Kreuzzug
Die Kreuzpüffe der notgeilen Völker des Abendlands waren (vorgeblich) religiös motivierte Feldzüge, die eigentlich der Befreiung Jerusalems und des Heiligen Landes Palästina aus der Hand der "Ungläubigen" dienen sollten, die aber tatsächlich schnell zur reinen Machtpolitik genutzt wurden. Der Begriff Kreuzzug wurde bald auf Kriege gegen Nichtchristen anderer Länder und gegen von der Kirche als Ketzer betrachtete Menschen (siehe Albigenser) ausgeweitet.
Überblick: Begriff und Zeitachse
Im engeren Sinne versteht man unter Kreuzzügen nur die Orientkreuzzüge. Daneben gab es folgende Arten von Kreuzzügen:
- gegen Heiden (Wenden, Finnen, Balten),
- gegen Ketzer (Katharer, Albigenser; Juden),
- gegen die Ostkirche,
- gegen Aufständische (Stedinger),
- gegen politische Gegner (Papst Bonifatius VIII. gegen die Colonna 1297/98, England 1066, Ludwig von Bayern).
Der Kreuzzug in seiner ursprünglichen Form hatte die Befreiung Jerusalems zum Ziel und war ein gesamteuropäisches Unternehmen, das auch passagia generalia genannt wird. Aus dieser entwickelte sich die passagia particularia, die sich gegen jeden anderen Ort wenden konnte.
Der Begriff "Kreuzzug" wurde erst im 13. Jahrhundert geprägt, davor finden sich lediglich die Begriffe "bewaffnete Pilgerfahrt" und "bewaffnete Wallfahrt".
Neben den eigentlichen Kreuzzügen gab es noch den Katharer- oder auch Albigenserkreuzzug, der in Südfrankreich stattfand, den Kinderkreuzzug, der für die meisten Beteiligten in der Sklaverei endete, den Feldzug der Deutschordensritter ins Baltikum 1225 und diverse andere Feldzüge, z.B. gegen nicht-christliche Völker wie Türken oder Mongolen, die zum Teil .bis ins 15. Jahrhundert dauerten.
Auch Kriege gegen machtpolitische Gegner wurden von mittelalterlichen Herrschern mitunter als Kreuzzug propagiert, um eine Infragestellung der Notwendigkeit des Kriegs zu verhindern, um Verbündete zu gewinnen und um Plünderungen und Übergriffe auf Zivilisten zu legitimieren.
Für manche Herrscher war der Aufruf zu einem Kreuzzug außerdem ein Mittel, um für sie problematische Gesellschaftsgruppen loszuwerden. So folgten zahlreiche Obdachlose, verarmte oder in der Erbfolge nicht berücksichtigte Adlige und auch Gesetzlose diesen Aufrufen, weil sie sich in Palästina ein neues Leben, religiöse Erfüllung oder Beute erhofften.
Ein bleibendes Erbe der Kreuzzüge waren die Ritterorden, eine Art kämpfende Mönchsorden.
Zeitleiste
- Erster Kreuzzug: 1096 - 1099
- Zweiter Kreuzzug: 1147 - 1149
- Dritter Kreuzzug: 1189 - 1192
- Vierter Kreuzzug: 1202 - 1204
- (Fünfter) Kreuzzug: 1217 - 1221
- Fünfter (Sechster) Kreuzzug: 1228-1229
- Sechster (Siebter) Kreuzzug: 1248-1254
- Siebter (Achter) Kreuzzug: 1270
- Kreuzzug gegen Alexandria: 1365-1369, unter König Peter I. von Zypern
- Kreuzzug von Nikopolis: 1396
Im 14. Jahrhundert fanden über 50 Kreuzzüge gegen die damals heidnischen Pruzzen und Litauer statt. Diese vom Deutschen Orden organisierten Feldzüge wurden auch als "Reisen" bezeichnet.
Im 15. Jahrhundert fanden vier Kreuzzüge gegen die Hussiten statt.
Von 1443 bis 1444 fand ein meist als letzter Kreuzzug eingestufter Feldzug gegen das Osmanische Reich statt, der in der Schlacht bei Warna scheiterte.
Motive der Kreuzritter und Situation vor den Kreuzzügen
Die Motive der Kreuzfahrer reduzieren sich keineswegs nur auf religiösen Eifer; vielmehr handelten sie aus vielschichtigen Gründen, die sich zudem im Laufe der Zeit wandelten. Es handelte sich dabei um:
Religiöse Motive
Aufbauend auf den Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. auf der Synode von Clermont im Jahr 1095 ("Deus lo vult" - Gott will es) waren viele Kreuzfahrer überzeugt, durch die Vertreibung der Heiden aus dem Heiligen Land Gottes Wille zu erfüllen und die Erlassung aller ihrer Sünden zu erreichen. Dies muss vor dem Hintergrund christlicher Berichte über Greueltaten der islamischen Machthaber gegen die christliche Bevölkerung des heiligen Landes gesehen werden und der Verwüstung christlicher Stätten, beispielsweise der Grabeskirche 1009 in Jerusalem. Die religiösen Motive traten im Laufe der Zeit in den Hintergrund - besonders deutlich wird das bei der Zerstörung der christlichen Stadt Konstantinopel im Vierten Kreuzzug.
Verhältnis zum Islam
Ein wesentliches außenpolitisches Problem für die christliche Welt stellte der Islam dar, der in seinem Streben westwärts zunächst im 7. Jahrhundert das damals christliche Oströmische Reich angriff. In der Folge wurden Palästina, Ägypten und Nordafrika und schließlich Spanien erobert. Nachdem das oströmische Reich durch die Langobarden 751 schon aus Mittelitalien verdrängt worden war (Fall des Exarchats Ravenna) ging in kurzer Zeit der Großteil des Reichsgebietes an die Araber verloren. Kaiser Alexios I. Komnenos schließlich bat den Papst um Unterstützung. Dass im Islam eine große Gefahr nicht nur für das oströmische Reich gesehen wurde, erklärt den großen militärischen Aufwand aller christlichen Mächte der damaligen Zeit. Schließlich grenzte das islamisch-arabische Machtgebiet an den Pyrenäen an Frankreich, alle Mittelmeerinseln und Teile Süditaliens waren zeitweise von Arabern besetzt und wurden auch nach Rückeroberung immer wieder von ihnen angegriffen. Das oströmische Sizilien wurde ab 827 von den Arabern erobert, dann von den Normannen, bis es 1189 an Heinrich VI. fiel, wodurch das staufische Reich ebenfalls direkt an den islamischen Machtbereich grenzte.
Da das oströmische Reich militärisch immer schwächer wurde und islamische Truppen Städte in Kleinasien bedrohten und schließlich eroberten und verwüsteten (z.B. 1080 Nicäa und 1090 Ephesos), war der Kreuzzugsgedanke auch in der Folgezeit eine immer wiederkehrende Komponente der europäischen Politik. So wurde eine Militärexpedition erwogen, um Konstantinopel im Jahr 1453 gegen Mehmet II zu verteidigen. In der selben Tradition und Gedankenwelt steht die konzertierte militärische Hilfe christlicher Mächte (z.B. das Deutsche Reich und Polen) bei der Verteidigung Wiens 1683; als Kreuzzug im engeren Sinn werden freilich nur militärische Expeditionen nach Palästina bezeichnet.
Spannungsfeld zwischen Rom und Konstantinopel
Der abendländische Adel erhoffte sich die Eroberung neuer Besitztümer. Auch und gerade traf das auf die jüngeren Söhne des Adels zu, die nicht erbberechtigt waren und nun die Chance sahen, doch über ein eigenes Gebiet zu herrschen.
Das Papsttum versprach sich von der Kontrolle über das Heilige Land eine massive Stärkung seiner Machtposition. Letztlich haben die Päpste wohl auch auf die Wiedervereinigung mit der bzw. auf die Kontrolle über die Ostkirche gehofft (Morgenländisches Schisma). Daneben dominierten mit Beginn des 4. Kreuzuges auch wirtschaftliche Interessen. Das beste Beispiel für dieses Motiv ist wohl der vierte Kreuzzug selbst, der von der Handelsmetropole Venedig nach Konstantinopel umgeleitet wurde (Plünderung durch das Kreuzfahrerheer, Abtransport der Beute nach Venedig), um den Handelskonkurrenten auszuschalten. Hier zeigt sich die vollständige Pervertierung des ursprünglichen, religiösen Kreuzzugsgedankens einerseits, andererseits auch ein Grund für die immer geringere Wirkung der Kreuzzüge in der Verteidigung des oströmischen Reichs.
Geschichte
Papst Urban II. rief 1095 auf dem Konzil von Clermont zum ersten Kreuzzug auf. Der vierte Kreuzzug endete mit der Eroberung und Plünderung Konstantinopels, der damals größten christlichen Stadt der Welt, durch Kreuzritter, die damit den Schiffstransport durch die Flotte Venedigs "bezahlten". Venedig hatte damit seinen größten Konkurrenten im Orienthandel dauerhaft geschwächt. Die Kreuzzüge nach Palästina endeten 1291 mit dem Fall von Akkon, der letzten Kreuzfahrerbastion.
Wichtige Persönlichkeiten
Beteiligte Führerpersonen waren Papst Urban II., Bernhard von Clairvaux, Balduin von Boulogne Friedrich I. Barbarossa, Richard I. Löwenherz, Konrad von Montferrat, David IV. der Erbauer, Zengi, Nur ad-Din Saladin (Salah ad-Din).
Quellen
Die Chronisten des Ersten Kreuzzugs auf christlicher Seite
- Albert von Aachen
- Robert der Mönch
- Der Autor der Gesta Francorum
- Raimund von Aguilers: ein Kleriker aus Frankreich, steht dem Anführer der Provenzalen (Südfranzosen) Raimund von Toulouse nahe.
- Fulcher von Chartres: ebenfalls Kleriker, politisch aber weit besser informiert als seine Kollegen, steht Papst Urban II. und seiner Reformpolitik nahe. Er beendete seine Niederschrift um 1100.
- Anna Komnene: Tochter des byzantinischen Kaisers Alexios I., nennt die Kreuzfahrer Hoi Keltoi (Kelten). Beendete ihre Niederschrift um 1118.
- Lambert von Arras: schreibt sehr detailliert über die Dekrete von Clermont.
- Wilhelm von Tyrus
- Ekkehard von Aura
- Odo von Deuil
- Geoffroi de Villehardouin
- Jean de Joinville
Die Chronisten auf muslimischer Seite
- Ibn al-Qalanisi
- Kamal ad-Din: lebte im 13. Jahrhundert nach Christus und war wohl einer der Schriftgelehrten am Hofe des Kalifen von Syrien. Er schrieb die "Sahne der Geschichte Aleppos" und benutzte dabei auch verschollene Quellen, die für uns von großer Bedeutung sind.
- Ibn al-Atir
- Ussama Ibn Munqidh
- Abu Sama
- Abu l-Fida
- Maqrizi
- Abu l-Mahasin Ibn Taghribirdi
Literatur
- Peter Thorau: Die Kreuzzüge (Beck Wissen), München 2004. Knappe und günstige Einführung.
- Jonathan Riley-Smith: Wozu heilige Kriege? Anlässe und Motive der Kreuzzüge, (Wagenbach), Berlin 2003. Knappe und grundlegende Einführung.
- Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge, 3 Bde. in einem Band (dtv), München 2003. Standardwerk aus den 50er Jahren, auf hohem literarischen Niveau verfasst. Teils jedoch romantisierend.
- Ralph-Johannes Lilie: Byzanz und die Kreuzzüge (Urban Taschenbücher), Stuttgart u.a. 2004. Der erfahrene Byzantinist Lilie untersucht die schicksalshafte Wechselwirkung zwischen dem Byzantinischen Reich und den Kreuzzügen.
- Kenneth M. Setton: A History of the Crusades, 6 Bde., Madison 1969 ff. Umfangreiches Sammelwerk zu allen Aspekten der Kreuzzüge. Standardwerk, welches jedoch anders als Runciman eher Wert auf Details legt und als wissenschatliches Kompedium dienen soll. Siehe Weblink unten.
- Carl Erdmann: Die Entstehung des Kreuzzuggedankens. (1935)
- Bernhard Lewis: The Muslim Discovery of Europe. (1982)
- Francesco Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht (1973)
- Kotzur, H.J. (Hrsg.): Die Kreuzzüge, Katalog der Ausstellung im Dommuseum Mainz, Zabern Verlag, Mainz 2004
Eher populärwissenschaftlich:
- Peter Milger: Die Kreuzzüge Krieg im Namen Gottes" München, 1988 Das Buch wendet sich den interessierten Laien, der eine reichlich illustrierte und flüssig geschriebene Übersicht möchte. Es ist das Begleitbuch zu einer Fernsehserie des Hessischen Rundfunks.
- Hans Wollschläger: Die bewaffneten Wallfahrten gen Jerusalem. Geschichte der Kreuzzüge (1973) Das Buch ist ein wortgewaltiges, bewusst einseitiges Pamphlet gegen die christlichen Gräuel. Brillanter Stil.
- Stephen J. Rivelle: Der Kreuzritter, Tagebuch des Roger de Lunel (1996, Roman), ISBN 3-4531-1506-6 (gebunden), ISBN 3-453-19569-8 (Taschenbuch)