Der Reichsarbeitsdienst (abgekürzt RAD) war eine Organisation des nationalsozialistischen Machtapparates im Deutschen Reich der Jahre 1933-1945. Ab Juni 1935 musste dort jeder junge Mann eine sechsmonatige, dem Wehrdienst vorgelagerte Arbeitspflicht ableisten.
(weibliche Jugend)

Überblick
Der Reichsarbeitsdienst entstand aus der Reformbewegung der Freiwilligen Arbeitsdienste, die Konstantin Hierl aufgriff und ab 1931 zu einem nationalsozialistischen Arbeitsdienst umformen wollte.
Hierl lehnte die bestehenden Einrichtungen, Vereine und Initiativen des Freiwilligen Arbeitsdienstes grundsätzlich ab. Für ihn hatte ein NS-Arbeitsdienst immer Pflichtarbeitsdienst aller Jugendlichen zu sein, getreu seinem Motto des Dreiklangs aus "Schulpflicht - Arbeitsdienstpflicht - Wehrpflicht". Ein solcher Pflichtarbeitsdienst wurde von den Regierungen der Weimarer Republik aber abgelehnt. Deshalb unternahmen andere regionale und überregionale Führer der NSDAP erfolgreiche Versuche zum Aufbau nationalsozialistischer freiwilliger Arbeitsdienste, um den starken Wünschen junger NSDAP-Wähler nach Bildung regionaler NSDAP-Arbeitsdienst- Lager nachzukommen. Einer der bedeutendsten Vereine war der VzU "Verein zur Umschulung (freiwilliger Arbeitskräfte)", der in vielen Teilen Deutschlands wirksam wurde. Konstantin Hierl hatte auf die Bildung dieser Initiativen unter unterschiedlichsten Bezeichnungen in allen Teilen Deutschlands kaum oder wenig Einfluss.
Nach der Machtübernahme Hitlers wurde Hierl zum Staatssekretär und "Reichsarbeitsführer" ernannt und unterstand ab dem 31. März 1933 dem Reichsarbeitsministerium. Mit Wirkung vom 3. Juli 1934 wurde der RAD dem Reichsinnenministerium unterstellt. Ab 1935 war die Zeitschrift "Der Arbeitsmann" das offizielle Organ des RAD.
Franz Seldte, ehemaliger Führer des Stahlhelm-Verbandes wurde im ersten Kabinett Hitler Reichsarbeitsminister. Im August 1933 wurde er SA-Obergruppenführer und später Reichskommissar für den Reichsarbeitsdienst. Seldte unterlag bis 1934 endgültig den Bestrebungen Hierls nach einer Unabhängigkeit des Arbeitsdienstes vom Arbeitsministerium. Seine Unabhängigkeit fand Hierl dann im Innenministerium Fricks, der ihm freie Hand ließ.
Juristische Grundlage für die Einführung der Dienstpflicht war ein von der Reichsregierung am 26. Juni 1935 erlassenes Gesetz für den Reichsarbeitsdienst, dessen § 1 wie folgt lautete:
- "Der Reichsarbeitsdienst ist Ehrendienst am deutschen Volke. Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volke im Reichsarbeitsdienst zu dienen. Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen. Der Reichsarbeitsdienst ist zur Durchführung gemeinnütziger Arbeiten bestimmt."
Es besagte außerdem, dass alle Männer zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr eine sechsmonatige Dienstzeit abzuleisten hatten. Sie war dem zweijährigen Wehrdienst vorgelagert. Im Laufe des Zweiten Weltkrieges wurde sie ständig verkürzt und betrug zum Schluss nur noch sechs Wochen, die ausschließlich zur militärischen Ausbildung genutzt wurden.
Am 4. September 1939 wurde die Dienstpflicht auch auf die weibliche Bevölkerung ausgedehnt. Bald darauf waren ca. 100.000 "Arbeitsmaiden" (so die offizielle Bezeichnung der dienstpflichtigen Frauen) im RAD-Einsatz. Mit dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938 mussten auch die ehemaligen Österreicher zum Arbeitsdienst.
Die Ableistung der Arbeitsdienstpflicht war auch Voraussetzung für die Zulassung zum Hochschulstudium. Studienbewerber, die aus gesundheitlichen Gründen als nicht arbeitsdiensttauglich gemustert worden waren, mussten einen "Studentischen Ausgleichsdienst" ableisten, der organisatorisch bei der Reichsstudentenführung angesiedelt war.
Uniformierung
Die Dienstleistenden waren paramilitärisch eingekleidet und hatten dementsprechende Uniformen und Ärmelbänder. Als Farbe wurde ein Erdbraun für Männer und Frauen gewählt. In den Jahren vor 1934 bestand nur teilweise eine einheitliche Uniform, die erst Anfang 1934 eingeführt wurde. Die Armbinde des Reichsarbeitsdienstes musste von den männlichen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes (den Arbeitsmännern) am linken oberen Ärmel der Uniform unter dem Spaten mit der Dienststellenbezeichnung getragen werden. Es handelte sich hier um ein klassisches Hakenkreuz. Dazu geht die Legende, dass Hierl strikt gegen die Einführung des Hakenkreuzes war, Adolf Hitler ihn aber im Austausch für die relative Unabhängigkeit des RAD im Innenministerium dazu gezwungen hätte. Im Krieg wurden bei Sondereinheiten besondere Ärmelbänder verwendet, z.B. "Kriegsberichterstatter", "Streife" usw, die zusätzlich zur Armbinde getragen wurden. Daneben gab es Ärmelbänder für die Emsland-Abteilungen und die am Ostwall und am Westwall eingesetzten Abteilungen und besondere Ärmelbänder mit den Einsatznamen von Schlachten im Rußland-Feldzug, wenn RAD-Männer an direkten Kampfhandlungen an der Front beteiligt waren. Die weiblichen Angehörigen des RAD trugen offiziell keine Ärmelbänder. In einigen Gebieten Deutschlands wurden für besondere Einsätze Ärmelbänder geschaffen, die sich aber nicht einheitlich durchsetzten. Die Aufschrift des Bandes wies auf die besondere Dienststellung der verpflichteten Person hin, beispielsweise "RAD-Kriegshilfsdienst", "KHD-Straßenbahn" o. ä.
Ränge und Ranginsignien

Die Ränge der Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes waren absteigend:
Männlich | Weiblich |
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Der Untertruppführer trug die abgebildete Schulterklappe Nr. 13. Der Hauptvormann hatte die gleiche Schulterklappe mit den 2 Sternen, jedoch ohne Querstreifen. Rangmäßig unterschied sich der Untertruppführer vom Hauptvormann lediglich durch seine 10-jährige Verpflichtung als Führer beim RAD. Während der Hauptvormann nach seiner 6-monatigen Dienstzeit entlassen wurde, blieb der Untertruppführer vorerst als Ausbilder im Lager.
Flagge des "Reichsarbeitsführers"
Der "Reichsarbeitsführer" (Konstantin Hierl) führte eine eigenständige Dienstflagge. Diese entsprach im Aussehen im Wesentlichen den jeweiligen Abteilungs-Fahnen des RAD, in die vier Ecken der Fahnentuchs wurde jedoch der Partei-Adler der NSDAP hinzugefügt.

Einsatz des RAD der männlichen Jugend
Die Aufgaben des RAD waren sehr vielfältig. Sie befassten sich vor dem Krieg vor allem mit Forst- und Kultivierungs- sowie Deichbau- oder Entwässerungsaufgaben und Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Ein bedeutender Schwerpunkt war der - allerdings wenig effektive - Einsatz in den Emslandkreisen zur Urbarmachung der riesigen Moor- und Heidefläche, auf denen im Rahmen der Autarkiepolitik neue Höfe entstehen sollten. Bauarbeiten an den Reichsautobahnen gab es nur vereinzelt, z.B. im Raum Frankfurt a.M. Rodungsarbeiten für spätere Autobahnarbeiten wurden aber in einigen Gebieten Deutschlands ausgeführt. Es wurde auch an militärischen Objekten wie dem Westwall und dem Ostwall gebaut.
Im Krieg wurde der RAD immer mehr zu kriegswichtigen Bauaufgaben im Umfeld der kämpfenden Truppen herangezogen. Ab 1942 setzte man den Einberufungsjahrgang 1924 beim Ostfeldzug unmittelbar hinter der Front zum Bauen militärischer Anlagen und beim Wege- und Brückenbau ein. Dabei kam es auch zu Feindberührungen mit Menschenverlusten. In den Schlachten um Rshew verteidigten sich z.B. Arbeitmänner aus Abteilungen des Arbeitsgaus VIII Brandenburg und Schlesien X infanteristisch tagelang gegen russische Angriffe. Im Oktober 1942, nach Ablauf der sechsmonatigen RAD-Dienstpflicht, wurden die in den besetzten Gebieten der Sowjetunion eingesetzten Mannschaftsgrade der RAD-Einheiten fast vollständig in Feldausbildungsregimenter des Heeres übernommen (dort erfolgte die üblicherweise in der Heimat durchgeführte Rekrutenausbildung im besetzten Russland; damit vermied man den Rücktransport der Rekruten nach Deutschland und konnte sie gleichzeitig gegen die Partisanenverbände einsetzen). Die RAD-Führer dagegen kehrten zurück ins Reich. Ab 1943 waren keine RAD-Angehörigen mehr im Osten eingesetzt.
Ab 1943 wurden aus RAD-Abteilungen auch selbständige Flakbatterien im Westen und in der Heimat gebildet. Die Mannschaften erhielten eine vollwertige Flakausbildung bei der Luftwaffe und besetzten die Geschütze in RAD-Uniform von Holland bis Frankreich. Andere Abteilungen bauten am Mittelmeer und am Atlantik zusammen mit der Organisation Todt Strandverhaue und kleinere Bunkeranlagen. Viele Abteilungen wurden auch zu Rodungsarbeiten für verlagerte Rüstungsproduktionen im Reichsgebiet eingesetzt.
Nach der Ernennung von Heinrich Himmler zum Chef des Ersatzheeres infolge des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde dem RAD die militärische Grundausbildung (Rekrutenausbildung) übertragen, um diese Zeit bei den Ausbildungstruppenteilen der Wehrmacht einzusparen oder abzukürzen. So trat anstelle des Spatens, dem Arbeitsgerät der Arbeitsmänner, das Gewehr; im RAD wurde nun auch intensiv Schießausbildung betrieben. Diese Maßnahme hatte zur Folge, dass zuvor vom Arbeitsdienst freigestellte Wehrpflichtige nun doch zum RAD eingezogen wurden.
Gegen Kriegsende sollten auch Einheiten des männlichen RAD im Rahmen des Volkssturms eingesetzt werden. Dies verhinderte Hierl und versuchte, selbständige RAD-Kampfgruppen zu bilden. Bekannt wurden drei selbständige RAD-Infanteriedivisionen, die im Endkampf um Berlin eingesetzt wurden, aber wegen hoher Verluste im Aufstellungsraum und sehr schlechter Bewaffnung keinen Einfluss auf die Geschehnisse um Berlin nehmen konnten.
Organisationsstruktur
Der RAD der männlichen Jugend war organisatorisch in 40 Arbeitsgaue unterteilt. Der weibliche RAD organisierte sich in 34 Bezirke und Abschnitte.
Die wichtigste Einheit beim männlichen RAD war die Abteilung, die in einem geschlossenen Barackenlager untergebracht war. Theoretisch bestand eine Abteilung aus 216 Arbeitsmännern und Führern. Aus diesen Abteilungen bildeten sich die RAD-"Gruppen" mit 5 - 15 Abteilungen. Aus 4 bis 12 Gruppen wurden wiederum die Arbeitsgaue zusammengesetzt. Ein Vergleich mit militärischen Strukturen Kompanie - Bataillon - Regiment trifft in dieser Reihenfolge nur sehr oberflächlich zu.
Im Krieg wurden aus regionalen militärischen Bedürfnissen heraus Abschnitte und Bereiche gebildet, die mehrere Gruppen umfassten. Diese Organisationsstrukturen wurden entsprechend der Kriegslage aber nach Erledigung der Aufgaben wieder aufgelöst. Eine besondere Form der Führungsstruktur stellten die "Höheren RAD- Führer" (HRADF) dar. Diese hohen Führer befehligten zeitweilig mehrere Gruppen, Bereiche oder Abschnitte. So existierten in Rußland z.B. der "HRADF H V", Generalarbeitsführer Dr. Wagner, der mit 3 Abschnitten und bis zu 16 Gruppen die Heeresgruppe Mitte unterstützte. HRADF gab es auf allen Kriegsschauplätzen bis Ende 1945 und lassen sich oberflächlich mit einer Division vergleichen.
Weblinks
- Abbildung eines Arbeitsdienstpaß´ bei genealogy.net/wiki/, inkl. Erläuterungen
- Abzeichen des RAD
- Ausführlicher Artikel bei Shoa.de
- balsi.de/3Reich
- http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/arbeitsdienst/
- http://www.dhm.de/ausstellungen/lebensstationen/ns_8.htm
- Arbeitsdienst in Rumänien Der "Arbeitsdienst" auf der Ebene einer "Volksgruppe" in der Reihe »Chronologie der "Deutschen Volksgruppe in Rumänien" 1940-1944«
- arbeitsdienst.de, Homepage von Michael Jonas
- Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935
- Hansen, Michael: "Idealisten" und "gescheiterte Existenzen. Das Führerkorps des Reichsarbeitsdienstes
Literatur
- Benz, Wolfgang: Vom Freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 16 (1968) 4, 317-346.
- Drewes, Rainer, Arbeitsdienst im emsländischen Moor. Eine Vision, ihr Missbrauch und ihr Ende: Zu Jugendbüchern von Peter Martin Lampel (1932) und Heinz Ludwig Renz (1938), in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 52/2006, Sögel 2005, S. 177-193.
- Dudek, Peter, Erziehung durch Arbeit. Arbeitslagerbewegung und freiwilliger Arbeitsdienst 1920-1935. Opladen, 1988.
- Gerlich, Hubert, „Die neue Provinz des Führers“ – Der Reichsarbeitsdienst im Emsland (1935-1938), in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 53/2007, Sögel 2006, S. 98-114.
- Jonas, Michael: Zur Verherrlichung preußischer Geschichte als Element der geistigen Kriegsvorbereitung 1933-1945 in Deutschland. Organisationsspezifisch dargestellt am Erziehungssystem des Reichsarbeitsdienstes. Potsdam, 1992.
- Hamacher, Josef, Freiwilliger Arbeitsdienst und Reichsarbeitsdienst im Altkreis Meppen, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 48/2002, Sögel 2001, S. 273-306.
- Hansen, Michael: "Idealisten" und "gescheiterte Existenzen". Das Führerkorps des Reichsarbeitsdienstes. Universität Trier, 2004.
- Kleene, Heinz, Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) im Emsland, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes Bd. 48/2002, Sögel 2001, S. 307-330.
- Köhler, Henning: Arbeitsdienst in Deutschland. Pläne und Verwirklichungsformen bis zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht im Jahre 1935 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Bd. 10). Berlin, 1967.
- Kiran Klaus Patel: Soldaten der Arbeit. Arbeitsdienste in Deutschland und den USA, 1933-1945, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, 459 S. ISBN 3-525-35138-0. (Engl: Soldiers of Labor. Labor Service in Nazi Germany and New Deal America, 1933-1945, Cambridge University Press, New York 2005, ISBN 0521834163). Rezension von Nicole Kramer, 2005.
- Seifert, Manfred: Kulturarbeit im Reichsarbeitsdienst. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Kulturpflege im Kontext historisch-politischer, organisatorischer und ideologischer Einflüsse (Internationale Hochschulschriften; Bd. 196). Münster, New York 1996.
- Schwenk, Reinhold: Geistige und materielle Grundlagen der Entstehung des Führerkorps im Arbeitsdienst und seine Gleichschaltung und Neuformung nach 1933. Düsseldorf 1967.
- Erinnerungen - Erlebnisberichte
- Heinrich Lutz, Harry Bähr: Reichsarbeitsdienst (RAD) -Abteilung 6/ 280 - Leonhard Dietzenhofer 1943-1945 - Erinnerungen - Erlebnisberichte, Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 2005, ISBN 3-937135-87-1.
- Dankward Sidow: Ruki werch!. Selbstverlag , Hamburg.