Berufung (Recht)

Rechtsmittel gegen ein Urteil der ersten Instanz
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Die Berufung, auch Appellation, ist ein Rechtsmittel gegen ein Urteil meist der ersten Instanz. Mit der Berufung können sowohl rechtliche als auch tatsachengestützte Rügen verfolgt und neue Tatsachen und Beweise angeführt werden. Das Berufungsverfahren hat also ein dualistischen Charakter, es ist sowohl ein Rechtsbehelfs- als auch ein Erkenntnisverfahren.

Deutschland

Die Berufung ist ein Rechtsmittel zur Überprüfung eines gerichtlichen Urteils durch ein übergeordnetes Gericht. Die Berufung unterscheidet sich hierbei von der Revision dadurch, dass das Ausgangsurteil nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht überprüft wird, das Berufungsgericht also gegebenenfalls eine Beweisaufnahme wiederholen und eigene Tatsachenfeststellungen treffen muss.

Eine Berufung kann nichts desto trotz in zulässiger Weise von den anfechtungsberechtigten Beteiligten auch auf die Rechtsfolgen beschränkt werden (→ Dispositionsmaxime). Das Berufungsgericht kann dies von sich aus jedoch nicht.

Das erstinstanzliche Urteil kann nur für eine beschränkte Zeit mit der Berufung angegriffen werden. Der Berufungsführer muss seine Berufung form- und fristgerecht einlegen und begründen. Versäumt er dies, ist die Ausgangsentscheidung rechtskräftig und wird nicht überprüft, auch wenn sie fehlerhaft sein mag. Die Berufungsfrist nach den deutschen Prozessordnungen beträgt grundsätzlich 1 Monat, in Strafsachen 1 Woche.

Zivilsachen

Im Zivilprozess findet das Rechtsmittel der Berufung gegen Endurteile der Amtsgerichte und der in erster Instanz tätig gewordenen Landgerichte statt. Auch hier wird das Urteil in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüft, allerdings kann neues Vorbringen nicht berücksichtigt werden, wenn es in erster Instanz bereits hätte vorgebracht werden können. Auch muss das Berufungsgericht nicht in allen Fällen eine Beweisaufnahme durchführen. Die Berufung kann somit nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, oder dass zu berücksichtigende neue Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Neue Tatsachen, also solche, die das erstinstanzlichen Gericht nicht berücksichtigen durfte oder konnte, sind im Berufungsverfahren dann nur noch eingeschränkt und unter besonderen Voraussetzungen ("Novenrecht") zulässig.

Anschlussberufung ist zulässig.

Das Berufungsgericht überprüft ein Urteil inhaltlich nur dann, wenn die Berufung dagegen statthaft und zulässig ist. Statthaft ist eine Berufung gegen die meisten Urteile der ersten Instanz. Zulässig ist sie, wenn die Berufungssumme 600 Euro (in der Sozialgerichtsbarkeit 500 Euro) übersteigt oder wenn das Ausgangsgericht sie zugelassen hat.

Berufungsgericht: Als Berufungsgericht überprüft das Landgericht die Urteile des Amtsgerichts in Straf- und Zivilsachen, mit Ausnahme der Familien-, Kindschafts- und Unterhaltssachen. Für letztere und die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts ist Berufungsgericht das Oberlandesgericht.

Spruchkörper in Zivilsachen sind bei den Landgerichten die Zivilkammern und bei den Oberlandesgerichten die Zivilsenate.

Strafsachen

Im Strafprozess findet die Berufung gegen die Urteile des Strafrichters und der Schöffengerichte statt. Über Berufungen in Strafsachen entscheidet beim Landgericht die "kleine Strafkammer", die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt ist. Gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts oder Oberlandesgerichts, die die große Strafkammer bzw. der zuständige Senat fällen, gibt es keine Berufung. Dagegen ist nur die Revision zum Bundesgerichtshof statthaft.

Eine Besonderheit stellt die Annahmeberufung in diesen Fällen dar: Bei Verurteilungen zu nicht mehr als Geldstrafe von fünfzehn Tagessätzen (oder bei Freispruch in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft nicht mehr als dreißig Tagessätze gefordert hatte), ist die Berufung nur zulässig, wenn sie durch das Berufungsgericht angenommen wird. Gegen die Verweigerung der Annahme hat der Berufungsführer kein eigenes Rechtsmittel. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob der Berufungsführer das Erfordernis der Annahme dadurch umgehen kann, dass er statt gegen das Urteil Berufung zu führen, das Rechtsmittel der Sprungrevision (vgl. § 335 StPO; ausführlich Meyer-Gossner NJW 2003, 2369 = BGHSt 5, 338 = http://www.recht.com/heymanns/start.xav?bk=heymanns_bgh_ed_bghrst&startbk=heymanns_bgh_ed_bghrst&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'StPO%2F335%2FSprungrevision_1'%5D&hls=sprungrevision%20335; Rechtsprechungsübersicht zu diesem Rechtsproblem bei http://www.rechtscentrum.de/search.php?db=strafrecht&mode=category&feld=Rechtsmittelrecht&gebiet=Sprungrevision) einlegt.

Arbeitssachen

Berufungsgericht: Berufungsgericht ist in der Arbeitsgerichtsbarkeit das Landesarbeitsgericht.

--CJB 14:34, 30. Nov. 2006 (CET)

Verwaltungs- und öffentlich-rechtliche Sachen

Bei öffentlich-rechtlichen Sachen bedarf die Berufung zunächst der Zulassung. Die erste Instanz muss sie zulassen, wenn die Sache bisher nicht (einheitlich) entschieden wurde und daher grundsätzliche Bedeutung hat oder sie von der bisherigen Rechtsprechung höherinstanzlicher Gerichte abweicht. Im Übrigen kann die Berufung auf Antrag von der zweiten Instanz zugelassen werden, wenn Voraussetzungen des § 124 VwGO erfüllt sind.

Anschlussberufung ist zulässig.

Ist die Berufung ganz ausgeschlossen, ist eine Revision möglich.

Berufungsgericht: Berufungsgericht im Verwaltungsstreitverfahren ist das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof.

Sozialsachen

Im Sozialgerichtsprozess findet die Berufung gegen Urteile und Gerichtsbescheide statt. Einer Zulassung bedarf die Berufung nur im Ausnahmefall: wenn nicht mehr als 500 € im Streit stehen (bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden: 5000 €, § 144 Abs. 1 SGG). Das Sozialgericht muss die Berufung zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Lässt das Sozialgericht die Berufung nicht zu, ist die Nichzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht gegeben (§ 145 SGG).

Berufungsgericht: Berufungsgericht ist in der Sozialgerichtsbarkeit das Landessozialgericht (LSG). Vor dem LSG findet eine weitere vollständige Tatsacheninstanz statt. Gegen Urteile des LSG ist die Revision gegeben, wenn sie vom LSG oder vom Bundessozialgericht zugelassen wird.

Finanzsachen

In der Finanzgerichtsbarkeit ist lediglich die Revision zulässig, weil die Finanzgerichte nach der Finanzgerichtsordnung als obere Landesgerichte ausgestaltet sind, so dass das einzige Rechtsmittelgericht der Bundesfinanzhof ist. Eine Berufung gibt es nicht.

Österreich

Berufung in Zivilsachen

Bei einem Streitwert bis 10.000 Euro und in gesetzlich bestimmten Rechtssachen (z. B. in familienrechtlichen oder mietrechtlichen Angelegenheiten) ist das Bezirksgericht in erster Instanz zuständig. Eine Berufung geht an das übergeordnete Landesgericht, wo ein Berufungssenat in zweiter Instanz entscheidet. In besonders wichtigen Fällen - in denen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen sind - ist gegen die Entscheidung der 2. Instanz noch ein weiteres Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof möglich.

In Fällen, in denen der Streitwert 10.000 Euro übersteigt und in einigen wenigen Rechtssachen (z. B. in Wettbewerbsstreitigkeiten oder Urheberrechtsstreitigkeiten) entscheidet das Landesgericht in erster Instanz (entweder durch einen Einzelrichter oder einen Richter-Senat). Mit einer Berufung gegen das landesgerichtliche Urteil kann das Oberlandesgericht (OLG) in zweiter Instanz befasst werden. In besonders wichtigen Fällen - in denen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen sind - ist noch ein Rechtszug an den Obersten Gerichtshof (OGH) möglich.

Der Instanzenzug im Zivilverfahren kann daher dreistufig sein.

Berufung in Strafsachen

Das Bezirksgericht ist in erster Instanz für Strafverfahren wegen Vergehen zuständig, für die nur eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis maximal 1 Jahr angedroht ist (z. B. fahrlässige Körperverletzung, einfacher Diebstahl). Gegen das bezirksgerichtliche Urteil ist eine Berufung wegen Schuld und/oder Strafe an das übergeordnete Landesgericht möglich, das in einem Dreirichter-Senat entscheidet.

Der Einzelrichter am Landesgericht entscheidet in erster Instanz über alle Verbrechen und Vergehen, die mit einer Freiheitsstrafe von höchstens 5 Jahren bedroht sind (z. B. falsche Zeugenaussage vor Gericht). Über die Berufung wegen Schuld und/oder Strafe gegen die Urteile des Landesgerichts erster Instanz entscheidet das übergeordnete Oberlandesgericht (OLG).

Für Strafverfahren wegen schwerer Verbrechen mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe (z. B. Raub, Mord, Vergewaltigung, Missbrauch der Amtsgewalt, Hochverrat) ist das Landesgericht als Schöffengericht bzw. Geschworenengericht in erster Instanz zuständig. Gegen seine Urteile ist eine Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe an das übergeordnete Oberlandesgericht (OLG) möglich. Wird (auch) ein Nichtigkeitsgrund behauptet, muss der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer Nichtigkeitsbeschwerde angerufen werden. Der OGH entscheidet dann auch über eine Berufung wegen Strafe.

Im Strafrecht ist der Instanzenzug zweistufig.