegersohn, geborener Oliver Spitzbart, verheirateter Oliver Graf von Bobbi ist zwar rechtmäßiger, aber „nichtadeliger Namensträger“ des ehemals „adeligen“ Nachnamens Graf von Bobbi. Auch die Nachfahren dieses Paares werden im Sinne dieser Regeln „nichtadelige Namensträger“ sein, obwohl sie sich nach den geltenden deutschen Namensgesetzen Graf oder Gräfin von Bobbi nennen dürfen. Beas Bruder Ferdinand (Fiffi) Graf von Bobbi heiratete Fräulein Patrizia Roßknecht. Sie und ihre Kinder werden im Gegensatz zu ihrem Schwager Oliver als adelige Namensträgerin anerkannt. Ein durch Adoption weitergegebener Name erschafft also auch keinen Adligen, vielmehr ist auch er nur ein „nichtadeliger Namensträger“ oder „Pseudoadeliger“.

Die bei dieser Unterscheidung angewandten Regeln gelten nur vereinsintern. Staatliche Stellen sind an diese Regeln der Ebenbürtigkeit nicht gebunden (siehe dazu auch unter Ebenbürtigkeit die Stellungnahme des Bundesgerichtshofes und des deutschen Bundesverfassungsgerichts). Sie wenden ausschließlich das geltende Recht und damit auch das geltende Namensrecht an.

Erbkrankheiten

Der europäische Adel, insbesondere der Hochadel, hatte, um politischen Einfluss und ökonomische Potenz innerhalb der Familie zu wahren, restriktive Heiratsregeln. Dazu zählte die Ebenbürtigkeit und eine über Familienbeziehungen betriebene Außenpolitik. Ein zusätzlicher einschränkender Faktor war, dass lange Zeit Ehen nur innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft geschlossen wurden, so dass zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert mehr oder weniger geschlossene katholische, lutherische und reformierte „Heiratszirkel“ existierten.

Ideologisch wurden diese restriktiven Heiratsregeln durch den Glauben an eine „göttliche Kraft“ „guten Blutes“ überhöht, die, so meinte man, durch Eheschließung und Fortpflanzung mit Inhabern gleichen oder gleichrangigen „edlen“ Geblütes verstärkt werde. Auf diese auch vom Volk geglaubte Ideologie gehen heute noch benutzte Ausdrücke wie „von adeligem Geblüt“ oder von „blauem Blut“ hervor.

Abgesichert wurde dieses Heiratssystem durch extreme soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ab- und Ausgrenzung bei Nichtbeachtung seiner Regeln, z. B. Erzherzog Johann. Es reduzierte die Anzahl potentieller Ehepartner so drastisch, dass von denen, die nach diesen Regeln infrage kamen, fast jeder mit jedem verwandt war. Das kanonische Recht der katholischen Kirche verbot zwar Eheschließungen zwischen engen Verwandten. Sie machte jedoch bei Angehörigen des Hochadels fast immer von ihrer Prärogative einer Ausnahmegenehmigung (Päpstlicher Dispens) Gebrauch.

Das Risiko, dass rezessiv vererbbare Krankheiten bei extremem Ahnenschwund zum Ausbruch kommen ist stark erhöht. Die bekanntesten unter dem europäischen Hochadel verbreiteten Erbkrankheiten sind die Hämophilie (Bluterkrankheit) und die geistige Behinderung.

Die hohe Zahl von Ehen im engen und engsten Verwandtschaftskreis wird als Ursache für das Aussterben einiger großer europäischer Dynastien (z. B. des Hauses Valois oder des spanischen Zweiges des Hauses Habsburg) angenommen.

Beim niederen Adel galten entsprechende Heiratsregeln. Die Folgen waren jedoch nicht so dramatisch wie bei den herrschenden Häusern, weil die Heiratskreise größer waren.

Österreich

Adel in der Monarchie

In den Stammlanden der Habsburger Monarchie sowie in Böhmen und Mähren lagen die Dinge nicht wesentlich anders als im Norden des alten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Hier war allerdings die Zahl der reichsunmittelbaren Herren und Städte wesentlich höher als im Norden. Andererseits war der Adel in der preußischen Armee stärker vertreten als in der österreichischen und anderen süddeutschen Armeen. Diese süddeutschen Adelsfamilien waren durchweg vermögender als der Adel in Preußen, so dass die jungen Edelleute – zumindest aus finanziellen Gründen – nicht genötigt waren, in den Militärdienst zu gehen.

Jedem Ausländer war gestattet, sich des aus der Heimat mitgebrachten Titels als eines ausländischen zu bedienen, wenn er sich über sein Recht ausgewiesen hatte. Die ausländischen Titel (wie die venezianischen Principe, Duca, Marchese, Conte usw.) durften nicht ins Deutsche übersetzt werden, da sie der gleichlautenden Adelsstufe in den Staaten der Habsburger Monarchie nicht entsprachen. Nur die von der Republik Ragusa und von den Herzögen von Mailand verliehenen Adelsränge wurden anerkannt.

Im Vielvölkerstaat der Habsburger gab es – anders als in Preußen – neben den deutschen Adelsfamilien (hochdeutscher, vor allem schwäbischer und niederdeutscher/niederländischer Adel) auch den Adel aus den nicht deutschen Reichsteilen (Ungarn, Polen, Kroatien, Slowenien, Italien und Böhmen), deren Adelstitel aber nicht immer miteinander vergleichbar und daher Quelle ständiger Rangstreitigkeiten waren.

Als Teil der so genannten Dezemberverfassung bestimmte das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger RGBl. Nr. 142/1867 in Art. 2: Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich. In Art. 7 wurde jeder Unterthänigkeits- und Hörigkeitsverband … für immer aufgehoben. Die gesellschaftliche Praxis zeigte allerdings bis zum Ende der Monarchie, dass Adelstitel ihre Wirkung kaum eingebüßt hatten. Ihre Träger erwarteten sich Vorteile und erhielten sie zumeist auch.

Nobilitierte gehörten der „Zweiten Gesellschaft“ an, die weder zur Aristokratie (der „Ersten Gesellschaft“) noch zum „Volk“ gehörte. Es waren geadelte Wirtschaftstreibende, Beamte, Künstler, Offiziere und Angehörige der freien Berufe, die trotz erfolgter Nobilitation in ihrer Mentalität und in ihrem Sozialverhalten zumeist bürgerlich blieben: Die österreichische Zweite Gesellschaft bildete ab dem 18., vor allem aber ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Elite des aufsteigenden, teilweise liberalen Bürgertums. Im Jahr 1884 wurden diese Nobilitierungen, die quasi schon „fließbandmäßigen“ Charakter angenommen hatten, dadurch eingeschränkt, dass der Erwerb eines höheren Ordens nicht mehr mit dem Recht verbunden war, um Nobilitierung nachsuchen zu dürfen.

„Erste“ und „Zweite“ Gesellschaft hatten zwar gesellschaftliche Kontakte im Heer oder im Bereich der „Wohltätigkeit“. Aber das Konnubium war sehr eingeschränkt – nur vereinzelt gab es Geldheiraten von Aristokraten mit reichen Töchtern der Zweiten Gesellschaft.

Abschaffung des Adels in der Republik Deutschösterreich/Österreich

Am 3. April 1919 wurden Adelstitel und die Privilegien des Adels in der Republik Deutschösterreich (1918–1919) gesetzlich abgeschafft und der Gebrauch von Prädikaten und Titeln unter Strafe gestellt (Adelsaufhebungsgesetz StGBl. Nr. 211, Vollzugsanweisung am 18. April 1919, StGBl. 237). Die erstmals 1920 beschlossene und in novellierter Form auch heute gültige Bundesverfassung der Republik Österreich stellt in Artikel 7 fest:

Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.

Besonders der Beamtenadel der „Zweiten Gesellschaft“ empfand diese republikanische Vorgangsweise als degradierend, weil die Standeserhöhungen die vielfach ersehnte soziale Krönung für die beamteten Adelswerber und deren Familien gewesen war. Die Mitglieder des Adels konnten die formale Entadelung leichter verschmerzen – sie verloren zwar formal ihre Titel und Privilegien, pflegten aber weiterhin ihre gesellschaftlichen Umgangsformen und behielten ihre Besitztümer. Michael Hainisch, Bundespräsident von 1920 bis 1928, nannte die offizielle Abschaffung des Adels

… ein kindisches Beginnen, schon deshalb, weil man gar nicht diejenigen traf, die man hatte treffen wollen. Ich sprach einmal mit der ebenso feinen wie klugen Fürstin Fanny Starhemberg über diesen Punkt. ‚Uns‘, sagte sie, ‚macht die Aufhebung des Adels nichts, wir bleiben mit oder ohne den Titel immer die Starhembergs.‘

Die Abschaffung der adeligen Namen wird von konservativen Gruppierungen bis heute als Menschenrechtsverletztung in großem Stil betrachtet, da es sich 1918 bei allen adeligen Namen lediglich um individuelle Persönlichkeitsrechte der Namensbezeichnung handelte und sie nicht mehr mit irgendwelchen Standesrechten oder anderen rechtlichen Vorteilen verknüpft waren. Die Staatsbürger waren alle vor dem Gesetz gleich (siehe oben Dezemberverfassung).

Die Adelsfamilien in den alten Stammlanden der Habsburger konnten ihre Position als Grundbesitzer auch nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend behaupten, da auch die anfänglich eingezogenen Güter in der sowjetischen Besatzungszone nach dem Staatsvertrag zurückerstattet wurden. Auch in Tschechien erhielt ein Teil des Adels (nur jene, die sich vor 1938 zur tschechischen Volkszugehörigkeit bekannt hatten) nach 1992 seine Schlösser und Restgüter zurück.

Seit 2005 gibt es die Vereinigung der Edelleute in Österreich, die sich als Nachfolger der kurz vor dem Ersten Weltkrieg gegründeten, aber erst seit 1922 wirklich aktiven und von den Nationalsozialisten 1938 verbotenen Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich betrachtet.

Der Adel ist heute in Österreich ein historisches und gesellschaftliches Phänomen, politisch und rechtlich aber bedeutungslos. Witze über die Grafen „Bobby und Rudi“ sind selten geworden. Am stärksten relevant ist der Adel derzeit in der „Adabei“- und „Schickimicki“-Berichterstattung einschlägiger Medien.

Belgischer, niederländischer und luxemburgischer Adel

Belgien

Während der spanischen und österreichischen Herrschaft hatte der Adel (der größtenteils Uradel aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war) große politische Bedeutung. Während der Vereinigung mit den Niederlanden (1814–1830) hatte das Land eine ständische Verfassung, nach der der Adel in einer besonderen Kammer des Reichstags saß. Diese wurde nach der Erlangung der Unabhängigkeit abgeschafft und der Adel verlor jede politische Bedeutung, obwohl dem König bis heute das Recht verblieb, Adelstitel zu verleihen. Ausländische Adlige, die belgische Untertanen geworden waren, gelten nur dann als adlig, wenn sie durch eine „reconnaissance de noblesse“, meist auf Vorschlag des Conseil Héraldique, vom König in den Adel des Königreichs aufgenommen werden. Es gibt in Belgien einen persönlichen und einen erblichen Adel: Der erbliche vererbt sich entweder auf alle Nachkommen oder geht von Mann zu Mann nach dem Recht der Erstgeburt über. Die Rangstufen sind: unbetitelter Adel, Junker (jonkheer oder Ecuyer), Ritter („ridder“ oder Chevalier), Baron, Graf („baron, graaf“ oder baron, comte), Markgraf („Markgraaf“, „markies “ oder Marquis), Fürst („ prins “ oder Prince), und Herzog („hertog“ oder Duc).

Niederlande

Die Herkunft des Adels und die Entwicklung und späterer Verlust seiner Privilegien verliefen in ähnlichen Bahnen wie in Belgien. Ursprünglich war der Adel in den Landadel und das Stadtpatriziat aufgeteilt und hatte anfangs die Macht in den Händen, diese ging jedoch durch die Einführung der Republik im Jahre 1795 verloren. Im Jahre 1807 versuchte der zeitweilige König von Holland Louis Bonaparte den Adel mit seinen Titeln, Prädikaten und Privilegien wieder aufleben zu lassen, welches jedoch auf energischen Widerstand seines Bruders Napoleon I. stieß. Die niederländische Verfassung von 1848 schaffte endgültig alle Adelsprivilegien und das königliche Vorrecht der Nobilitierung ab. Der heutige niederländische Adel besteht vor allem aus Landbesitzern. Traditionell hat der Adel auch einige Funktionen am Hofe inne. Der niederländische Adel ist nicht untituliert. Ein Namensbestandteil van oder de ist in aller Regel kein Hinweis auf einen adligen Namen. Die Rangstufen vom niedrigsten Titel sind: Junker (Jonkheer) (Bsp.: Jonkheer van Amsberg ist ein adliger Name, Dhr. Van Vollenhoven ist bürgerlich), Ritter (ridder), Baron (baron), Burggraf (burggraaf), Graf (graaf), Herzog (hertog), Prinz (prins).

Luxemburg

Die Situation des Adels in Luxemburg ähnelt der in Belgien. Es gibt jedoch neben der großherzoglichen Familie keine Fürsten- oder Herzogsgeschlechter. Im Unterschied zu Holland werden auch heute noch immer vom Großherzog Erhebungen in den Adelsstand vorgenommen. Titel wie Graf (Comte) werden vor allem ausländischen Fürstlichkeiten vorbehalten (siehe: Austritt aus dem Königshaus).

Britischer Adel

Der alte britische Adel wurde – einzig in Europa – von Wilhelm dem Eroberer enteignet, umgebracht oder verjagt. Wilhelm setzte seine normannischen Ritter als Lehnsherren ein, so dass auf der Insel der Adel vollständig ein belehnter Adel war, der mit „seinem“ ganzen Besitz dem König zu Gefolgschaftsleistungen zur Verfügung stand. Siehe Domesday Book.

Der britische Adel ist in zwei Klassen eingeteilt, die Gentry, den niederen Adel, und die Nobility oder Peerage, den Hochadel. Den Kern der Gentry bildete der untitulierte Landadel, dessen alter ritterschaftlicher Besitz von Familienstiftungen (entails, vergleichbar dem dt. Fideikommiss) gesichert war. Das 19. und das 20. Jahrhundert brachten große, durch Nobilitierungen entstandene Scharen von besitzlosen Adligen in die Gentry. Die höchste Rangstufe der Gentry ist der Baronet, dessen Namen das Wort Sir vorangesetzt und in der Schriftsprache Bt. hinter dem Namen geschrieben wird. (Titel der Ehefrauen: Lady nur mit Nachnamen, wie: Sir Peter Ustinov und Lady Ustinov. Wichtig: in der Anrede ist der Mann nur Sir Peter, Sir Ustinov ist falsch). Diese Würde ist in der männlichen Linie nach dem Recht der Erstgeburt erblich. Die Würde wurde von Jakob I. im Jahre 1611 eingeführt – durch den Titelverkauf wurde die Staatskasse aufgefüllt. Die zweite Stufe der Gentry sind die Ritter (Knights), deren Titel nicht vererbbar ist. Vorsatz: Sir, Titel der Frauen: Dame. Knappen (Esquires) sind heute reine Höflichkeitsbezeichnungen geworden, die man auf einen Brief an einen Herrn setzen kann, wie: Thomas Pimplebottom, Esq.

Die höchste Würde des Hochadels (Nobility, Peerage), dessen sämtliche Mitglieder bis 1999 einen erblichen bzw. persönlichen Sitz im House of Lords hatten, ist die des Herzogs (Duke): Im Jahre 1337 wurde dieser Titel erstmals verliehen, von König Eduard III. an seinen ältesten Sohn, den berühmten Black Prince (Edward of Woodstock). Zur Zeit der Königin Elisabeth I. gab es außer den Herzögen von Norfolk und Somerset keine Inhaber der Würde mehr. Erst 50 Jahre nach ihrem Tode wurde der erste neue Herzog ernannt – George Villiers, 1. Herzog von Buckingham. Die heute noch blühenden britischen Herzogsgeschlechter sind (ursprüngliche Familiennamen in Klammern): Argyll (Campbell), Atholl (Stewart-Murray), Beaufort (Somerset, Plantagenet), Bedford (Russell), Berwick (Fitz-James, Stuart), Buccleuch (Scott), Devonshire (Cavendish), Fife (Duff), Grafton (FitzRoy, Stuart), Leeds (Osborne), Leinster (Fitz Gerald), Manchester (Montagu), Marlborough (Spencer-Churchill), Montrose (Graham), Newcastle (Pelham-Clinton), Norfolk (Howard), Northumberland (Percy), Portland (Bentinck), Richmond (Lennox), Roxburghe (Innes), Rutland (Manners), Saint Albans (Beauclerk), Somerset (Seymour/Saint Maur), Wellington (Wellesley), Westminster (Grosvenor).

Der Premier Duke of England ist der Herzog von Norfolk aus dem Hause der Howards, dessen Geschichte in das 10. Jahrhundert zurückreicht. Zu diesen Herzögen, die noch vor ein paar Jahren erbliche Mitglieder des House of Lords waren, gesellen sich noch jüngere Söhne von britischen Monarchen: Nachkommen von Georg III. (Herzöge von Cumberland, Welfen), Georg V. (Herzöge von Gloucester und Kent) und Elisabeth II. (Herzöge von York) sowie deren Ehemann (Herzog von Edinburgh), die ebenfalls den Titel Duke führen. Sämtliche Herzöge sind zugleich Earls oder Viscounts und Barone.

Der Titel Prinz – Prince – steht nur den Nachkommen der regierenden Könige zu, wobei die Welfen den alten Titel Prince of Great Britain and Ireland führten, während die späteren Nachkommen den neueren Titel Prince of Great Britain and Northern Ireland tragen. (Der Titel Prince of Wales des britischen Kronprinzen ist nicht mit „Prinz von Wales“, sondern „Fürst von Wales“ zu übersetzen. Beide germanischen Titel haben in romanischen Sprachen nur ein Pendant)

Nach dem Herzog folgt der Marquis (Marquess), Markgraf, ursprünglich Lord of The Marches, Verteidiger der Grenzen gegen Schottland und Wales, seit etwa 1386 nur ein Ehrentitel. Es gibt gegenwärtig etwa 30 Markisate.

Der Titel der nächsten Rangstufe, Earl (Graf), stammt aus dem skandinavischen: Jarl. Ursprünglich standen die Grafen an der Spitze der Zivilverwaltung der Grafschaften (Shires), der erbliche Besitz des Titels war an den Besitz eines gewissen Landstriches gebunden, jedoch bereits in der Zeit des Königs Johann ohne Land waren sie nur die erste Klasse der Barone, die über bedeutenden Landbesitz verfügten. Es gibt gegenwärtig etwa 150 Earls. (Der Titel Earl ist ausschließlich für britische Grafen zu benutzen, ausländische Grafen heißen im Englischen Count.)

Die nächste Rangstufe ist die des Viscounts (Vizegrafen). Diesen Zwischentitel führte Heinrich VI. ein, indem er 1440 John Beaumont zum Viscount erhob. Es gibt heute etwa 40 Viscounts.

Die älteste Adelswürde im Vereinigten Königreich ist die des Barons, heute die fünfte und niedrigste Stufe des Hochadels. Ihre ersten Träger aus der Normandie erstritten Wilhelm I. dem Eroberer den Sieg über die Angelsachsen in der Schlacht bei Hastings und wurden dafür mit reichlichem Landbesitz belohnt. Erst unter Heinrich II. gesellten sich diesen Feudalbaronen die Barone by writ, d. h. Mitglieder des Königlichen Rates. Richard II. ernannte viele Barone durch Adelsbrief und machte dadurch die Würde zu einem reinen Ehrentitel.

Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es nur erbliche Barone, die bei der Standeserhöhung einen neuen, meist mit einem Landstrich verbundenen Titel bekamen (vgl. Arthur Tedder, 1. Baron Tedder). Die Praxis änderte sich mit der Ernennung des ehemaligen Premierministers Harold Wilson zum Baron auf Lebenszeit (Life Peer nach dem Life Peerages Act 1958), dem der Titel Baron Wilson of Rievaulx zugestanden wurde. Durch viele ähnliche Standeserhöhungen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war die Zahl der Barone so angewachsen, dass man die Regeln der Zugehörigkeit zum House of Lords ändern musste (House of Lords Act 1999). Weitere Reformen wurden angekündigt.

Die Rolle des Adels, besonders der Gentry, beim Aufbau des gewesenen Britischen Imperiums ist nicht zu unterschätzen. Aus der Gentry – der auch die jüngeren, unbetitelten Söhne des Hochadels angehörten – ergänzte sich das Offizierskorps und früher auch die Politikerschicht des Imperiums. Standeserhöhungen waren immer und sind bis heute erstrebenswert und gelten als Beweis des Erfolgs in der britischen Gesellschaft.

Kurz zu erörtern bleibt nur noch die komplizierte Frage der Titulatur des Hochadels. Alle Söhne der Herzöge, Viscounts und Earls sind im Prinzip titellos und Mitglieder der Gentry, es gibt aber sogenannte Höflichkeitstitel (titles by courtesy). Der älteste erbberechtigte Sohn eines Herzogs, Earls oder Viscounts trägt zu Lebzeiten des Vaters dessen zweiten Titel, ohne ihn wirklich zu besitzen oder ein Peer zu sein; die jüngeren Söhne werden Lord + Vorname + Familienname genannt, deren Söhne müssen sich mit dem Höflichkeitsprädikat The Honourable begnügen, bis sie sich selber zu einem Titel hochgedient haben.

Ein Beispiel: Der volle Titel des Charles Richard John Spencer-Churchill, 9. Herzog von Marlborough (* 1871) war: Herzog von Marlborough, Marquess of Blandford, Earl of Sunderland, Earl of Marlborough, Baron Spencer and Baron Churchill. Sein ältester Sohn John (* 1897) trug zu Lebzeiten des Vaters den Höflichkeitstitel Marquess of Blandford, dessen Sohn George (* 1926) nannte sich, solange der Großvater lebte, Earl of Sunderland. Der jüngere Bruder des 8. Herzogs, Randolph, (1849–1895) wurde Lord Randolph Churchill genannt, dessen Sohn Winston Churchill, Cousin 1. Grades des 9. Herzogs, durfte sich nur The Honourable nennen, bis er selber Baronet wurde, während ein Sohn des 4. Herzogs George (1739–1817), Lord Francis Spencer (1779–1845) vor 1806 zum deutschen Reichsfürsten und 1815 zum 1. Baron Spencer erhoben wurde (Ahne der Lady Diana Mountbatten-Windsor).

Frauen dürfen sich Duchess, Viscountess usw. nennen, man unterscheidet aber, ob sie den Titel im eigenen Recht führen oder nicht. Einige Titel des Hochadels (Peers) sind auch in der weiblichen Linie (d. h. beim Mangel der männlichen Nachkommen des Geschlechts) vererbbar, z. B. Marlborough oder Berwick. Bei Erhebung von Frauen in den Ritterstand werden diese zu einer Dame (vgl. Dame Barbara Cartland). Der männliche Titel eines Earls hat kein „germanisches“ weibliches Pendant, weshalb hier das romanische Countess benutzt wird.

Die Initiative zur Erhebung in den Adelsstand (oder zu einer Rangerhöhung innerhalb desselben) geht heute regulär vom britischen Premierminister aus. Die Kandidaten für eine solche Auszeichnung finden sich auf einer „Ehrenliste“ (Honours List) wieder, die der Premier der Queen „untertänigst“ unterbreitet; ebenso sind die möglichen Empfänger für einen Orden (der oft die Verleihung der nichterblichen Ritterwürde automatisch beinhaltet) auf der Liste fixiert. Die Übergabe der Ehrenlisten erfolgt zu festgelegten Anlässen: Neujahr (The New Year Honours List), Geburtstag der Monarchin (Birthday Honours List), Parlamentsauflösung (Dissolution Honours List), Amtsende des Premierministers (Resignation Honours List). Kandidaten für eine Peerswürde bedürfen der Zustimmung des Prüfungskomitees des House of Lords, bevor die Queen den Vorschlägen in der Regel umstandslos entspricht.

Die Überprüfung durch das Oberhaus ist keineswegs nur Formsache, wie die Ablehnung einer Ehrenliste im Frühjahr 2006 bewies. Den Lords missbehagte, dass Premierminister Tony Blair mehrere der Peerskandidaten angeblich erst nach Geldzuwendungen an die Labour Party – also im Rahmen eines „sweetheart deals“ – auf die Ehrenliste gesetzt haben soll.

Zur Genealogie des britischen und irischen höheren Adels siehe Burke’s Peerage.

Französischer Adel („Noblesse“)

Genauso wie in Deutschland ist der französische Adel aus dem Lehnswesen des Mittelalters entstanden und war bis zur Revolution von 1789 in einen hohen und einen niederen Adel eingeteilt. Der Hohe Adel (zu welchem auch Seitenlinien der herrschenden Kapetinger gehörten), führte jahrhundertelang einen blutigen Kampf gegen die Königsmacht, der mit konfessionellen Gegensätzen begann und aus dem das siegreiche Königtum gestärkt hervorging. Den letzten regierenden Kapetingern, den Bourbonen, und ihren Ministern Richelieu und Mazarin gelang es schließlich durch Verbindung mit den protestantischen Mächten und durch antihabsburgische Politik die Macht des Adels völlig zu brechen und ihn in einen Hofadel am glänzenden Hof von Versailles zu verwandeln. Dieses führte letzten Endes zum moralischen und wirtschaftlichen Ruin der Mehrzahl der Landedelleute.

Der ältere Adel wurde in der Zeit der letzten Bourbonenkönige auch durch zahlreiche Standeserhöhungen und Einführung des Dienstadels (noblesse de robe) erheblich geschwächt. Dazu kamen zahlreiche Adelsanmaßungen (Frankreich besaß keine Adelsmatrikel), die dazu führten, dass man einen umfangreichen Handel mit Bestätigungsurkunden trieb. Das einzige Privileg, das diesem stark vermehrten Adel blieb, war die Steuerfreiheit, an der bis zur Revolution starr festgehalten wurde und die die Kluft zwischen dem Adel und dem Bürgertum erweiterte.

Die Titel des französischen Adels in der alten Monarchie entsprachen dem System im übrigen Europa: Herzog (Duc), Markgraf (Marquis), Graf (Comte), Vizegraf (Vicomte), Baron, Ritter (Chevalier) und einfacher Monsieur de … und wurden sämtlich durch die Revolution ausgelöscht. Napoleon I. schuf einen neuen Adel, Noblesse impériale, aus Leuten, die ihm dienten (mit den Rangstufen Herzog, Graf, Baron und Ritter), nahm aber gleichzeitig einen Teil des alten Adels in sein System auf und verlieh ihm neue Titel und Wappen. Die Bourbonenrestauration von 1814 erkannte den kaiserlichen Adel formell an und setzte den alten wieder in seine Titel ein, duldete aber stillschweigend, dass Angehörige des alten niederen Adels die Titel von Baronen, Grafen und Marquis annahmen, ohne sie freilich jemals zu bestätigen. Diese Selbstadelung ist ein Phänomen, das noch heute in Frankreich vorhanden ist (etwa 10.000 Familien sind 2004 „falscher Adel“).

Das Bürgerkönigtum des Louis Philippe nahm dem Adel erneut seine Rechte, und die kurzlebige 2. Republik schaffte den Adelsstand ab, er wurde aber von Napoleon III. wiederhergestellt, um von der 3. Republik endgültig abgeschafft zu werden. Seitdem haben adlige Titel nur als Bestandteil des Namens Bedeutung, der (echte und falsche) Adel hat aber seine Position als vornehmster Teil der Gesellschaft behalten.

Vom alten königlichen Adel haben bis heute folgende Herzogsfamilien überlebt: Bauffremont, Beaufort-Spontin, Beauvau-Craon, Béthune, Blacas d'Aulps, Caylus (Haus Rougé), Cossé-Brissac, Broglie, des Cars, Clermont-Tonnerre, Gramont, Harcourt, Caumont La Force, La Rochefoucauld, Durfort Civrac de Lorge, Lucinge, Luynes, Maillé de la Tour-Landry, Merode, Monjé, Montesquiou-Fezensac, Mortemart, Noailles, Polignac, Praslin, Rarécourt de La Vallée de Pimodan, Riquet de Caraman-Chimay, Sabran-Pontevès, Rohan-Rohan und Crussol d'Uzès.

Die napoleonischen Herzöge (sechs Geschlechter blühen noch, meistens Nachkommen von Marschällen: Albufèra-Suchet, Magenta-MacMahon, Montebello-Lannes, Otrante-Fouché, Rivoli-Masséna, Visconti di Modrone-Visconti) wurden von diesem alten Adel anfangs boykottiert, dann aber im Laufe des 19. Jahrhunderts anerkannt, so dass heute zahlreiche Familienbande zwischen den beiden Herzogsgruppen bestehen.

Italienischer Adel (mit Heiligem Apostolischem Stuhl und San Marino)

Ähnlich wie in Deutschland und Frankreich entwickelte sich der italienische Landadel aus dem Lehnswesen, dabei besaß Italien im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten auch eine starke Klasse des Stadtadels, die Signoria. Einige Geschlechter des Landadels, wie die Gonzaga in Mantua, die Este in Ferrara, die Visconti und Sforza in Mailand, oder des Stadtadels, wie die Medici in Florenz, erlangten schon früh Souveränität für ihre Familien, in der Regel als Vasallen des Papstes. Kennzeichnend für die Entwicklung des italienischen Adels war, dass die mittelalterlichen Grafschaften und Baronien recht klein waren, so dass die späteren Marquis und Grafen oft über nur unbedeutenden Landbesitz verfügten. Die Entwicklung verlief in allen bedeutenderen Teilstaaten Italiens ziemlich ähnlich, mit Ausnahme des Kirchenstaates, wo verschiedene Päpste zuerst ihre Familien in den Herzogsrang erhoben und dann Gunstbeweise in der Form von Adelsbriefen und sehr zahlreichen Standeserhöhungen an ihre Anhänger austeilten. Ein Kardinal teilte seinen Adel der ganzen Familie mit, alle höheren Militärgrade führten Baronen- oder Grafentitel mit sich, höhere Würden in den Ritterorden gaben hohe Titel.

Die Rangstufen waren ähnlich wie in Frankreich und Großbritannien: Fürst (Principe), Herzog (Duca), Markgraf (Marchese), Graf (Conte), Ritter (Cavaliere) und Baron (Barone). Wegen der hohen Zahl der betitelten Adligen im alten Stadt- und Landadel hat sich ein Kleinadel kaum entwickeln können. Die zwei höchsten Titel des Herzogs und Fürsten waren nur nach dem Recht der Erstgeburt zusammen mit dem Majorat vererbbar, die jüngeren Söhne nahmen die Titel von anderen Gütern der Familie.

Als Beispiel nehmen wir die noch heute blühende Familie Borghese. Der Chef der Familie in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, Livio (* 1874), führte folgende Titel: „11. Fürst von Montecompatri, 11. Fürst von Sulmona und Vivaro, 10. Fürst von Rossano, 5. Herzog von Canemorte, 11. Herzog von Palombara, 5. Herzog von Castelchiodato, 11. Herzog von Poggionativo, 11. Markgraf von Mentana, Norma, Civitella, Pratica, Moricone und Percille, 11. Graf von Valinfreda, 11. Baron von Cropalati, 11. Herr von Scarpa, Edelmann von Rom, Patrizier von Venedig, Neapel und Genua, Herr von … (noch elf Titel)“. Dessen ältester Sohn Flavio (* 1902) hieß zu Lebzeiten des Vaters nur „12. Fürst von Sulmona“. Prinz Livios Bruder Rodolfo durfte sich nur „Prinz von Nettuno“ nennen. Von den italienischen Fürsten- und Herzogsfamilien haben bis heute etwa 25 überlebt.

Nach der Entstehung des Königreiches Italien unter der sabaudischen Dynastie wurde der alte Adel bestätigt und neuer durch Adelsbriefe nach den oben beschriebenen Rangstufen ziemlich fleißig kreiert. Dies dauerte bis zur Abschaffung der Monarchie im Jahre 1946. Die Italienische Republik schaffte 1946 den Adel ab, toleriert aber den Gebrauch von Titeln auch in amtlichen Dokumenten.

Gegenwärtig können nur der Heilige Apostolische Stuhl (dieser legt Wert darauf, dass ihm bestimmte Rechte zustehen; der Staat Vatikan nimmt so gut wie keine Rechte wahr) und die Republik San Marino Adelswürden verleihen. Beim Heiligen Stuhl wird das seit dem Pontifikat Johannes XXIII. nicht mehr praktiziert, obwohl die theoretische Möglichkeit immer noch besteht, die kleine Republik San Marino verlieh dagegen noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts Adelstitel, weniger an Inländer als an Ausländer für „Verdienste um den Staat“.

Polnischer Adel („Szlachta“)

 
Polnische Adlige in ihrer Tracht (17. Jahrhundert)

Der polnische Adel (etwa 10-15 % der Bevölkerung) war ursprünglich eine reine Kriegerkaste und schuf im Kampfe mit der Königsmacht etwas Einzigartiges in ganz Europa – eine Adelsrepublik mit einem Wahlkönig an der Spitze, der eigentlich nichts mehr war als ein auf Lebenszeit gewählter gekrönter Präsident.

Man nimmt an, dass die polnische Szlachta (von mhd. geslaht d. h. Geschlecht) sich unter der Dynastie der Piasten aus dem waffenfähigen Bauerntum in den ständigen Kämpfen gegen Böhmen, Markgraf Gero, den Kaisern, den Litauern, Pommern, Pruzzen und dem Deutschen Orden entwickelte.

Die Organisation der Szlachta war rein demokratisch: Alle Mitglieder des Standes waren gleichberechtigte Staatsbürger, sie hatten das Recht, immer Waffen zu tragen, und alleiniges Stimm- und Wahlrecht, ihre Besitzungen wurden unbeschränktes Eigentum. Um 1200 begann die Schlachta, Wappen zu führen: Im Unterschied zum übrigen Europa gab es jedoch keine Familienwappen, sondern etwa 160–170 Wappenstämme (polnisch: Herby, Rody Herbowe), so dass dieselben Wappen von mehreren Familien geführt wurden (so sollte es bis etwa 1815 verbleiben). Es gab vom Mittelalter bis 1569 keine Adelstitel: Die obersten Beamten trugen zwar den Titel Comes (Graf) und die Mitglieder des Königlichen Rates den des Baro (Baron), jedoch nur lebenslänglich. Sie versuchten natürlich, die Titel in ihren Familien erblich zu machen, dies wurde jedoch durch den König Wladyslaw I. den Ellenlangen und den Reichstag vereitelt: Ab 1331 sollte es nur einen einzigen Ritterstand geben. Um ihm anzugehören, musste man seit 1347 die adlige Geburt und seit 1412 auch die Berechtigung zur Führung eines Wappens nachweisen. 1496 verbot man dem Adel, andere Beschäftigung als Ackerbau und Waffendienst zu haben. Um die gesellschaftliche Position des ärmeren und besitzlosen Adels zu sichern, parzellierte man einen Teil der Staatsgüter und wies den kleineren Adligen erbliche Höfe zu. Auf diese Weise entstanden, vor allem in Mittel- und Ostpolen, die Adelsdörfer: Nicht selten saßen in einem Dorfe 20 bis 30 adlige Familien zusammen. Noch heute begegnet man diesen Dörfern mit ihren Traditionen in der Gegend von z. B. Siedlce oder Suwalki, aber auch in Masowien. Andere Adelsdörfer waren im Besitz von Tataren – Familien, deren Vorfahren in den vielen Kriegen im Osten auf Polens Seite kämpften. Sie wurden geadelt, durften aber ihre Religion behalten. Noch heute sieht man diese Dörfer mit ihren kleinen Moscheen im Gebiet von Suwalki.

Infolge dieser Entwicklung entstanden innerhalb des „einzigen Ritterstandes“ bedeutende Unterschiede: es gab eine Schicht der superreichen Magnaten, die nach der Union mit Litauen erheblich verstärkt wurde, eine Schicht des vermögenden Mitteladels und die große Masse des Kleinadels, der nobiles pauperes, aus der der Hofadel der Magnaten stammte.

Bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts hatte der Adel keine Familiennamen, abgesehen von ein paar ganz alten, die noch aus der heidnischen Zeit stammten. Man fügte dem Taufnamen den Namen des Besitzes mit der Präposition de oder z hinzu (welche dasselbe waren wie das deutsche von). Erst nach 1500 verbreitete sich die Sitte, diese in Eigenschaftswörter mit der Endung ski oder icz zu verwandeln, diese neuen Namen hatten aber lange Zeit keinen dauernden Bestand, denn man änderte sie je nach Besitz: Z. B. Marcin z Siecina (Martin von Siecin, 16. Jahrhundert) nannte sich zuerst Siecinski, nach der Erheiratung des Gutes Krasiczyn änderte er den Namen zu Krasicki; dies war der Brauch in sehr vielen Familien.

Der Bestand des alten angestammten rein polnischen Adels vergrößerte sich 1342 durch den Erwerb Galiziens, 1434 durch den Anschluss Wolhyniens und Podoliens, 1454 durch die Aufnahme des überwiegend deutschen Adels aus Ost- und Westpreußen (der zwar das Prädikat „von“ und seine Adelstitel verlor, aber seine Wappen behalten durfte) und 1569 durch die Union mit Litauen. Bis zur Union mit Litauen waren alle Adelstitel verboten, der litauische, unermesslich reiche Hochadel (meist ukrainischer und weißrussischer Nationalität und dynastischer Herkunft) erkämpfte sich jedoch in der Lubliner Union vom Jahre 1569 das Recht, seine „Knjas“ (Fürst)- Titel weiterhin zu führen, (jedoch mit der Bedingung, dass daraus keine Vorrechte erwachsen dürfen). Es waren folgende Nachkommen von Rurik: Czetwertynski, Drucki-Lubecki, Massalski, Oginski, Puzyna und folgende Nachkommen von Gediminas: Czartoryski, Sanguszko und Woroniecki, außerdem ein paar alte litauische Adelsgeschlechter nichtdynastischer Herkunft, wie Radziwill und Sapieha. Statt der ersehnten Grafentitel musste sich der Mitteladel mit dem lebenslangen Besitz der Titel der Landesämter (wie Starost, Woiwode, Mundschenk (Stolnik)) usw. begnügen (z. B. der letzte König Stanislaus II. August war vor seiner Wahl „Mundschenk von Litauen“).

Der König verlor ab 1578 sein Recht, Inländer zu nobilitieren. Die Erteilung des Indigenats war ab nun ein Vorrecht des Sejm. Ausländer wurden weiterhin vom König nobilitiert, sogar gegraft und gefürstet, die Titel waren aber nicht gültig in Polen.

Eine besondere Situation entstand in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts. Eine große Gruppe von jüdischen Familien aus Podolien, Anhänger des Zaddik Jakob Josef Frank, ging 1759 zum katholischen Glauben über, erhielt durch bedeutende Unterstützung des Königs August III. den Adel und wurde in Wappenstämme aufgenommen. Diese sogenannten Frankisten sind noch heute an ihren Namen Kwiecinski (Taufe im April), Majewski (Taufe im Mai), Krzyzanowski, Krysinski (von „Kreuz“ abgeleitet) oder Wolowski (Übersetzung aus dem Hebräischen) erkennbar.

Mit den Teilungen Polens kam eine große Veränderung der Situation des Adels. Der größte Teil der Kleinadligen verlor die Adelswürde, denn er konnte seine noble Herkunft nicht ausreichend beweisen (er behielt aber die Traditionen und war das Rückgrat der Aufstände von 1830 und 1863). Der Hochadel behielt alle Privilegien und bekam seine Fürstentitel bestätigt, der Mitteladel bekam endlich die ersehnten Grafentitel und die Erlaubnis, Fideikommisse zu gründen. In Galizien und Lodomerien wurde eine besondere Adelsmatrikel angelegt und viele neue Nobilitierungen mit dem Titel „Ritter von …“ durchgeführt. In Preußen 1772 garantierte Friedrich II. dem polnischen Adel seinen Stand und Besitz, und seine Nachfolger führten viele Standeserhöhungen durch (vor allem der Grafenstand wurde verliehen, zuerst für alle Nachkommen, nach 1871 nur für den jeweiligen Besitzer eines Fideikommisses, während übrige Nachkommen einfache „Herren von …“ blieben). In Russland bestand eine besondere Matrikel nur für Kongresspolen, der Rest des polnischen Adels wurde dem russischen Adel einverleibt.

Die Niederlagen der großen Aufstände gegen Russland von 1830 und 1863 brachten eine wesentliche Verschlechterung der Situation auch des Mitteladels. Die Güter wurden konfisziert, die Inhaber oft für Jahrzehnte nach Sibirien deportiert. Nach der Rückkehr mussten sie bürgerliche oder sogar handwerkliche Berufe ergreifen (siehe: Adam Asnyk). Allmählich wurde diese enteignete Klasse des Mittel- und Kleinadels zum Rückgrat der sogenannten Intelligenz, die patriotische Traditionen fortleben ließ.

Im neuerstandenen Polen von 1918 wurde der Adel durch die Verfassung von 1921 abgeschafft und der Gebrauch von Titeln verboten, die adligen Gutsherren behielten indessen eine nicht zu unterschätzende Machtposition durch ihren Besitz von etwa 40 % des Ackerlandes. Die neue Verfassung vom Jahre 1935 nahm das Verbot von 1921 weg, ohne den Adel ausdrücklich neu zu gründen. Ab 1936 tolerierte man stillschweigend das Wiederaufleben des Titelgebrauchs (auch in amtlichen Dokumenten) – nach dem deutschen Muster, aus „Graf Bogdan von Hutten-Czapski“ wurde „Bogdan Graf Hutten-Czapski“.

1945 wurde der Adel durch Wiedereinführung der Verfassung von 1921 erneut abgeschafft und die Güter parzelliert. Bis etwa 1947 beließ man dem Adel seine Herrenhäuser (die sie allerdings mit vielen anderen Mietern, die vom Wohnungsamt angewiesen wurden, teilen mussten) und Restgüter (Großpolen: 100 ha, im übrigen Lande 50 ha), dann verlor er auch diesen Besitz. Auch nach 1990 wurde nichts zurückgegeben.

Nach 1990 entstanden wieder Adelsverbände und Bruderschaften der Wappenstämme, auch kamen Titel wieder in (nicht so häufigen) Gebrauch, allerdings nicht in amtlichen Papieren. Viele Adlige legten ihrem Familiennamen die Bezeichnung des Wappenstammes bei, z. B. „Rogala-Krasicki“, um sich von nichtadligen Namensträgern unterscheiden zu können. Als Gesellschaftsklasse existiert aber der Adel nicht mehr.

Die Gesamtzahl der noch heute blühenden polnischen Adelsfamilien beträgt (Kleinadel nur teilweise mitgerechnet) etwa 23.000–25.000 Geschlechter. Ihre Herkunft spiegelt die Vergangenheit des einst riesigen Landes wider: Es sind vor allem ethnische Polen, aber auch herkunftsmäßig Armenier, Deutsche, Engländer, Franzosen, Holländer, Italiener, Juden, Kosaken, Litauer, Slowaken, Schotten, Tataren (bis heute Muslime), Ukrainer und Tschechen.

Heute (2004) führen 16 Geschlechter den Fürstentitel, davon Nachkommen von Rurik: Czetwertynski, Drucki-Lubecki, Massalski, Oginski, Puzyna; Nachkommen von Gediminas: Czartoryski, Sanguszko, Woroniecki; altlitauische dynastische Geschlechter: Gedroic, Radziwiłł, Sapieha; Reichsfürsten und österreichische Fürsten: Lubomirski, Poniatowski, Sułkowski; russische Fürsten: Swiatopełk-Mirski; preußische Fürsten: Radolin. 1 Geschlecht (Wielopolski) führt den päpstlichen Markgrafentitel, 104 Geschlechter sind Reichsgrafen oder österreichische Grafen, 41 Geschlechter sind preußische oder deutsche Grafen, 17 Geschlechter sind päpstliche Grafen, 9 Geschlechter sind russische Grafen, 4 Geschlechter sind sächsische Grafen und 2 sind italienische Grafen. 19 Geschlechter sind österreichische Freiherren, 13 sind napoleonische Freiherren, 3 sind polnische Freiherren, 1 ist russischer Freiherr und 1 Freiherr von Sachsen-Coburg-Gotha. 35 Geschlechter führen den napoleonischen Titel Chevalier de l'Empire.

Russischer Adel

Der russische Adel (Dworjanstwo) war eine Mischung: Neben dynastischen Geschlechtern, Nachkommen des Rurik, des Gediminas und uralter kaukasischer Fürstengeschlechter standen die Söhne des niedersten Volkes, und neben ethnischen Russen eine internationale Gesellschaft, die aus Angehörigen der eingegliederten Völker und Einwanderern verschiedenster Nationalitäten bestand. In alter Zeit galten in Russland die Bojaren als Adel, deren Titel waren aber nicht erblich und sie hatten auch keinen festen Grundbesitz. Sie durften einen Beirat des Fürsten wählen, die Fürsten-Duma, und bildeten eine stehende Leibwache des Souveräns. Bereits im 14. Jahrhundert wurden dem Adel Güter „zur Nutzung“, also nicht als fester Besitz – denn alles blieb Besitz des Großfürsten –, überlassen. Im 15. Jahrhundert, nachdem der Großfürst von Moskau den Titel „Selbstherrscher aller Reußen“ angenommen hatte, wurden die Bojaren und die entthronten Nachkommen von Rurik aus den kleineren Fürstentümern zu einem Dienstadel, der verpflichtet war, dem Zaren als Beamte oder Offiziere zu dienen. Im Jahre 1649 wurde die Position des Adels durch gesetzliche Verankerung der Leibeigenschaft der Bauern konsolidiert. Nach der Volkszählung von 1678 befanden sich 507.000 Bauernhöfe (85 % der Gesamtzahl) in den Händen des Adels. Am Ende dieses Jahrhunderts schuf man auch die ersten Adelsmatrikeln (Barchatnaja kniga). Der damalige Adel wurde in Kategorien eingeteilt: Die höchste war die des Moskauer Adels, die niedrigste die des Stadtadels.

Die Stellung des Adels wurde durch den Ukas des Kaisers Peter I. vom 24. Januar 1722 geregelt, der eine Rangtabelle (Rangtafel) der Staatsdienerklassen schuf. Peter I. führte auch die bisher in Russland unbekannten Grafen- und Baronenwürden ein (es existierte bis dahin nur der Fürstenrang – Knjas). Es gab ab nun (ähnlich wie in Großbritannien) den persönlichen und den erblichen Adel (Litschnoje Dworjanstwo/Potomstwennoje Dworjanstwo). Schon der erste Offiziersrang im Heer und der Marine gab den persönlichen Adel, der Rang eines Obersten oder Kapitäns den erblichen Adel. Auch der Besitz gewisser Orden gab den erblichen Adel: des Großkreuzes aller Orden und des Ordens des Heiligen Wladimir sowie des Sankt-Georg-Ordens (siehe Russischer Orden des Heiligen Georg) aller Klassen. Nach 25 Jahren unbescholtenen Dienstes erhielten die Beamten den Wladimirorden 4. Klasse mit der Inschrift 25 let und damit den erblichen Adel.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die Rechte und Privilegien des Adels erheblich erweitert: Im Jahre 1726 begrenzte man die obligatorische Dienstpflicht des Adels im Beamtentum oder der Armee auf 25 Jahre, 1762 wurde er von dieser Dienstpflicht völlig entbunden und von bloßen Nutznießern zu Besitzern der Güter erklärt. Gleichzeitig erhielt der Adel 1785 unter Katharina II. totales und schon entartetes Verfügungsrecht über die ihm untertanen Bauern: Diese durften verkauft, nach Sibirien deportiert oder zwangsweise zu Soldaten gemacht werden. Dieses wurde erst unter Zar Alexander II. durch das Gesetz vom 19. Februar/3. März 1861 über die Abschaffung der Leibeigenschaft geändert.

In der russischen Armee gehörten etwa 50 % der Offiziere dem erblichen Adel an, während die übrigen den persönlichen Adel hatten, der, wie oben gesagt, schon durch das Offizierspatent erworben wurde. In den drei elitären Leibgarde-Regimentern (Preobraschenski, Semjonowski, Ismailowski) dienten nur Abkömmlinge des alten betitelten Adels.

Die Adelstitel in Russland gestalteten sich seit Peter I. ähnlich wie im übrigen Europa: Fürst, Graf, Baron und unbetitelter Adel. Die fürstlichen Familien waren entweder dynastischen Ursprungs oder stammten von den höchsten Staatsmännern und Heerführern ab. Gräfliche Häuser waren entweder Nachkommen von Bojaren oder auch deutsche Adlige (Deutschbalten) aus den eroberten Ländern des Baltikum, deren Anzahl unter den Grafen sehr hoch war. Der Barontitel war unter dem älteren Adel (mit Ausnahme des baltischen Adels) nicht besonders geschätzt, da er vor allem an Bankiers und Kaufleute zum Lohne für geleistete Geldhilfe verliehen wurde. Der erste Baron der russischen Geschichte war der von Peter I. in diesen Stand erhobene jüdische Bankier Schaffirow.

Das Ende des 19. und der Anfang des 20. Jahrhunderts waren durch den allmählichen Verlust der Landgüter durch den Adel gekennzeichnet, welches natürlich im Zusammenhang mit der Aufhebung der Leibeigenschaft stand und dem Unvermögen des Adels, die Güter unter neuen Bedingungen zu bewirtschaften. 1877 besaß der Adel noch 80 % der Landgüter, 1905 nur noch 62 %.

Die Oktoberrevolution des Jahres 1917 schaffte den Adel ab (Dekret vom 10./23. November 1917), der noch in der Februarrevolution eine aktive Rolle gespielt und viele Positionen in der Politik und Staatsverwaltung besetzt hatte (z. B. Fürst Lwow und Kerenski), viele Adlige hatten jedoch einen wesentlichen Anteil am Aufbau des neuen Staates – wie Lenin selbst, Geheimdienstchef Felix Dserschinski oder die Marschälle Michail Tuchatschewski, Konstantin Rokossowskij und andere. Unzählige Adlige fielen im Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution – in den Verbänden der „Weißen“ gab es ganze Regimenter, die ausschließlich aus adligen Offizieren bestanden. Andere emigrierten, vor allem nach Deutschland, Frankreich, wo sich Paris zum Zentrum der russischen Emigranten entwickelte, und Polen, von dort weiter in die USA, wo heute der Großteil der ehemaligen Zarendynastie lebt.

In der Folgezeit unter der kommunistischen Herrschaft wurden viele Adlige verfolgt, inhaftiert und erschossen. Die Zarenfamilie wurde nach Sibirien verbannt. Den Säuberungen unter Stalin fielen Tausende Dissidenten, gläubige Christen, Angehörige nicht russischer Völker, kommunistische Funktionäre und Adlige zum Opfer.

Nach 1991 wurden die Adelsverbände und Organisationen der adligen Traditionspflege wieder erlaubt, als soziale Schicht existiert aber der russische Adel nicht mehr.

Die Zahl der noch heute blühenden Geschlechter ist nach mehr als 70 Jahren Kommunismus schwer abzuschätzen, sie müsste jedoch bei etwa 100 Millionen Einwohnern des Jahres 1917 mindestens 50–60.000 umfassen.

Vorlage:Julianischer Kalender

Skandinavischer Adel

Dänemark

Die Anfänge des dänischstämmigen Adels im Lande gehen auf die Bildung der Königsgarde, der Hauskerle zurück, die ein Adel kriegerischen Gepräges war. Die ersten Privilegien des Adels wurden ihm von König Knut VI. im 12. Jahrhundert verliehen, der den Adel und die Geistlichkeit zu privilegierten Ständen gegenüber dem Bürger und dem Bauern erhob, wodurch die nordische Freiheit und Gleichheit zurückgedrängt wurde. Die Vorrechte des Adels vermehrten sich noch, nachdem der schleswig-holsteinische Adel, der bedeutende Privilegien genoss, nach der Thronbesteigung der Oldenburger, zahlreich in Dänemark eingewandert war. Diese Vorherrschaft des Adels im Staate dauerte bis 1660. In diesem Jahre wurde König Friedrich III. (Frederik III.) von den Ständen Geistlichkeit und Bürgerschaft zum absoluten Herrscher im Lande erklärt: Der alte Adel behielt nur seine soziale Bevorzugung, musste sie aber seit 1671 mit dem neugeschaffenen Hofadel teilen. König Christian V. führte seit diesem Jahre sehr zahlreiche Nobilitierungen und Standeserhöhungen von Bürgerlichen und naturalisierten Fremden durch, welche den königstreuen Hofadel bildeten. Die neue Verfassung von 1849 hob dann die letzten dem Adel noch verbliebenen Vorrechte auf.

Heute blühen in Dänemark noch etwa 225 Geschlechter, von denen der dritte Teil naturalisierter, ausländischer Herkunft ist. Es gibt nur drei Rangstufen: unbetitelter Adel, Freiherren und Grafen. Das Staatsoberhaupt führt keine Nobilitierungen oder Standeserhöhungen mehr durch.

Finnland

Der Großteil des finnischen Adels stammt aus der schwedischen Bevölkerungsgruppe und hat seinen Ursprung in der Zeit vor 1809, als Finnland Teil Schwedens war. Auch im darauf folgenden Großfürstentum Finnland unter dem russischen Zaren behielt der Adel bis zum Jahre 1906 seine Stellung als einer der vier Stände des finnischen Landtages und die Befugnis, an der Gesetzgebung und Steuerbewilligung teilzunehmen. Der Zar erhob auch zahlreiche verdiente Persönlichkeiten in den Adelsstand, zuletzt General August Langhoff, der 1912 zum Freiherr ernannt wurde.

Für den alten und neuen Adel besteht (wie in Schweden) ein Ritterhaus, einst eine besondere Kammer des Parlaments, heute mehr eine traditionspflegende Vereinigung. Nur wenige Adlige sind Grundbesitzer. Die meisten Söhne des finnischen Adels dienten während der Zeit des Großfürstentums in der russischen Armee (vgl. Gustaf Mannerheim). Die Anzahl der Geschlechter beträgt heute etwa 200. Es gibt drei Rangstufen: unbetitelter Adel, Freiherren und Grafen.

Norwegen

In Norwegen hat sich ein eigentlicher Adel niemals entwickelt: Der freie, wehrhafte Bauernstand blieb immer das vorherrschende und entscheidende Element im Staate. Im Mittelalter standen die vom König nominierten Jarle an der Spitze einzelner Landschaften, sie hatten aber nur den persönlichen Amtsadel. Einige wenige dänische Adelsgeschlechter wanderten während der Personalunion mit Dänemark (1397–1814) nach Norwegen ein, sie gewannen aber keine Bedeutung. Größerer adliger Landbesitz ist in Norwegen nur durch zwei Güter repräsentiert, die Grafschaft Wedel-Jarlsberg und die Baronie Rosendal.

Im Jahre 1815 wurde der Adel durch das Parlament (Stortinget) abgeschafft.

Schweden

Der schwedische Adel entstand im Zeitraum von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts während ständiger Fehden zwischen verschiedenen Königsgeschlechtern und entwickelte sich aus dem freien Bauerntum. Es gab damals noch keine Unterscheidung des Adels in hohen und niederen. Erst Erich XIV. machte bei seiner Krönung im Jahre 1561 die mächtigsten und begütertsten Edelleute zu Grafen und Freiherren, so dass ein hoher und ein niederer Adel entstanden. Seine Nachfolgerin zwei Generationen später, Christina I., vermehrte den niederen Adel um etwa 400 Familien, die meisten von schottischem oder deutschem Ursprung. Als öffentliche Körperschaft nahm der Adel Gestalt im Jahre 1626, als König Gustav II. Adolf durch seine Ritterhausordnung den Adel in einem Ritterhaus vereinigte. Dessen Nachfolger zwei Generationen später, der Wittelsbacher Karl XI., versetzte der Stellung des Hochadels einen schweren Stoß, indem er die von seinen Vorgängern reichlich verliehenen Staatsgüter im Jahre 1682 wieder einzog und die Einbürgerung vieler eingewanderter, vor allem deutscher Familien begünstigte. Schon nach dem Tode seines Nachfolgers Karl XII. gelang es indessen dem Adel, die Krone zu entmachten und die Gewalt im Staate an sich zu reißen. Dieses Adelsregime überlebte bis 1772, dem Staatsstreich Gustavs III., der die Macht des Adels brach. Bis zur Verfassungsänderung der Jahre 1865–1866 war der Adel im Ständereichstag reichlich vertreten, denn jedes Oberhaupt der etwa 1000 adligen Familien hatte das Recht, nach Vollendung des 24. Lebensjahres im Reichstag zu erscheinen und abzustimmen. Der Adel war damals in drei Klassen geteilt: 1. Herrenstand (herrar) – Grafen und Freiherren; 2. Ritterstand (riddare), unbetitelter Adel, der nachweisen konnte, dass seine Vorfahren im Reichsrat saßen; 3. Kleinadel (svenner). Der Adel versammelte sich im Palais Riddarhuset (erbaut 1641–1675) im Zentrum von Stockholm, noch heute Sitz des schwedischen Adelsverbandes, mit Wappenschildern sämtlicher erloschener und blühender Geschlechter verziert. 1865 wurde der neue Reichstag mit zwei Kammern geschaffen und der Adel gab seine politische Stellung freiwillig auf.

Heute (2004) blühen noch etwa 619 schwedische Adelsgeschlechter (die zusammen etwa 28.000 Personen umfassen). Wie früher sind sie in Grafen, Freiherren und den unbetitelten Adel eingeteilt (46 Grafenhäuser, 124 Freiherrenhäuser und 449 adlige Häuser haben überlebt). Als Uradel im deutschen Sinne können nur aber höchstens 30 Geschlechter gelten, deren Ahnen schon in der Zeit der ersten Wasa-Könige groß und mächtig waren (im damaligen Schweden oder auch in den ehemaligen dänischen und norwegischen Provinzen Skåne, Halland, Blekinge und Bohuslän, die von Karl X. Gustav erobert wurden). Der Rest gehört dem Briefadel an, der oft ausländischer Herkunft ist. Der Prinzen- und Herzogstitel steht ausschließlich den erbberechtigten Mitgliedern des Königshauses zu.

Standeserhöhungen wurden bis 1809 in unbegrenzt erblicher Form des Titelbesitzes durchgeführt, nach diesem Jahre hatte nur das Oberhaupt des Geschlechtes den Freiherrn- oder Grafentitel oder auch die unbetitelte Adelswürde. Da die Verfassungen von 1809 und 1865 mit gewissen Modifizierungen bis 1975 galten, hatte der Monarch das Recht, auch Erhebungen in den Adelsstand und Einbürgerungen des ausländischen Adels vorzunehmen: Die letzte Nobilitierung, die des Forschungsreisenden Sven Hedin, fand 1902 statt. Bis 1975 wurden keine Nobilitierungen mehr vorgenommen. Ausländische Adlige, die die schwedische Staatsbürgerschaft erworben haben, werden nicht zum schwedischen Adel (Mitgliedern im Ritterhaus) gerechnet und sind in einer besonderen Körperschaft (ointroducerad adel) organisiert. Unter ihnen gibt es auch einige Mitglieder der Familie Bernadotte (vgl. Schwedisches Thronfolgerecht).

Bezüglich des Adelsprädikates gab es keine ständige Praxis bei den Nobilitierungen. Die ältesten Familien des Uradels (z. B. Bildt, Bjelke, Bonde, Natt och Dag, Oxenstjerna, Thott) tragen kein Adelsprädikat. Unter Königin Christina I. wurde der Adel oft, aber nicht immer, mit dem deutschen Prädikat „von“ verliehen, bei schottischen Geschlechtern (wie Hamilton, Spence) in der Regel ohne „von“. Der Name des Geadelten wurde oft zur Unkenntlichkeit verändert. Das Prädikat „von“ war besonders beliebt während der Regierung der beiden deutschstämmigen Könige Friedrich I. von Hessen-Kassel und Adolf Friedrich von Holstein-Gottorp. Unter deren Nachfolgern bis 1809 verlieh man den Adel meist ohne von. Nach 1809 verwendete man ausschließlich das schwedische af (Entsprechung des von) oder verlieh den Adel ohne Prädikat.

Schweiz

In der Schweiz hatte sich seit dem 14. Jahrhundert eine Aristokratie entwickelt, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der englischen Gentry besaß. Viele ihrer Mitglieder erlangten später eine dynastische Stellung und übten eigene Gerichtsbarkeit aus.

Im Kanton Bern verschmolzen viele adlige Grundherren aus der Umgebung der Stadt mit dem dortigen Patriziat zu einer Aristokratie, die die Macht bis zum Jahre 1798, der französischen Invasion, ausübte. Zudem erwarben Angehörige des Berner Patriziats in den von Bern verwalteten Gebieten Herrschaften, die mit dem Recht zur Führung eines Adelstitels verbunden waren.

Auch ausländische Mächte wie Frankreich und Preußen verliehen Adelstitel an Schweizer. Im bis 1848 von Preußen in Personalunion regierten Neuchâtel wurden zudem viele Patrizierfamilien in den Briefadel aufgenommen.

Gegenwärtig haben Adel und Patriziat in der Schweiz keine staatsrechtliche Stellung mehr; das alte Patriziat erfreut sich aber in sozialer Hinsicht noch immer eines gewissen Einflusses. Die Führung der Prädikate und Titel ist ganz dem persönlichen Ermessen überlassen, jedoch können diese Titel nicht in amtliche Schriften eingetragen werden. Traten Angehörige von Schweizer Adelsfamilien in fremde Militärdienste (z. B. in die des Vatikans oder Frankreichs und Preußens), so führten sie dort in der Regel ihre Titel. Die 1792 bei der Erstürmung der Tuilerien durch die Sansculotten gefallenen Angehörigen der Garde waren zu 90 % Adlige aus der Schweiz.

Spanien

In Spanien wurde der Adel durch die republikanische Verfassung von 1931 aufgehoben und unter dem Regime des Generals Francisco Franco im Jahre 1948 wiedereingeführt. Er besteht aus dem Hochadel (den Granden) mit folgender Rangfolge der Titel: Principe, Duque, Marqués, Conde, Vizconde und Baron und dem niederen Adel mit den Titeln Hidalgo, Caballero und Escudero (gewöhnlich Hidalgos genannt). Der Titel Don, ursprünglich dem Könige vorbehalten, wird heute bei allen Standespersonen verwendet. Nobilitierungen und Standeserhöhungen wurden sowohl unter Franco wie auch unter der neuen Monarchie durchgeführt: Z. B. wurde Salvador Dalí von König Juan Carlos I. zum Marquis ernannt.

Der alte Adel wurde unter den Königen Karl III. und Karl IV. durch viele Nobilitierungen erheblich geschwächt. König Joseph Bonaparte schaffte die Grandentitel ab, nach der Rückkehr der Bourbonen wurden sie indessen wiedereingeführt und ein neues Oberhaus des Parlaments geschaffen, wo die Granden ständige Plätze erhielten. Ein empfindlicher Stoß gegen die Position der Granden war die von den Cortes verfügte Abschaffung der Majorate im Jahre 1855: Für viele Familien führte sie zum Ruin, andere arbeiteten sich auf dem Gebiet des Handels, des Gewerbes und der Kunst wieder empor. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten etwa 200 hochadlige Familien in tiefstem Elend und hatten nicht einmal das Recht, ihre alten Titel zu führen, denn bei jedem Übergang des Titels vom Vater an den Sohn mussten hohe Abgaben an den Fiskus entrichtet werden, welches die Möglichkeiten der meisten Geschlechter überstieg. Während der alten Monarchie bis 1931 waren 392 Granden im spanischen Staatskalender aufgeführt, von denen nur 35 ausreichenden Vermögensstatus hatten, um ihren Sitz im Senat einnehmen zu können. Von etwa 500.000 Mitgliedern des niederen Adels lebten die meisten Hidalgos in großer Armut.

Portugal

In Portugal wurde der erbliche Adel erst im 14. Jahrhundert unter König Johann I. geschaffen, der auch den Herzogstitel einführte. König Alfons V. fügte die Titel des Marquis, Vicomte und Baron hinzu. Diese Häuser bildeten den Hochadel, der Gerichtsbarkeit ausüben durfte. Der niedere Adel bestand aus den Hidalgos, den Rittern und den Rechtsgelehrten (doutores oder letrados). In der Zeit dieses Königs begann auch die Bildung der Majorate (morgados).

Im 18. Jahrhundert, während der Regierung Josephs I., schuf der Minister Pombal ein Gegengewicht zum alten Adel, den Briefadel, der aus Grundbesitzern, Kaufleuten und Gelehrten bestand. Die adlige Gerichtsbarkeit wurde im Jahre 1790 abgeschafft, durch die Revolution von 1820 verlor der Adel alle Vorrechte. Nach der Einführung der Republik im Jahre 1910 wurde der Adel abgeschafft.

Ungarn

Die Verhältnisse in Ungarn ähnelten denen in Polen. Ein Lehnsverband, den man sonst überall im mittelalterlichen Europa findet, bestand dort nie. Jedes Mitglied des kriegerischen Stammes der Magyaren, das von niemandem abhängig war und den Fahnen des Königs folgen konnte, rechnete sich zum Adel. Auf diese Weise entstand der sehr zahlreiche ungarische Adel, der wie in Polen etwa 12–16 % der Gesamtbevölkerung ausmacht. Aus der Masse des Adels gingen allmählich die Magnatenfamilien hervor. Am Anfang des 11. Jahrhunderts gab König Stephan I. (der Heilige) dem Lande eine Verfassung, durch welche die Krone im Geschlecht Arpad erblich wurde und Prälaten mit dem hohen Adel samt niederem Adel als privilegierte Stände galten.

Im Jahre 1405 vereinigte sich im Nationalkonvent der niedere Adel mit den Vertretern der Städte zur Ständetafel, während die hohen geistlichen Würdenträger und der Hochadel die Magnatentafel bildeten, in welcher jeder Bischof oder Magnat persönlich vertreten war. In der Ständetafel hatte der niedere Adel das unbedingte Übergewicht; auf den Komitatsversammlungen hatte jeder grundbesitzende Edelmann (auch wenn er einen Kleinsthof bewirtschaftete) Sitz und Stimme. Der Adel war befreit von Zöllen, Steuern und Einquartierungen und vom Militärdienst: Er zog nur zu Felde, wenn ein Adelsaufgebot (Nemes felkelés) für König und Vaterland ausgerufen worden war. Ein Adliger konnte nur von seinesgleichen gerichtet werden und die wichtigeren Ämter waren ihm vorbehalten. Erst 1843 wurden nichtadlige Personen zu den Ämtern zugelassen.

Der magyarische Adel kannte nur zwei Titel: Graf (gróf) und Baron (baró). Rang und Titel eines Fürsten (herczeg) kamen nur den Söhnen des Königs zu. Vier Grafengeschlechter erhielten indessen ausländische Fürstentitel: Batthyány (1764), Esterházy (1687), Odescalchi (1689) und Pálffy (1816), die in Ungarn anerkannt wurden. Später erwarben auch zehn ausländische fürstliche Häuser das ungarische Indigenat. In der Zeit der Monarchie mit einem König – bis 1918 – gab es in Ungarn außer diesen 14 Fürstenhäusern 98 gräfliche und 94 freiherrliche Geschlechter, deren Titel aber nicht weiter zurück als um 1550 reichten und habsburgische Verleihungen waren. Diese Zahl wuchs nach 1918, da auch der Reichsverweser Admiral Miklós Horthy in der königlosen Monarchie Standeserhebungen vornahm.

Durch die Abschaffung des Adels und die Parzellierung der Güter nach 1945 wurde dem ungarischen Adel die Existenzgrundlage genommen, viele Adlige blieben jedoch im Lande und emigrierten erst 1956, um ein oft kümmerliches Dasein in Deutschland oder Österreich zu fristen. Beinahe die Einzigen, die von der Konfiszierung verschont blieben, waren die Fürsten Esterházy, die einen Teil ihrer Güter im Burgenland hatten. Nach 1991 kehrten viele Vertreter des Adels, auch des Hochadels, nach Ungarn zurück.


Der Adel in Ostasien

Japan

Bis in 5. Jahrhundert. n. Chr. war der Adel in Japan nur ein lockerer Verband von bodenbeherrschenden Sippen. Im 6. Jahrhundert erteilte die kaiserliche Zentralmacht des Tennō erbliche Standestitel an einige der Sippenoberhäupter. Die tatsächliche Befehlsgewalt der Sippenoberhäupter wurde damit staatlich delegiert und legitimiert.

Im 7. Jahrhundert wurde im Zuge der Einsetzung des Ritsuryō-Systems das Adelskriterium der Geburt durch die Verwaltungsfähigkeit ersetzt. Durch Landesgesetz aus dem Jahre 701 wurde der Geburtsadel durch einen Verdienstadel von Zivilbeamten (Kuge) ersetzt. Unter der Leitung dieses Verdienstadels, der sich zunehmend in der Hauptstadt Heian-kyō (heute Kyōto) konzentrierte, verdrängten Verbände von bodenständigen Kriegern und Landgutsverwaltern aus den Provinzen den Zivil-Adel bis ca. 1200 zunehmend von der Macht. Es regierte dann der sogenannte Schwert-Adel (Samurai, Daimyō, Shōgun) in Japan bis 1868. Dem Tennō blieben lediglich oberpriesterliche, kulturwahrende und legitimierende Aufgaben. 1884 in der Meiji-Restauration durch die (oder zumindest im Namen der) Kaisermacht wurden Zivil-Adel und Schwert-Adel zu einem Einheitsadel (Kazoku) zusammengefasst, der Samurai-Stand als solcher abgeschafft. Durch das Gesetz vom 7. Juli 1884 wurde der Adel nach dem chinesischen Muster in fünf Klassen abgestuft, jedoch im Gegensatz zu der in China geltenden Regel war er unbegrenzt erblich nach dem Grundsatz der Erstgeburt, so dass die jüngeren Söhne eines betitelten Adligen zeitlebens und der Erbsohn bei Lebzeiten des Vaters ohne Adelsprädikat waren. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Adel als Institution durch die Verfassung von 1946 beseitigt. Lediglich die kaiserliche Familie selbst blieb bestehen.

China

Bis zur Abschaffung des Kaisertums im Jahre 1912 gab es in China einen Hochadel, der erstens aus den Mitgliedern der herrschenden Mandschu-Dynastie bestand (in Europa nannte man sie „Prinzen“) und zweitens aus dem engen Kreis von zehn Häusern, die den erblichen Adel von früheren Kaisern erhalten hatten, u. a. dem Oberhaupt der Nachkommen von Konfuzius, der Familie Kong, und dem der Sprösslinge des Kriegsherrn von Formosa im 17. Jahrhundert, des Koxinga.

Bei den übrigen Adelsverleihungen erbte jede nachfolgende Generation nur den um eine Stufe niedrigeren Adel (es gab fünf Stufen), so dass die adlige Würde nach fünf Generationen wieder verschwand.

Die Zugehörigkeit zum Adel gab nur Vorrechte bei der Besetzung der Hofämter. Im Zivildienst und in der Armee gaben die literarischen und militärischen Prüfungen ohne Rücksicht auf die soziale Herkunft den Ausschlag.

In der bürgerlichen und später der kommunistischen Republik verschwand der Adel spurlos. Viele wanderten aus, nach Hong Kong, Taiwan oder in die USA. Sogar die ehemalige kaiserliche Sippe, bis 1924 noch vom Staat mit Apanage versehen, muss heute sehr bescheidene Berufe ausüben.

Die neueste Entwicklung seit etwa 2003 scheint eine Erneuerung der alten Traditionen zu bringen. Die Oberhäupter der Nachfahren des Konfuzius (1937: 650.000 Personen (Frauen ungerechnet) haben wieder das Wohnrecht im alten Familienpalais in Qufu. Ein Aufschwung für die letzte Kaisersippe, ist nicht zu erwarten, denn die Mitglieder der Qing-Dynastie wurden als fremde, nichtchinesische Eindringlinge betrachtet.

Adel in Afrika

Ägypten

Der oberste Adel in Ägypten waren die Pharaonen.

Der Begriff Pharao geht auf das ägyptische Wort „Per aa“ (pr-Vorlage:Unicode)
O1
O29
(wörtl. „großes Haus“) zurück, das ursprünglich (wie es im hebräischen Original der Bibel verstanden wird) weder ein Herrschertitel noch ein Eigenname, sondern vielmehr die Bezeichnung für den königlichen Hof oder Palast war.

Burkina Faso

Die Dynastie der Ouattara regierte im Westen des heutigen Burkina Faso. Tiéba Ouattara war in der Eroberungsphase König des dortigen Reiches Kong.

Die heutigen afrikanischen Nationalstaaten sind keineswegs historisch gewachsen, sondern sind ein Produkt des Kolonialismus. Von daher ist es schwierig, adlige Sippen der einzelnen Ethnien auf ein bestimmtes Territorium zu begrenzen.

Die Fulbe haben ein für westafrikanische Ethnien bezeichnendes Kastensystem. Als Beispiel sei der Futa-Dschallon in Guinea gewählt. An der Spitze des Staates stehen die Familien adliger herkunft, welche Nachfahren der kriegerischen muslimischen Djihadisten aus dem 18. Jahrhundert sind. Nach Errichtung der Theokratie im Futa-Dschallon wurde das Gebiet unter den unterschiedlichen kämpenden Sippen aufgeteilt und blieb bis heute im Besitz dieser Familien. So ist anzunehmen, dass alle Mitglieder der Clans der Diallo, Bah (bzw. Baldé) und Barry adliger Herkunft sind.

Sonstiges

Hinsichtlich des Sozialprestiges, das mit einem Adelstitel verbunden war, konnte es zwischen Bürgerlichen und Adligen, aber auch bei Adligen untereinander zu Spannungen kommen.

  • Das konnte sich darin ausdrücken, dass eine Standeserhöhung bewusst abgelehnt wurde: Otto von Bismarck zierte sich, die Verleihung des Grafen- und später des Fürsten- und Herzogstitels anzunehmen (den Herzogtitel führte er nie).
  • Auch für Hanseaten war die Annahme von Adelstiteln seit dem 13. Jahrhundert teils ausdrücklich verboten, zumindest verpönt und unüblich. Der Adel konnte bis 1860 keinen Grundbesitz in Hamburg erwerben und war damit von der Erbgesessenen Bürgerschaft und von bürgerlichen Ehrenämtern ausgeschlossen. (Siehe: Hanseaten und Adel).
  • Der vor 1806 etablierte Adel betrachtete den napoleonischen und nachnapoleonischen Adel mit Skepsis. So waren bei alten Familien bayerische Titel wenig angesehen. Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erklärte die Mutter des damals prominenten Bundestagsabgeordneten Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg auf die Frage eines Spiegel-Reporters, ob sie nicht gerne bayerische Gräfin geworden wäre: „Ein fränkischer Freiherr spuckt auf einen bayerischen Grafen“.

Quellen

  1. Weimarer Verfassung, Artikel 109

Literatur

Allgemein/Europa:

  • Eckart Conze (Hg.): Kleines Lexikon des Adels. Titel, Throne, Traditionen, München: C.H. Beck 2005, ISBN 3-406-51070-1
  • Walter Demel: Der europäische Adel. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München: C.H. Beck 2005, ISBN 3-4065-0879-0
  • Dominic Lieven: Abschied von Macht und Würden. Der Europäische Adel 1815-1914, Frankfurt a.M.: S. Fischer 1995, ISBN 3-10-044804-9
  • Arno J. Mayer: Adelsmacht und Bürgertum. Die Krise in der europäischen Gesellschaft 1848-1914, München: dtv 1988, ISBN 3-406-09749-9
  • H.M. Scott (Hrsg.): The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteens Centuries. Vol.I Western Europe, Vol.II Northern, Central and Eastern Europe, London 1985, ISBN 0-582-08070-3

Deutschland:

  • Philipp Heck: Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, Halle 1905
  • Eckart Conze: Von deutschem Adel. Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, Stuttgart: DVA 2000, ISBN 3421053448
  • Eckhart Conze und Monika Wienfort (Hrsg.): Adel und Moderne - Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 2004, ISBN 3-412-18603-1
  • Marcus D. Ernst: Der Bayerische Adel und das Moderne Bayern. Die Gesetzgebung und Debatte über die persönlichen Privilegien des in Bayern immatrikulierten Adels (1808-1818). Dissertation, Universität Passau 2002 (Volltext)
  • William D. Godsey jr.: Noble Survival and Transformation at the Beginning of the Late Modern Era. The Counts Coudenhove from Rhenish Cathedral Canons to Austrian Priests, 1750-1850. In: German History. 19/2001, S. 499–524, ISSN 0266-3554
  • Mark Hengerer und Elmar L. Kuhn (Hrsg.): Adel im Wandel. Oberschwaben von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Thorbecke Verlag, Ostfildern 2006, ISBN 3-7995-0216-5
  • Dieter Hertz-Eichenrode: Wilhelminischer Neuadel? Zur Praxis der Adelsverleihung in Preußen vor 1914. In: Historische Zeitschrift 282/2006, S. 645–679, ISSN 0018-2613
  • Iris Freifrau v. Hoyningen-Huene: Adel in der Weimarer Republik. Die rechtlich-soziale Situation des reichsdeutschen Adels 1918-1933. Limburg: C.A.Starke Verlag 1992, ISBN 3-7980-0690-3
  • Larry E. Jones: Catholic Conservatives in the Weimar Republic. The Politics of the Rhenish-Westphalian Aristocracy, 1918-1933. In: German History 18/2000, S. 61–85, ISSN 0266-3554
  • Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, Berlin: Akademie Verlag 2003, ISBN 3-05-004070-X
  • Johannes Rogalla von Bieberstein: Adelsherrschaft und Adelskultur in Deutschland. Limburg a.d.L. 1998: C.A. Starke, ISBN 3-7980-0686-5

Dänemark:

  • Danmarks Adels Aarbog, Kopenhagen 1932

Frankreich:

  • Almanach de Gotha, Gotha 1901 und 1930
  • André F. Borel d'Hauterive, Albert Révérend: Annuaire de la Noblesse de France, Bureau de la Publication, Paris Jg. 48 (1892) - Jg. 84 (1938) [Vorgänger und Nachfolger: Annuaire de la noblesse de France et des maisons souveraines de l'Europe]

Großbritannien:

  • Almanach de Gotha, Gotha 1901 und 1930
  • Burke's Peerage and Baronetage, London 1892
  • Burke's Landed Gentry, London 1870
  • David Cannadine: Die Erfindung der britischen Monarchie 1810-1994, Berlin: Wagenbach 1994, ISBN 3803151473
  • David Cannadine: The Decline and Fall of the British Aristocracy, London: Penguin 2005, ISBN 0141023139
  • Susannah Dobson: Historical Anecdotes of Heraldry and Chivalry, Holl & Brandish, Worcester 1795

Italien:

  • Enciclopedia Italiana di Szienze, Letteri et Arti, Band XXIV., Roma MDCCCCXXXVI - XIII.

Japan:

  • Hans A. Dettmer: Die Urkunden Japans von 8. bis ins 10. Jahrhundert, Harrassowitz, Wiesbaden
  • Horst Hammitzsch (Hrsg.): Japan-Handbuch, Steiner, Wiesbaden 1990, ISBN 3-515-05753-6
  • Cornelius J. Kiley: [Artikel] in: Kodansha Encyclopedia of Japan, Kodansha, Tokio 1983,

Österreich:

  • Karl F. von Frank zu Döring: Alt-Österreichisches Adels-Lexikon, Selbstverlag, Wien 1928
  • Johann G. Megerle von Mühlfeld: Österreichisches Adels-Lexikon des 18. und 19. Jahrhunderts, Mörschner & Jasper, Wien 1822-1824 (vol. 1-2)
  • Karl Megner: Zisleithanische Adels- und Ritterstandserwerber 1868-1884, Institut für österreichische Geschichtsforschung, Wien 1974 [maschinenschriftl. Hausarbeit]
  • Gudula Walterskirchen: Der verborgene Stand - Adel in Österreich heute, Amalthea Wien 1999, völlig überarb. Neuauflage 2007. ISBN 3-85002-428-8

Polen:

  • Simon Konarski: Armor* Johannes Rogalla von Bieberstein: Adelsherrschaft und Adelskultur in Deutschland. Limburg a.d.L. 1998: C.A. Starke, ISBN 3-7980-0685-5ial de la noblesse polonaise titrée, Selbstverlag, Paris 1957

Russland:

  • S. Andoljenko: Nagrudnyje znaki russkoj armii, Paris 1966
  • Bolschaja Sowjetskaja Enciklopedija, Band VII, Moskau 1972
  • Jessica Tovrov: The Russian Noble Familiy - Structure and Changes, New York 1987

Schweden:

  • Sveriges Ridderskaps och Adels Kalender, Stockholm 1933
  • Christopher von Warnstedt (Hrsg.): Ointroducerad Adels Kalender, Uppsala 1975

Siehe auch

Wiktionary: Adel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen