Peter Scholl-Latour
Peter Roman Scholl-Latour (* 9. März 1924 in Bochum) ist ein deutscher Journalist und Publizist. Er besitzt neben der deutschen auch die französische Staatsbürgerschaft.

Lebenslauf
Der einer elsass-lothringischen Familie entstammende Arztsohn Scholl-Latour wurde 1936 von seinen Eltern aufgrund ihrer Schwierigkeiten mit den Nazis zu seinem Schutz auf das Jesuitenkolleg Sankt Michael im Schweizerischen Freiburg geschickt. Nachdem weitere Geldüberweisungen in die Schweiz den Eltern untersagt waren, musste er das Kolleg 1940 verlassen und nach Deutschland zurückkehren, woraufhin er auf einem katholischen Internat in Kassel 1943 sein Abitur machte. In verschiedenen Fernsehsendungen hat er angedeutet, dass er während der Zeit des Nationalsozialismus in „Schutzhaft“ saß. Dieses Thema erwähnt er auch in seinem Buch „Leben mit Frankreich – Stationen eines halben Jahrhunderts“, wobei der genaue Grund für seine Widerstandstätigkeit jedoch unklar bleibt. Er berichtet lediglich darüber, dass er sich den Partisanen des Marschalls Tito im damaligen Jugoslawien anschließen wollte, aber schon an der Grenze zu Slowenien von der Gestapo verhaftet wurde.
Nachdem Scholl-Latour 1945 als Angehöriger des französischen Fallschirmjäger-Expeditionskorps, dem Commando Parachutiste Ponchardier, zwei Jahre am Indochinakrieg teilgenommen hatte, studierte er in Mainz, Paris (Sorbonne) und Beirut an der Universität Saint Joseph Philologie, Politologie und Arabistik und arbeitete bereits während seines Studiums als Reisejournalist für deutsche und französische Zeitungen und Rundfunkanstalten. Sein Volontariat absolvierte er 1948 bei der Saarbrücker Zeitung. Für seine Berichte bereiste er Amerika, den vorderen Orient und große Teile Südost- und Ostasiens. 1951 machte Scholl-Latour sein Diplom am Institut National des Sciences Politiques und setzte sein Studium an der Sorbonne fort, welches erst im Januar 1954 mit der Promotion zum Docteur ès lettres endete. Anschließend war er in den Jahren 1954 und 1955 Sprecher der Regierung des Saarlandes, wo er zunächst ab dem 1. Januar 1954 zum Mitarbeiter und Pressesprecher des Amtes für Europäische und Auswärtige Angelegenheiten des Saarlandes berufen wurde.
1956 entschied er sich endgültig für den Journalismus, reiste nach Afrika und Südostasien, wurde 1960 bis 1963 ständiger Afrika-Korrespondent der ARD, von 1963 bis 1969 zuerst Studioleiter der ARD in Paris und anschließend bis 1971 Programmdirektor des WDR-Fernsehens. Er reiste von Paris regelmäßig als Sonderkorrespondent nach Vietnam, wo er sich 1973 unfreiwillig für eine Woche bei der Volksfront für die Befreiung Vietnams (NLF) aufhielt. Trotz guter Behandlung durch die NLF waren er und sein Team Gefangene dieser Gruppe. 1971 bis 1983 war er Chefkorrespondent und Leiter des ZDF-Studios in Paris. Anschließend wandte er sich wieder den Printmedien zu und wurde als Chefredakteur und Herausgeber des durch die Affäre der gefälschten Hitler-Tagebücher schwer angeschlagenen Stern-Magazins auch zum Vorstandsmitglied des Stern-Verlags Gruner + Jahr AG & Co KG berufen. 1984 wurde er Beiratsmitglied der UFA-Film- und Fernseh-GmbH. Nach seinem Ausscheiden bei Gruner + Jahr und dem Stern ist er bis heute als Publizist und Autor von Dokumentarfilmen tätig. Von 1985 bis 2007 war Peter Scholl-Latour Mitglied des Beirates der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Nach dem Rücktritt von Dr. Otto Wiesheu wählte ihn die Mitgliederversammlung am 22. März 2007 in Berlin zum Interimspräsidenten.
Rezeption Scholl-Latours
Scholl-Latour ist erklärtermaßen Gaullist und betrachtet die politischen Vorgänge auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und Ostasien insbesondere aus der Sicht französischer Machtpolitik. Seine Berichte enthalten zahlreiche historische Bezüge und haben ihm zusammen mit seinen vielen Auslandsreisen, die er seit den 1950er Jahren unternommen hat, den Ruf des „Kenners der Kontinente“ (ZDF) eingebracht. Den deutschen Medien gilt er seit vielen Jahren als Ansprechpartner und Experte für die Themenbereiche Naher Osten und Islam. In vielen Fernsehdiskussionsrunden äußerte sich Scholl-Latour kritisch über die Rolle der USA und Großbritanniens bei geplanten und durchgeführten Kriegen in Afghanistan und im Irak.
Scholl-Latour wird von einigen Orientalisten und Politikwissenschaftlern vorgeworfen, durch undifferenzierte Sichtweisen bestehende Feindbilder aufrechtzuerhalten und alte Ängste zu schüren. Inhaltlich und stilistisch sahen Kritiker auch Parallelen zum klassischen Kolonialroman[1]. Auch ließe er in seinen Büchern einige wichtige Aspekte unberücksichtigt. Befürworter hingegen weisen u. a. darauf hin, dass sich seine Warnungen vor einem radikalisierten Islam nach dem 11. September 2001 bestätigt und sich viele seiner Prognosen bewahrheitet haben. Scholl-Latour ist starker Befürworter einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Weiterhin sprach er sich während Heiner Bremers Talkshow "Das Duell bei n-tv" (Ausstrahlung v. 19.03.2007) für eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr aus.
Es gibt viele prominente Muslime, die Scholl-Latour schätzen, wie etwa der liberale Bassam Tibi, der seinerseits von einigen Orientalisten kritisiert wird. In der Iranischen Revolution von 1979 sieht Scholl-Latour den Anfangspunkt einer größeren „islamischen Erneuerung“, über die er in vielen seiner Bücher schreibt, und die er als eine der großen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts ansieht. Scholl-Latour ist seit 1986 Mitglied des Beirates der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, der er seit dem 22.3.2007 als Präsident vorsteht.
Der Islam und der Nahe Osten sind jedoch nur ein Aspekt der journalistischen Arbeit von Scholl-Latour. Zu vielen Themen und Kulturkreisen erschienen Bücher von ihm (zum Beispiel zu Nordkorea und der Volksrepublik China). Als weiteren Hauptschwerpunkt seiner Arbeit kann man Afrika und die vielfältigen Probleme dieses Kontinents nach der Entkolonialisierung nennen.
Auszeichnungen
Peter Scholl-Latour wurde durch viele Journalistenpreise für seine Arbeit ausgezeichnet:
- Adolf-Grimme-Preis, Goldene Kamera, Goldener Bambi, Aristide-Briand-Preis, Straßburger Goldmedaille für deutsch-französische Annäherung, Elise-Kühn-Leitz-Preis (1989), Ehrenpreis des Bayerischen Fernsehens (1991), Telestar und Preis des Deutsch-Französischen Kulturrates (1992), Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik (1999).
- Ehrenprofessur der Ruhr-Universität Bochum (1999).[2]
- Für sein journalistisches Lebenswerk wurde Scholl-Latour Mitte November 2003 mit dem „Siebenpfeiffer-Preis“ ausgezeichnet, der demokratisch und humanitär besonders engagierten Journalisten verliehen wird.
- Für sein publizistisches Lebenswerk erhielt Scholl-Latour den ersten Henri-Nannen-Preis (2005).
- Für die verständliche Vermittlung des umfassenden Sicherheitsbegriffs in seinem Gesamtwerk erhielt er den Karl-Carstens-Preis des „Freundeskreises der Bundesakademie für Sicherheitspolitik“.[3]
- Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2006)
- Als Zeichen der Kritik erhielt Scholl-Latour 1993 von Orientalisten der Universität Bamberg den „Schimmeligen Sesamkringel“.[4]
Veröffentlichungen
- Matata am Kongo (Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1961, ohne ISBN
- Im Sog des Generals – Von Abidjan nach Moskau Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1966, ISBN 3-421-01338-1
- Der Tod im Reisfeld – Dreißig Jahre Krieg in Indochina. 1980, ISBN 3-421-01927-4
- Allah ist mit den Standhaften – Begegnungen mit der islamischen Revolution. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06138-6
- 7 Gesichter Chinas (Mitautor Josef Kaufmann) Ullstein, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-548-34160-8
- Taschenbuchausgabe: Heyne, München 1990, ISBN 3-453-03739-1
- Mord am großen Fluß – Ein Vierteljahrhundert afrikanische Unabhängigkeit. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1986, ISBN 3-421-06307-9
- Leben mit Frankreich – Stationen eines halben Jahrhunderts. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06399-0
- Kabel- und Satellitenkommunikation in Europa – Kongressband Hrsg.: P. Scholl-Latour. Online GmbH, Velbert 1989, ISBN 3-89077-062-2
- Helmut Kohl – Fotographien von Konrad R. Müller und einem Essay von Peter Scholl-Latour. Lübbe, Bergisch Gladbach 1990, ISBN 3-7857-0570-0
- Der Wahn vom Himmlischen Frieden – Chinas langes Erwachen. Siedler, Berlin 1990, ISBN 3-88680-367-8
- Das Schwert des Islam – Revolution im Namen Allas Heyne, München 1990, ISBN 3-453-03990-4
- Der Ritt auf dem Drachen – Indochina – von der französischen Kolonialzeit bis heute. Heyne, München 1990, ISBN 3-453-04009-0
- Asien: ein verlorenes Paradies. Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-287-0 (fotografiert von Josef Kaufmann, Texte im Bildteil: Hans-Helmut Röhring)
- Den Gottlosen die Hölle – Der Islam im zerfallenden Sowjetreich. Deutscher Bücherbund, Stuttgart 1991; Bertelsmann, München, ISBN 3-570-00426-0
- Weltkrise Arabien. Allah, Blut und Öl – Hintergründe eines Konflikts. Stern-Bücher: Fotoreportage, Gruner+Jahr, Hamburg 1991, ISBN 3-570-06697-5
- Unter Kreuz und Knute – Russische Schicksalsstunden Bertelsmann, München 1992, ISBN 3-570-01792-3
- Aufruhr in der Kasbah: Krisenherd Algerien Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06625-6
- Pulverfass Algerien – Vom Krieg der Franzosen zur islamischen Revolution 3. Auflage (Bis 2. Auflage: Aufruhr in der Kasbah (1992))
- Eine Welt in Auflösung – Von den Trümmer der Neuen Friedensordnung. Siedler, Berlin 1993, ISBN 3-88680-405-4
- Im Fadenkreuz der Mächte – Gespenster am Balkan. Bertelsmann, München 1994, ISBN 3-570-12147-X
- Taschenbuchausgabe (1994) Heyne, München, ISBN 3-453-08950-2
- Schlaglichter der Weltpolitik: die dramatischen neunziger Jahre. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1995, ISBN 3-421-06672-8
- Das Schlachtfeld der Zukunft – Zwischen Kaukasus und Pamir. Siedler, Berlin 1996, ISBN 3-88680-602-2
- Lügen im Heiligen Land – Machtproben zwischen Euphrat und Nil. Siedler, Berlin 1998, ISBN 3-88680-542-5
- Allahs Schatten über Atatürk – Die Türkei in der Zerreißprobe zwischen Kurdistan und Kosovo. Siedler, Berlin 1999, ISBN 3-88680-630-8
- Afrikanische Totenklage – Der Ausverkauf des Schwarzen Kontinents. Bertelsmann, München 2001, ISBN 3-570-00544-5
- Auszüge gelesen auf CD. Random House Audio, Köln 2001, ISBN 3-89830-265-2
- Der Fluch des neuen Jahrtausends – Eine Bilanz. (Bertelsmann, München 2002 ISBN 3-570-00537-2
- Kampf dem Terror – Kampf dem Islam? Chronik eines unbegrenzten Krieges. Propyläen, München 2002, ISBN 3-549-07162-0
- Dieter Stein (Hrsg.): Die Tragödie des Westens – Beiträge und Interviews nach dem 11. September. Junge Freiheit, 2003, ISBN 3-929-88610-3 (Beiträge unter anderem von Peter Scholl-Latour, Arundhati Roy, Franz Alt, Alain de Benoist)
- Weltmacht im Treibsand – Bush gegen die Ayatollahs. Propyläen, München/Berlin 2004, ISBN 3-549-07208-2
- Koloss auf tönernen Füßen – Amerikas Spagat zwischen Nahem und Fernem Osten. Propyläen, München/Berlin 2005, ISBN 3-549-07252-X
- Rußland im Zangengriff. Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam. Propyläen Verlag, München/Berlin 2006, ISBN 3-549-072651
Sekundärliteratur
- Peter Scholl-Latours Fernsehserie ‚Das Schwert des Islam‘. In: Siegfried Jäger, Jürgen Link (Hrsg.): Die vierte Gewalt. Duisburg 1993
- Dokumentation der 8. Siebenpfeiffer-Preisverleihung am 9. November 2003 an Peter Scholl-Latour. Siebenpfeiffer-Stiftung c/o Saarpfalz-Kreis, 2004, ISBN 3-9807983-2-1
Quellen
- ↑ Verena Klemm, Karin Hörner (Hrsg.): Das Schwert des Experten – Peter Scholl-Latours verzerrtes Araber- und Islambild. Palmyra, Heidelberg 1993, ISBN 3-9802298-6-6
- ↑ Land NRW würdigt Peter Scholl-Latour mit Professur, Pressemitteilung der RUB, 15. Oktober 1999
- ↑ Bundesakademie für Sicherheitspolitik
- ↑ Konrad-Adenauer-Stiftung: Die Stunde der Phantasten/ August 2003
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Scholl-Latour, Peter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist |
GEBURTSDATUM | 9. März 1924 |
GEBURTSORT | Bochum |