Gender-Pay-Gap

Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in einer Volkswirtschaft
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. November 2004 um 01:25 Uhr durch Quasimodo (Diskussion | Beiträge) (Lohndiskriminierung am Beispiel der Schweiz). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern (in der Soziologie als Gender Wage Gap bekannt) und insbesondere die Lohndiskriminierung, die dem Grundprinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" widerspricht, waren seit den 1970er Jahren wiederholt Gegenstand öffentlicher Kontroversen in allen Industrieländern.

Im Publikum herrscht dabei eine grosse Unsicherheit bezüglich der Abgrenzung von Lohnunterschied und Lohndiskriminierung. Diese Verunsicherung wird zusätzlich verschärft durch die im politischen Diskurs von Interessengruppen falsch wiedergegebenen und teilweise durch nicht standardisierte Methoden bedingte widersprüchlichen Untersuchungsergebnissen.

Trotz allen Unklarheiten in diesem Bereich haben Aussagen über die Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen grossen Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Arbeitsmarktpolitik der Industrieländer.

Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern

Die Löhne von Männern und Frauen werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Die zwei wichtigsten sind einerseits die Arbeitsmarktseggregation, d.h. Frauen und Männer arbeiten tendenziell in verschiedenen Sektoren oder Branchen; und andererseits die geschlechtsspezifische Berufswahl der Individuen; wobei sich die beiden Faktoren gegenseitig beeinflussen.

Weitere wichtige Einflussfaktoren auf den Lohn sind auf individueller Ebene:

  • Berufswahl
  • Ausbildung, Weiterbildung
  • Berufserfahrung

und auf Seite des Arbeitsmarktes

  • Dienstalter
  • Verantwortungsspektrum
  • Arbeitszeitmodell
  • diverse Zulagen wie Kinderzulagen, Gefahrenzulagen usw.

Viele dieser Variablen korrelieren mit dem Geschlecht der Individuen, so dass Aussagen über die Kausalität von Lohnunterschieden mit Vorsicht zu betrachten sind. Erst wenn diese und andere Variablen statistisch kontrolliert werden und immer noch ein signifikanter Unterschied besteht, darf das Geschlecht als Erklärungsfaktor in Betracht gezogen und von Diskriminierung gesprochen werden.

Neben der Arbeitsmarktseggregation ist der Hauptgrund für die offensichtlichen Differenzen in den Durchschnittslöhnen zwischen Männern und Frauen in den industrialisierten Ländern die bessere Arbeitsmarktbeteiligung der Männer mit weniger Karriereunterbrüchen sowie die höheren Investitionen der Arbeitgeber in den letzten Jahren in ihr human capital, die wiederum hauptsächlich Vollzeitangestellten zugute kommen und so durch bessere Aus- und Weiterbildung als Multiplikator auf die bestehenden Differenzen wirkt.

Entwicklung der Lohnunterschiede

In vielen Industrieländern konvergiert der Gender Wage Gap seit einigen Jahren. Diese Tendenz kann beispielsweise in den USA, aber vor allem in Neuseeland und Kanada beobachtet werden. Gemäss Blau und Kahn sank die Lohndiskriminierung in den USA zwischen 1975 und 1987 von rund 50% auf 36%. In anderen Ländern, beispielsweise den skandinavischen Ländern und Australien sank der in den 1970er Jahren stark ab, um sich anschliessend auf einem relativ hohen durchschnittlichen Frauen-Männer-Stundenlohn-Ratio zu stabilisieren. In Frankreich, Belgien und Deutschland sank dieses Verhältnis langsam, aber stetig ab, ist jedoch noch weit von einer Schliessung der Lohngabel entfernt. Für die Schweiz wurde festgestellt, dass es, wenn die bisherige Entwicklung konstant bleibt, weitere 68 Jahre dauern wird, bis der 1981 in der Verfassung verankerte Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" verwirklicht ist.

Lohndiskriminierung am Beispiel der Schweiz

Studie Datensätze Lohnunterschied Bereinigter Lohnunterschied (Lohndiskriminierung)  
P. Kugler, 1988 div. 1981-1982 43% 7% (ohne Fremdarbeiter)
Brüder, Diekmann und Engelhardt, 1993 ISSP, 1987 81% 38%  
Diekmann und Engelhardt, 1995 SAKE, 1991 43% 16%  
Bonjour, 1997 SAKE, 1991-1993 26% 9-13% (Werte für 1993, je nach Branche)
Henneberger und Sousa-Poza, 1998 SAKE, 1995 29% 10-16% (je nach Branche)
Henneberger und Sousa-Poza, 1999 SAKE, 1997 24% 8-11% (je nach Branche)
Flückiger und Ramirez, 2000 SLSE, 1994-1996 30% 17%  
Sousa-Poza, 2002 SLSE, 1998 18-28% 14-19% (nur ausgewählte Branchen)

Politische Massnahmen

Da die Hauptgründe für die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in der unterschiedlichen Berufswahl sowie in der geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktseggregation liegen, und diese wiederum durch individuelle und kulturelle Faktoren bedingt sind, hatten politische Massnahmen bisher einen relativ geringen Einfluss auf die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.

Um eindeutiger Lohndiskriminierung zu begegnen, stehen den Betroffenen heute in allen OSZE-Ländern rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Noch werden diese jedoch nicht ausgeschöpft. Gründe dafür sind einerseits Unkenntnis über den eigenen Marktwert, und die Tatsache, dass Frauen bei der Selbstschätzung des Wertes ihrer eigenen Arbeit systematisch tiefer liegen, als Männer. Das heisst im Endeffekt, dass sie beim Eingehen eines Anstellungsverhältnis einen geringeren Lohn verlangen, als ein Mann in derselben Situation. Wenn sich die betroffenen Frauen einmal klar geworden sind, wagen sie es kaum, individuelle rechtliche Schritte zu unternehmen, da die Lohndiskriminierung grösstenteils selbstverschuldet ist. Bessere Aussicht auf Erfolg haben Verbandsklagen von Arbeitnehmerverbänden für die Löhne ganzer Berufsgruppen.

Die Forderungen von Frauenorganisationen sowie Berufsverbänden haben sich im Laufe der letzten Jahre in Richtung "gleicher Lohn für gleichwertige" Arbeit verlagert. Dadurch sollen die durch die geschlechtliche Arbeitsmarktseggregation bedingten Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in den nächsten Jahren weiter verringert werden.

Literatur

  • A. Sousa-Poza: The Gender Wage Gap and Occupational Segregation in Switzerland, 1991-2001, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie Vol 29, Issue 3, Seite 399ff