Unter dem Hungertod versteht man den Tod durch das Verhungern. Die meisten Menschen versterben hierbei durch den Mangel an fester Nahrung aufgrund einer Hungersnot oder Armut. Etwa 853 Millionen Menschen hungern weltweit. Darüber hinaus kann der Hungertod auch das von einem Individuum aus freiem Willen gewählte Ergebnis eines Hungerstreiks, der Verwehrung der Nahrungsaufnahme oder der durch Krankheit bedingten Auszehrung sein. Er wurde auch als Hinrichtungsmethode angewandt, siehe hierzu Einmauern und Nahrungsentzug.
Theorien zur Überlebensdauer mit Nahrung
Ohne Wasser werden bei normalen Umgebungstemperaturen einem gesunden Menschen etwa 3 bis 4 Tage zugestanden, danach kommt es zum Verdursten. Diese Zeitspanne ist aber extrem temperaturabhängig: So gibt es einen Bericht über eine Touristin, die in Australien innerhalb eines einzigen heißen Tages verdurstete. Andererseits konnten neufundländische schiffbrüchige Fischer im Winter angeblich über 10 Tage ohne Wasser überleben.
Zum Hungern findet man in der Literatur unterschiedliche Angaben. Es muss hier genau unterschieden werden, ob es sich um das Weglassen von Energieträgern alleine handelt, oder ob Vitamine oder Mineralien zur Verfügung stehen. Bei der Nulldiät fehlen beispielsweise nur die chemischen Energieträger in der Nahrung. Gesunde Menschen können zwischen 30 und 200 Tagen ohne Nahrung überleben, wenn genug Wasser zur Verfügung steht, auch wenn es sich hier bei der Dauer von 200 Tagen um einen Extremwert handelt.
JM Olefsky (Endokrinologe an der UC San Diego) gibt einem normalgewichtigen Menschen eine Chance von 60 Tagen.[1] Übergewichtige Menschen haben hier einen Vorteil gegenüber Untergewichtigen. Walter Siegenthaler gibt einem „normal ernährten“ Menschen etwa 50 bis 80 Tage Überlebenszeit des völligen Fastens – Wasser- und Vitaminzufuhr vorausgesetzt. Übergewichtige sollen unter diesen Bedingungen schon 200 Tage überstanden haben.[2]. Jedes Kilogramm Körperfett bringt hier etwa 7.000 kcal Energie. Normalgewichtigen unterstellt er etwa 10 kg Körperfett, was ca. 70.000 kcal chemischer Energie entspricht; Übergewichtige haben dementsprechend mehr Energie auf Vorrat
Unter medizinischer Kontrolle hielt A. Brauchle 1957 ein Fasten für einen Zeitraum von 8–21 Tagen für vertretbar. Ein gleichzeitiges Angebot an Frucht- und Gemüsesäften (sog. Saftdiät) wird dabei vorausgesetzt. Einige Hungerstreikende haben 50–70 Tage überlebt. Bobby Sands, ein IRA-Hungerstreikender, überlebte 66 Tage, und Holger Meins 57 Tage im Jahre 1974, wobei er gegen seinen ausdrücklichen Willen unter Gewaltanwendung ernährt wurde.
Auswirkungen des Hungerns
Während einer Fasten- oder Hungerzeit kommt es zu einer gewissen Anpassung an den Nährstoffmangel. Diesen Vorgang nennt man Hungeradaptation. Der Stoffwechsel kann auf etwa 50 % heruntergefahren werden. Der Glukoseverbrauch des Gehirns verringert sich auf 30 % des Ausgangswertes (Martin JB 1977) beziehungsweise von 140 Gramm pro Tag auf 40 Gramm pro Tag. Der restliche Bedarf wird von den Ketonkörpern übernommen. Der Insulinspiegel fällt ab.
Zunächst werden die kurzfristig zur Verfügung stehenden Energiereserven des Menschen in Anspruch genommen. Dazu gehört das Glykogen („Stärke“) der Leber, Nieren und der Muskeln, das in Traubenzucker umgewandelt wird. Das Muskelglykogen spielt möglicherweise nur eine Bedeutung als Energiereserve für die Muskeln selbst, da dort die Glukose-6-Phosphatase fehlt. Diese schnell zur Verfügung stehenden Energiereserven liegen bei ca 1600 Kcal und sind innerhalb eines Tages verbraucht. Die Alkalireserven des Körpers sinken ab, der pH-Wert sinkt: es kommt also zu einer Ansäuerung. Diese metabolische Azidose (hier Hungerazidose) durch Anstieg freier Säuren ähnelt der Azidose bei der schweren unbehandelten Zuckerkrankheit. Der Körper verliert Wasser. Das Körpergewicht reduziert sich anfangs stark (vielleicht 1 Kilogramm pro Tag), später weniger stark (bis etwa 500 Gramm pro Tag).
Nach der Mobilisierung der schnell zur Verfügung stehenden Energiereserven kommt es zu einem starken Eiweißverlust (zum Beispiel Muskelgewebe) von etwa 50-70 Gramm pro Tag, dem sodann nach etwa 2 Wochen eine Umstellung des Stoffwechsels auf einen Eiweißsparmechanismus folgt, was unter anderem durch eine verminderte Eiweißausscheidung über den Urin erklärt werden kann. Eiweiß wird dann nur noch im Bereich von 20-25 g pro Tag verloren. Es kommt zur Bildung von so genannten Hungerödemen durch Wasseransammlung im Gewebe. Der Eiweißverlust wirkt sich auch auf das Immunsystem aus: es hat sich gezeigt, dass es während des Fastens häufiger zu Infekten kommt, beziehungsweise dass sich bestehende Infekte verschlimmern oder manifest werden.
Etwa 25 Prozent des Gewichtsverlustes geht auf das Konto des Muskelabbaus, wobei hier auch der Herzmuskel betroffen ist. Die Plasmaeiweißhalbwertszeit beträgt etwa 2 Wochen, die Halbwertszeit für das Gerüst- und Bindegewebseiweiß beträgt etwa 160 Tage. Insgesamt beträgt die Gesamteiweißhalbwertzeit 80 Tage. Es gibt die Ansicht, dass leichtes Bewegungstraining der Muskeln in der Fastenzeit den Eiweißverlust in den Muskeln vermindern oder sogar verhindern kann.
Im Serum steigen die Harnsäure- und Ammoniakwerte an. Gichtkranke müssen hier aufpassen. Fett - hier hauptsächlich die Triglyceride - wird erst ab der ersten Woche nach Fastenbeginn abgebaut. Allerdings wird auch die Meinung vertreten, dass der Fettabbau schon nach dem Glykogenabbau beginnen soll und parallel zum Eiweißabbau verläuft. Der Fettabbau (Lipolyse) führt zur Bildung von Ketonkörpern (Azeton, Betahydroxybuttersäure,...). Die Körpertemperatur sinkt bei hungernden Tieren etwas ab, ein extremes Beispiel ist hier der Winterschlaf. Nach längerem Fasten machen sich auch die Folgen des Vitaminmangels bemerkbar, vor allem der wasserlöslichen Vitamine. Durch die verminderte Verdauungstätigkeit ist der Vitaminbedarf allerdings möglicherweise geringer als sonst. Im Gesicht zeigen sich Pigmentierungen, die Haare werden stumpf, die Haut trocknet aus. An den Schleimhäuten zeigen sich zunehmend entzündliche Veränderungen. Blutdruck und Herzfrequenz sinken ab. Häufig bilden sich Nierensteine. Im Urin kann Blut gefunden werden. Frauen werden wahrscheinlich eine Veränderung der Menstruation bemerken. Sie kann auch aufgrund der hormonellen Änderungen völlig ausbleiben. Auch Störungen des Körperwachstums sind nicht ausgeschlossen.
Die Folge des längeranhaltenden Nahrungsmangels ist die Auszehrung oder Inanition. Sie kann zum völligen Kräfteverfall führen, der auch Kachexie genannt wird. Nach längerem Zustand der Kachexie – etwa dann wenn ein Drittel bis die Hälfte des gesamten Körpereiweißes abgebaut ist – kommt es zum Tode durch Verhungern (Siegenthaler).
Marasmus
Der Begriff Marasmus bezeichnet den schwersten Grad der Unterernährung mit Atrophien bei Kalorienmangel. Betroffene Kinder sehen dann beispielsweise aus wie Greise. Vor dem Tode zeigen sich schwere Durchfälle. Viele Verhungernde sind an den Folgen ihrer durch Eiweißmangel bedingten Infektionen gestorben. Allerdings gibt es auch Berichte über einen plötzlichen Herztod bei Hungernden (Vermutungen auf Herzrhythmusstörungen durch Kaliummangel). Wenn der Blutzuckerspiegel unter 10 mg/100 ml absinkt, kommt es zum Koma. Ab Werten unter etwa 30mg/100ml nimmt die Hirnleistung deutlich ab, es kommt zur Verwirrung, Angst und Depression. Bei sehr niedrigen Glukosewerten kommt es auch zu Spasmen und unkontrollierten Bewegungen.
Körpergewicht beim Hungern
Die messbare Abnahme von Körpergewicht hängt vom Ausgangsgewicht ab und liegt bei etwa 200 bis 500 Gramm pro Tag. Nach zwei Tagen ist ein Verlust von bis zu zwei Kilo zu bemerken, was hauptsächlich auf den Wasserverlust zurückzuführen ist. Nach einer Woche hat sich das Körpergewicht um 13, nach einem Monat um 21 Prozent reduziert. Frauen verlieren ihr Gewicht langsamer.