Herbert Schnädelbach (* 6. August 1936 in Altenburg, Thüringen) ist ein deutscher Philosoph.
Biographie
Schnädelbach studierte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er 1962 bis 1966 bei Theodor W. Adorno wissenschaftliche Hilfskraft war und 1965 mit der Arbeit Hegels Theorie der subjektiven Freiheit promovierte.
1970 habilitierte er sich mit der Arbeit Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus bei Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. Schnädelbach lehrte als Professor für Philosophie in Frankfurt am Main (1971-1978), Hamburg (1978-1992) und Berlin (1993-2002).
Von 1993 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2002 war er ordentlicher Professor für Theoretische Philosophie am Philosophischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin.
1987-1988 war Schnädelbach Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland.
Philosophische Schwerpunkte
Schnädelbach beschäftigte sich mit Fragen einer Rationalitätstheorie - unter anderem machte er Vorschläge zu einer Unterscheidung von Rationalitätstypen.
Sein Interesse galt weiterhin der Kritischen Theorie und Fragen der theoretischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, unter anderem der Sprach- und analytischen Sprachphilosophie. Schnädelbach ist Autor des in mehrere Sprachen übersetzten philosophie-historischen Werkes "Philosophie in Deutschland 1831-1933". Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Werk Hegels führte zu mehreren Aufsätzen, Kommentaren und einem Einführungsbuch.
Diskurspluralität und Diskursvermengungen
Der Diskursanalyse hat Herbert Schnädelbach in seinem Hauptwerk, Reflexion und Diskurs (1977), ein bedeutendes Instrumentarium geliefert. Philosophische Reflexion, die ihre konsensfähigen Formen zugleich mit entwirft, versichert sich eines intersubjektiv rekonstruierbaren Rationalismus. Dieser grenzt sich sowohl ressourcenhaft von Positionen des unterschiedlichsten Intuitionismus ab und rekonstruiert methodisch seinen thematischen Gegenstand auf der Ebene von pragmatischen Sinnexplikationen in Form von satzförmigen Sachgehalten. Und es ist Herbert Schnädelbachs These, dass sich die Reflexion in der Philosophie unter dem Vorzeichen einer radikalisierten Moderne (- die semantische Zeitform einer nicht aufhebbaren Dauerkrise –) in den Pluralitäten von Diskursen nur zu entfalten vermag, wenn sie sich von vornherein nicht von Fragen der Geltung abkoppeln lässt. Herbert Schnädelbachs genuine Leistung ist der insistierend-systematische Entwurf einer Pluralität der Diskurse. Dabei sind die Konnotationen des Pluralismus missverständlich. Genauer muss man hier von einem äußerst scharfsinnigen Entwurf einer Theorie der unproblematischen Diskursverknüpfung und der problematischen Diskursvermengung sprechen. In Erinnerung an G. Moores Auszeichnungen naturalistischer Fehlschlüsse und G. Ryles Begriff des Kategorienfehlers erläutert Herbert Schnädelbach die (pragmatischen) Logiken von Explikationen, Deskriptionen und Normativitäten, die in philosophischen Diskursen praktiziert werden. Im Gegensatz zur alltäglichen Kommunikation, wo diese ausgezeichneten Momente sich untereinander verflüssigen, sind Diskurse als explikative, deskriptive und normative (praeskriptive) auseinander zu halten. Erst ihre differente Auszeichnung ermöglicht Denkfiguren, in der unproblematische Diskursverknüpfungen zugleich die Einheit der Philosophie prozessual bestätigen. Nicht allein unter den normativen Gesichtspunkten der Konsensfähigkeit werden diese legitimen Verknüpfungen zugleich mit deskriptiven, normativen und explikativen Konfusionen kontrastiert, die Effekte von Diskursvermengungen bzw. –verwechslungen sind und oft die Gründe für Dissensursachen bilden. Das phänomenologische Programm, welches seinen Anspruch der Beschreibung (Deskription) der Phänomene als Explikation ausgibt, ist ein systematisches Missverständnis. Die Identifikation von Faktischem und Normativen in Form einer Transformation von Ist-Sätzen in Soll-Sätzen in vielen Ethiken und Moralentwürfen ist ein anderes. Nicht nur in der methodischen Durchführung eines philosophischen Problems sondern bereits in der Thematisierung von Diskursgegenständen kann eine solche Vermengung entstehen. Herbert Schnädelbachs Auflistung der verschiedensten Formen der Diskursvermengung, die selbst namhafte Traditionen kategorial vollziehen, denunziert keineswegs deren philosophische Befunde, stellt aber durch die Identifikation des systematischen Ortes von diskursiver Philosophie ein inwendiges Kriterium zur Verfügung, das Unterscheidungen nachvollziehbar ermöglicht.
Atheismus und Fluch des Christentums
Mit einem Artikel in der Zeitung Die Zeit im Jahr 2000 löste er eine Debatte über die Darstellung und Charakterisierung des Christentums aus. Schnädelbach ging in diesem Beitrag von sieben Geburtsfehlern des Christentums aus und plädierte für die Entwicklung hin zu einem aufgeklärten Judentum (Kontroverse s. Weblinks).
Ausgewählte Publikationen
- 1971 Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus.
- 1974 Geschichtsphilosophie nach Hegel. Die Probleme des Historismus.
- 1977 Reflexion und Diskurs. Fragen einer Logik der Philosophie.
- 1983 Philosophie in Deutschland 1831-1933.
- 1984 Rationalität. Philosophische Beiträge. (Hrsg.)
- 1987 Vernunft und Geschichte. Vorträge und Abhandlungen (1)
- 1992 Zur Rehabilitierung des "animal rationale". Vorträge und Abhandlungen 2
- 1999 Hegel zur Einführung.
- 2000 Hegels praktische Philosophie.
- 2000 Naturalismus. Philosophische Beiträge. (Hrsg. mit Geert Keil)
- 2000 Philosophie in der modernen Kultur. Vorträge und Abhandlungen 3
- 2002 Erkenntnistheorie zur Einführung.
- 2004 Analytische und postanalytische Philosophie. Vorträge und Abhandlungen 4
- 2005 Kant
- 2007 Vernunft
Weblinks
Weiterführendes zu Schnädelbach
- Vorlage:PND
- Zehn Gebote für Atheisten - Woran orientieren sich Nicht-Gläubige? - SWR2 Forum, 28. Februar 2006
Der Fluch des Christentums
- Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion. Eine kulturelle Bilanz nach zweitausend Jahren. Von Herbert Schnädelbach (ZEIT, 2000, Nr. 20)
- Armes Christentum! Vorläufiges Schlusswort einer erregten Debatte, Von Herbert Schnädelbach (ZEIT, 2000, Nr. 30)
Kritik
- Die Taube auf dem Dach. Gott ist nicht der Veranstalter des Bösen. Ein Einspruch gegen Schnädelbachs Ökumene der Absurditäten. Von Robert Spaemann (ZEIT, 2000, Nr. 23)
- Plädoyer für eine fragwürdige Religion. Zu Herbert Schnädelbachs Beitrag Der Fluch des Christentums, ZEIT Nr. 20, 11. Mai 2000, S. 41-42. Von Wolfgang Krebs
- Dokumentation der Kontroverse DER FLUCH DES CHRISTENTUMS
- Buch des renommierten Kirchenhistorikers Arnold Angenendt als Reaktion auf Schnädelbach
Personendaten | |
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NAME | Schnädelbach, Herbert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Philosoph |
GEBURTSDATUM | 6. August 1936 |
GEBURTSORT | Altenburg, Thüringen |