Als Schimmelpilze fasst man in der Mikrobiologie eine systematisch heterogene Gruppe von Pilzen (Fungi) zusammen, die aufgrund ihrer Lebensweise in bestimmten ökologischen Nischen für den Menschen besondere Bedeutung gewonnen haben.
Kennzeichen, Verbreitung und Arten
Schimmelpilze finden sich als faseriger, flockiger oder staubiger, weißlicher, grauer, bläulichgrüner, gelblicher, rötlicher, bräunlicher oder schwärzlicher Überzug auf meistens leblosen Körpern der verschiedensten Art. Feuchtigkeit der befallenen Substanz bzw. der Raumluft ist für Bildung und Ausbreitung eines Schimmelpilzbefalls wesentlich. Oft beginnen Schimmelpilze auf organischen Substanzen zu wuchern, wenn diese einer Fäulnis unterliegen. Zuerst bildet sich aus einer zufällig auf die Unterlage gefallenen Schimmelpilz-Spore eine fädige Struktur, das Myzel. Dieses besteht aus mikroskopisch kleinen, langen, dünnen, vielfach verzweigten Pilzfäden (Hyphen), die sich von einzelnen Punkten aus allseitig kreisförmig ausbreiten. An ihrer Spitze wachsen diese Hyphen mit großer Geschwindigkeit weiter, so dass der Schimmel nicht selten rasch große Flächen überwuchert.
Bekannte Schimmelpilz-Gattungen sind Mucor (Köpfchenschimmel), Rhizopus (gemeiner Brotschimmel), Aspergillus (Gießkannenschimmel), Cladosporium, Penicillium (Pinselschimmel) und Alternaria.
Alle Schimmelpilze ernähren sich von organischem Material. Sie zählen zu den heterotrophen Organismen. Als Ernährungsgrundlage dienen alle möglichen organischen Stoffe, wie sie zum Beispiel in verfaulenden Früchten, in der Marmelade, in altem Brot, im Getreide, in Nüssen, im Erdboden, im Holz, im Kot, in Staubkörnern oder sogar in Kunststoffen vorkommen. Einige Schimmelpilze wachsen auch auf Leder.
Fortpflanzung
Die Vermehrung erfolgt meistens auf ungeschlechtlichem Wege über Sporen, die überall in der Luft vorhanden sind und bei schimmelbildenden Schlauchpilzen – wie etwa Aspergillus oder Penicillium – Konidien genannt werden. Dazu erzeugen die Myzelfäden nach einiger Zeit zahlreiche sich vertikal von der Oberfläche erhebende Sonderhyphen, die Konidienträger. Diese sind bei den einzelnen Arten unterschiedlich gestaltet und bestehen aus oft dicht verzweigten Hyphen, die bei schwacher Vergrößerung wie ein kleiner Wald aussehen. An den äußeren Verästelungen dieses „Waldes“, den Sterigmen, werden reichlich Sporen (Konidien) gebildet, die kettenförmig aneinandergereiht nach außen ragen. Der Schimmel nimmt in diesem Stadium eine eher staubige Beschaffenheit an.
Bei den schimmelbildenden Mucorales, die zu den Zygomyceten gehören, erfolgt die Bildung oft tausender von Sporen in den Sporangien, kugeligen Anschwellungen am Ende von Sporangienträgern.
Schimmelpilze benötigen zum Wachstum vor allemNährstoffe und Feuchtigkeit. Daneben beeinflussen das Sauerstoffangebot, die Temperaturen, der pH-Wert (saures bzw. basisches Milieu hemmt) und weitere Faktoren das Wachstum von Schimmelpilzen.
„Schimmel“: „Schaden“ oder „Zutat“?
„Schimmel“ bezeichnet im Zusammenhang von Schimmelpilzen vor allem deren oberflächlich sichtbare Auswüchse, also meistens die Konidien- oder Sporangienträger; seltener auch deren Mycel. Schimmel kann nützen oder schaden:
- Bei Nahrungsmitteln gibt es erwünschte Formen – „Edelschimmel" an Blau- oder Grünschimmelkäse oder auch an Edelsalami (hierzu Penicillium nalgiovense). Bezeichnungen wie Penicillium roqueforti oder Penicillium camberti einzelner Pinselschimmel-Arten sprechen für sich. Andernfalls ist das Lebensmittel praktisch vergiftet (s. u. „Mykotoxine" und Genaueres bei „Lebensmitteln“) oder jedenfalls verdorben. Der „Edelschimmel" Penicillium roqueforti (beispielsweise) kann jedoch auf anderen Lebensmitteln schädlich sein. Nutzen/Schaden einer Schimmel-Art kann auch von speziellen Züchtungen (Stämmen) abhängen.
- Im Weinbau kann der Schimmelpilz Botrytis cinerea je nach Zeitpunkt des Auftretens die Ernte schädigen oder veredeln („Edelfäule“; vgl. Weinsprache).
- Antibiotika wie Penicillin (welches auch gegen das Pilzgift Amanitin eingesetzt wird) werden als Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen wie Penicillium chrysogenum (früher Penicillium notatum genannt) hergestellt.
- Aspergillus niger („Schwarzschimmel") ruft beim Menschen vielerlei Krankheiten hervor, wird andererseits zur Herstellung von Zitronensäure verwendet.
Primär schädlich sind Schimmelpilze, die Mykotoxine produzieren, insbesondere leberschädigende und kanzerogene Aflatoxine. Mittelbar können fast alle Pilze aufgrund der Sporenausschüttung allergen wirken. Schimmelpilze können daher auf unterschiedliche Weise dem menschlichen Befinden schaden:
- Stoffwechselprodukte (Metabolite) von Schimmelpilzen sowie die Zellwandbestandteile (Glukane) können toxisch (giftig) wirken. Ein Beispiel hierfür ist der „Fluch des Pharao“, der auf den Schimmelpilz Aspergillus flavus zurückgeführt wird (Aflatoxine B1 und B2).
- Sie können Infektionen der Atemwege sowie Asthma hervorrufen (siehe Aspergillose). Dieses spielt vor allem bei immungeschwächten Menschen eine Rolle.
- Ihre Sporen können bei empfindlichen Menschen allergische Reaktionen hervorrufen.
- Sie können eine erhebliche Geruchsbelästigung darstellen.
- Mykosen von Schimmelpilzen treten selten etwa als opportunistische Infektion bei Patienten mit Immunschwäche auf.
Schädlicher Schimmel auf Lebensmitteln: alles weg?
In der Regel (im Zweifel) sind von schädlichem Schimmelpilz befallene Lebensmittel als Ganzes zu entsorgen. Es genügt i. a. nicht, die sichtbar betroffenen Stellen wegzuschneiden oder obere Schichten von Lebensmitteln abzutragen. Fürs bloße Auge unsichtbar hat sich typischerweise das Mycel des Pilzes bereits im gesamten Behälter, in der gesamten Portion, in der gesamten Frucht etc. ausgebreitet und dort Mykotoxine bzw. Glukane erzeugt. Andernfalls haben sich die Mykotoxine um so weiter verteilt (Diffusion), je höher der Wassergehalt des Lebensmittels ist.
Ausnahmen sind etwa (vgl. etwa quarks.de/Buchwalsky und Gesundheits-Kompass/Word@rt):
- Marmelade mit einem Zuckergehalt über 60 Prozent – Zucker in diesen Konzentrationen wirkt konservierend; die verschimmelten Stellen können großzügig abgehoben werden.
- Auch in Hartkäse kann sich Schimmel wenig ausbreiten – man kann den Schimmel großzügig abschneiden und den Rest des Käses verzehren.
- Ähnliches gilt für ganze Brotlaibe bzw. Schnittbrot.
Schimmel in Gebäuden
Ursachen
Feuchtigkeit ist die Hauptursache für Schimmelbildung in Gebäuden. Schimmelpilze finden hier ein reiches Nahrungsangebot: Zellulose (Tapeten, Kleister, Holz und Holzwerkstoffe, Gipskartonplatten) oder auch Kunststoffe (Wandbeschichtungen, Teppichböden, Bodenbeläge usw.). Die Feuchtigkeit entsteht einerseits durch defekte Wasserleitungen (Heizung, Dachentwässerung etc.), andererseits durch Baumängel bzw. Konstruktionsfehler. Darüber hinaus kann ungenügende Belüftung die Raumluftfeuchtigkeit erhöhen. Bereits ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60% besteht ein Schimmelpilzrisiko.
"Entfernen" von Schimmelpilz
Chemikalien können Schimmelpilz kurzfristig und i.a. nur an der Oberfläche entfernen. Sie sollten in der Regel nur von Fachleuten im Rahmen einer ursächlichen und umfassenden Sanierung verwendet werden. Pilztötend oder fungizid wirken u.a. folgende Substanzen und Methoden:
- Wasserstoffperoxid
- Natriumhypochlorit
- 70%-Alkohol, z.B. Isopropanol oder Ethanol
- Desinfektionsmittel
- Bestrahlung mit ultraviolettem Licht
Für kleine Flächen und bis ca. 2 cm Materialtiefe
- Heißluftgebläse („Fön“) (Schimmelpilze sind nur bis ca. 85°C lebensfähig)
Literatur
Allgemein
- C.J. Alexopoulos: Einführung in die Mykologie. Gustav Fischer, Stuttgart 1966. ISBN 3437200003
- Ch. Meier, K. Petersen: Schimmelpilze auf Papier. Ein Handbuch für Restauratoren. Biologische Grundlagen, Erkennung, Behandlung und Prävention, Der Andere Verlag, Wissenschaftlicher Buchverlag zu Tönning, 2006: ISBN 3899594312
- E. Müller, W. Löffler: Mykologie, Grundriß für Naturwissenschaftler und Mediziner. Thieme, Stuttgart 1982. 4. Auflage von 1992: ISBN 3134368056
- H. Weber: Allgemeine Mykologie. Gustav Fischer, Jena 1993. Auflage von 2002: ISBN 3827406218
Gesundheitliche Aspekte
- Jürgen Bünger: Gesundheitsrisiken durch eine inhalative Exposition gegenüber mykotoxinbildenden Schimmelpilzen. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9)/2005, S. 341–343. ISSN 0949-8036
- Guido Fischer, Nadine Hollbach, Claudia Schmitz, Wofgang Dott: Luftgetragene Schimmelpilze in der Umwelt des Menschen – gesundheitliche Relevanz und Möglichkeiten der Risikobewertung. In: Gefahrstoffe – Reinhaltung Luft 65(9)/2005, S. 335–340. ISSN 0949-8036
- L. Roth, H. Frank, K. Kormann: Giftpilze. Pilzgifte. Schimmelpilze. Mykotoxine. Vorkommen, Inhaltsstoffe, Pilzallergien. ecomed, Landsberg, 1990. ISBN 3609647302
- Reinhard Keller, Klaus Senkpiel, Werner Butte: Schimmelpilze und deren Sekundärmetabolite (MVOC) in Luftproben unbelasteter Wohnungen. Gefahrstoffe, Reinhaltung Luft 67(3), S. 77 – 84 (2007), ISSN 0949-8036
Weblinks
MicroConservation - Mikrobiologische Analysen, Restaurierung und Konservierung