Das Innenohr des menschlichen Ohres besteht aus der Hörschnecke (lat. Cochlea) und dem Gleichgewichtsorgan.
Aufbau der Hörschnecke
Die Hörschnecke hat äußerlich die Form einer Schnecke. Sie besteht aus einem Knochenmaterial, das nach den Zähnen das härteste Material im menschlichen Körper darstellt.
Innen ist die Hörschnecke in drei flüssigkeitsgefüllte Gänge gegliedert. Sie heißen Scala vestibuli, Scala tympani und Scala media.
Die Basis der Hörschnecke grenzt an das Mittelohr mit den Gehörknöchelchen. Der Steigbügel berührt das so genannte ovale Fenster, hinter dem die Scala vestibuli liegt. Diese ist am Ende der Schnecke (am Apex) über das Helicotrema mit der Scala tympani verbunden. Letztere grenzt an der Basis an das runde Fenster, das frei schwingen kann. Ein Druck auf das ovale Fenster durch eine Schwingung der Gehörknöchelchen kann also durch eine Dehnung des runden Fensters ausgeglichen werden.
In der Mitte zwischen Scala vestibuli und Scala tympani liegt die Scala media. Die Scala vestibuli und die Scala tympani sind mit Perilymphe gefüllt, die sich über das Helicotrema zwischen beiden Gängen austauscht. Die Scala mediaenthält Endolymphe. Beide Flüssigkeiten unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Zusammensetzung: Die Perilymphe ähnelt dem extrazellulären Milieu, während die Endolymphe eine sehr hohe Kalium-Konzentration aufweist. Darin gleicht sie dem Zytosol.
Schwingungsverhalten der Basilarmembran
Schwingungen, die vom Steigbügel auf die Hörschnecke übertragen werden, versetzen die Lymphe hinter dem ovalen Fenster in eine Schwingung. Eine sog. Wanderwelle läuft durch den "ductus cochlearis" entlang der Basilarmembran. Eine bestimmte Frequenz erzeugt ein Auslenkungsmaximum an einer bestimmten Stelle.
Hohe Frequenzen erzeugen hierbei ein Auslenkungsmaximum am Anfang der Schnecke. Tiefe Frequenzen laufen bis zum Ende der Schnecke die Basilarmembran entlang. Die Stelle des Auslenkungsmaximums bestimmt die Tonhöhenempfindung des Schallsignals: Die Entfernung des Auslenkungsmaximums vom Ende der Basiliarmembran ist hierbei proportional zur empfundenen Tonhöhe.
Nach der Stelle des Auslenkungsmaximums wird die entsprechende Frequenz stark gedämpft. Abschnitte der Basilarmembran jenseits des Auslenkungsmaximums werden durch diese Frequenz kaum noch zu Schwingungen angeregt. Dagegen regen tiefere Frequenzen noch Basilarmembranbreiche, die vor ihrem Maximum liegen, zu Schwingungen an.
Ein Ergebnis dieses Schwingungsverhaltens ist der sogenannte Maskierungseffekt: Starke tieferfrequente Schallsignalanteile können dazu führen, dass die Hörschwelle für höherfrequente Schallsignalanteile steigt. Das heißt: kann man einen höheren Ton allein gut wahrnehmen, kann es sein, dass man ihn nicht mehrwahrnehmen kann, wenn gleichzeitig einen lauter tieferer Ton anwesend ist.
Experimente zum Maskierungseffekt kann man so ausnutzen, um das Schwingungsverhalten des Innenohres zu erforschen.
Erregung von Nervenimpulsen
Auf der Basilarmembran sind mehrere Reihen von Haarzellen, die unterschiedliche Eigenschaften haben:
- Weiter außen liegende Haarzellen dienen möglicherweise der Verstärkung einer durchlaufenden Welle,
- weiter innen liegende Haarzellen leisten die Umwandlung mechanischer Schwingungen in Nervenimpulse, die so genannte "Transduktion".
Die Haarzellen berühren oder durchstoßen über der Basilarmembran eine zweite Membran, die so genannte Tektorialmembran, die aber nur an der Innenseite der Hörschnecke befestigt ist und somit keine Teilung des Innenraumes erzeugt.
Wenn sich die Basilarmembran nun relativ zur Tektorialmembran bewegt, werden die auf ihr sitzenden Haarzellen verbogen. Die so genannten inneren Haarzellen lösen daraufhin Nervenreize aus, die vom Hörnerv ins Gehirn geleitet werden.
Die äußeren Haarzellen hingegen reagieren mit einer Längenänderung. Dafür sind sie durch ein besonderes Membranprotein, das Prestin befähigt. Das ist ein kontraktiles Protein in der Plasmamembran, das sich potentialabhängig verkürzt bzw. verlängert. Es wird angenommen, dass die Längenänderung der äußeren Haarzellen wichtig ist für die Verstärkung der Wanderwelle.
Einflüsse auf die akustische Wahrnehmung
Die Art und Weise, wie Schallsignale in Nervenimpulse umgesetzt werden, und an welcher Stelle Nervenimpulse im Innenohr entstehen, beeinflusst die akustische Wahrnehmung.
Lautstärke und Klang
So ist die Anzahl der insgesamt erzeugten Nervenimpulse ein Maß für die empfundene Lautheitstärke eines Schallsignals. Die Anzahl der abgegebenen Nervenimpulse hängt wiederum von der Stärke der Basiliarmembranschwingungen ab.
Aufgrund des Schwingungsverhaltens der Basilarmembran (siehe oben) regen Einzeltöne auch noch Nervenzellen an, die oberhalb ihrer Frequenz liegen, also zu Frequenzen gehören, die gar nicht im Schallsignal enthalten sind. Bei Schallsignalen mit flachem Frequenzgang werden keine Nervenzellen außerhalb des Frequenzgangs des Schallsignals erregt. Dies führt dazu, dass diese Einzeltöne (oder Schallsignale mit starken tonalen Anteilen) lauter empfunden werden, als breitbandige Schallsignale mit gleichem Schallpegel.
Auf der anderen Seite beeinflusst das Zeitverhalten eines Schallsignals die Anzahl der abgegebenen Nervenimpulse. Setzt (in einem Frequenzbereich) ein Schallsignal nach längerer Ruhe ein, feuern die Nervenzellen besonders stark. Bei länger andauerndem Schall sinkt die Anzahl der Nervenimpulse wieder auf einen durchschnittlichen Wert ab.
Dies führt dazu, dass Schallsignale mit plötzlichen Schalleinsätzen (z.B. Hämmern) als wesentlich lauter empfunden werden, als gleichförmige Schallsignale mit gleichem Schallpegel.
Ebenso wie die Lautstärke wird hierdurch auch der empfundene Klang beeinflusst, tonale Anteile und Schalleinsätze bestimmen so den Klangeindruck wesentlich stärker als es das physikalische Spektrum eines Schallsignals erwarten lässt.
Signalverarbeitung des Gehörs
Die Position des Auslenkungsmaximums auf der Basiliarmembran bestimmt nicht nur die empfundene Tonhöhe (siehe oben), sondern auch, welche Signalanteile vom Gehör gemeinsam ausgewertet werden.
Hierzu teilt das Gehör die Basiliarmembran in ca. 24 gleich lange Abschnitte ein, sogenannte Frequenzgruppen. Die Nervenimpulse aus einer Frequenzgruppe werden gemeinsam ausgewertet, um hieraus Lautstärke, Klang und Richtung des Schallsignals in diesem Frequenzbereich zu bestimmen.
Die Breite einer Frequenzgruppe beträgt ca. 100 Hz bei Frequenzen bis 500 Hz und eine Terz oberhalb von 500 Hz. (Dies entspricht ca. 1 Bark oder 100 Mel)
Technische Anwendung von Innenohr-Effekten
Ausgenutzt werden Innenohr-Effekte bei Verfahren wie MP3.
Hier werden, ebenso wie beim Gehör, Signalbereiche in Frequenzgruppen analysiert. Signalbereiche, die aufgrund von Maskierungseffekten (also aufgrund von Innenohrmechanik) nicht hörbar sind, werden aus dem Signal entfernt oder mit geringerer Qualität übertragen. Hierdurch sinkt die Datenmenge, ein Unterschied zum Ursprungssignal ist aber für den Menschen nicht wahrnehmbar.
Links
Siehe auch: Tinnitus
- http://www.gesundheit.de/roche/ro02500/r2700.html Abbildung Ohr und Innenohr (gibt's nicht mehr)
- http://www.tauchersprechstunde.de/Anatomie/Innenohr.htm (Gute Beschreibung, zum Teil aus Sicht des Tauchens)