Der Witikobund e.V. ist ein Kulturverein der Sudetendeutschen. Rechtsform ist eingetragener Verein, Vereinssitz ist München. Er wird von einem Bundesvorstand geleitet. Der jetzige Vorsitzende ist Dr. Hans Mirtes, sein Vorgänger bis 2006 war Horst Rudolf Übelacker.
Selbstverständnis
Der Witikobund e.V. ist nach eigener Beschreibung eine unabhängige, nicht parteilich oder kirchlich gebundene „nationale Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen“. Benannt wurde er nach der Romanfigur „Witiko“ von Adalbert Stifter. Seine Wurzeln verortet der Verein selbst in der sudetendeutschen Turnbewegung und den Heimat-, Kultur- und Schutzverbände der Sudetendeutschen, deren Tradition er sich verpflichtet fühlt.
Zu dem Verein gehört ein Jugendverband, die „Jungen Witikonen“ (JW). Die Mitgliedschaft im Verein selbst ist beschränkt. Die bislang ca. 1.000 Mitglieder wurden und werden ausgewählt. Bei jedem neuen Mitglied müssen sich zwei Witikonen für den Anwärter verbürgen.
Geschichte des Vereins
Der Witikobundes wurde 1950 in Stuttgart von sieben Anhängern der in den 1930er Jahren in der Tschechoslowakei von Konrad Henlein geführten Sudetendeutschen Partei (SdP) gegründet. Vorausgegangen war eine Sammlungsbewegung, die bereits seit 1947/48 existierte. Zu den Gründungsmitgliedern, die bis 1945 alle Mitglieder der NSDAP oder der SS gewesen waren, gehören:
- Walter Becher, bayerischer Landtagsabgeordneter der Deutschen Gemeinschaft (1950–54) und des Gesamtdeutschen Blocks/Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten (1954–62) bzw. Bundestagsabgeordneter der CSU (1965–80), Bundesvorsitzender des Witikobundes (1956–58) und Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaften (1968–82). Vor 1945 war er Ressortleiter des NSDAP-Gauorgans „Die Zeit“, danach Mitglied des Bayerischen Rundfunkrates.
- Walter Stain, das ehemalige Mitglied des Sudetendeutschen Freikorps, der 1986–89 Vorsitzender des Witikobundes war. Vor 1945 war er Leiter der Hitler-Jugend im Sudetenland, anschließend Staatsminister und von 1982 an mehrere Jahre Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
- Frank Seiboth, der 1939 Gauschulungsleiter der NSDAP war und von 1953 bis 1955 Vorsitzender des Witikobundes. Er war von 1953 bis 1957 MdB und von 1958 bis 1966 MdL in Hessen für den GB/BHE und die GDP, deren Vorsitzender er seit 1961 war. 1966 trat er zur SPD über und wurde Staatssekretär im Hessischen Wirtschaftsministerium.
- Siegfried Zoglmann, ehemaliger Gebietsführer der HJ im Protektorat Böhmen und Mähren und seit 1942 Freiwilliger bei der Waffen-SS. In der Bundesrepublik saß Zoglmann für die FDP und nach Parteiwechsel für die CSU im Bundestag und war stellvertretender Landesvorsitzender der FDP in Bayern.
- Walter Brand, einst Hauptleitungsmitglied der Sudetendeutschen Partei und Leiter der Kanzlei von Konrad Henlein sowie ab 1938 zunächst Generalreferent für den Vierjahresplan; infolge der so genannten Dresdner Prozesse, bei denen die NSDAP mit dem Kameradschaftsbund abrechnete, verbrachte Brand die Jahre 1939 bis 1945 in verschiedenen KZ. Von 1950–52 war er Bundesvorsitzender des Witikobundes und Mitglied des Sudetendeutschen Rates.
- Ernst Lehmann, sudetendeutscher „Volkstumskämpfer“ und Pädagoge. In seinen Erinnerungen Um tiefere Wurzeln beschreibt er 1979 ganz offen die Transformation völkischer Ideologeme aus der NS-Zeit in die Ideologie der „Vertriebenen“.
In den 1960er Jahren bestanden enge Beziehungen zur NPD, und mehrere Parteimitglieder wie Heinz Flöter und Ernst Anrich waren 1967 auch im Vorstand des WB. Einige dieser Verbindungen bestehen bis heute weiter. Sowohl der NPD-Bundespressesprecher und ehemalige Bundesvorsitzende des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB) und der Jungen Nationaldemokraten (JN) Karl-Heinz Sendbühler als auch der einstige NHB-Bundesgeschäftsführer Günter Schwemmer sind Witikonen, ebenso wie die beiden ehemaligen NPD-Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag Rolf Kosiek und Karl Baßler. Bis 1967 wurde der Verein vom Bundesministerium des Innern als rechtsextrem eingestuft.
In den 1970er Jahren nahmen an den Reichsgründungsfeiern des Witikobundes auch mehrere Aktivisten der Wiking-Jugend teil. Außerdem äußerten sich mehrere Mitglieder revisionistisch und leugneten den Holocaust. In einem Heft des Vereins-Organs, dem Witiko-Brief, von 1974 findet sich zum Beispiel folgendes Zitat: „Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit gehören die 6 Millionen Juden“. In den 1980er Jahren bestanden wiederum neue Beziehungen mit dem Hilfskomitee Südliches Afrika.
Im Witikobund und besonders dessen Vorstand waren und sind zahlreiche rechte und rechtsextreme Politiker und Publizisten tätig, Alfred Ardelt, Wigbert Grabert, Günter Kissel und Hans-Ulrich Kopp. Neben den genannten NPDlern sind auch die ehemaligen REP-Kandidaten für den bayerischen Landtag Henning Lenthe, Carl-Wolfgang Holzapfel sowie Horst Rudolf Übelacker und Hellmut Diwald Vereinsmitglieder. Zahlreiche Witikonen haben in der rechtskonservativen Jungen Freiheit publiziert. Der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der »Jungen Freiheit« und Organisator der JF-Sommeruni 1993, Hans Ulrich Kopp ist seit 1983 Mitglied und seit 1992 Schriftleiter des »Witikobriefes«. Bei den Veranstaltungen des Witikobundes trat beispielsweise auch das ehemalige Mitglied der Grünen Alfred Mechtersheimer im November 2003 als Referent auf.
Der derzeitige Bundesvorsitzende Horst Rudolf Übelacker, ebenfalls CSU-Mitglied, äußerte im »Witiko-Brief« unter anderem: „Die Deutschen, zusammengedrängt auf die Restgebiete in West- und Mitteldeutschland sowie in Österreich und zudem bedrängt von einem 'Millionenheer' volksfremder Zuwanderer, sehen sich einer allmählich zerbröckelnden Zeitgeschichtsfassade gegenübergestellt.“
Aber auch mehrere Personen des »bürgerlichen« Lagers sind Witikonen, so z. B. der langjährige CDU-Funktionär Rüdiger Goldmann (seit 1965) oder der ehemalige Fraktionsassistent der CDU im hessischen Landtag Wolfgang Egerter (stellvertretender Bundesvorsitzender des WB), sowie Herbert Fleissner und der ORF-Balkan-Experte Christian Wehrschütz. Im Oktober 2006 löste Dr. Hans Mirtes den langjährigen Vorsitzenden Prof. Rudolf Übelacker in seinem Amt ab. Als Stellverteter fungieren der Rechtsextremist Hans-Ulrich Kopp und Hans-Werner Wanie. Im November 2006 wählte der Landesverband Baden-Württemberg den Rechtsextremisten Marius Frosch, der in der Deutschen Partei als Kreisvorsitzender des Kreisverbandes Stuttgart und Landesparteisekretär Baden-Württemberg, der Deutschen Gildenschaft, der bündischen Jugend, sowie der Römisch-Katholische Kirche aktiv und Mitglied der Neofolkszene ist. Er gehört zum Neonazi Umfeld von Günter Deckert und Stefan Wollenschläger.
Literatur
- Georg Herde/Alexa Stolze: Die Sudetendeutsche Landsmannschaft, Köln 1987.
- Helmut Kellershohn (Hrsg.): Das Plagiat, Duisburg 1994 (hierzu besonders Martin Dietzsch: Kader gegen die Fünfundvierziger – Die völkische Gesinnungsgemeinschaft Witikobund.)
- Sönke Braasch: Der Witikobund, in: Der Rechte Rand, Juni/Juli/August 1995
Weblinks
- www.witikobund.de Webseite des Witikobundes
- www.klick-nach-rechts.de/ Der Witikobund: Späte Erkenntnis (2001)
- www.klick-nach-rechts.de/ Ulla Jelpke, Verfassungsschutz bemerkt den Witikobund: Verdichtung von Anhaltspunkten für Rechtsextremismus. (2001)
- www.doew.at/ Witikobund in Österreich – Artikel des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands