Albert Meyer (* 27. Februar 1857 in Klotzsche bei Dresden; † 24. August 1924 in Dresden) betrieb erfolgreich „Photographische Ateliers“ in Berlin und anderen deutschen Städten und wurde bekannt als Fotograf der Olympischen Spiele 1896 in Athen.

Leben und Beruf
Am 27. Februar 1857 wurde Albert Meyer in Klotzsche bei Dresden geboren (der damalige Vorort ist inzwischen in die sächsische Landeshauptstadt eingemeindet). Mit 24 Jahren ging er in die USA und erhielt dort eine zweijährige Ausbildung als Fotograf. Nach seiner Rückkehr eröffnete er 1883 in der Berliner Alexanderstraße ein „Photographisches Atelier“, in dem er zeitweilig 15 Angestellte beschäftigte. In Schaukästen, auf einem Reklamewagen und im Adressbuch verwendete er den werbewirksamen Titel „Hof-Photograph“ und wurde mehrfach polizeilich ermahnt, ausreichend deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um den kaiserlich-königlichen Hof in Berlin handelte, sondern um den des Königs von Sachsen und den des Herzogs von Sachsen-Meiningen.
Albert Meyer war bald ein wohlhabender, nach damaligen Maßstäben sogar reicher Mann. Sein Einkommen betrug 1893 etwa 13 000 Mark, sein Vermögen wurde 1898 auf 120 000 Mark geschätzt. Schon 1891 hatte er Filialen in Stettin und im Ostseebad Misdroy eröffnet (heute Szcecin und Miedzyzdroje, beide in Polen gelegen), dazu ein zweites Atelier in Berlin, in der Potsdamer Straße. In der Nachbarschaft arbeitete der Chemiker Dr. Willibald Gebhard, einer der Initiatoren der Olympischen Bewegung in Deutschland. Im Dezember 1895 rief er in Berlin ein „Comité für die Beteiligung Deutschlands an den Olympischen Spielen in Athen 1896“ ins Leben. Meyer gehörte diesem „Comité“ an. Zusammen mit seiner Frau Elisabeth begleitete er die erste deutsche Olympiamannschaft zu den Wettkämpfen. Es gibt starke Indizien, aber keinen eindeutigen Beleg dafür, dass auch Elisabeth Meyer dort als Fotografin tätig war. Vor der Rückreise machte das Ehepaar noch einen Abstecher nach Konstantinopel.
Albert Meyer erhielt je eine Gold- und eine Silbermedaille auf internationalen Fotoausstellungen, zehn Orden und Medaillen von europäischen Fürstenhäusern (um die er sich in einem umfangreichen Schriftwechsel bemüht hatte) und insgesamt drei „Hofprädikate“. 1901 verkaufte er seine Ateliers in Berlin und siedelte nach Hannover über. 1902 eröffnete er dort eine „Kunstanstalt“, die bald einen festen Platz im gesellschaftlichen Leben der Stadt einnahm. Das Atelier hatte etwa 20 Räume, darunter zwei Labors. Zwei Empfangsdamen begrüßten die Gäste; Fotografen, Lehrlinge und sogar ein fest angestellter Buchbinder erledigten die gut bezahlten Aufträge. 1913 veräußerte Meyer diesen Betrieb mit großem Gewinn und zog 1915 zurück in seine Heimatstadt Dresden. Hier begannen die unglücklichen Jahre seines Lebens. Sein Sohn, auf den er große Hoffnungen setzte, wurde als Soldat im Ersten Weltkrieg getötet. Während der Inflation im Jahre 1923 verlor Albert Meyer sein gesamtes Vermögen. Er starb verarmt am 24. August 1924.
Die Olympischen Spiele
Vorbereitungen
Ein Kongress von internationalen Sportfunktionären unter Leitung des Barons Pierre de Coubertin vergab 1894 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit an Griechenland. Das hoch verschuldete Land, durch einen Dauerkonflikt mit dem Osmanischen Reich belastet, hatte erhebliche Mühe, die für 1896 angesetzten Spiele zu finanzieren und fristgerecht vorzubereiten, nutzte aber dennoch den prestigeträchtigen Anlass – vor allem, um die nationale Identität zu stärken. Mühsam verliefen auch die Vorbereitungen in den wenigen teilnehmenden Ländern. Organisatorische Strukturen waren noch nicht vorhanden, die Fahrt nach Athen war meist Privatsache und von privaten Spendern abhängig. In Deutschland lehnte der einflussreiche Verband der Deutschen Turnerschaft die Teilnahme aus nationalistischen Gründen ab – internationale Spiele unter französischem Einfluss waren unerwünscht. Die elf Turner unter den 21 (nach anderer Quelle: 24) deutschen Olympioniken wurden von ihren Funktionären als „Vaterlandsverräter“ diffamiert.
Die Aufnahmen
Vermutlich entstanden insgesamt weniger als 100 Aufnahmen bei den Olympischen Spielen in Athen. Von sieben Fotografen ist bekannt, dass sie dort arbeiteten: fünf Griechen, der US-Amerikaner Curtis (ein Amateur, der im 110-Meter-Hürdenlauf Olympiasieger wurde) und der Deutsche Albert Meyer. Mit einem Teil der deutschen Mannschaft war er am 28. März 1896 von Berlin nach Brindisi und von dort mit dem Schiff weiter nach Korfu gereist. Er war der mit Abstand bedeutendste unter den Bildberichterstattern. Mindestens 56 Aufnahmen sind allein ihm zuzuschreiben, mehr als die Hälfte aller bekannten Bilder. Dazu sind seine Arbeiten denen der übrigen Fotografen technisch und ästhetisch deutlich überlegen. Kaum eine Veröffentlichung über die Geschichte der Olympiade verzichtet auf seine Aufnahmen.
Das Berufsbild des Fotoreporters begann eben erst, sich zu entwickeln. Fortschritte in der Foto- wie in der Drucktechnik waren die Voraussetzung dafür. Für Außenaufnahmen (normalerweise Landschafts-, Architektur- und Industrieaufnahmen) waren spezielle, aber immer noch recht große und schwere „Reisekameras“ entwickelt worden. Wie die massiven Atelierkameras hatten sie verstellbare Front- und Mattscheibenebenen sowie Objektive unterschiedlicher Brennweiten; Plattenformate zwischen 13×18 und 24×30 cm waren üblich. Diese Reisekameras, die ebenso zusammenlegbar waren wie die unverzichtbaren Stative, fanden auch für die Sportaufnahmen 1896 in Athen Verwendung. Echte Bewegungsfotografie war mit diesen Geräten fast unmöglich. Wenige Jahre später begann der Siegeszug der leichten Handkameras, die dem Bildjournalismus wie auch der Amateurfotografie neue Möglichkeiten eröffneten.
Bis etwa 1880 konnten Illustrationen, auch Fotografien, in Druckerzeugnissen nur in den langsamen, arbeitsintensiven Techniken Holz- oder Stahlstich und Lithografie wiedergegeben werden. Nun ermöglichte die Einführung von Heliogravüren bzw. Autotypien die direkte Umsetzung und Wiedergabe fotografischer Aufnahmen. Damit konnten Zeitungen und Zeitschriften mit aktuellen Bildinhalten erscheinen. Meyers Olympiabilder wurden 1896 in der seit 1885 bestehenden Sportzeitschrift Sport im Bild veröffentlicht.
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Das Internationale Olympische Komitee. Links stehend: Dr. Gebhardt. Rechts sitzend: Pierre de Coubertin.
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Der griechische Sieger im Marathonlauf, Spyridon Louis, in der Uniform einer Eliteeinheit der Armee.
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Die französischen Radrennfahrer Paul Masson und Léon Flameng.
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Der Sieger im Tennis (Doppel), Friedrich Adolph Traun aus Dresden, eigentlich zum 800m-Lauf angereist.
Nach den Spielen
Das Verhältnis Meyers zu Mannschaftsleiter Dr. Willibald Gebhardt war problematisch. Im Rückblick auf die missliche Finanzsituation der deutschen Mannschaft intervenierte Gebhardt nach den Spielen bei Coubertin, als dieser den Fotografen mit einer offiziellen Erinnerungsmedaille auszeichnen wollte: „… Herr Meyer hat sich keinen großen Verdienst um die Olympischen Spiele erworben. Er fuhr nach Athen, um sich dort zu vergnügen, zu photographieren und nebenher Geld zu verdienen. (…) Er stellte nicht eine Mark für unsere Expedition zur Verfügung; dabei ist er ein reicher Mann …“
Die Einschätzung von Meyers Verdiensten um Olympia erweist sich rückblickend als falsch; die seiner Geschäftstüchtigkeit nicht. Noch während der Spiele entwickelte Meyer seine fotografischen Platten und überließ sie dem Verlag Kurt Beck und anderen Verlagen. Das „Beck’s Album“ war der erste offizielle Olympia-Report. Zurück in Berlin organisierte Meyer einen umfangreichen Versand seiner Bilder. Er ließ aufwändige lederne Mappen mit der Aufschrift „Olympische Spiele Athen 1896“ herstellen, sie enthielten jeweils 25-35 Bildtafeln und wurden zahlreichen Königs- und Fürstenhäusern zugestellt. Diese Aktivitäten Meyers, PR-Maßnahmen nach heutigem Verständnis, brachten ihm Aufmerksamkeit und Anerkennung ein. In den Jahren nach 1896 nahmen die geschäftlichen Erfolge seiner „Photographischen Ateliers“ und sein persönliches Vermögen ganz beträchtlich zu.
Albert Meyer hat die Olympischen Spiele 1896 in Athen wiederholt als das größte Ereignis seines Lebens bezeichnet.
Literatur
- Volker Kluge (Hrsg): 1896 Athen. Die Bilder der Spiele der I. Olympiade. Brandenburgisches Verlagshaus Berlin 1996, ISBN 3-89488-098-8.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Meyer, Albert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Fotograf |
GEBURTSDATUM | 27. Februar 1857 |
GEBURTSORT | Klotzsche bei Dresden |
STERBEDATUM | 24. August 1924 |
STERBEORT | Dresden |