Aktionsart
Die Aktionsart (auch Handlungsart, Handlungsstufe, Phasenbedeutung) eines Verbs kennzeichnet die Verlaufsweise und Abstufung des Geschehens, die durch das Verb selbst oder seine grammatische Form bezeichnet wird. [1]
Die verschiedenen Aktionsarten werden nach ihrer Bedeutung, also nach semantischen Kriterien unterschieden. Bei der Ableitung von Verben aus anderen Verben kann die Aktionsart durch bestimmte Morpheme ausgedrückt werden, damit ist Aktionsart eine Kategorie für die Wortbildung, die Derivationsmorphologie einer Sprache. Der Begriff Aktionsart wird in diesem Sinne vor allem im englischsprachigen Raum auch als „lexikalischer Aspekt“ (lexical aspect) bezeichnet. Werden Aktionsarten systematisch in grammatikalischen Kategorien in der Formbildung der Verben zusammengefasst, spricht man von Aspekt, engl. „grammatikalischer Aspekt“ (grammatical aspect). Der Aspekt drückt seinerseits unterschiedliche Aktionsarten aus.
- Durch Lexemunterschiede (z.B. sehen vs. erblicken) ausgeprägt spricht man bei den Aktionsarten auch von einer Kategorie lexikalische Aspektualität.
Die Differenzierung des Geschehens erfolgt nach dem zeitlichen Verlauf – Ablauf, Vollendung, Anfang, Übergang, Ende (entsprechende Aktionsarten: durativ, finitiv, inchoativ, egressiv, terminativ u. a.) – und nach dem inhaltlichen Verlauf – Intensität, Wiederholung, Verkleinerung (entsprechende Aktionsarten: intensiv, iterativ, deminutiv u.a.).
Zur Begriffsgeschichte
Die Begriffe Aspekt (Lehnübersetzung der Begriffe griech. Vorlage:Polytonisch (eidos, Dionysios Thrax 2. Jhdt. v. Chr.) bzw. altkirchenslawisch/russisch видь (vid, Meletij Smotrićkyj 1619)) und Aktionsart (auch Art der Handlung, Zeitart) wurden im 19. Jahrhundert für ähnliche Phänomene, teilweise sogar synonym gebraucht. Im Jahr 1908 formulierte der Slawist Sigurd Agrell erstmals eine Differenzierung der beiden Begriffe:
„Unter Aktionsart verstehe ich […] nicht die beiden Hauptkategorien des slavischen Zeitwortes, die unvollendete und die vollendete Handlungsform (das Imperfektivum und das Perfektivum) — diese nenne ich Aspekte. Mit dem Ausdrucke Aktionsart bezeichne ich bisher fast gar nicht beachtete — geschweige denn klassifizierte — Bedeutungsfunktionen der Verbalkomposita […], die genauer ausdrücken wie die Handlung vollbracht wird, die Art und Weise ihrer Ausführung markieren. [2]“
Diese Definition fand weite Verbreitung in der Slawistik; als Ersatz für die Verwendung von Aktionsart für die semantische Grundbedeutung eines Verbs schlug der Slawist Alexander Isatschenko 1962 den Begriff Verbalcharakter vor. [3] In der übrigen Linguistik wurde der Begriff Aktionsart jedoch weiterhin zur Kennzeichnung sowohl für die „semantische“ Aktionsart, die einem Verb innewohnt, als auch (besonders in der Altphilologie) für die Klassifikation der semantischen Unterschiede verschiedener Konjugationsformen. [4] Wendt [5] beispielsweise unterscheidet die durch subjektive Anschauung festgelegten Aspekte von den objektiv verlaufenden Aktionsarten und verweist z. B. auf die gelegentliche Realisierung auch des Aspekts in zwei verschiedenen Wörtern in den slawischen Sprachen.
In der neueren Linguistik verbreitete sich schließlich die Unterscheidung Aspekt als grammatikalischer Begriff der Flexionsmorphologie und Syntax vs. Aktionsart als lexikalischer Begriff der Derivationsmorphologie und zur semantischen Klassifizierung von Verben. [6] Gelegentlich wurde sogar vorgeschlagen, den Begriff Aktionsart ganz fallen zu lassen und nur zwischen der „grammatikalischen Kategorie Aspekt“, „aspektualer Klassifikation von Verben“ und „aspektualen Verben“ zu differenzieren [7]. Die Diskussion um die Verwendung des Begriffs Aktionsart ist heute noch nicht abgeschlossen.
In Abgrenzung zum Begriff Aspekt verwendet die englische Sprache neben aktionsart gelegentlich auch manner of action, der französische Begriff caractère de l'action hat sich nicht durchsetzen können.
Übersicht über die Aktionsarten
Die Fachbegriffe für die Aktionsart sind nicht immer genau von einander abgegrenzt und variieren je nach sprachwissenschaftlicher Fachrichtung. Auch die Kriterien für die Abgrenzung der Aktionsarten voneinander ist umstritten. Die folgende Übersicht orientiert sich an Metzler. [8]
- Durativ (lat. durare, „dauern“, andere Bezeichnungen Aterminativ, Kontinuativ, Kursiv) bezeichnet einen Vorgang, der andauert, also einen Zustand, Beispiel ital. ero „ich war (durativ)“ vs. fui „ich war (ingressiv)“: „ich wurde“. Gleichzeitig dient es auch als Überbegriff für Aktionsarten, die insgesamt einen Zustand beschreiben, auch wenn der Vorgang selbst mehrfach punktuell abläuft.
- Deliminativ (lat. delimitatus, „abgeschwächt“) beschreibt einen Vorgang, der eine gewisse Zeit andauert, ohne zeitliche Eingenzung, Beispiel russ. читать (tschitat) „lesen“, почитать (potschitat) „ein bisschen lesen“.
- Progressiv (lat. progredi, „voranschreiten“, auch Kontinuativ; engl. auch continous) drückt einen gerade verlaufenden Vorgang aus, oft in Relation zu einem punktuellen Ereignis, Beispiel engl. I was eating, „ich aß gerade“, „ich war am Essen“. In machen Sprachen ist der Progressiv eine Aspekt-Kategorie, siehe Verlaufsform. In romanischen Sprachen und im Deutschen ist derzeit eine fakultative aspektuelle Periphrase dabei, sich dazu zu entwickeln.
- Perdurativ (lat. perdurare, „andauern“) beschreibt einen dauernden Vorgang oder Zustand mit Abschluss, Beispiel russ. спать (spat) „schlafen“, проспать всю ночь (prospat wsju notsch) „die ganze Nacht über schlafen“, „durchschlafen“.
- Iterativ (lat. iterare, „wiederholen“, auch Frequentativ, Mutiplikativ, gelegentlich auch Habituativ oder Habituell) bezeichnet einen wiederholt auftretenden, gewohnheitsmäßigen Vorgang, Beispiel lat. vocare „nennen“, vocitare „zu nennen pflegen“.
- Punktuell fasst Aktionsarten zusammen, die einen abgeschlossenen, plötzlichen Vorgang oder den Anfangs- oder Endpunkt eines Vorgangs bezeichnen
- Momentan bezeichnet einen einmaligen, momentan ablaufenden Vorgang.
- Semelfaktiv (lat. semel, einmal; facere, machen) bezeichnet einen singulären, einmaligen Vorgang, z.B. anklopfen zu klopfen
- Ingressiv (lat. ingressum, „begonnen“, auch Initiv) bezeichnet den Beginn einer Handlung, Beispiel Beispiel ital. avevo „ich hatte (durativ)“: „ich besaß“ vs. ebbi „ich hatte (ingressiv)“: „ich bekam“.
- Inchoativ (lat. incoativum, „anfangend“, engl. inceptive) bezeichnet den allmählichen Beginn einer Handlung, Beispiel altgr. Vorlage:Polytonisch (eraō) „ich liebe“, Vorlage:Polytonisch (erasthēn) „ich verliebte mich“.
- Evolutiv (lat. evolutum, „entwickelt“) bezeichnet die Anfangssphase eines Vorgangs bzw. die Entwicklung zu dem Vorgang, dt. aufkeimen zu keimen
- Mutativ (lat mutare, (ver)ändern, auch Transformativ) kennzeichnet eine Zustandveränderung, Beispiel erkranken ~ krank werden
- Egressiv (lat. egressum, hinausgegangen, auch Effektiv) bezeichnet das Ende eines Vorgangs, Beispiel dt. verblühen zu blühen
- Resultativ (lat. resultatum, „Ergebnis“) bezeichnet das den vorgang beschließende Ende oder Ergebnis eines Vorgangs, Beispiel altgr. θνῄσκειν (thnēskein, durativ) „(im) sterben (liegen)“, τεθνηκέναι (tethnēketai, resultativ) „(gestorben und nun) tot sein“
- Finitiv (lat. finire, „enden“) bezeichnet das (auch plötzliche) Ende eines Vorgangs, Beispiel dt. verschwinden zu schwinden.
- Kompletiv (lat. completus, vervollständigt) bezeichnet das Zuendeführen eines Vorgangs, Beispiel russ. писать (pisat) „schreiben“, пописывать (popisyvat) „fertigschreiben“
- Distributiv (lat. distribuere „verteilen“) beschreibt das Ergebnis einer sich mehrfach vollzogenen Handlung, Beispiel russ. болеть (bolet) „leiden“, „krank sein“, переболеть (perebolet) „nacheinander krank sein“
- Gnomisch (griech. Vorlage:Polytonisch (gnōmē), „Meinung“, „Erkenntnis“) bezeichnet eine abgeschlossene, mehrfach vollzogene Handlung in Hinblick auf ihre allgemeingültige, sprichwörtliche Bedeutung, Beispiel: „Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen“.
- Aktionsarten, die den Grad der Intensität oder andere qualitative Funktionen ausdrücken
- Attenuativ (lat. attenuatum, „abgeschwächt“), bezeichnet eine schwächere oder harmlosere Qualität als das Grundverb: ital. cantare „singen“, canterellare „trällern“, „vor sich hin singen“
- Kausativ (lat. causa, „Ursache“) bezeichnet die Veranlassung zu einer Handlung, deutsch fällen zu 'fallen'. Er wird im Sanskrit, in den semitischen und türkischen Sprachen als Konjugationsform ausgedrückt.
- Faktitiv (lat. factio „Tun“, „Handeln“) beschreibt eine Handlung, die eine weitere Handlung bewirkt, Beispiele dt. trocknen, leeren
- Intensiv-iterativ beschreibt einen Vorgang als mühsam oder schwierig, Beispiel russ. писать (pisat) „schreiben“, выписать (vypisat) „herausschreiben“, выписывать (vypisyvat) „mühsam Buchstaben malen“
- Intensiv-semelfaktiv beschreibt einen gegenüber der Bedeutung des Grundverbs einmaligen, heftigen Vorgang, Beispiel russ. толкать (tolkat) „stoßen“, толкнуть (tolknut) „einen Stoß versetzen“, толкануть (tolkanut) „anrempeln“
- Diminutiv-iterativ (lat. diminuere, „abnehmen“, in der Germanistik auch Desidertivum) bezeichnet einen Vorgang, der sich regelmäßig und mehrfach, jedoch mit geringerer Intensität wiederholt, Beispiel dt. raten - rätseln
- Kumulativ (lat. cumulus , „Anhäufung“) bezeichnet, dass sich die Handlung auf eine Menge von Objekten bezieht, Beispiel russ. нарвать (narwat) „pflücken“, нарывать (тсветов)(naryvat tswetow) „eine Menge (Blumen) pflücken“
- Total (lat. totus, „ganz“) bezeichnet eine Aktionsart, die das ganze oder alle Objekte umfasst, Beispiel russ. писать (pisat) „schreiben“, исписывать (ispisyvat) „vollschreiben“
- Desiderativ (lat. desiderare, „ersehnen“) bezeichnet den Wunsch, dass ein Vorgang sich einstelle, z.B. lat.edere „essen“, esurire „essen wollen; hungrig sein“. Der Desiderativ des Sanskrit wird gemeinhin nicht als Aktionsart bezeichnet.
- Konativ (lat. conari, „versuchen“) hat eine ähnliche semantische Funktion wie der Desiderativ; er bezeichnet den Versuch, das Bemühen, dass etwas geschehe, z. B. lat. abibat „er versuchte wegzugehen“, „er wollte weggehen“
Erscheinungsformen der Aktionsart
Aktionsarten in der Wortbildung
Die Aktionsart kann als Bedeutung einem Verb innewohnen, das heißt, das Verb insgesamt erfüllt die Kategorie einer Aktionsart [1]; wenn die Aktionsart nicht formal sichtbar ist, geht man davon aus, dass sie lexikalisch kodiert ist. Verben, die keine spezifische Aktionsart ausdrücken, nennt man aktionsartneutral, so z. B. die verba simplicia, die Grundverben der slawischen Sprachen. Ob im Deutschen jedes Verb eine Aktionsart ausdrückt oder nur bestimmte oder nur abgeleitete, ist umstritten.[8]
Das Verb ruhen z. B. beschreibt einen Zustand (durativ), während das Verb finden ein einmaliges Ereignis (punktuell) beschreibt. Das Verb aufgehen beschreibt die Veränderung eines Zustandes (mutativ), während öffnen das Verursachen eines Vorgangs (kausativ) beschreibt. Im Deutschen gibt es Verbpaare, die unterschiedliche Aktionsarten eines Vorgangs wiedergeben:
- sterben - töten (kausativ) „veranlassen, dass jemand stirbt“
- rufen - schreien (intensiv) „sehr laut rufen“
Die Sprache hat verschiedene Formbildungs- (morphologische) Mittel entwickelt, um Verben verschiedener Aktionsarten zu bilden. Zu diesen Mitteln gehören Veränderungen des Wortstamms (stehen - stellen, „machen, dass etwas steht“), das Verändern des Stammvokals (Ablaut, fallen - fällen, „bewirken, dass etwas fällt“) das Einfügen (Infigieren) bestimmter Laute oder Silben in das Wort (husten - hüsteln, „immer wieder ein bisschen husten“) oder das Anfügen von Silben oder anderen Wörtern, wobei letzteres als Komposition bezeichnet wird (laufen - loslaufen, „zu laufen beginnen“ - weiterlaufen, „das Laufen fortsetzen“). Die slawischen Sprachen haben ein komplexes System entwickelt, Aktionsarten durch morphologische Ableitungen (Derivationen) auszudrücken, so sind die slawischen Klassifikationen der Aktionsarten äußerst differenziert.
Im Hebräischen werden durch Ableitung sieben Verbstämme (binjanim) von einem meist dreikonsonantigen Grundstamm abgeleitet, mit ihnen wird unter anderem das Genus Verbi, aber auch Aktionsarten wie Intensiv oder Kausativ ausgedrückt (לקפוץ likpotz „springen“, להקפיץ lehakpitz „springen lassen“, „zum Springen bringen“).
Aktionsarten in Konjugation und Syntax
Aktionsarten lassen sich jedoch auch ausdrücken, indem ein Verb verschiedene Formen ausbildet (Flexion) oder durch weitere Wörter näher bestimmt wird. So kann die Perfektform dixi („ich habe gesprochen“) von lateinisch dicere („sprechen“) bedeuten, dass der Sprecher alles Nötige gesagt hat und nichts mehr hinzufügen will, es drückt sich also in der Tempusform Perfekt eine resultative Aktionsart aus. Auch das alt- und neugriechische Verbalsystem drückt in den Tempora unterschiedliche Aktionsarten aus.
Aktionsarten als eigene Kategorien für die Konjugation finden sich in vielen Sprachen, so zum Beispiel im Sanskrit oder im Türkischen. Beispiele:
- Türkisch beklemek warten - bekletmek warten lassen (kausativ)
- Sanskrit rauti „er schreit“ - rorūyate „er schreit wiederholt“ (frequentativ) oder „er schreit sehr heftig“ (intensiv)
Wird die Aktionsart nicht durch Formen eines einzigen Wortes ausgedrückt, spricht man von periphrastischer (griech. περίφρασις periphrasis Umschreibung) oder analytischer Bildung. So umschreibt beispielsweise der deutsche Ausdruck ich war am Lesen die progressive Aktionsart oder die Periphrase commencer à + Infinitiv im Französischen die inchoative Aktionsart. Von besonderer Bedeutung ist diese Bildungsart bei Sprachen des analytischen und isolierenden Typs, die über keine eigentliche Flexion verfügen. Das Chinesische beispielsweise verwendet eigene Wörter, die ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben und nun die Aktionsart hinter dem Verb-Begriff markieren.
Schließlich kann die Aktionsart auch durch nähere, adverbiale Bestimmung des Verbs ausgedrückt werden, wie in dem Ausdruck 'Plötzlich' sah ich ihn (siehe auch Tabelle zu den Aktionsarten im Deutschen).
Aktionsarten in verschiedenen Sprachen
Indogermanische Sprachen
Indische Sprachen
In indischen Grammatiken werden die aktionsartspezifizierten Verben unter der sog. abgeleiteten Konjugation behandelt, wobei dazu die desiderative, die intensive, aber auch die denominative Konjugation gehört.
Sanskrit
Das Sanskrit drückt einige Aktionsarten über die Tempusformen, einige auch als eigenständige Kategorie in der Konjugation aus:
- Der Kausativ wird durch das Suffix -aya markiert: karoti „er macht“ - kar-aya-ti „er lässt machen“
- Der Desiderativ, der einen Wunsch zu einer Handlung ausdrückt, wird aus der Reduplikation des Stammanlauts plus Suffix -sa gebildet: ci-kir-sa-ti „er wünscht zu machen“. Der Ausdruck des Wunsches wird jedoch nicht als Aktionsart betrachtet. Er manifestiert sich in vielen Sprachen im grammatischen Modus (Konjunktiv, Optativ).
- Intensiv bzw. Iterativ (in Sanskrit-Grammatiken ist Frequentativ die üblichere Bez.) fallen im Sanskrit - wie auch im Lateinischen häufig der Fall - zusammen. Bei den verba movendi vergibt er eine Aktionsartspezifizierung der Bedeutung 'hin und her', z.B. bhramati „er schweift umher“ bam-bram-ya-ti „er schweift kreuz und quer umher“. Kennzeichnend ist das Suffix -ya, das an den reduplizierten Wortstamm angefügt wird.
- Die grammatischen Kategorien lassen sich auch kombinieren: ci-kar-ayi-sa-ti (kausativ-desiderativ) „er wünscht, machen zu lassen“
Pāli
Im mittelindischen und relativ archaischen Pāli, wo die aspektuale Unterscheidung zwischen Aorist, Imperfekt und Perfekt verloren gegangen ist und somit auch eine aktionale zwischen inchoativ, durativ, resultativ etc., ist auch das Derivationssystem aktionsartspezifizierter Verben nicht mehr so intakt wie etwa im Sanskrit:
- Die Desiderativformen sind Reduplikationsbildungen mit dem (gegebenenfalls assilmilierten) Suffix -sa, unterliegen also exakt dem gleichen Ableitungsmuster wie im Sanskrit: sussuSAti 'er wünscht zu hören'.
Nun der 1. Konjugation zugehörig, sind sie im Pāli nicht mehr produktiv.
- Die Intensiva beschränken sich ebenfalls auf eine kleine Gruppe. Auch sie sind durch Reduplikation gekennzeichnet. Wie im Sanskrit oder oft im Latein, ist die intensive von der frequentativen Aktionsart morphologisch nicht geschieden.
- Zur Kausativbildung gibt es im Pāli die Methode, ein Verb in die 7. Konjugation zu überführen, wobei ein -a- zu -ā- werden kann. Aus bhavati 'er/sie/es ist' wird schließlich:
- bhāvēti 'er/sie/es lässt entstehen'
- bhāvēnti 'sie lassen entstehen'
- bhāvēsi 'du lässt entstehen' usw.
Auch Kausativsuffixe sind -(ā)pe und -paya. Alle Ableitungsweisen lassen sich anwenden, so dass man aus karoti 'er/sie/es macht'
- kārēti
- kārayati
- kārāpeti
- kārāpayati
gewinnen kann, wobei alles 'er/sie/es lässt entstehen' heißt. Bei einer Kombination der Kausativendungen spricht man von einem doppelten Kausativ oder von einem Kausativ II.
Per se können auch die neu entstandenen Kausativa konjugiert werden; so ist ṭhapesi ein aoristischer Kausativ ('er/sie/es ließ errichten'), kārento ein Kausativ- Präsenspartizip( 'machen lassend') und āmantāpetvā eine Absolutivform eines Kausativums( 'angeredet gelassen habend').
Viele Verben der 7. Konjugation sind als Kausativa verblasst (dhāreti 'er/sie/es trägt' oder nivāseti 'er/sie/es kleidet sich an'). Einige Kausativbildungen sind idiomatisiert, so wie āropeti 'er/sie/es zeigt'( wörtlich: 'er/sie/es lässt hochkommen').
Griechisch
Das Altgriechische gehört zu den Sprachen, in denen Aktionsarten auch in grammatikalisch realisierten Aspekt-Kategorien ausgedrückt werden (wie vermutlich auch das Ur-Indogermanische). Zwei dieser Aspekte kommen in einer Gegenwarts- und einer Vergangenheitsform vor, der aoristische Aspekt existiert im Indikativ nur als Vergangenheitsform. Das Futur des Altgriechischen ist eine reine Zeitstufe und drückt keine spezifische Aktionsart und keinen Aspekt aus.
Die folgende Tabelle gibt eine grobe Zuordnung von grammatischem Aspekt zu Aktionsarten wieder:
Aspekt | imperfektiv / paratatisch | perfektiv / aoristisch | perfektisch / resultativ |
---|---|---|---|
Aktionsarten | durativ frequentativ / iterativ habituativ konativ |
punktuell egressiv / effektiv inchoativ / ingressiv gnomisch |
resultativ |
Tempora | Präsens, Imperfekt | Aorist | Perfekt, Plusquamperfekt |
Die Neugriechische Sprache hat das Aspektsystem des Altgriechischen systematisiert und auf alle Zeitstufen (bis auf die Gegenwart) ausgeweitet. Die morphologisch-flektive Aspektdifferenzierung ist weiterhin ein sprachlich produktives Mittel zur Unterscheidung und Ausdruck von Aktionsarten. So drückt beispielsweise die Verbform „κοιμήθηκε“ (kimíthike) mit dem Aorist eine inchoative oder ingressive Aktionsart aus und muss ins Deutsche mit „er schlief ein“ übersetzt werden. Das durative „er schlief“ wird im Neugriechischen mit „κοιμόταν“ (kimótan) im imperfektiven Aspekt (s.a. Paratatikos) ausgedrückt. Das Verb schlafen selbst steht semantisch in beiden Sprachen für eine dauerhafte Handlung. Um eine andere als die ihm innewohnende Aktionsart auszudrücken, wird das Verb im Deutschen also derivationsmorphologisch verändert, im Griechischen dagegen in einen anderen grammatischen Aspekt gesetzt.
Slawische Sprachen
Bereits im Altkirchenslawischen, der ältesten schriftlich dokumentierten slawischen Sprachform, wurden aktionsartspezifizierte Derivate gebildet. So unterscheidet man bei den Verben der Bewegung morphologisch eine terminative und eine aterminative Aktionsart (iti, chod-iti „gehen“, nesti, nos-i-ti „tragen“) Das Aterminativum hatte iterative oder kausative Bedeutung. Man spricht bei letzterer Form auch von indeterminiert, bei der terminativen auch von determiniert. [9] Auf der morphologischen Basis dieser altslawischen Aktionsarten bildete sich das auch binäre Aspektsystem der modernen slawischen Sprachen aus. [10]
In den modernen slawischen Sprachen werden Aktionsarten durch eine Fülle von Affixen ausgedrückt, die in vielfacher Weise dem Begriff des Ausgangsverbs eine zusätzliche Bedeutung verleihen können, wobei die ursprüngliche Bedeutung des Ausgangsverbs jedoch erhalten bleibt.[11].
Sie werden morphologisch durch Präfixe, Infixe und Suffixe, Laut- und Akzentwechsel realisiert, wobei durch dasselbe Bildungsschema auch unterschiedliche Aktionsarten ausgedrückt werden können (Beispiele aus dem Russischen):
- Präfix + Lautwechsel: идти idti „gehen“ - по-йти pojti „losgehen“
- Infix + Lautwechsel: прыгать prygat „springen“ - прыг-ну-ть prygnut „einmal springen“
- Präfix + Infix: пить pit „trinken“ - по-пи-ва-ть popiwat „von Zeit zu Zeit ein Schlückchen trinken“
- Präfix + Suffix: болтать boltat „schwatzen“ - раз-болтать-ся rasboltatsja „ins Schwatzen kommen“
Meist wechselt zwischen Grundverb und Derivat auch der grammatikalische Aspekt, das heißt aus dem imperfektiven Verb „gehen“ wird das perfektive „losgehen“.
Beispiel für Aktionsarten, die sich im polnischen Präfix po- ausdrücken:
- inchoativ: kochać „lieben“ - pokochać „liebgewinnen“, „sich verlieben“
- ingressiv: pojechać „fahren“ - pojechać „losfahren“
- distributiv: wiązać „binden“ - powiązać „(viele, alle) zusammenbinden“
- delimitativ: czytać „lesen“ - poczytać „ein bisschen lesen“
- resultativ: grzebać „graben“ - pogrzebać „begraben“
Das Präfix po- kennzeichnet bei einigen Verben jedoch auch schlicht den perfektiven Aspekt, z. B. błogosławić „segnen“ (imp.) - pobłogosławić „segnen“ (perf.), es wird hier also „rein aspektuell“ eingesetzt. In diesem Fall spricht die Slawistik nicht von Aktionsart. Auch in der Slawistik gibt es Tendenzen, auf den Begriff Aktionsart zu verzichten und beispielsweise von „Funktion des Derivats“ zu sprechen. [12]
Latein
- Die lateinische Sprache drückt - wie die altgriechische - Aktionsarten in den Verbalformen für die Tempora aus, das Imperfekt z.B. bez. i.a. eine durative Aktionsart, das Perfekt i.a. eine resultative und eine ingressive etc.[13] (wobei die semantischen Funktionen des griechischen Aorists und Perfekts im lateinischen Perfekt zusammenfallen):
Tempus | Modus | Durativ | Frequentativ | Habituativ | Konativ | Form |
---|---|---|---|---|---|---|
Präsens | Indikativ | ist am Fragen (Präs. durativ) | fragt oft (Präs. frequentativ) | fragt gewöhnlich (Präs. habituativ) | versucht zu fragen (Präs. konativ) | „rogat“ |
Präteritum | Indikativ | war am Fragen (Imperf. durativ) | fragte oft (Imperf. frequentativ) | fragte gewöhnlich (Imperf. habituativ) | versuchte zu fragen (Imperf. konativ, Imperf. de conatu) | „rogabat“ |
Futur | Indikativ | wird am Fragen sein (Fut. durativ) | wird oft fragen (Fut. frequentativ) | wird gewöhnlich fragen (Fut. habituativ) | wird versuchen zu fragen (Fut. konativ) | „rogabit“ |
- Sie hat aber ähnlich wie die slawischen Sprachen auch ein vielfältiges System der Verbableitung zum Ausdruck der Aktionsarten ausgebildet:
- -sc bezeichnet die inchoative Aktionsart, wobei das Derivat dann stets der dritten (konsonantischen) Konjugation angehört: amare „lieben“ - amascere „sich verlieben“
- Mit der Stammform des Partizip Perfekt Passiv oder auch mit dieser und dem Infix -it werden die frequentative, habituative oder intensive Aktionsart gebildet, wobei das Derivat dann stets der a-Konjugation angehört: legere „lesen“ - lectitare „oft lesen“; vocare „nennen“ - vocitare „zu nennen pflegen“; incipere „beginnen“ - inceptare „eifrig beginnen“. Da die drei Aktionsarten keine je verschiedene morphologische Charakterisierung haben, sind die Ableitungen oft zweideutig interpretierbar : vertere „drehen“ - versare „heftig/schnell“ oder „oft drehen“
- Die desiderative Aktionsart wird gebildet mit der Stammform des Partizip Perfekt Passiv und dem Suffix -ur, wobei das Derivat dann stets der i-Konjugation angehört, z.B.scribere „schreiben“ vs. scripturire „schreiben wollen“
- Die diminutive Aktionsart wird mit den Suffixen -ic und -ill (vgl. pars „Teil“ , particula „Teilchen“) gebildet, die auch zur Verbableitung aus Substantiven und Adjektiven dienen; das Derivat gehört dann stets der a-Konjugation an: cantare „singen“ - cantillare „trällern“
- Resultativa unterliegen keinem verbindlichen Ableitungsmuster, sie werden gekennzeichnet durch Lautreduktion (occumbere „sterben“ - occubare „tot daliegen“), Vokaldehnung oder Ablaut, häufig mit Wechsel der Konjugationsklasse (sīdere „sich niederlassen“ - sedēre „sitzen“)
- Kausativa sind wie die Resultativa derivationsmorphologisch uneinheitlich, sie werden ähnlich gebildet: sedēre „sitzen“ - sēdāre „zum Sitzen bringen“
Romanische Sprachen
Mit der Entwicklung der romanischen Sprachen nahm die Tendenz zu, Aktionsarten syntaktisch auszudrücken. Dennoch finden sich neben den Weiterentwicklungen lateinischer Derivate auch nachlateinische morphologische Ableitungen von Grundverben, so beispielsweise im Französischen (-et, frequentativ-diminutiv: craquer „krachen“, „knacken“ - craqu-et-er „knistern“; -el, kausativ craqu-el-er „rissig machen“, „beschädigen“, -ot, frenquentativ-iterativ: siffler „pfeifen“ siffl-ot-er „vor sich hin pfeifen“) oder im Italienischen (-icchi, -acchi, meist mit attenuativer (abschwächender) Bedeutung: dormire „schlafen“ - dormicchiare „schlummern“, bruciare „brennen“ - bruciacchiare „anbrennen“). Die romanischen Sprachen haben das Aspektsystem des Lateinischen weitgehend übernommen, so dass auch durch unterschiedliche Tempora Aktionsarten ausgedrückt werden können: ital. avevo „ich hatte (durativ)“: „ich besaß“; ebbi „ich hatte (ingressiv)“: „ich bekam“.
Deutsch
In der Germanistik herrscht viel Unklarheit oder Verwirrung, was Aktionsarten betrifft. Oft ist auch gar nicht der Unterschied zum Aspekt bekannt, sodass erstens Aspekt und Aktionsart zu Synonymen werden und zweitens viele terminologisch unzulässige Vermischungen entstehen, indem man z.B. Perfektiv/Imperfektiv als die Hauptkategorien der Aktionsarten ansetzt. Besser, aber immer noch nicht zulässig (weil diese Einteilung auf Verträglichkeit mit Daueradverbialien basiert und dadurch syntaktisch begründet wird), ist es, durativ und nicht-durativ als aktionale Hauptkategorien anzusetzen.
Letztlich verletzen diese Theorien die Bedeutung des Terminus. Die Aktionsarten, die sich im slawistischen Sinne im Deutschen belegen lassen, d.h., streng auf den Zusammenhang aktionsartneutrales Grundverb, Bedeutung X → morphologische Änderungen → aktionsartspezifiziertes abgeleitetes Verb, veränderte Bedeutung X (man spricht in der Germanistik auch von 'Aktionsarten im engeren Sinne') gerichtet sind, sind die diminutiv-iterative (z.B. lachen→lächeln), die intensiv-iterative(z.B. klappen→klappern) und - etwas verblasst aufgrund einigen Bedeutungsmodifikationen - die kausative (z.B. fallen→fällen; aber : *ich fälle die Tasse) Aktionsart [8]. Allerdings sind Kausativa nicht immer morphologisch markiert (so wird das aktionsartneutrale Grundverb 'hängen' im Präteritum stark konjugiert („Das Bild hing an der Wand“), das aktionsartspezifizierte Kausativum dagegen schwach („Er hängte das Bild an die Wand„)), was deren tatsächliche Zugehörigkeit zu den aktionalen Verben in Frage stellen kann.
Eine in der Germanistik verbreitete Einteilung sieht so aus (Die Kategorien sind teils morphologisch-derivationell, teils rein semantisch und teils auch syntaktisch begründet):
- Die aktionalen Hauptkategorien. Hier tauchen oft die Begriffe durativ/nicht-durativ auf, d.h. eine Kategorie ist negativ bestimmt. Anstatt 'durativ' erscheinen auch die Ausdrücke aterminativ, kontinuativ, kursiv, immutativ, unvollendet, atelisch, am häufigsten imperfektiv. Für 'nicht-durativ' hat die Germanistik auch die Ausdrücke terminativ, mutativ, vollendet, telisch, am häufigsten perfektiv parat.
Die Abgrenzungskriterien sind oft die Folgenden:
- Durative Verben bez. etwas Unvollendetes, Unabgeschlossen, Dauerhaftes, nicht-durative Verben dagegen sind der Bedeutung her durch zeitliche Begrenztheit und Zielgerichtetheit gekennzeichnet
- Durative Verben vertragen sich mit Daueradverbialien wie 'eine Stunde lang', nicht-durative dagegen nicht, sondern eher mit Temporaladverbialien wie in einer Stunde: „Sie suchte den Schlüssel eine Stunde lang“, aber: *„Sie fand den Schlüssel eine Stunde lang“; eher „sie fand den Schlüssel in einer Stunde“
- Nicht-durative Verben bilden beide Passivformen („Der Schlüssel wird/ist gefunden“), durative dagegen nur ein werden-Passiv („Der Schlüssel wird gesucht“; aber *„Der Schlüssel ist gesucht“)
- Nicht-durative Verben neigen eher zum sog. futurischen Präsens als durative
- Durative Verben bilden ihre Perfektformen niemals mit sein (außer sein und bleiben)
Gruppierungen
Zu der folgenden Klassifikation vgl. insbesondere. [14]
Subkategorien der durativen Aktionsarten
Die Unterkategorien der durativen Aktionsarten sind:
- Die iterative (auch: frequentative, seltener multiplikative, repetitve und auch habituelle/habituative) Aktionsart, die bez., dass etwas wiederholt, mehrmals (regelmäßig, gewöhnlich) geschieht, z.B. sticheln ~ 'öfter stechen'
- Die intensive Aktionsart. Sie bez. ein Geschehen, das durch hohe (erhöhte) Intensität gekennzeichnet ist, z.B. schnitzen ~ 'stark schneiden'
- Die deminutive/diminutive (auch genannt: attenuative, debilitative) Aktionsart. Sie markiert Geschehen geringerer (verringerter) Intensität, z.B. tänzeln ~ 'ein bisschen tanzen' (mit pejorativer Nebenbedeutung)
- Die intransformative [1] (auch: immutative) Aktionsart. Verben dieses Typs bez., dass sich am gegebenen Zustand ausdrücklich nichts ändert, z.B. behalten ~ 'nicht mehr weggeben'
- Die semelfaktive Aktionsart. So beschaffene Verben bez. individuelle, einzigartige Vorgänge/Handlungen, z.B. in „ein Verbrechen begehen“.
Subkategorien der nicht-durativen Verben
Die Unterkategorien der nicht-durativen Aktionsarten sind:
- Die inchoative (Synonyme: ingressive, inzeptive, initive) Aktionsart. Sie deutet auf einem Anfang, einen (allmählichen) Beginn, den Austritt aus einem alten Zustand und den Eintritt in einen neuen Zustand. Gelegentlich werden die Termini 'inchoativ/inzeptiv' und 'ingressiv/initiv' differenziert, indem man erstere als Aktionsart des allmählichen Beginns und letztere als Aktionsart des plötzlichen Beginns festlegt (einschlafen vs. aufspritzen).
- Die resultative (andere Fachausdrücke: konklusiv (etwas veraltet), effektiv, egressiv sowie terminativ, perfektiv, telisch, finitiv, delimitativ) Aktionart. Resultative Verben bez. den Austritt aus einen Zustand (aber nicht den Eintritt in einen neuen!) zuzüglich Verlauf und sollen daran zu erkennen sein, dass ihre „imperfektive Variante nicht die perfektive impliziert“ (Lexikon der Sprachwissenschaft, Eintrag 'resultativ'), z.B. „Das Haus ist am Verbrennen“ impliziert nicht, dass das Haus am Ende vollkommen verbrannt sein wird. Seltener findet sich hierbei eine Unterscheidung nach 'allmählich' und 'plötzlich' (verbrennen vs. finden = 'nicht mehr im Zustand des Suchens sein'), wobei man ersteres als konklusiv (resultativ), letzteres als egressiv benennt.
'Resultativ' und 'inchoativ' werden ab und an zu transformativ oder mutativ zusammengefasst, es kommt aber auch vor, dass 'transformativ' als eigene Aktionsart für Verben wie rosten angesetzt wird und dann parallel zu 'perfektiv, mutativ' und/oder 'resultativ' verwendet wird.
- Auch üblich in deutschen Grammatiken ist es,Aktionsarten des plötzlichen Zustandswechsels als punktuell oder momentan zusammenzufassen. Entsprechende Verben bilden mit Daueradverbialien nur ungrammatische Sätze: *„sie stöhnt eine Stunde lang auf“ /*„er findet die Lösung eine Stunde lang“? Das liegt daran, dass solche Verben einen schnellen Situationswechsel bezeichnen.
Das sind die meistgenannten Kategorien. Aktionsarten wie die komitative, die konative, die distributive und viele andere werden in deutschen Grammatiken nicht erwähnt, woraus zu schließen ist, dass slawistische Aktionsarteneinteilungen wesentlich präziser und differenzierter sind.
Nun zu den Mitteln, wie sich die einzelnen Aktionsarten im Deutschen ausdrücken lassen. Ausgegangen wird von derivationsmorphologischen, analytischen und syntaktischen Mitteln. Unter der ersten Einordnung fallen Affixbildungen/Komposita, unter der zweiten Verbalkomplexe mit Hilfsverb + einer der drei Infinitivtypen (reiner, zu-Infinitiv, substantivierter Infinitiv) und unter der dritten Adverbien-Zusätze u.a.
DERIVATIONSMORPHOLOGISCH | ANALYTISCH | SYNTAKTISCH | |
---|---|---|---|
DURATIVE AKTIONSART | fraglich: an- in andauern | sein + am/in/beim + Infinitiv, dabei sein + zu-Infinitiv | Wahl eines Präpositionalobjekts statt Akkusativobjekt ( an einem /einen Roman schreiben) Adverbien wie ununterbrochen, pausenlos u.a. |
Iterative Aktionsart | Suffix -ln und evtl. Vokalwechsel (tropfen → tröpfeln) | Fügungen mit Verb+Verb (z.B. „er rannte und rannte“), Adverbien wie mehrmals, oft u.a. | |
Intensive Aktionsart | expressive Konsonantenschärfung (hören → horchen) | Adverbien wie stark, heftig, sehr | |
Deminutive Aktionsart | Suffix -ln, evtl. Vokalwechsel | - | Fügungen wie ein wenig, ein bisschen |
Intransformative Aktionsart | Verbpartikel weiter- | bleiben + am + Infinitiv, bleiben + Infinitiv (auch als Absentivkonstruktion bez.) | Fügungen wie immer noch, weiterhin u.a. |
Semelfaktive Aktionsart | Nur am Satze selber erkennbar („er sieht eine Katze“ vs. „er sieht seine Katze gerne“) | ||
NICHT-DURATIVE AKTIONSART | |||
Inchoative Aktionsart | Präfixe wie ent-, er- (entflammen) Verbpartikeln wie los-(loslaufen) | anfangen/beginnen + zu-Infinitiv (auch Phasenverbkonstruktion genannt) | Fügungen wie allmählich, nach und nach u.a. |
Resultative Aktionsart | Präfixe wie ver- (verblühen) | aufhören + zu-Infinitiv (auch Phasenverbkonstruktion genannt) | Fügungen wie nicht mehru. a. |
Der Ausdruck der anderen unter 'nicht-durativ' aufgeführten Aktionsarten ist auf Adverbien angewiesen.
Aus dieser Tabelle ist zu folgern: 'Aktionsarten im weiteren Sinne', so, wie sie in der Germanistik behandelt wird, ist sehr heterogen und führt zu Widersprüchen (er- in erblühen erzeugt eine inchoative Bedeutung, in erhellen eine kausative, in ergehen eine schwer definierbare, bedeutungskonstituierende etc.). Aktionale Verben sind im engeren Sinne VERBEN und nicht Verbformen, weshalb analytische Konstruktionen in eine andere Kategorie gehören, z.B. wird die Periphrase sein + am- Infinitiv nur als progressiver Aspekt, nicht als Realisierung der durativen Aktionsart diskutiert [8].
Englisch
Wie im Deutschen ist auch im Englischen die Derivation von aktionsartspezifizierten Verben unproduktiv. Drei Suffixe sind noch zur Markierung der Aktionsarten vorhanden:
- -le dient zur Ableitung von deverbalen Frequentativa ( drip 'tropfen' → dribble 'tropfen')
- -er fungiert zur Derivation von (deadjektivischen) Inchoativa (soft 'leise' → soften 'leise werden') sowie von deadjektivischen Kausativa (straight 'gerade' → straighten 'gerade machen')
- Wo im Gotischen noch an der zweiten Averbostelle ein -jan- Suffix (drinkan → drank- → drankjan ) angefügt wurde und im Deutschen die Präteritalform umgelautet wird (trinken → trank → tränken), sind die Kausativformen im Englischen mit den simple-past-Formen des jeweiligen aktionsartneutralen Verbs identisch (drink → drank 'er/sie/es trank' oder 'er/sie/es tränkt ')
Nicht Indogermanische Sprachen
Chinesisch
Die allgemein als isolierend eingestuften chinesischen Sprachen verändern Verben zwar nicht im Sinne der Flexion, aber es gibt „Wörter“ (oder Silben), die für sich keine Begriffe ausdrücken, also nicht als eigenständige Lexeme gewertet werden können, aber als Morpheme einem Wort, das die Grundbedeutung trägt, folgen und so unterschiedliche grammatische Kategorien ausdrücken.
Die chinesischen Sprachen haben keine Morpheme zum Ausdruck von Zeitstufen, aber zahlreiche zum Ausdruck der Aktionsarten, wobei im Chinesischen auch Substantive und Adjektive als Verben eingesetzt werden und dann ebenfalls mit diesen Morphemen versehen werden können. Die Einordnung als Derivations- und Flexionsmorpheme ist indes kaum möglich, da beide Begriffe dem chinesischen Sprachbau nicht gerecht werden.
Beispiele aus dem Hochchinesischen:
Morphem | Aktionsart | Beispielsatz | Transkription | Übersetzung |
---|---|---|---|---|
le | perfektiv-resultativ | 我當了兵。 | wǒ dāng le bīng | „ich bin Soldat geworden (und bin es noch)“ |
guo | „Erfahrungs“-perfektiv | 我當了兵。 | wǒ dāng guo bīng | „ich war (schon) einmal Soldat“ |
zhèngzài/zài | dynamisch-imperfektiv (progressiv) |
我正在掛畫。 | wǒ zhèng zài guà huà | „ich hänge gerade Bilder auf“ |
zhe | statisch-imperfektiv (durativ) |
牆上掛著一幅畫。 | qiáng shàng guà zhe yī fú huà | „ein Bild hing an der Wand“ |
Die delimitative Aktionsart wird durch Reduplikation des Verbs ausgedrückt: 走 zǒu „gehen“, 走走 zǒu zǒu „ein bisschen spazierengehen“.
Japanisch
Das Verbsystem der japanischen Sprache trennt sehr deutlich zwischen transitiven und intransitiven Verben, die in Paaren auftreten und morphologisch (synthetisch) voneinander abgeleitet sind. Semantisch drücken diese Paare vorwiegend eine kausative/antikausative Bedeutung aus. Die Verlaufsform drückt bei intransitiven Verben eine durative, bei transitiven eine progressive Aktionsart aus.
Hebräisch
Zum Ausdruck verschiedener Aktionsarten kennt das zur afroasiatischen Sprachgruppe gehörende Hebräische ein System von Modifikationen des Verbalstammes. Man spricht von Konjugationsstämmen, hebräischer Terminus: binjanim. Die unveränderte Reihe bezeichnet man als "Grundstamm" (G-Stamm), hebräisch qal. Zu ihr existiert eine Passivreihe, von der sich im Biblischen Hebräisch aber nur Reste erhalten haben. Einziges Überbleibsel ist das Partizip Passiv. Daneben gibt es den N-Stamm, hebräisch nif'al. Er erfüllt zumeist die Funktion eines Reflexivs oder Passivs zum Grundstamm, hat aber gelegentlich auch aktive Bedeutung; das entspricht etwa einem Medialformans.
Zum Ausdruck des Veranlassens werden die sog. Kausativ-Stämme (K-Stämme), hebräisch hif'il bzw. hof'al (passiv) benutzt. Sie werden im Perfekt durch Vorsetzen der Silbe hi bzw. ho gebildet. Oft empfiehlt sich eine Hilfsübersetzung mit der Bedeutung im Grundstamm + lassen. Beispiel: G-Stamm 'kommen', K-Stamm 'kommen lassen' = bringen.
Eine dritte Gruppe bilden die Intensiv- bzw. Reduplikations(Doppelungs)stämme (D-Stämme). Ihr Charakteristikum ist die Verdoppelung des mittleren Wurzelkonsonanten. Zum sog. pi'el existiert als Passiv das pu'al und als Reflexiv das hitpa'el. Die Bedeutung wurde in älteren Theorien in der Intensivierung des im Grundstamm ausgedrückten gesehen. Diese Ansicht lässt sich aber kaum halten.
Bantu
Auch in den Bantusprachen lässt die Verbmorphologie Aktionsartformen bilden:
- Kausative werden durch Anfügen des Suffixes -sha am Stamm gebildet. Beispiel:
- ku-telem-ka „hinuntergehen“ > ku-telem-sha „erniedrigen“.
Mongolische Sprachen
In den agglutinativ-flektiven mongolischen Sprachen lässt sich durch eine Periphrase eine iterative oder durative Aktionsart durch das Verbalnomen auf /-dag/ ausgedrücken:
- ter Ulaanbaatart amidar-dag " er lebt (ständig) in Ulaanbaator"
Sprachhistorisches zu Aktionsarten
- Die morphologische Opposition zwischen a- und i-Stämmen in späteren slawischen Sprachen wie in russischen Aspektpaaren ocmaвumь/ocmaвляmь, „(da-)lassen“ geht auf eine Opposition zwischen i-Kaustativ- und a-Iterativstämmen zurück.
- Die inchoativen Verben des Lateinischen mit dem Suffix -sc gehen wohl auf Iterativa des Proto-Indogermanischen zurück.
- Das Tempussystem der westkaukasischen Sprachen geht wohl auf ursprünglich aktionale Differenzierungen zurück
Quellen
- ↑ a b c Duden: Die Grammatik, 7. Aufl., Mannheim 2005, ISBN 3411040475
- ↑ Sigurd Agrell: Aspektänderung und Aktionartbildung beim polnischen Zeitworte, Lund 1908, zitiert nach [1]
- ↑ Alexander Isatschenko: Die russische Sprache der Gegenwart, Halle (Saale) 1962
- ↑ Bayer-Lindauer:Lateinische Grammatik, 1974 ISBN 3-87488-635-2
- ↑ Heinz F. Wendt: Das Fischer Lexikon - Sprachen, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3596245613
- ↑ Bernd Kortmann: The triad "tense - aspect - Aktionsart", Brüssel 1991
- ↑ Hans-Jürgen Sasse: Aspect and Aktionsart, Brüssel 1991
- ↑ a b c d Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache, Stuttgart 1993, ISBN 3476009378
- ↑ Henrik Birnbaum und Jos Schaeken: Das altkirchenslavische Wort: Bildung - Bedeutung - Herleitung, München 1997, ISBN 3876906687 ([2])
- ↑ Martin Joachim Kümmel: Grundlagen und Geschichte der europäischen Verbalsysteme. Vorlesungsmanuskript, Freiburg 2006 ([3])
- ↑ Herbert Mulisch: Handbuch der russischen Gegenwartssprache, Leipzig 1993, ISBN 3324003253
- ↑ Tanja Anstatt: Das Verbalpräfix po- im Polnischen, in: Zeitschrift für Slavische Philologie 62/2, 359-385 (pdf)
- ↑ Bayer-Lindauer: Lateinische Grammatik , 1974 ISBN 3-87488-635-2
- ↑ Hadumod Bußmann:Lexikon der Sprachwissenschaft 1990, Stuttgart ISBN 3-520-45202-2
Literatur
- Helbig/Buscha (1999). Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 19. Auflage. Langenscheidt Verlag.
- Thieroff, Rolf (1992). Das finite Verb im Deutschen. Tübingen.
- Hadumod Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft
- WAHRIG Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem und Sprachgebrauch
- (pdf) Begriffsgeschichte Aspekt und Aktionsart, Materialsammlung zum Seminar „Aspekt und Zeitkonstitution“ (Manfred Krifka, Wolfgang Hock), Berlin 2002
- Adolf Friedrich Stenzler: Elementarbuch der Sanskrit-Sprache, fortgeführt von Richard Pischel, umgearbeitet von Karl F. Geldner, Gießen 1915 (online-Ausgabe)
- Franz-Josef Klein: Aspektoppositionen und Aktionsarten im Französischen, in: Tidsskrift for Sprogforskning, 1/2003, Århus 2003 (pdf)
- Björn Wiemer: Grammatische Kernbereiche, deren Rekonstruktion und deren Relevanz für historisch belegte Sprachstufen des Baltischen und Slavischen, in: Acta Linguistica Lithuanica 51, 81-112, Vilnius 2005 (Online-Version bei CEEOL)