
Die Niger-Kongo-Sprachen bilden eine Familie von fast 1400 Sprachen, die von etwa 400 Millionen Menschen im westlichen, zentralen, östlichen und südlichen Afrika gesprochen werden. Das Verbreitungsgebiet reicht von der Westspitze Afrikas bei Dakar östlich bis Mombasa und südlich bis Kapstadt.
Das Niger-Kongo ist eine der vier von Joseph Greenberg etablierten Spracheinheiten Afrikas, die anderen sind das Afroasiatische, das Nilosaharanische und die Khoisan-Sprachen. (Siehe den Artikel Afrikanische Sprachen.) Die Niger-Kongo-Sprachen grenzen im Nordwesten und äußersten Nordosten an afroasiatische, im zentralen und östlichen Sudangebiet an nilosaharanische Sprachen. Im Südwesten bilden die Khoisan-Sprachen eine Enklave im Niger-Kongo-Gebiet. Die bedeutendste Untergruppe des Niger-Kongo sind die Bantusprachen, die im südlichen Teil des Niger-Kongo-Gebietes von Ostnigeria bis Südafrika gesprochen werden. (Siehe Karte.)
Zur Bezeichnung
Die früher auch verwendete und auf Joseph Greenberg (1955, 1963) zurückgehende Bezeichnung Niger-Kordofanisch suggeriert eine Zweiteilung der Sprachfamilie in das Kordofanische und die restlichen Niger-Kongo-Sprachen. Da die fünf Primärzweige des Niger-Kongo (siehe unten) heute aber als gleichrangig betrachtet werden, hat sich die ursprüngliche - 1949 ebenfalls von Greenberg eingeführte - Bezeichnung Niger-Kongo wieder allgemein durchgesetzt.
Vor den Arbeiten Greenbergs wurden die Nicht-Bantu-Sprachen des Niger-Kongo als westsudanische Sprachen bezeichnet, deren genetische Einheit erkannt wurde (z.B. Westermann 1927). Die Erkenntnis, dass die Bantu-Sprachen mit den westsudanischen Sprachen genetisch verwandt sind, setzte sich erst durch Greenbergs Arbeiten (1949) durch, allerdings kam auch Westermann etwa gleichzeitig zu dieser Ansicht. Greenberg klassifizierte die Bantusprachen als eine Unter-Unter-Einheit des Niger-Kongo, was heute allgemein akzeptiert wird.
Zur Statistik
Mit 1400 Sprachen (die in viele tausend Dialekte zerfallen) bildet Niger-Kongo die sprachenreichste Sprachfamilie der Welt, gefolgt vom Austronesischen mit 1100 und dem Transneuguinea-Phylum mit 550 Sprachen. Nach der Zahl seiner Sprecher (370 - 400 Mio.) nimmt Niger-Kongo - allerdings mit großem Abstand - den dritten Rang nach Indogermanisch (2,7 Mrd.) und Sinotibetisch (1,3 Mrd.) ein.
Etwa 45% der Bevölkerung Afrikas sprechen eine Niger-Kongo-Sprache, 70% aller afrikanischen Sprachen gehören zur Niger-Kongo-Gruppe. Die größte homogene Untergruppe des Niger-Kongo sind die Bantusprachen mit 500 eng verwandten Sprachen und 210 Mio. Sprechern. Die durchschnittliche Sprecherzahl der Niger-Kongo-Sprachen beträgt nur knapp 300.000, die Familie weist also eine relativ hohe Diversität auf.
Die großen Niger-Kongo-Sprachen
Es gibt etwa 35 bedeutende Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens drei Millionen Sprechern, 23 davon sind Bantusprachen. Viele dieser "großen" afrikanischen Sprachen sind sogenannte Verkehrssprachen, die nicht nur muttersprachlich (als Erstsprache) erlernt, sondern von vielen Sprechern als Zweit- oder Drittsprache erworben werden, um eine Kommunikation in einem größeren Gebiet über die engen Sprachgrenzen einzelner Volksgruppen und Stämme hinweg zu ermöglichen. Bei manchen Sprachen ist der Anteil der Zweitsprecher größer als der der Erstsprecher (z.B. Swahili).
Die Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens 3 Mio. Sprechern sind hier mit Angabe ihrer Sprecherzahl (inklusive der Zweitsprecher), ihrer Kurzklassifikation (siehe den folgenden Abschnitt zur Klassifikation) und ihres Verbreitungsgebietes aufgeführt.
Niger-Kongo-Sprachen mit mindestens 3 Millionen Sprechern
Sprache | Alternativ- Name |
Sprecher- zahl |
Klassifizierung | Hauptverbreitungsgebiet |
---|---|---|---|---|
Swahili | Kisuaheli | 30–40 Mio | Volta-Kongo, Bantu G40 | Tansania, Uganda, Ruanda, Burundi, Kongo, Mosambik |
Yoruba | Yariba | 20-30 Mio | Volta-Kongo, Yoruboid | Südwest-Nigeria, Benin, Togo |
Fulfulde | Ful, Peul | 22 Mio | Atlantisch | Niger, Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Benin, Togo, Mali |
Igbo | Ibo | 18 Mio | Volta-Kongo, Igboid | Südost-Nigeria |
Shona | Chishona | 11 Mio | Volta-Kongo, Bantu S10 | Simbabwe, Sambia |
Zulu | Isizulu | 10 Mio | Volta-Kongo, Bantu S40 | Südafrika, Lesotho, Swasiland, Malawi |
Nyanja | Chichewa | 10 Mio | Volta-Kongo, Bantu N30 | Malawi, Sambia, Mosambik |
Bambara | Bamanakan | 10 Mio | Mande | Mali, Burkina Faso, Gambia, Elfenbeinküste |
Akan | Fante-Twi | 10 Mio | Volta-Kongo, Kwa | Ghana, Elfenbeinküste |
Lingala | Ngala | 9 Mio | Volta-Kongo, Bantu C40 | Kongo, Kongo-Brazzaville |
Wolof | Ouolof | 8 Mio | Atlantisch | Senegal; auch Gambia, Mali |
Rwanda | Kinyarwanda | 8 Mio | Volta-Kongo, Bantu J60 | Ruanda, Burundi, Uganda, Kongo |
Xhosa | Isixhosa | 7,5 Mio | Volta-Kongo, Bantu S40 | Südafrika, Lesotho |
Mòoré | Mossi | 7 Mio | Volta-Kongo, Gur | Burkina Faso; Benin, Togo, Mali |
Luba-Kasai | Chiluba | 6,5 Mio | Volta-Kongo, Bantu L30 | Kongo |
Gikuyu | Kikuyu | 5,5 Mio | Volta-Kongo, Bantu E20 | Kenia |
Kituba | Kutuba | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu H10 | Kongo, Kongo-Brazzaville (Kongo-basierte Kreolsprache) |
Ganda | Luganda | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu J10 | Uganda |
Rundi | Kirundi | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu J60 | Burundi, Ruanda, Uganda |
Makhuwa | Makua | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu P30 | Mosambik |
Sotho | Sesotho | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu S30 | Lesotho, Südafrika |
Tswana | Setswana | 5 Mio | Volta-Kongo, Bantu S30 | Botswana, Südafrika |
Ewe | Eibe, Gbe | 5 Mio | Volta-Kongo, Kwa | Ghana, Togo |
Jula | Dioula | 4 Mio | Mande | Burkina-Faso, Elfenbeinküste |
Mbundu | Umbundu | 4 Mio | Volta-Kongo, Bantu R10 | Angola (Benguela) |
Pedi | Sepedi, Nord-Sotho | 4 Mio | Volta-Kongo, Bantu S30 | Südafrika, Botswana |
Luyia | Luluyia | 3,6 Mio | Volta-Kongo, Bantu J30 | Kenia |
Bemba | Chibemba | 3,6 Mio | Volta-Kongo, Bantu M40 | Sambia, Kongo |
Tsonga | Xitsonga | 3,3 Mio | Volta-Kongo, Bantu S50 | Südafrika, Mosambik, Simbabwe |
Sukuma | Kisukuma | 3,2 Mio | Volta-Kongo, Bantu F20 | Tansania |
Malinke | Maninkakan | 3 Mio | Mande | Senegal, Guinea, Mali |
Kamba | Kikamba | 3 Mio | Volta-Kongo, Bantu E20 | Kenia |
Mbundu | Kimbundu | 3 Mio | Volta-Kongo, Bantu H20 | Angola (Luanda) |
Sango | Sangho | 3 Mio | Volta-Kongo, Ubangi | Zentralafrik. Rep. (Ngabandi-basierte Kreolsprache) |
Efik | Calabar | 2-3 Mio | Volta-Kongo, Cross River | Nigeria (Cross River State) |
Die Sprecherzahlen basieren auf dem unten angegebenen Weblink zu Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen. Kongo steht für die Demokratische Republik Kongo, Kongo-Brazzaville für die Republik Kongo.
Die Klassenpräfixe für Bantu-Sprachnamen (z.B. ki-, chi-, lu-, se-, isi-) werden in der sprachwissenschaftlichen Literatur heute üblicherweise nicht mehr verwendet. Auch in diesem Artikel wird die Kurzform ohne Präfix benutzt, also z.B. Ganda statt Luganda; die Langform mit Präfix ist als Alternativname angegeben. Die Nummern der Bantusprachen (z.B. G40) geben die Einteilung in die Guthrie-Zonen wieder (G40 = Zone G, Zehnergruppe 40; siehe Bantusprachen).
Niger-Kongo und seine Untereinheiten
Das Niger-Kongo ist nachweislich eine genetische Einheit, also eine Sprachfamilie, deren Sprachen phonologische, grammatische und lexikalische Gemeinsamkeiten aufweisen, die nur dadurch zu erklären sind, dass alle Sprachen von einer gemeinsamen Vorgängersprache, dem Proto-Niger-Kongo abstammen. Den wichtigsten - wenn auch nicht ersten - Schritt zu dieser Erkenntnis vollzog Joseph Greenberg 1948 vor allem auf lexikalischer Basis (sog. lexikalischer Massenvergleich), seine Ergebnisse und Unterklassifikationen - die er in seinem Buch von 1963 zusammenfasste - wurden zwar in Details korrigiert, haben aber im Wesentlichen bis heute Bestand und sind die Basis für zukünftige Forschungsarbeiten. Allerdings wurde wegen des riesigen Umfangs des Niger-Kongo bisher keine Protosprache für die Gesamtfamilie rekonstruiert (deren Alter mit mindestens 10.000 Jahren angesetzt wird), es gibt lediglich Rekonstruktionen für einzelne Untergruppen, am gründlichsten für die Bantusprachen. Nach aktuellem Forschungsstand besitzt das Niger-Kongo fünf Primärzweige, von denen der umfassende Volta-Kongo-Zweig seinerseits viele Untereinheiten aufweist, unter anderem die Bantusprachen.
Die Primärzweige des Niger-Kongo
Nach der aktuellen Klassifikation von Williamson-Blench (2000) besitzt das Niger-Kongo fünf Primärzweige: Kordofanisch, Mande, Atlantisch, Dogon, Ijoid und Volta-Kongo. Die folgende Tabelle gibt Aufschluss über Anzahl der Sprachen, Sprecherzahlen und geographische Verbreitung der Primärzweige.
Die fünf Primärzweige des Niger-Kongo
Zweig | Anzahl Sprachen |
Anzahl Sprecher |
Hauptverbreitungsgebiet |
---|---|---|---|
Kordofanisch | 23 | 0,3 Mio | Sudan (Staat): Nuba-Berge |
Mande | 59 | 21 Mio | Westafrika: Mali, Guinea, Liberia, Elfenbeinküste |
Atlantisch | 50 | 27 Mio | Westafrika: Senegal, Gambia, Guinea, Sierra Leone |
Dogon | 1 | 0,6 Mio | Mali, Burkina Faso |
Ijoid | 10 | 1,6 Mio | Nigeria: Niger-Delta |
Volta-Kongo | 1253 | 322 Mio | West-, Zentral- und Südafrika |
Die Angaben zu den Sprachen- und Sprecherzahlen basieren auf dem unten angegeben Weblink "Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen". Für diese Zahlen gelten die üblichen Vorsichtsregeln (dazu ausführlich der Artikel Sprachfamilien der Welt).
Es ist nun nicht davon auszugehen, dass alle Primärzweige sich gleichzeitig aus dem Proto-Niger-Kongo abgespalten haben. Nach dem aktuellen Forschungsstand (Williamson und Blench in Heine-Nurse 2000) geht man auf Grund sprachvergleichhender Untersuchungen davon aus, dass das Kordofanische sich als erste Gruppe abgetrennt hat, gefolgt vom Mande- und Atlantik-Zweig (hier kann man bisher keinen zeitlichen Unterschied erkennen). Von diesem Rest trennten sich dann die kleinen Gruppen Ijo und Dogon, die schließlich den großen Primärzweig Volta-Kongo zurückließen. Damit ergibt sich der folgende "diachronische" Stammbaum:
- Niger-Kongo
- Kordofanisch
- Mande-Atlantik-Kongo
- Mande
- Atlantik
- Ijo-Dogon-Kongo
- Ijoid
- Dogon-Kongo
- Dogon
- Volta-Kongo
Angaben über die absolute Chronologie der Abspaltungen sind äußerst schwierig. Das Proto-Niger-Kongo hat mindestens ein Alter von 10.000 Jahren, die letzte große Abspaltung aus dem Volta-Kongo - die Entstehung der Bantusprachen - wird etwa auf 3000 bis 2500 v. Chr. angesetzt. Dazwischen - also in einem Zeitraum von 5000 Jahren - sind die Abspaltungen der Primärzweige in der skizzierten Reihenfolge zu positionieren.
Angaben über die Urheimat des Niger-Kongo sind in der Literatur äußerst spärlich. Wahrscheinlich ist aber der Bereich des westlichen Sudan (also das subsaharanische westliche Afrika), in dem die Niger-Kongo-Sprachen auch heute noch ihre größte Diversität zeigen. Das weit im Osten davon angesiedelte Kordofanische muss dann auf eine frühe Auswandererung zurückgehen. Die Ausbreitung über das ganze mittlere und südliche Afrika erfolgte nahezu ausschließlich durch die Sprecher der Bantusprachen.
Kordofanisch
Das Kordofanische besteht aus einer kleinen Gruppe von etwa 25 Sprachen mit zusammen 320.000 Sprechern, die im Gebiet der Nuba-Berge in der Republik Sudan gesprochen werden. Dieses Gebiet stellt eine Exklave des ansonsten weitgehend zusammenhängenden Niger-Kongo-Gebietes dar, es ist ganz von nilosaharanischen Sprachen umgeben. Die Kordofaner waren und sind stark vom Bürgerkrieg und den ethnischen Säuberungen im Sudan betroffen - wie alle nichtarabischen Bevölkerungsgruppen -, und es ist ungewiss, wieviele Sprecher noch in ihren angestammten Gebieten leben. Sicherlich wird sich ein bedeutender Teil auf der Flucht befinden oder in Flüchtlingslagern leben. Die bedeutenderen Sprachen sind Koalib, Tira, Moro, Dagik-Ngile und Tegali, diese sprachen haben etwa 30 - 40.000 Sprecher. Von keiner kordofanische Sprache gibt es bisher eine umfassende grammatische Beschreibung, eine Rekonstruktion des Proto-Kordofanischen war deswegen bisher nicht möglich.
Das Kordofanische hat sich als erste Gruppe vom Niger-Kongo abgespalten und weist nur geringe gemeinsame Merkmale mit anderen Niger-Kongo-Sprachen auf. Diese reichen aber aus, um die Zugehörigkeit zur Familie zu belegen. So zeigten Greenberg (1963) und Schadeberg (1981), dass sich die Nominalklassenaffixe der kordofanischen Sprachen regulär auf die der übrigen Niger-Kongo-Sprachen beziehen lassen (einen Eindruck davon gibt die folgende Tabelle). Nach Greenberg zerfällt das Kordofanische in fünf Untergruppen (Heiban, Talodi, Rashad, Katla und Kadugli-Krongo). Die letzte Untergruppe - Kadugli-Krongo oder Kadu - wird heute allgemein als ein Zweig der nilosaharanischen Sprachen klassifiziert. Greenberg hatte zeitweise Kordofanisch als einen der beiden Hauptzweige der gesamten Familie aufgefasst - was es historisch ja auch ist -, das führte zum heute wieder aufgegebenen Namen Niger-Kordofanisch, der außerhalb der Fachliteratur noch häufig verwendet wird.
Die folgende Tabelle (nach Schadeberg 1981) gibt einen Vergleich zwischen den Nominalpräfixen kordofanischer Sprachen mit den Nominalaffixen anderer Niger-Kongo-Gruppen.
Nominalpräfixe der kordofanischen Sprachen im Vergleich
Sprachgruppe | 1 Mann, Frau | 3 Baum, Holz | 4 Plural zu 3 | 5 Kopf, Name | 6 Plural zu 5 | 7 Blut, Wasser |
---|---|---|---|---|---|---|
Heiban | gu- | gu- | j- | li- | ŋu- | ŋ- |
Talodi | b- | b- | g- | j- | m- | ŋ- |
Rashad | w- | w- | y- | y- | ŋ- | ŋ- |
Atlantisch | gu- | gu- | ci- | de- | ga- | ma- |
Gur | -a | -bu | -ki | -de | -a | -ma |
Kwa (Togo) | o- | o- | i- | li- | a- | n- |
Benue-Kongo | u- | u- | ti- | li- | a- | ma- |
Bantu | mu- | mu- | mi- | di- | ma- | ma- |
Mande
Die Mande-Sprachen haben sich ebenfalls relativ früh von den übrigen Niger-Kongo-Sprachen abgespalten und weisen etliche spezifische Merkmale auf. Ihre Zugehörigkeit zum Niger-Kongo ist heute aber unbestritten. Die etwa 60 Mande-Sprachen werden von rund 22 Mio. Menschen im Westsudangebiet in den Staaten Mali, Guinea, Liberia und Elfenbeinküste gesprochen. Sie zerfallen in zwei Hauptzweige, das größere West-Mande mit 19 Mio. Sprechern (sein Kern sind die Mandingo-Sprachen) und Ost-Mande mit nur 2 Mio. Sprechern. Die folgende Klassifikation der Mande-Sprachen enthält auch die bedeutenderen Sprachen der Gruppe mit ihrer Sprecherzahl. Eine vollständige Klassifikation aller Mande-Sprachen bietet der unten angegebene Weblink.
- Mande
- West-Mande (43 Sprachen; 19 Mio Sprecher)
- Zentral-Südwest
- Zentral
- Mandingo-Jogo
- Jogo-Jeri
- Mandingo-Vai
- Mandingo
- Ost: Bambara (Bamanankan) (2.8 Mio), Jula (Dyula) (2.5 Mio, S2 4 Mio), Maninka (2.5 Mio)
- West: Mandinka (1.2 Mio), Malinke (Maninkakan) (3 Mio), Kita-Malinke (200 Tsd), Kasonke (130 Tsd)
- Mokole: Kuranko (300 Tsd)
- Kono-Vai: Kono (200 Tsd), Vai (100 Tsd)
- Mandingo
- Susu-Yalunka: Susu (1 Mio), Yalunka (150 T)
- Mandingo-Jogo
- Südwest
- Kpelle: Kpelle (800 Tsd)
- Loma-Mende: Loma (140 Tsd), Toma (140 Tsd); Mende (1.5 Mio, S2 2 Mio), Loko (120 Tsd), Bandi (120 Tsd)
- Zentral
- Nordwest
- Dzuun-Seeku
- Soninke-Bobo: Soninke (1.1 Mio), Boso (120 Tsd); Bobo Fing (Bobo Madare) (230 T)
- Zentral-Südwest
- Ost-Mande (16 Sprachen, 2.5 Mio Sprecher)]
- Ost: Bissa (500 Tsd), Boko (110 T); Samo (230 Tsd)
- Südost
- Guro-Dan: Guro (Kweni) (330 Tsd), Mano (250 T); Dan (Yakuba, Gio) (1 Mio)
- Nwa-Ben
- West-Mande (43 Sprachen; 19 Mio Sprecher)
Die Mande-Sprachen besitzen keine Nominalklassen, weswegen ihre Zugehörigkeit zum Niger-Kongo häufiger in Frage gestellt wurde. Die Sprachen der Südwestgruppe haben einen unkonditionierten konsonantischen Anlautwechsel. Die meisten Mande-Sprachen sind Tonsprachen mit bis zu drei Tonebenen, der Ton wird auch zur Unterscheidung von Singular und Plural eingesetzt und ist eher an Morpheme als an einzelne Silben gebunden. Es gibt freie und gebundene Nomina, letztere werden grundsätzlich von einem Possesivpronomen begleitet; dazu gehören die Verwandtschaftsbezeichnungen und Namen von Körperteilen (also grundsätzlich "meine, deine ... Hand", aber nicht "die Hand").
Einige Mandevölker in Sierra Leone und Liberia haben eine eigene Silbenschrift entwickelt, zunächst die Vai (bereits 1849 von S.W. Koelle entdeckt), später auch die Mende, Loma und Kpelle. Schon frühzeitig haben einige Mandevölker große Reiche in Mali und benachbarten Staaten gegründet, so beherrschten die Soninke vom 8. bis 11. Jhdt. das sog. Ghana-Reich (innerhalb des heutigen Mali, das heutige Ghana hat außer seinem Namen keine Beziehung zu diesem Reich), im 13. Jhdt. gründen die Malinke das Reich Mali (dessen Name von "Malinke" abgeleitet ist), die heutige Verkehrssprache in Mali ist das Bambara, ebenfalls eine Mande-Sprache aus der Mandingo-Gruppe.
Atlantisch
Die etwa 50 atlantischen Sprachen (von Greenberg "westatlantisch" genannt) werden von der Mündung des Senegal entlang der atlantischen Küste bis Liberia - vor allem in den heutigen Staaten Senegal, Gambia, Guinea, Sierra Leone, Mali, Niger, Nigeria, Ghana und Burkina Faso - von etwa 27 Mio. Menschen gesprochen. Die mit Abstand wichtigste atlantische Sprache ist das Ful (auch Fula, Fulani, Fulfulde, Pulaar oder Peul genannt), deren Dialekte von 18 Mio. Muttersprachlern und von mindestens weiteren 4 Mio. Zweitsprechern gesprochen werden (siehe unten die Gliederung der Ful-Dialekte). Die Fulani sind ein altes westafrikanisches Hirtenvolk, das in einem großen Bereich im subsaharanischen westlichen Afrika siedelt bzw. nomadisiert, Schwerpunkte sind heute (von Ost nach West) die Staaten Niger, Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Benin, Togo, Mali, Guinea, Senegal, Mauretanien und Gambia. Weitere nordatlantische Hauptsprachen sind das dem Ful nah verwandte Wolof (8 Mio. mit Zweitsprechern, die Hauptsprache des Senegal), das Serer-Sine mit 1,2 Mio Sprechern und das südatlantische Temne (1,5 Mio Sprecher, Sierra Leone).
Das Atlantische zerfällt in drei Hauptzweige: Nord-Atlantisch mit 24,5 Mio der größte Zweig, Süd-Atlantisch (2,5 Mio) und die isolierte Sprache Bijago, die auf den Guinea-Bissau vorgelagerten Bijago-Inseln gesprochen wird und keinem der beiden großen Zweige zugeordnet werden kann. Das Atlantische hat sich schon früh - etwa gleichzeitig mit den Mande-Sprachen - von der Hauptlinie des Niger-Kongo abgespalten. Die Klassifikation des Atlantischen folgt dem unten angegebenen Weblink (nach Williamson-Blench 2000), die größeren Sprachen sind aufgeführt.
Klassifikation des Atlantischen
- Atlantisch
- Nord-Atlantisch (33 Sprachen mit 25 Mio Muttersprachlern, fast 35 Mio mit Zweitsprechern)
- Sene-Gambia
- Ful-Wolof: Ful (18 Mio, mit Zweitsprechern 22 Mio), Wolof (3,7 Mio, 8 Mio mit Zweitsprechern)
- Serer: Serer-Sine (1,2 Mio)
- Cangin: Saafi-Saafi (100 Tsd)
- Baak: Balanta-Kentohe (350 Tsd), Balanta-Ganja (100 Tsd); Mandjak (210 Tsd), Papel (120 Tsd)
- Ost-Senegal-Guinea
- Nalu-Mbulungi
- Sene-Gambia
- Süd-Atlantisch (16 Sprachen mit 3 Mio Sprechern)
- Mel
- Temne-Baga: Temne (1,5 Mio)
- Gola: Gola (110 Tsd)
- Bullom-Kissi: Kissi (Kisi, Gisi) (550 Tsd), Sherbro (Bullom) (135 Tsd)
- Sua
- Limba: Limba (350 Tsd)
- Mel
- Bijago: Bijago (25 Tsd)
- Nord-Atlantisch (33 Sprachen mit 25 Mio Muttersprachlern, fast 35 Mio mit Zweitsprechern)
Die folgende Übersicht ordnet die Dialektgruppen des Fulfulde und gibt ihre Sprecherzahlen und Verbreitungsgebiete an.
Die Dialekte des Fulfulde
- Ful (Fula, Fulfulde, Fulani, Pulaar, Peul) (18 Mio Muttersprachler, 22 Mio mit Zweitsprechern)
- Ost-Fulfulde
- Zentral-Ost-Niger-Fulfulde (500 Tsd)
- West-Niger-Burkina-Faso-Fulfulde (1,2 Mio)
- Dialekte: Barani, Gawobe, Gourmantche, Jelgooij, Liptaako, Bogande, Gelaajo, Seeba-Yaga, Dallol-Boso, Bitinkore
- Nigeria-Fulfulde (8 Mio) Dialekte: Kano-Katsina, Bororo, Sokoto u.a.
- Adamawa-Fufilde (Kamerun) (1 Mio): Dialekte: maroua, Garoua, Ngaonder, Kanmbarire, Bilkiri u.a.
- Bagirmi-Fulfulde (Tschad) (200 Tsd)
- West-Fulfulde
- Borgu (Benein-Togo) (350 Tsd)
- Maasina-Fulfulde (Mali) (1 Mio) Dialekte: Maasina, Douenza, Seeno u.a
- Fuuta Jalon (Guinea, Mali) (3 Mio) Dialekte: Kebu Fula, Fula Peta
- Pulaar (Senegal, Mauretanien, Gambia (3 Mio) Dialekte: Tukulor (ethnisch Wolof), Futa Tooro = Jeeri, Fulacunda
- Ost-Fulfulde
Die atlantischen Sprachen besaßen ursprünglich ein voll ausgebildetes Nominalsystem, das durch Präfixe und Augmente (Prä-Präfixe) markiert wurde und über Konkordanz auf den gesamten Satz wirkte. Die Klassenpräfixe wurden später häufig abgeschliffen und durch Suffixe oder Augmente ersetzt. Der Wechsel des Anlautkonsonanten hat grammatische Bedeutung, häufig kennzeichnet er die Pluralbildung. Die übliche Satzstellung ist SVO, es werden in der Regel Präpositionen verwendet. Die Nominalphrase steht das bestimmte Nomen vorn, also Nomen + Genitiv, Nomen + Numerale, Nomen + Demonstrativum. Die genaue Ausprägung ist sprachabhängig.
Die Nominalklassensysteme der atlantischen Sprachen sind oft sehr komplex und in ihrer Struktur durchaus unterschiedlich. Das Ful hat 20 bis 25 Nominalklassen mit den dazugehörigen Konkordanzzeichen, das Serer unterscheidet 16 Nominalklassen durch Präfixe und Suffixe, das Wolof hat ein Konkordanzsystem, aber keine Klassenzeichen am Nomen. Von den Cangin-Sprachen (Saafi, Noon, Lehar, Ndut, Falor) haben die ersten drei ein sehr reduziertes Klassensystem, gekennzeichnet durch Suffixe, Ndut und Falor haben keine Konkordanz mehr. Die Bak-Sprachen besitzen bis zu 19 Nominalklassen, Konsonantenwechsel kommt nur im Mandjak und Papel vor. Diese kleine Auflistung (nach De Wolf 1981) zeigt die große Vielfalt der grammatischen Ausprägungen atlantischer Sprachen, die bei einigen Forschern auch dazu geführt hat, die südatlantische Gruppe als einen selbständigen Primärzweig des Niger-Kongo zu betrachten. Für die Einbettung des Atlantischen in das Niger-Kongo spricht die Ähnlichkeit mancher atlantischer Klassenpräfixe mit denen des Bantu:
- be- Plural von Lebewesen, vgl. Bantu ba-
- mo-, wo- Singular von Lebewesen, vgl. Bantu mu-
- ma- Kollektiva, vgl. Bantu ma-
Zum Anlautwechsel und seiner Funktion folgen einige Beispiele aus dem Fulfulde (siehe ausführlicher im Artikel Fulfulde). Die Nomina des Fulfulde sind zunächst in die Klassen human (Personenklasse) und nicht-human (Sachklasse) einzuteilen. Der Plural wird bei den Nomina der Personenklasse durch folgenden Anlautwechsel gebildet:
- b > w/g, ch > s, d > r, g > w/y, j > y, k > h, p > f.
Bei der Pluralbildung für Nomina der Sachklasse erfolgt genau die umgekehrte Veränderung:
- w > b/g, h > k, s > ch, f > p, y > j/g, r > d.
Nasalierte Anlautkonsonanten (mb, nd, ng) ändern sich nicht, Nomina der Personenklasse mit Singular auf /-o/ bilden den Plural zusätzlich zur Anlautveränderung durch das Suffix /-mpe/ oder /-en/. Dazu einige Beipiele:
- gorko "männliche Person" > Plural worbe
- wordu "Hund" > Plural gordi
- debbo "Frau" > Plural reube
- reuro "Hündin" > Plural debbi
- konowo "Krieger" > Plural honombe (sowohl Anlautwechsel als auch Endung /-mbe/)
Diese Beispiele zeigen, dass außer dem Anlautwechsel in der Regel weitere Lautänderungen erfolgen, die Pluralform also letztlich lexikalisch ist.
Dogon
Das Dogon ist innerhalb des Niger-Kongo eine isolierte Sprache, die einen eigenen Primärzweig bildet. Alle Versuche, sie anderen Gruppen zuzurechnen, sind bisher fehlgeschlagen. Dogon wird von rund 600.000 Menschen in Mali und Burkina Faso gesprochen. Das Zentrum der Dogonkultur ist das Dogon-Land in Zentral-Mali mit dem Hauptort Bandiagara (etwa 60 km östlich von Mopti am Niger). Die Dogon haben gegenüber dem Islam lange ihre eigenständige afrikanische Religion behaupten können, inzwischen werden allerdings immer mehr Dörfer islamisiert. Viele Dogon - vor allem die Männer und jungen Leute - beherrschen auch die Verkehrssprache Bambara (eine Mande-Sprache).
Ob das Dogon eine einzige Sprache mit vielen, teilweise recht abweichenden Dialekten oder eine kleine Sprachfamilie mit etwa fünf bis acht Sprachen ist, lässt sich kaum endgültig entscheiden. Hier wird es als eine Sprache betrachtet. Das Dogon lässt sich in 5 Hauptdialektgruppen und drei kleinere Einzeldialekte gliedern (nach Heine-Nurse 2000):
Klassifikation der Dogon-Dialekte
- Dogon
- Ebene: Jamsay Tegu, Toro Tegu, Tene Ka, Tomo Ka
- Falaise: Toro Soo, Tombo Soo, Kamba Soo
- West: Duleri Dom, Ejenge Dom
- Nordwest: Bangeri Me
- Nordplateau: Bondum Dom, Dogul Dom
- Yanda Dom
- Oru Yille
- Naya Tegu
Das Nominalklassensystem ist in Resten erhalten, allerdings gibt es keine Klassenpräfixe. Bezeichnungen für menschliche Wesen haben spezielle Pluralsuffixe. Es gibt ein grundlegendes Paradigma der Personalpronomina, von dem Objekt- und Possessivpronomina abgeleitet sind. Die Satzstellung ist SOV. Das Nomen steht vor seinem Attribut, Possessivum, Numerale und Demonstrativum.
Wie viele andere afrikanische Sprachen, besitzt auch das Dogon komplexe Grußformeln, die selbst bei flüchtigen Begegnungen angewandt werden. Ein Standardbeispiel:
- aga po seo? "Wie geht es dir?" Die angesprochene Person antwortet seo! "es geht (gut)"
- oumana seo? "Wie geht es deiner Familie?" seo!
- ounou seo? "Wie geht deinen Kindern?" seo!
- yahama seo? "Wie geht deiner Frau?" seo!
Dann werden die Rollen getauscht, der Antworter stellt die Fragen. Natürlich werden die Formulierungen dem Alter und Geschlecht der angesprochenen Person angepasst, mit den Fragen beginnt immer der Ranghöhere.
Ijoid
Ijoid ist eine kleine Familie von etwa 10 Sprachen, die von rund 1,6 Mio. Menschen im Niger-Delta in Nigeria gesprochen werden. Es besteht einerseits aus dem Defaka, das nur noch 200 Sprecher hat, andererseits aus dem Ijo-Dialektkontinuum. Dazu gehören außer dem eigentlichen Ijo oder Izon (1 Mio Sprecher) Kalabari und Kirike mit jeweils 250.000 Sprechern und sechs kleinere Sprachen.
Klassifikation der Ijoid-Sprachen
- Ijoid
- Ijo
- Zentral: Izon (1 Mio); Biseni, Okodia, Oruma
- Ost: Kalabari (250 Tsd), Kirike (250 Tsd), Ibani (60 Tsd); Nkoro; Nembe-Akassa (70 Tsd)
- Defaka: Defaka (Afakani) (200)
- Ijo
Die Ijoid-Sprachen sind untereinander eng verwandt und bilden - abgesehen vom Defaka - ein Dialektkontinuum. Von den anderen Niger-Kongo-Sprachen unterscheiden sie sich deutlich durch mehrere Merkmale. Das Nominalklassensystem ist noch in Resten erhalten, für "menschliche Wesen" entstanden neue Klassensuffixe. Die Pronomina haben ein Genussystem ausgebildet (Maskulinum, Femininum, teilweise Neutrum), was ansonsten für Niger-Kongo-Sprachen völlig unüblich ist. Die Satzstellung ist wie beim Mande und Dogon SOV, während sonst im Niger-Kongo eher SVO bevorzugt wird (dazu Claudi 1993).
Volta-Kongo
Übersicht
Volta-Kongo stellt mit Abstand den größten und komplexesten Primärzweig des Niger-Kongo dar. Er besteht nach dem aktuellen Forschungsstand (Williamson-Blench 2000) aus den beiden Hauptzweigen Nord-Volta-Kongo mit 276 Sprachen und 28 Mio. Sprechern und dem Süd-Volta-Kongo (auch Kwa-Benue-Kongo) mit 977 Sprachen und fast 300 Mio. Sprechern.
Nord-Volta-Kongo gliedert sich in die Zweige Kru, Gur, Senufo und Adamawa-Ubangi. Das nach seiner Sprecherzahl etwa zehn mal so große Süd-Volta-Kongo hat die Haupteinheiten Kwa (das "westliche Kwa" nach Greenberg) und Benue-Kongo, das wiederum in West-Benue-Kongo (Greenbergs "Ost-Kwa") und Ost-Benue-Kongo ("Benue-Kongo" nach Greenberg) zerfällt. Ob die Benue-Kongo-Sprachen insgesamt - wie seit Greenberg allgemein angenommen und in Bendor-Samuel 1989 dargestellt - eine gültige genetische Einheit ausmachen, ist bisher nicht eindeutig geklärt.
Die etwa 75 (westlichen) Kwa-Sprachen werden in der Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin und Nigeria von rund 21 Mio. Menschen gesprochen, das West-Benue-Kongo (bestehend aus Yoruboid, Edoid, Igboid, Nupoid, Idomoid und kleineren Gruppen) in Togo, Benin und Süd-Nigeria (73 Sprachen mit 48 Mio. Sprechern), Ost-Benue-Kongo hat insgesamt 829 Sprachen mit 225 Mio. Sprechern und gliedert sich in die beiden Hauptgruppen Zentral-Nigerianisch (unter anderem Kainji, Plateau-Sprachen, Jukunoid) und Bantoid-Cross. Zum Cross-River zählen 66 Sprachen mit 6 Mio Sprechern, sie werden in Südost-Nigeria und Kamerun gesprochen. Das Bantoid enthält alle ca. 500 Bantusprachen, zusätzlich einige in Süd-Nigeria und Kamerun gesprochene Gruppen (Jarawa, Tivoid, Ekoid, Grasland u.a.), die eng mit den Bantusprachen verwandt sind.
Weitere Details über das Volta-Kongo und seine Untergruppen sind dem folgenden Stammbaum, der tabellarischen Übersicht und den folgenden Abschnitten über die Hauptgruppen des Volta-Kongo zu entnehmen.
Klassifikation der Volta-Kongo Sprachen
- Volta-Kongo
- Nord-Volta-Kongo
- Kru
- Gur (Voltaisch)
- Senufo
- Adamawa-Ubangi
- Süd-Volta-Kongo oder Kwa-Benue-Kongo
- Kwa
- Benue-Kongo
- West-Benue-Kongo
- Yoruboid
- Edoid
- Igboid
- Nupoid
- Idomoid
- Ost-Benue-Kongo
- Zentral-Nigerianisch
- Kainji
- Plateau (mehrere genet. Einheiten)
- Tarokoid
- Jukunoid
- Bantoid - Cross River
- Cross River
- Bantoid
- Dakoid
- Mambiloid
- Süd-Bantoid
- Jarawa
- Tivoid
- Ekoid
- Grasland
- Bantu
- Zentral-Nigerianisch
- West-Benue-Kongo
- Nord-Volta-Kongo
Man erkennt, dass die große Gruppe der Bantusprachen genetisch innerhalb des Niger-Kongo nur eine Unter-Unter-Einheit darstellt. Die folgende Tabelle enthält für die größeren Untergruppen des Volta-Kongo-Zweiges die Anzahl der Sprachen und Sprecher, sowie die Hauptverbreitungsgebiete.
Die bedeutenden Untergruppen des Volta-Kongo-Zweiges
Unterzweig | Anzahl Sprachen |
Anzahl Sprecher |
Hauptverbreitungsgebiet |
---|---|---|---|
Kru | 29 | 2,3 Mio | Elfenbeinküste, Süd-Liberia |
Gur (Voltaisch) | 74 | 15 Mio | Mali, Elfenbein, Burkina Faso, Ghana, Togo, Nigeria |
Senufo | 15 | 2,7 Mio | Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Ghana |
Adamawa-Ubangi | 158 | 7,6 Mio | Nigeria, Kamerun, Zentralafrika, Tschad, Sudan |
Kwa | 75 | 21 Mio | Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benein, Nigeria |
Yoruboid | 14 | 22 Mio | Südwest-Nigeria, Benin, Togo |
Edoid | 26 | 2,6 Mio | Zentral-Süd-Nigeria |
Igboid | 7 | 19 Mio | Südost-Nigeria |
Nupoid | 11 | 3 Mio | West-Zentral-Nigeria |
Idomoid | 9 | 1,1 Mio | Süd-Nigeria |
Kainji | 54 | 1 Mio | Nordwest- und Nord-Zentral-Nigeria |
Plateau | 43 | 2 Mio | Nord-Zentral-Nigeria (keine genet. Einheit) |
Cross-River | 65 | 5,6 Mio | Nigeria: Cross-River-Staat; Kamerun |
Dakoid | 3 | 0,5 Mio | Ost-Nigeria |
Tivoid | 18 | 2,4 Mio | Ost-Nigeria, West-Kamerun |
Grasland | 67 | 2,5 Mio | West-Kamerun |
Bantu | 487 | 210 Mio | gesamtes mittleres und südliches Afrika |
Die Bezeichnung X-oid bezeichnet eine Hauptsprache X mit ihren nah verwandten Schwestersprachen, z.B. ist Igboid die Gruppe der mit dem Igbo unmittelbar verwandten Sprachen. In der Regel handelt es sich um Dialektkontinua. Manche Forscher werten solche Gruppen auch als eine einzige Sprache.
Kru
Die etwa 30 Kru-Sprachen gehören zum Nord-Volta-Kongo-Zweig, sie werden in der Elfenbeinküste und in Süd-Liberia von etwa 2,3 Mio. Menschen gesprochen. Der Name "Kru" ist offensichtlich eine Verballhornung des Sprachnamens "Klao", begünstigt durch englisch "crew", da die Kru-Leute früher häufig als Matrosen auf europäischen Schiffen arbeiteten. Westermann (1927) und Greenberg (1963) rechneten Kru zu den Kwa-Sprachen, Bennet und Sterk (1977) verlagerten es in den Nord-Volta-Kongo-Zweig. Die diskutierte Alternative ist eine unabhängige Position innerhalb des Volta-Kongo, also gleichrangig mit Nord- und Süd-Volta-Kongo; diese Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Marchese (1989) fügte die drei isolierten Sprachen Aizi, Kuwaa und Seme den Krusprachen hinzu. Die Klassifikation in diesem Artikel folgt Williamson-Blench 2000.
Kru gliedert sich in einen östlichen und einen westlichen Zweig und drei isolierte Sprachen. Die größeren Kru-Sprachen sind in der folgenden Klassifikation benannt.
Klassifikation der Kru-Sprachen
- Kru
- Ost-Kru
- Bakwe-Bane
- Bete: Gagnoa Bete (150 Tsd); Daloa Bete (130 Tsd), Guiberoua Bete (130 Tsd)
- Dida: Dida (200 Tsd)
- West-Kru
- Bassa: Bassa (350 Tsd)
- Grebo: Grebo (230 Tsd), Krumen (50 Tsd)
- Klao: Klao ("Kru") (200 Tsd)
- Guere: Guere (Wee) (320 Tsd), Krahn (60 Tsd), Sapo (30 Tsd); Konobo (50 Tsd); Wobe (160 Tsd)
- Aizi: Aizi (Tiegba und Abroko) (8 Tsd)
- Kuwaa: Kuwaa (13 Tsd)
- Seme: Seme (Siamou) (35 Tsd)
- Ost-Kru
Die Kru-Sprachen der beiden Hauptzweige sind untereinander sehr ähnlich, am weitesten abweichend ist das in Burkina Faso gesprochene Seme. Nominalklassensysteme sind kaum erhalten, der Plural wird durch Suffixe und Veränderung des Auslautvokals gebildet. In den Nominalphrasen gibt es Konkordanzstrukturen. Die Kru-Sprachen machen regen Gebrauch von Verbalerweiterungen, etwa zur Bildung von Kausativen, Benefaktiven, Inchoativen und dem Passiv. Die Personalpronomina unterscheiden in einigen Sprachen Femininum und Maskulinum in der 2. und 3. Person Singular, sonst gibt es keine Genusdifferenzierung. Die Satzstellung ist SVO, es werden Postpositionen verwendet. Während das "Genitivattribut" und das Possessivum vor dem bestimmten Nomen stehen, werden Adjektivattribut, Demonstrativum und Numerale dem Nomen nachgestellt.
Gur (Voltaisch)
Gur oder Voltaisch ist eine große Sprachfamilie von etwa 75 Sprachen, die in einem zusammenhängenden Territorium, das vom Südosten Malis über die nördliche Elfenbeinküste, Ghana, Togo und Benin bis nach Burkina Faso und Nigeria reicht, von zusammen etwa 15 Mio. Menschen gesprochen werden. Der Name "Gur" wurde 1895 von Gottlob Krause vorgeschlagen, da einige Sprachen dieser Gruppe die erste Silbe Gur- aufweisen (Gurma, Gurunsi, Gurenne). Die Bezeichnung "Voltaisch" nimmt Bezug auf den Fluss Volta, sie wird vor allem in der französischen Literatur verwendet (langues voltaïque). Die genetische Einheit der Kerngruppe "Zentral-Gur" ist seit langem unbestritten, die Zugehörigkeit einzelner Sprachen außerhalb dieses Kerns nach wie vor ungeklärt. Früher wurden auch Dogon und die Senufo-Gruppe zu den Gur-Sprache gerechnet (z.B. Bendor-Samuel 1971, De Wolf 1981), Dogon wird heute als isolierter Primärzweig des Niger-Kongo, Senufo als ein Parallelzweig des Gur innerhalb des Nord-Volta-Kongo angesehen. Die genetische Nähe der Gur-Sprachen zu den Kwa-Benue-Kongo-Sprachen gab den Anlass, innerhalb des Niger-Kongo die Einheit Volta-Kongo einzuführen.
Die mit Abstand bedeutendste Gur-Sprache ist das Mòoré, die Sprache der Mossi (mit 7 Mio. Sprechern einschließlich der Zweitsprecher). Es ist die Hauptverkehrssprache von Burkina Faso und wird auch in Mali, Togo, Benin und der Elfenbeinküste gesprochen. Andere bedeutende Gur-Sprachen mit mindestens 500.000 Sprechern sind Dagaari, Frafra, Dagbani, Kusaal, Gurma, Konkomba, Tem (Verkehrssprache in Togo), Kabiye, Lobiri und Bariba. Die größeren Sprachen sind in der folgenden Klassifikation aufgeführt, die auf Manessy (1975) basiert.
Klassifikation der Gur-Sprachen
- Gur
- Zentral-Gur
- Nord
- Oti-Volta
- Ost: Ditammari (120 Tsd)
- West
- Nordwest: Moore (7 Mio), Dagaari (1,1 Mio), Frafra (550 Tsd), Birifor (200 Tsd), Wali (100 Tsd)
- Südost: Dagbani (500 Tsd), Mampruli (230 Tsd), Kusaal (500 Tsd)
- Gurma: Gurma (800 Tsd), Moba (200 Tsd), Ntcham (150 Tsd), Konkomba (450 Tsd)
- Yom-Nawdm: Nawdm (150 Tsd)
- Buli-Koma: Buli (130 Tsd)
- Bwamu: Bwamu (100 Tsd), Bomu (West-Bwamu) (160 Tsd)
- Kurumfe: Kurumfe (Kurumba) 150 Tsd)
- Oti-Volta
- Süd
- Gurunsi: Tem (300 Tsd, mit Zweitspr. 1,2 Mio), kabiye (700 Tsd), Lama (180 Tsd), Lukpa (125 Tsd);
Kasem (200 Tsd), Lyele (250 Tsd), Nuni (220 Tsd); Sisaala (170 Tsd) - Kirma-Tyurama
- Lobi-Dyan: Lobiri (Miwa) (450 Tsd)
- Gan-Dogose
- Khe-Dogoso
- Gurunsi: Tem (300 Tsd, mit Zweitspr. 1,2 Mio), kabiye (700 Tsd), Lama (180 Tsd), Lukpa (125 Tsd);
- Nord
- Bariba: Bariba (Bargu) (560 Tsd)
- Kilango: Kulango (250 Tsd)
- Zentral-Gur
Folgende kleinere Einzelsprachen werden mit Vorbehalt auch dem Gur zugerechnet: Teen-Loma, Tiefo, Tusia, Viemo, Wara-Natioro.
Fast alle Gur-Sprachen haben ein Nominalklassensystem, die meisten zeigen Konkordanz. Durchschnittlich gibt es 11 Nominalklassen, die durch Suffixe markiert werden, einige Sprachen (z.B. Tem) besitzen noch Klassenpräfixe bei häufig vorkommenden Substantiven. Die Wortstellung im Satz ist SVO, in der Regel werden Postpositionen verwendet, nur "mit" ist in vielen Gur-Sprachen eine Präposition. "Genitivattribute" und Possessivpronomina stehen vor dem Nomen, das sie näher bestimmen, Adjektivattribute, Demonstrativa und Numerale folgen ihrem Nomen, wobei nicht immer Konkordanz herrscht. Einige Adjektive habern unabhängige Klassenpräfixe für Singular und Plural, die nicht in Konkordanz mit dem Nomen stehen. Die meisten Gur-Sprachen sind Tonsprachen mit zwei bis drei Tonhöhen, das Bariba besitzt sogar 6 differenzierte bedeutungsrelevante Tonvarianten.
Senufo
Die Senufo-Sprachen bilden eine kleine Gruppe von 15 nah verwandten Sprachen mit 2,7 Mio. Sprechern. Ihr Verbreitungsgebiet ist Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali und Ghana. Die sprecherreichste Senufo-Sprache ist Cebaara mit 1 Mio. Sprechern, andere bedeutende Sprachen sind Supyire, Mamara, Shempire, Tagwana, Djimini und Syenara. Das Senufo ist ein Zweig des Nord-Volta-Kongo, früher wurde es zu den Gur-Sprachen gerechnet. Es gliedert sich in sechs Untereinheiten, von denen Supyire-Mamara, Tagwana-Djimini und Senari die bedeutendsten sind, die restlichen weisen nur kleinere Sprachen auf.
Klassifikation der Senufo-Sprachen
- Senufo
- Supyire-Mamara: Supyire (350 Tsd), Mamara (Mianka) (700 Tsd), Shempire (100 Tsd)
- Tagwana-Djimini: Tagwana (140 Tsd), Djimini (100 Tsd)
- Senari: Cebaara (1 Mio), Syenara (140 Tsd)
- Karoboro
- Nafaanra
- Kpalaga
Adamawa-Ubangi
Adamawa-Ubangi besteht aus zwei klar getrennten Teilgruppen - Adamawa und Ubangi -, die innerhalb des Nord-Volta-Kongo eine genetische Untereinheit von 160 Sprachen mit 7 - 8 Mio. Sprechern bilden, davon 2 Mio. Adamawa- und 5 - 6 Mio. Ubangi-Sprecher. Die Adamawa-Ubangi-Sprachen erstrecken sich von Nordwest-Nigeria über Nord-Kamerun, den Süd-Tschad, die Zentralafrikanische Republik, Nord-Gabun, beide Kongo-Staaten bis nach Südwest-Sudan, also fast durch ganz Zentralafrika. Greenberg (1949) gruppierte sie als Erster als eine Untereinheit des Niger-Kongo, zunächst unter dem Namen Adamawa-Eastern. Sango ist eine Kreolsprache auf Basis der Ubangi-Sprache Ngbandi, als Verkehrssprache der Zentralafrikanischen Republik wird sie von bis zu 5 Mio. Sprechern genutzt. Weitere größere Sprachen sind Zande, Ngbaka, Gbaya, Mumuye, Mundang und Tupuri. Die folgende Klassifikation basiert auf Boyd (1989) und Kleinewillinghöfer (1996), nur die größeren Einzelsprachen sind aufgeführt.
Klassifikation der Adamawa-Ubangi-Sprachen
- Adamawa-Ubangi
- Adamawa (89 Sprachen mit 2 Mio. Sprechern)
- Leko-Nimbari
- Leko: Samba Leko (50 Tsd)
- Duru: Duru (Dii) (50 Tsd), Vere (Mom Jango) (90 Tsd)
- Mumuye-Yandang: Mumuye (400 Tsd), Yandang (65 Tsd)
- Nimbari
- Mbum-Day
- Mbum: Kare (100 Tsd), Pana (80 Tsd); Mundang (200 Tsd), Tupuri (220 Tsd); To (Ritualsprache)
- Bua
- Kim
- Day: Day (50 Tsd)
- Waja-Jen
- Waja-ChamWaja (60 Tsd)
- Longuda: Longuda (30 Tsd)
- Yungur-Mboi: Yungur (Bena) (100 Tsd), Lala-Roba (50 Tsd)
- Jen-Munga
- Fali: Fali (40 Tsd)
- La'bi: La'bi (Ritualsprache)
- weitere kleine Einzelsprachen
- Leko-Nimbari
- Ubangi (89 Sprachen mit 5,5 Mio Sprechern)
- Gbaya
- Zentral: Gbaya-Bossangoa (180 Tsd), Gbanu (100 Tsd)
- Ost: Ngbaka (1 Mio), Manza (250 Tsd)
- Nordwest: Gbaya (300 Tsd)
- Südwest: Südwest-Gbaya (180 Tsd)
- Suma: Suma (50 Tsd)
- Banda-Ngbandi
- Banda
- Zentral: Bambari (180 Tsd), Banda (200 Tsd), Mono (70 Tsd)
- Süd-Zentral: Ngbugu (150 Tsd), Langbashe (50 Tsd)
- Süd: Mbanza (200 Tsd)
- Ngbandi: Ngbandi (200 Tsd), Yakoma (100 Tsd); Sango (Kreol 350 Tsd, mit Zweitsprecher 5 Mio)
- Sere-Ngbaka-Mba: mayogo (100 Tsd), Ngbaka Ma'bo (150 Tsd); Mba (20 Tsd)
- Banda
- Zande-Barambu
- Zande-Nzakara: Zande (1,2 Mio), Nzakara (50 Tsd)
- Barambu-Pambia
- Gbaya
- Adamawa (89 Sprachen mit 2 Mio. Sprechern)
Einige Pygmäenvölker des äquatorialen Regenwaldes sprechen ebenfalls Ubangi-Sprachen, so die Babinga, Bamassa, Bayaka, Ganzi, Gundi und Mbakka. To und La'bi sind geheime Ritualsprachen für männliche Initiationskulte.
Die Adamawa-Sprachen sind bisher schlecht erforscht, die großen Ubangi-Sprachen etwas besser. Das Nominalklassensystem ist reduziert (es werden Klassensuffixe verwendet, Konkordanz ist teilweise vorhanden), in einigen Sprachen sind nur noch Spuren des Klassensystems erhalten. Verbalerweiterungen sind selten, üblich sind sie für Iterative, Intensive, Benefaktive und Kausative. Die normale Satzstellung ist SVO, es werden ausschließlich Präpositionen benutzt. Das bestimmte Nomen steht vor seinen Bestimmern, also vor dem Genitivattribut, Adjektivattribut, Numerale und Demonstrativum, in den Ubangi-Sprachen kann das Adjektiv auch vor seinem Nomen stehen.
Kwa
Die Kwa-Sprachen bilden zusammen mit den Benue-Kongo-Sprachen das Süd-Volta-Kongo oder Kwa-Benue-Kongo. Die rund 75 Kwa-Sprachen werden von 21 Mio. Menschen in der Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin und Südwest-Nigeria gesprochen. Im Norden grenzt Kwa an das Gur-Gebiet, im Osten an die zentral-nigerianischen Sprachen, im Westen an Mande- und Kru-Sprachen. Die bedeutendsten Kwa-Sprachen sind Akan (Fante-Twi) (eine der wichtigsten Sprachen Ghanas, 10 Mio Sprecher), Ewe (4 Mio., Südost-Ghana und Togo), Baule (2 Mio), Fon (1,7 Mio, vor allem in Benin), Ga-Dangme (1,4 Mio., Accra) und Anyin (1 Mio.).
Der Name "Kwa" wurde 1885 von Gottlob Krause eingeführt. Die Zusammenfassung der Kwa-Sprachen erfolgte zunächst nach typologischen Kriterien (Anwesenheit von Labiovelaren, Tonsprachen, Fehlen fast aller morphologischen Elemente wie Klassenaffixe und Derivationsmorpheme). Für Westermann (1927) bildete das Kwa eine Untergruppe des Westsudanischen, für Greenberg eine Untergruppe des Niger-Kongo. Er teilte die Kwa-Sprachen in acht Untereinheiten und integrierte die zentralen Togo-Sprachen ("Togo-Restsprachen") in die Kwa-Gruppe. So werden die Kwa-Sprachen von De Wolf 1981 dargestellt. Bennett und Sterk (1977) reduzierten Greenbergs Kwa, indem sie die wenig einheitlichen östlichen Kwa-Untergruppen als "West-Benue-Kongo" zum Benue-Kongo hinzufügten, das Ijoid als unabhängigen Primärzweig des Niger-Kongo etablierten und das Kru als eine selbständige Einheit des Nord-Volta-Kongo auffassten. Das verbleibende "neue" Kwa deckt sich mit Greenbergs "West-Kwa". Dieser Ansatz wird heute mit kleinen Modifikationen allgemein akzeptiert und liegt auch der folgenden Klassifikation zu Grunde (nach Williamson-Blench 2000), die auch die größeren Sprachen mit ihren Sprecherzahlen beinhaltet.
Klassifikation der Kwa-Sprachen
- Kwa
- Ega: Ega
- Avikam-Alaidian: Avikam (20 Tsd), Aladian (25 Tsd)
- Agneby: Abe (170 Tsd), Adyukuru (100 Tsd)
- Attie: Attie (400 Tsd)
- Potou-Tano
- Potou: Ebrie (Tyama) (80 Tsd)
- Tano (Volta-Komoe)
- Krobu
- Abure-Beti: Abure (55 Tsd)
- Akan-Bia
- Akan: Akan (Fante-Twi) (8 Mio, mit Zweitspr. 10 Mio), Abron (750 Tsd), Wasa (180 Tsd)
- Bia: Baule (2 Mio), Anyin (1 Mio), Sehwi (200 Tsd), Anufo (100 Tsd); Nzema (350 Tsd), Ahanta (100 Tsd)
- Guang: Gonya (250 Tsd); Awutu-Efutu (100 Tsd), Gua (Larteh-Cherepon-Anum-Boso) (150 Tsd)
- Ga-Dangme: Ga-Dangme (Accra) (1,4 Mio)
- Na-Togo: Lelemi-Lefana (40 Tsd), Siwu, Sekpele, Sele; Logba, Anii, Adele
- Ka-Togo: Akposo (100 Tsd), Bowiri, Igo (Ahlo); Avatime, Nyangbo, Tafi; Akebu, Animere
- Gbe
- Ewe: Ewe (3-4 Mio)
- Gen: Mina (Gen) (300 Tsd, mit Zweitsprechern 1 Mio)
- Aja: Aja (500 Tsd), Gun (500 Tsd), Ayizo (230 Tsd), Tofin (665 Tsd), Weme (60 Tsd)
- Fon: Fon (1,7 Mio)
- Waci: Waci (500 Tsd)
- Sonstige: Xweda (55 Tsd), Ko, Aguna, Kpessi, Saxwe, Wudu
- Esuma: Esuma †
- Cenka: Cenka
Die Kwa-Sprachen haben unterschiedlich stark ausgeprägte Nominalklassensysteme; während das des Ega voll etabliert ist, haben andere Kwa-Sprachen reduzierte oder rudimentäre Systeme. Üblicherweise werden in der Morphologie Präfixe verwendet, es gibt einige Pluralsuffixe. Der Anlautkonsonant kann alternieren, was aber keine semantischen, sondern nur phonetische Gründe hat. Kausative, Reflexive ("sich selbst lieben") und Reziproke ("sich gegenseitig lieben") werden durch Verbalableitungen mittels Suffixen gebildet. Es gibt unabhängige Personalpronomina und abhängige Subjekt-, Objekt- und Possessivpronomina. Die 3. Person der Pronomina unterscheidet die Kategorien belebt und unbelebt. Die Satzstellung ist SVO, üblicherweise werden Postpositionen verwendet. Die Nominalphrase hat keine einheitliche Struktur, häufig sind Genitiv + Nomen, Possessivum + Nomen, aber Nomen + Adjektiv, Nomen + Numerale und Nomen + Demonstrativum.
Beispiele zur Nominalphrasenbildung aus dem Akan (ohne Tonmarkierung):
- Ghana maŋ "das Land Ghanas"
- abofara no nhoma lit. "dem Kind sein Buch", " das Buch des Kindes" (hier mit dem Possessivum no
- mmara foforo "ein neues Gesetz" (mmara "Gesetz", foforo "neu")
- mmara ha "dieses Gesetz"
Etliche Kwa-Sprachen weisen eine serielle Verbalkonstruktion auf. Wenn eine ganze Reihe von Verben in derselben Tempus-Modus-Aspekt-Funktion hintereinander auftreten, die dasselbe Subjekt und Objekt haben, werden pronominales Subjekt und Objekt nur beim ersten Verbum markiert. Fast alle Kwa-Sprachen sind Tonsprachen, meist gibt es zwei, manchmal drei Tonhöhen (z.B. im Akan und Ewe), in einigen Kwa-Sprachen sogar vier Basistöne. Die Tonstruktur wird durch sog. key lowering zusätzlich kompliziert, das in einer Tonabstufung (downstep) oder einem Tonabgleiten (downglide) bestehen kann. In einigen Kwa-Sprachen gibt es Vokalharmonie; so bestimmt die Vokalharmonie im Akan (gespannte und ungespannte Vokalserien /i,e,a,o,u/ und /ɨ,ɛ,ɑ,o,ʋ/) die Vokalstruktur der Possessiv- und Subjektspronomina.
West-Benue-Kongo
Das West-Benue-Kongo ist die kleinere, westliche Untergruppe des Benue-Kongo, es deckt sich ungefähr mit den Ost-Kwa-Sprachen von Greenberg 1963. Es besteht aus 73 Sprachen, die in Togo, Benin und Süd-Nigeria von rund 48 Mio. Menschen gesprochen werden. Die fünf bedeutendsten Sprachen dieser Gruppe sind Yoruba (20 - 22 Mio. Sprecher, Verkehrssprache in Südwest-Nigeria), Igbo oder Ibo (18 Mio.), Edo (Bini) (1 Mio.), Nupe (1 Mio.) und Idoma (600 Tsd.), die alle in Süd-Nigeria gesprochen werden. Die fünf gennannten Sprachen bilden zusammen mit kleineren, eng verwandten Nachbarsprachen die Untergruppen Yoruboid, Igboid, Edoid, Nupoid und Idomoid des West-Benue-Kongo. Außerdem werden noch vier Kleingruppen dazugerechnet. Damit ergibt sich die folgende interne Klassifikation, in der auch die bedeutenderen Sprachen aufgeführt sind (nach Willliamson-Blench 2000 und dem unten angegeben Weblink).
Klassifikation der West-Benue-Kongo-Sprachen
- West-Benue-Kongo
- Yoruboid
- Yoruba: Yoruba (20-22 Mio.), Isekiri (500 Tsd), Ife (150 Tsd), Nago (180 Tsd); Lucumi (Ritualsprache auf Kuba)
- Igala: Igala (1 Mio)
- Edoid
- Delta: Epie, Engenni, Degema (jeweils 10-20 Tsd)
- Südwest: Urhobo (550 Tsd), Isoko (320 Tsd)
- Nord-Zentral: Edo (Bini) (1 Mio), Esan (200 Tsd), Emai-Iuleha-Ora (100 Tsd); Yekhee (275 Tsd)
- Nordwest: Iyayu, Uhami, Ukue, Ehueun (5-10 Tsd); Okpamheri (30 Tsd); Aduge
- Igboid
- Igbo: Igbo (Ibo) (18 Mio), Ogbah (170 Tsd), Ikwere (200 Tsd), Izi-Ezaa-Ikwo-Mgbo (600 Tsd), Ukwuani-Aboh-Ndoni (150 Tsd)
- Ekpeye: Ekpeye (30 Tsd)
- Nupoid
- Nupe-Gbayi: Nupe (1 Mio): Gbagyi (700 Tsd), Gbari (300 Tsd); Dibo (Shitako) (100 Tsd)
- Ebira-Gade:Igbira (Ebira) (1 Mio), Gade (60 Tsd)
- Idomoid
- Akweya: Idoma (600 Tsd), Igede (250 Tsd); Agatu, Yala; Etulo; Eloyi
- Yatye-Akpa: Akpa, Ekpari (5-10 Tsd)
- Akokoid: Akoko (Arigidi) (50 Tsd)
- Ayere-Ahan: Ayere, Ahan (1-3 Tsd)
- Oko: Oko-Eni-Osayen (10 Tsd)
- Ukaan-Akpes: Ukaan, Akpes (10-20 Tsd)
- Yoruboid
Das Nominalklassensystem weist verschiedene Ausbaustufen auf: ein volles System z.B. im Gade, ein reduziertes im Edoid, ein rudimentäres im Yoruba; es werden Nominalklassenpräfixe verwendet. Die Verbalerweiterungen sind in der Regel Innovationen. Es gibt unabhängige Personalpronomina und abhängige Subjekt-, Objekt- und Possessivpronomen. Dis Satzstellung ist SVO, es werden Präpositionen verwendet. Die Nominalphrasen sind einheitlich gebaut, das bestimmte Nomen N steht vorn, es gibt also die Konstruktionen N + Genitiv, N + Possessivum, N + Adjektiv, N + Adjektiv + Genitiv, N + Numerale und N + Demonstrativum.
Dazu ein Beispiel aus dem Yoruba:
- apa òkè Afrika "der bergige (òkè) Teil (apa) Afrikas
Fast alle westlichen Benue-Kongo-Sprachen sind Tonsprachen mit zwei bis vier Tonhöhen und Glides zwischen Hoch- und Tiefton. Die Töne sind phonemisch, wie folgende Beispiele aus dem Yoruba (drei Tonstufen: é Hochton, e Mittelton, è Tiefton) zeigen:
- dé "ankommen", dè "erwarten"
- rò "denken", ro "den Acker bestellen"
Adjektive können von stativen Verben durch eine Reduplikation der ersten Silbe (in hohem Ton) gebildet werden. Beispiele aus dem Yoruba:
- kéré "klein sein" > kékeré "klein"
- dára "gut sein > dídára "gut"
Zentral-Nigerianisch (Platoid)
Zentral-Nigerianisch oder Platoid bildet zusammen mit den Bantoid-Cross-Sprachen den Ost-Benue-Kongo-Zweig des Benue-Kongo. Die etwa 120 Sprachen des Zentral-Nigerianischen werden in Nord- und Nordost-Zentral-Nigeria (Zentrum ist das Plateau von Jos) von 3,5 Mio. Menschen gesprochen. Die Kainji- und Plateau-Sprachen sind bisher wenig dokumentiert, die beste Darstellung bietet Ludwig Gerhardt in Bendor-Samuel 1989.
Die Untergruppen des Zentral-Nigerianischen sind Kainji (54 Sprachen, 1 Mio. Sprecher), mehrere genetische Einheiten der Jos-Plateau-Sprachen, Tarokoid und Jukonoid. Es gibt in dieser Gruppe des Niger-Kongo nur wenige größere Sprachen, erwähnenswert sind Berom, Tarok und Kaje mit jeweils etwa 300 Tsd. Sprecher. Im Durchschnitt hat jede zentral-nigerianische Sprache nur etwa 30.000 Sprecher, entsprechend klein sind ihre Verbreitungsgebiete. Jukun war die Sprache des einst mächtigen Jukunreiches (Ende des 1. Jahrtausends n. Chr.), sein nachfolgesprachen - die Jukunoidsprachen - haben zusamme nur noch 350.000 Sprecher. Die folgende Klassifikation basiert auf Williamson-Blench 2000 und dem unten angegebenen Weblink, es sind nur die gößeren Sprachen aufgeführt.
Klassifikation des Zentral-Nigerianischen
- Zentral-Nigerianisch
- Kainji
- Ost: Jera (65 Tsd), Sanga (20 Tsd); Atsam (30 Tsd)
- West
- Duka: C'Lela (Lela) (100 Tsd), Hun-Saare (75 Tsd), Puku-Geeri-Keri-Wipsi (40 Tsd)
- Kamuku: Kamuku (30 Tsd), Acipa (25 Tsd)
- Baushi: Baushi (20 Tsd), Gurmana
- Bassa: Bassa (100 Tsd)
- Kambari: Tsuvadi (150 Tsd), Cishingini (80 Tsd), Tsishingini (80 Tsd), Tsikimba (50 Tsd)
- Kainji-Lake: Laru, Lopa (je 5 Tsd)
- Reshe: Reshe (45 Tsd)
- Nord-West-Plateau
- Nord-Plateau: Ikulu (50 Tsd), Kadara (40 Tsd)
- West-Plateau
- Nordwest: Jaba (100 Tsd), Kamantan (10 Tsd)
- Südwest: Kwanka (220 Tsd), Mada (100 Tsd); Kuche (50 Tsd); Eggon (150 Tsd), Nungu (50 Tsd)
- Zentral-Plateau
- Nord: Aten (40 Tsd)
- Süd: Kaje (300 Tsd), Katab (130 Tsd), Irigwe (40 Tsd), Izere (Afusare (50 Tsd)
- Südost-Plateau: Fyam (12 Tsd)
- Süd-Plateau: Berom (300 Tsd), Lijili (50 TSD)
- Tarokoid: Tarok (Yergam) (300 Tsd), Tapshin, Pai, Yangkam
- Jukunoid:
- Jukun: Jukun Takum (40 Tsd), Jibu (30 Tsd), Wase
- Mbembe: Tigon-Mbembe (60 Tsd)
- Kororofa: Wapan (Wukari) (60 Tsd)
- Wurbo: Bandawa-Minda-Kunini (10 Tsd)
- Kpan-Icen: Icen (50 Tsd), Kpan
- Yukuben-Kutep: Kutep (50 Tsd), Yukuben (15 Tsd)
- Kainji
Die meisten Kainji- und Plateau-Sprachen und einige Jukunoid-Sprachen besitzen Nominalklassensyteme (am vollständigsten das Kutep), die übrigen Jukunoid- und die Tarokoid-Sprachen haben nur noch reduzierte Klassensysteme. Meistens werden zur Markierung der Klassen Präfixe verwendet, gelegentlich aber auch Suffixe (z.B. im Tigon-Membe). Verbalableitungen sind weitverbreitet. Die normale Satzstellung ist SVO, in der Regel werden Präpositionen verwendet. Das bestimmte Nomen geht seinen Modifikanten voran, die Nominalphrasen haben also die Grundform Nomen + Genitiv, Nomen + Adjektiv, Nomen + Possessivum und Nomen + Numerale.
Cross River
Das Ost-Benue-Kongo (Greenbergs Benue-Kongo) zerfällt in die Hauptgruppen Zentral-Nigerianisch (siehe den vorigen Abschnitt) und Bantoid-Cross, letzteres wiederum in die Cross-River-Sprachen und das Bantoid. Die etwa 70 Cross-River-Sprachen werden von knapp 6 Mio. Menschen in Südost-Nigeria im Cross-River-State und in Nordwest-Kamerun gesprochen. Cross-River gliedert sich in Bendi (9 Sprachen, 400 Tsd. Sprecher) und Delta-Cross (57 Sprachen mit 5,2 Mio Sprechern). Die mit Abstand bedeutendsten Cross-River-Sprachen sind die nah verwandten Sprachen Efik (400 Tsd. Muttersprachler, als Verkehrssprache sprechen es 2,4 Mio.), Ibibio (2 Mio.) und Anaang (1 Mio.), die alle drei zur unteren Delta-Cross-Gruppe gehören.
Der Name "Cross-River" und die zugehörigen Sprachen wurden von Greenberg unverändert übernommen, die interne Einteilung in mehreren Schritten verändert, die hier vorgestellte Klassifikation basiert auf Connell 1998 (der allerdings die Zugehörigkeit der Bendi-Gruppe nicht für gesichert hält) und dem unten angegebenen Weblink.
Klassifikation der Cross-River-Sprachen
- Cross River
- Bendi: Bokyi (150 Tsd), Bekwarra (100 Tsd), Bete-Bendi (40 Tsd), Obanliku (65 Tsd)
- Delta Cross
- Oberes Delta Cross
- Zentral: Mbembe (100 Tsd), Olulumo-Ikon (30 Tsd), Lokaa (120 Tsd), Kukele (100 Tsd), Koring (75 Tsd), Kohumono (30 Tsd)
- Agoi-Doko: Agoi (12 Tsd)
- Kiong-Korop: Korop (12 Tsd)
- Ukpet-Ehom: Ukpet-Ehom
- Unteres Delta Cross
- Efik-Ibibio: Efik (400 Tsd, mit Zweitsprechern 2-3 Mio), Ibibio (2 Mio), Anaang (1 Mio)
- Ekit: Ekit (200 Tsd), Etebi
- Ibuoro: Ibuoro, Ito Mbon, Ito, Nkari (je 5 Tsd)
- Obolo: Obolo (Andoni) (100 Tsd)
- Okobo: Okobo (50 Tsd)
- Oro: Oro (75 Tsd)
- Sonstige: Ibino, Usaghade, Iko, Eki, Idere, Ebughu, Efai (jeweils 5-10 Tsd)
- Ogoni: Koana (Ogoni) (200 Tsd), Gokana (100 Tsd); Eleme (60 Tsd)
- Zentral-Delta: Ogbia (Oloibiri-Kolo-Anyama) (200 Tsd); Abua (25 Tsd), Odual (20 Tsd)
- Akum: Akum (< 1 Tsd)
- Oberes Delta Cross
Einige Sprachen des Oberen Delta-Cross und des Bendi haben noch ein voll ausgeprägtes Nominalklassensystem, andere nur noch reduzierte Systeme mit beschränkter Konkordanz (Unteres Delta-Cross) bis hin zum völligen Wegfall des Klassensystems in der Ogoni-Gruppe. Es gibt zahlreiche Verbalableitungen und die üblichen Pronomina: unabhängiges Personalpronomen, abhängiges Subjekt-, Objekt- und Possessivpronomen. Die Satzstellung ist SVO, es werden nur Präpositionen verwendet. Die Nominalphrase hat die Grundfolge Bestimmtes Nomen + Bestimmer, allerdings steht das Adjektiv häufig vor seinem Nomen. Ein Beispiel aus dem Oro:
- usim aba "der Schwanz (usim) des Hundes"
- otido usim "der lange Schwanz"
Die Verbalflexion erfolgt in der Regel durch ein System von Präfixen, seltener durch Suffixe. Reduplikation der Verbalwurzel ermöglicht eine Fokussierung des Verbums, Umstellung der normalen Satzfolge (SVO -> OSV) fokussiert das Objekt. Dazu ein Beispiel aus dem Obolo (ohne Tonangabe, n- ist das Subjekt-Präfix der 1. Person Singular):
- n-fuk ikpa "ich las das Buch (ikpa)" (neutral)
- n-fo-fuk ikpa "ich las das Buch (und schrieb es nicht)"
- ikpa n-fuk "das Buch war es, was ich las (nicht die Zeitung)"
- n-ba-fuk ikpa "ich werde das Buch lesen" (Futur-Präfix ba-)
Bantoid
Die Bezeichnung "Bantoid" wurde 1895 von Gottlob Krause für die Sprachen geprägt, die lexikalische Ähnlichkeiten mit den Bantusprachen aufweisen, Malcolm Guthrie (1948) bezeichnete mit Bantoid die westsudanischen Sprachen mit einem Bantu-ähnlichen Nominalklassensystem, die aber keine regulären Lautentsprechungen mit den Bantusprachen aufweisen.
Nach heutigem Verständnis bilden die Bantoid-Sprachen zusammen mit den Cross-River-Sprachen die Bantoid-Cross-Einheit des (Ost-) Benue-Kongo. Die Bantoid-Gruppe unfasst sowohl die eigentlichen Bantusprachen, als auch solche Sprachen, die zwar den Bantusprachen innerhalb des Niger-Kongo genetisch besonders nahe stehen, aber nicht sämtliche Merkmale der Bantusprachen besitzen. Die Grenze zwischen den eigentlichen Bantusprachen (narrow bantu) und den Bantusprachen in einem weiteren Sinne (Bantoid, aber nicht Bantu) ist schwer zu ziehen und hängt von der Definition ab, was "eigentliches Bantu" genau ausmacht (da sind sich die Forscher keineswegs völlig einig). Sämtliche Bantoidsprachen, die nicht zum eigentlichen Bantu gehören, werden in Ost-Südost-Nigeria und in Kamerun gesprochen, ihre Verbreitung ist also - im Gegensatz zu der der Bantusprachen - sehr eingeschränkt. Genau dieses Gebiet (Südost-Nigeria und Nordwest-Kamerun) scheint auch die Urheimat der eigentlichen Bantusprachen zu sein, von dem aus sie sich in den Osten und Süden des Kontinents ausgebreitet haben (siehe Artikel Bantusprachen).
Insgesamt umfasst das Bantoid rund 650 Sprachen mit zusammen 216 Mio. Sprechern, davon sind etwa 490 Sprachen eigentliche Bantusprachen, die mit ihren 210 Mio. Sprechern die große Mehrheit ausmachen. Die Gruppe der 160 Bantoidsprachen, die nicht zum Bantu gehören, ist also insbesondere nach ihrer Sprecherzahl (6,5 Mio.) relativ klein und sehr diversifiziert: ihre durchschnittliche Sprecherzahl beträgt nur rund 40.000.
Die bedeutendsten Bantusprachen sind bereits im einleitenden Abschnitt "Große Niger-Kongo-Sprachen" aufgeführt, dazu gehören Swahili, Shona, Zulu, Chichewa, Lingala, Rwanda, Xhosa, Luba-Kasai und Gikuyu (alle über 5 Mio. Sprecher). Von den Nicht-Bantusprachen der Bantoid-Gruppe überschreitet nur das in Nigeria im Benue State gesprochene Tiv mit 2,2 Mio. Sprechern die Millionengrenze. Weitere zehn Sprachen haben mindestens 100.000 Sprecher (siehe Klassifikation).
Klassifikation des Bantoid
Die Feststellung des Bantoid als genetische Einheit und die Grundzüge seiner heutigen internen Klassifikation gehen auf Greenberg (1950, 1963) zurück. Allerdings ist die interne Gliederung des Bantoid seitdem mehrfach überarbeitet worden. Wichtig war die Erkenntnis einer Nord-Süd-Grenze innerhalb der Gruppe. Zum nördlichen Teil - der insgesamt wohl keine genetische Einheit bildet - gehören einzelne kleinere Gruppen wie Dakoid, Mambiloid und Tikar. Das Süd-Bantoid bildet eine eigene genetische Gruppe, die neben dem Jarawoid und Tivoid die sprachenreiche Grasland-Gruppe (67 Sprachen mit 2,5 Mio. Sprechern, West-Kamerun)) und als gleichrangigen Zweig das eigentliche Bantu (490 Sprachen, 210 Mio. Sprecher) enthält. Die folgende Darstellung zeigt die aktuelle Klassifikation der Bantoid-Sprachen nach Williamson-Blench 2000. Es sind nur die bedeutenderen Einzelsprachen aufgeführt. Der unten angegebene Weblink bietet eine vollständige Klassifikation aller Bantoid-Sprachen.
Klassifikation der Bantoid-Sprachen
- Bantoid (642 Sprachen, 216 Mio Sprecher)
- Dakoid: Samba Daka (500 Tsd), Dong, Gaa (Tiba)
- Mambiloid: Mambila (130 Tsd), Kwanja (20 Tsd), Ndoola (Ndoro) (50 Tsd), Suga (10 Tsd), Vute (20 Tsd)
- Tikaroid: Tikar (25 Tsd), Bandobo, Ndemli
- Fam: Fam
- Süd-Bantoid
- Jarawoid: Jarawa (150 Tsd), Bile (30 Tsd), Duguri (20 Tsd), Kantana (20 Tsd), Kulung (15 Tsd), Mbula-Bwazza (40 Tsd)
- Tivoid: Tiv (2,2 Mio), Bitare (50 Tsd), Batu (25 Tsd), Esimbi (20 Tsd)
- Beboid: Noni (35 Tsd), Bebe, Naki
- Ekoid-Nyang
- Ekoid-Mbe
- Ekoid: Ejagham (Ekoi) (120 Tsd), Ekajuk (30 Tsd), Nkem-Nkum (35 Tsd), Nde-Nsele-Nta (35 Tsd)
- Mbe: Mbe (15 Tsd)
- Nyang: Kenyang (Nyang, Mamfe) (65 Tsd), Denya (15 Tsd)
- Ekoid-Mbe
- Mbam: Tuki (25 Tsd), Tunen (35 Tsd), Nugunu (35 Tsd); Leti (Ritualsprache)
- Grasland
- West-Momo: Ambele, Atong, Busam
- Menchum: Befang (Menchum)
- Grasland i.e.S.
- Bamileke: Gomala (250 Tsd), Yemba (300 Tsd), Fe'fe' (125 Tsd), Ngiemboon (100 Tsd); Ngombale (65 Tsd), Ngwe (50 Tsd)
- Ngemba: Ngemba (70 Tsd)´, Bafut (50 Tsd)
- Nkambe: Limbum (80 Tsd), Yamba (40 Tsd), Mfumte (25 Tsd)
- Nun: Mamun (200 Tsd), Mungaka (50 Tsd)
- Momo: Meta' (100 Tsd), Mundani (35 Tsd), Ngie (30 Tsd), Ngwo (25 Tsd), Menka (15 Tsd)
- Ring
- Zentrum: Kom (130 Tsdd), Bafumen (65 Tsd), Oku (40 Tsd)
- West: Oso (30 Tsd), Aghem (25 Tsd)
- Nord: Bamunka (15 Tsd), Kenswei (15 Tsd), Vengo (15 Tsd), Wushi (15 Tsd)
- Ost: Lamnso' (Nso, Banso) (130 Tsd)
- Bantu (487 Sprachen mit 210 Mio Sprechern)
Die Klassifikation des Bantu und die Einteilung der Bantusprachen in Guthrie-Zonen ist im Artikel Bantusprachen umfassend dargestellt. Eine Übersicht über die einzelnen Zweige des Bantoid (Anzahl der Sprachen, Sprecherzahlen, Verbreitung) liefert die folgende Tabelle.
Bantoid und seine Untergruppen
Unterzweig | Anzahl Sprachen |
Anzahl Sprecher |
Hauptverbreitungsgebiet |
---|---|---|---|
Bantoid | 642 | 216 Mio | Nigeria, Kamerun; Ost- und Südafrika |
Nord-Bantoid | 19 | 750.000 | Ost-Nigeria, Nordwest-Kamerun |
Dakoid | 3 | 500.000 | Ost-Nigeria |
Mambiloid | 12 | 240.000 | Ost-Nigeria, West-Kamerun |
Tikar | 3 | 25.000 | Kamerun (Zentral- und Adamawa-Provinz) |
Fam | 1 | 1.000 | Südost-Nigeria |
Süd-Bantoid | 623 | 215 Mio | Nigeria, Kamerun; Ost- und Südafrika |
Jarawoid | 15 | 300.000 | Ost-Nigeria, Nord-Kamerun |
Tivoid | 18 | 2,4 Mio | Ost-Nigeria, West-Kamerun |
Beboid | 11 | 50.000 | West-Kamerun |
Ekoid-Nyang | 12 | 350.000 | Südost-Nigeria, Nordwest-Kamerun |
Mbam | 13 | 120.000 | West-Kamerun |
Grasland | 67 | 2,5 Mio | West-Kamerun |
Bantu | 487 | 210 Mio | Zentral-, Ost- und Südafrika |
Ob Nord-Bantoid eine genetische Einheit bildet, ist bisher nicht endgültig geklärt worden.
Sprachliche Eigenschaften
Die sprachlichen Eigenschaften sind denen der Bantusprachen sehr ähnlich (vgl. den entsprechenden Abschnitt des Artikels Bantusprachen). Das Nominalklassensystem ist im Bantu voll ausgeprägt - es ist sein wesentliches Charakteristikum, bei den Nicht-Bantusprachen in einer unterschiedlich reduzierten Form. Verbalableitungen sind in allen Bantoidsprachen belegt. Pronomina werden im üblichen Umfang gebildet (unabhängiges Personalpronomen; abhängige Subjekt-, Objekt- und Possessivmarker), in der 3. Person herrscht Konkordanz mit den Nominalklassen. Die Satzstellung ist SVO, es werden durchgehend Präpositionen verwendet. In der Nominalphrase steht das bestimmte Nomen vorn, es folgen die Modifizierer (Genitiv, Adjektiv, Possessivum, Numerale, Demonstrativum); in den Bantusprachen herrscht innerhalb der Nominalphrase und zwischen Subjekt und Prädikat volle Klassenkonkordanz, in den anderen Bantoidsprachen ist die Konkordanz eingeschränkt bzw. teilweise nicht (mehr) vorhanden.
Geschichte der Klassifikation des Niger-Kongo
Erste Ansätze
Die folgende Darstellung gibt einen tabellarischen Überblick über die Forschungsgeschichte der afrikanischen Sprachen. Die verwendeten Gruppenbezeichnungen sind teilweise modern, damit auch der Nichtfachmann den Zuwachs - oder Rückschritt - der gewonnenen Erkenntnisse verfolgen kann.
- Seit dem 10. Jhdt. Afrikanische Sprachen werden in arabischen Dokumenten beschrieben; die Verwandtschaft des Hebräischen, Arabischen und Aramäischen ist jüdischen und islamischen Sprachkundigen seit langem bekannt.
- 1538 G. Postel stellt als erster Europäer die Verwandtschaft der damals bekannten semitischen Sprachen fest. (Der Begriff „Semitische Sprachen“ wird erst 1781 von Schlözer eingeführt.)
- 17. Jhdt. Erste wissenschaftliche Beschäftigung mit afrikanischen Sprachen in Europa: Koptisch (1636), Nubisch (1638), Kongo (1652), Nama (1643), Ge'ez (1661), Amharisch (1698).
- 1700 H. Ludolf erweitert die semitischen Gruppe um die äthiopischen Sprachen Ge'ez und Amharisch.
- 18. Jhdt. Europäischen Gelehrten fallen Ähnlichkeiten des Koptischen mit den semitischen Sprachen auf.
- 1776 L.B. Proyart erkennt die genetische Verwandtschaft einiger Bantusprachen.
- 1778 W. Marsden beschreibt die Umrisse der Bantufamilie und erkennt, dass die Bantusprachen etwa so nah verwandt sind wie die romanischen Sprachen (publiziert erst 1816).
- 1781 von Schlözer führt den Begriff „Semitische Sprachen“ ein
- 1808 H. Lichtenstein teilt die südafrikanischen Sprachen in Bantu- und Nama (Khoisan)-Sprachen ein.
- 1820er Champollion entdeckt bei der Entzifferung der Hieroglyphen Ähnlichkeiten zwischen dem Ägyptischen und den semitischen Sprachen.
- 1826 A. Balbi versucht die erste Gesamtübersicht und Einteilung der afrikanischen Sprachen in Atlas ethnographique du globe ou classification des peuples anciens et modernes d'après leurs langues.
- 1850 J.L. Krapf prägt den - später heftig umstrittenen und heute aufgegebenen - Begriff „Hamitische Sprachen“ für die die nicht-semitischen schwarzafrikanischen Sprachen, wobei die Khoisan-Sprachen wohl ausgeklammert bleiben; er unterscheidet „Nilo-Hamitisch“ (dazu zählt er z. B. die Bantu-Sprachen) und „Nigro-Hamitisch“ (für die westafrikanischen Sprachen).
- 1877 F. Müller fügt den „nilo-hamitischen“ Sprachen die Berbersprachen und die kuschitischen Sprachen hinzu. Trotz Ähnlichkeiten zählt er das Hausa nicht zum Hamitischen. Die „nilohamitischen“ und semitischen Sprachen fasst Müller zum „hamito-semitischen“ Sprachstamm zusammen (Arbeiten 1876-88).
- 1880 Der deutsche Sprachforscher und Ägyptologe K.R. Lepsius fasste alle nichtsemitischen flektierenden Sprachen Afrikas, die ein Genus-System besitzen, zu den „Hamitischen Sprachen“ zusammen und definiert dadurch diesen Terminus neu. Seiner Überzeugung nach gehörte zum Hamitischen auch das Hausa (und die anderen tschadischen Sprachen) sowie die Berber-Sprachen.
- 1888 K.R. Lepsius rechnet auch die Nama-Buschmann-Sprachen zum Hamitischen; eine falsche Klassifikation, die lange Bestand hatte (und hinter die Klassifikation von 1850 zurückfällt). Unrichtig war auch die Einordnung von Maasai (heute: nilosaharanische Sprache) als hamitische Sprache.
- 1912 C. Meinhof erweitert die hamitischen Sprachen um die Khoisansprachen und Maasai (wie Lepsius), aber auch noch Fulani (heute: Niger-Kongo-Sprache) u.a.. Diese Gesamtklassifikation der afrikanischen Sprachen, welche sehr lange Bestand hatte, umfasst danach die
- Bantusprachen
- Hamitosemitische Sprachen (im weiten Sinne Meinhofs) und
- Sudansprachen
C. Meinhof postuliert, dass die Bantusprachen mit ihren charakteristischen Nominalklassensystemen eine Vermischung der hamitischen Sprachen, welche ein grammatisches Geschlecht besitzen, und der Negersprachen seien (die kein grammatisches Geschlecht kennen). Die Negersprachen südlich der Sahara fasste Meinhof unter dem Begriff Sudansprachen zusammen. Eine genetische Verwandtschaft aller Sudansprachen konnte nie nachgewiesen werden. Die Hottentottensprachen (Nama) seien hamitischen Ursprungs, aber mit Buschmannsprachen (San) vermischt. Meinhof nimmt auch Ablautgesetze, Wortstrukturen und Lautinventare für die Einordnung von Sprachen in seine "hamitische Gruppe" zur Hilfe. Wo diese typologischen Kriterien nicht ausreichten (die keinerlei genetische Relevanz hatten), ergänzt er sie durch völkische Einordnungsmuster. Dieser - nach heutiger Vorstellung völlig falsche - Ansatz führte zu der Einordnung von Sprachen aus vier verschiedenen Sprachgruppen - Khoisan, Ful (Niger-Kongo), Somali (kuschitisch) und Maasai (nilosaharanisch) - in seine „hamitische“ Gruppe. Diese Klassifizierung hält sich vor allem in der deutschen Afrikanistik als herrschende Meinung bis etwa 1950.
- 1927 Bereits 1911 nahm D. Westermann (ein Schüler C. Meinhofs) eine interne Unterscheidung der Sudansprachen in west- und ostsudanesische Sprachen vor. 1927 erforschte Westermann zusammen mit Hermann Baumann die geschichtliche Entwicklung des Westsudanischen. Sie verglichen das Ergebnis mit dem Proto-Bantu von C. Meinhof, schlossen daraus aber noch nicht auf genetische Verwandtschaft. 1935 etablierte Westermann durch sein Werk "Charakter und Einteilung der Sudansprachen" die These einer Verwandtschaft zwischen der westlichen Sudansprachen zum Bantu und legt damit - gegen die Meinung seines Lehreres - den Kern für das heutige "Niger-Kongo"; er erkennt auch, dass die östlichen Sudansprachen - ebenfalls im Gegensatz zur Auffassung seines Lehrers - nicht mit den westlichen verwandt sind (die ostsudanischen Sprachen werden später von Greenberg als "Nilosaharanisch" klassifiziert).
- 1948-63 J. Greenberg klassifiziert die afrikanischen Sprachen von Grund auf neu. Er führt den Begriff "Afroasiatisch" anstelle des belasteten "Hamito-Semitisch" ein und etabliert das Tschadische als fünfte Unterfamilie des Afroasiatischen. Das Niger-Kongo wird als neuer Begriff für die westsudanischen Sprachen definiert, es schließt auch die Fulani-Gruppe, das Adamawa-Ubangi und vor allem die Bantusprachen (als Unter-Unter-Einheit) mit ein. Die ostsudanischen Sprachen werden mit einigen kleineren Gruppen als "Nilosaharanisch" zusammengefasst. Er gelangt über verschiedene Zwischenstufen zur heute weitgehend akzeptierten Einteilung der afrikanischen Sprachen in (1) Afroasiatisch, (2) Nilosaharanisch, (3) Niger-Kordofanisch (heute Niger-Kongo) und (4) Khoisan.
- 1969 H. Fleming identifiziert Omotisch als sechsten Zweig des Afroasiatischen
- weitere Entwicklung: Die gesamte afrikanistische Forschung - soweit sie klassifikatorisch tätig ist - arbeitet auf Basis des Greenbergschen Modells, auch wenn sie dieses nicht in allen Einzelheiten anerkennt (Kritik gibt es vor allem am Nilosaharanischen, später auch - mit mehr Berechtigung - am Khoisan.)
Sigismund Koelle
Karl R. Lepsius, Friedrich Müller und Carl Meinhof
Forschungsgeschichte und heutige Position der Bantusprachen
Überblick der Forschungsgeschichte
Bereits 1659 erschien von Giacinto Brusciotto eine lateinisch geschriebene Grammatik der Sprache Kongo. Wilhelm Bleek beschrieb erstmals 1856 die Nominalklassen der Bantusprachen (siehe unten) und prägte den Begriff Bantu. Carl Meinhof erarbeitete ihre erste vergleichende Grammatik (1901). Malcolm Guthrie hat sie 1948 klassifiziert und 1967–71 in 16 geographische Gruppen („Zonen“) eingeteilt, die er mit den Buchstaben A–S (ohne I, O, Q) bezeichnete. Innerhalb dieser Zonen sind die Sprachen in Zehnereinheiten gruppiert und durchnummeriert (siehe: Einteilung der Bantusprachen nach Guthrie). Guthrie hat auch das Proto-Bantu als hypothetische Vorgängersprache aller heutigen Bantusprachen rekonstruiert. Joseph Greenberg klassifizierte die Bantugruppe als eine Unter-Unter-Einheit der Niger-Kongo-Sprachen (siehe unten). Zuvor wurden die Bantusprachen, insbesondere von Carl Meinhof und seinen Schülern, als eine eigene Sprachfamilie angesehen, welche im Verbreitungsgebiet der schwarzafrikanischen Sprachen den Sudansprachen gegenübergestellt wurden.
Entwicklung der Theorien über die Herkunft der Bantusprachen
Mit der Frage der Herkunft (Urheimat) und Entstehung der Bantusprachen beschäftigten sich seit 1860 zahlreiche Sprachforscher. Einige historisch wichtige Hypothesen sind hier aufgeführt, um den schwierigen Prozess bis hin zur heutigen Erklärung des Bantu als einer Untereinheit der Niger-Kongo-Sprachen deutlich zu machen.
Richard Lepsius
Der Ägyptologe Richard Lepsius ging 1880 in der Einleitung zu seiner Nubischen Grammatik in Afrika von drei Sprachzonen aus, wobei er die Khoisan-Gruppe nicht berücksichtigte: (1) Bantusprachen im südlichen Afrika, die Sprache der eigentlichen „Neger“, (2) gemischte „Negersprachen“ zwischen Äquator und Sahara, die Sudansprachen, (3) hamitische Sprachen (Ägyptisch, Kuschitisch, Berberisch) im nördlichen Afrika.
Primäre Merkmale dieser Sprachgruppen seien das Klassensystem der Bantu und das Genussystem der Hamiten, die von Westasien nach Afrika eingewandert seien. Durch ihr Vordringen drängten sie Teile der Vorbevölkerung nach Südafrika ab (eben die Bantu, die ihre „reine“ Sprachform behielten); andere Gruppen vermischten sich mit den Hamiten und bildeten Mischsprachen aus – die Sudansprachen –, die weder ein ausgeprägtes Klassen- noch Genussystem aufwiesen. Ihre Grammatik bezeichnete er als „formlos“, „zurückgegangen“ und „entblättert“.
August Schleicher
Der Indogermanist August Schleicher hatte eine ganz andere Vorstellung, die er 1891 veröffentlichte. Seiner Meinung nach war Afrika zunächst unbewohnt und wurde von Südwestasien aus in vier großen Wellen bevölkert: (1) die Buschmänner und Hottentotten (heute Khoisan genannt), (2) die „Negervölker“ des Sudan, die „Nigriten“, (3) die Bantu und (4) die Hamiten.
Dabei ging er davon aus, dass die sudanischen Nigriten bereits ein rudimentäres, unvollkommenes Klassensystem gehabt hätten, das dann die Bantuvölker vervollkommnet und ausgeprägt haben. Für ihn war also das Nigritische oder Sudanische ein evolutionärer Vorläufer des Bantu, und nicht ein Ergebnis des Zerfalls wie bei Lepsius.
Carl Meinhof
Der Afrikanist Carl Meinhof äußerte sich zwischen 1905 und 1935 mehrfach über die Entstehung der Bantusprachen; er steht in deutlichen Gegensatz zu den Hypothesen von Lepsius und Schleicher. Für ihn sind nicht die Bantusprache, sondern die Sudansprachen ur-nigritisch. Bantu sei eine Mischsprache mit nigritischer „Mutter“ (Substrat) und hamitischem „Vater“ (Superstrat). Die Besiedlung Afrikas erfolgte nach Meinhof also in drei sprachlichen Schichten: (1) die nigritischen Sudansprachen, (2) die hamitischen Sprachen und (3) die Bantusprachen als Mischform des Nigritischen und Hamitischen.
Dietrich Westermann
Joseph Greenberg
- Greenberg verzichtet auf nicht-linguistische Kriterien wie Rasse und Kultur (diese Kriterien hatten zum verfehlten Begriff des "Hamitischen" geführt); konsequenterweise eliminiert er der die Einheit "Hamitisch".
- G. erkennt, dass die Zweige der hamito-semitischen Gruppe gleichberechtigt sind, und gibt die Zweiteilung in "Semitisch" und "Hamitisch" auf; als Folge davon benennt er diese Einheit in "Afroasiatisch" um, da der alte Name diese Zweiteilung suggeriert.
- G. etabliert das "Tschadische" als unabhängigen Zweig des Afroasiatischen, das damit aus den gleichberechtigten Zweigen Semitisch, Ägyptisch, Berberisch, Kuschitisch und Tschadisch besteht. (Das Omotische wird später durch Arbeiten von H. Fleming vom Kuschitischen abgetrennt.)
- G. entfernt die Gruppen, die Lepsius und Meinhof fälschlicherweise dem "Hamitischen" hinzugefügt hatten, und ordnet sie anderen Familien zu: so wurde Fulani dem Niger-Kongo, Nama dem Khoisan zugeordnet, und "Nilo-Hamitisch" bzw. Nilotisch zu einer Unterfamilie des Nilosaharanischen.
- G. ordnet das Adamawa-Ubangi dem Niger-Kongo zu.
- G. erkennt die korrekte Position des Bantu als Unter-Untergruppe des Niger-Kongo.
- G. führt das Nilosaharanische als Restkategorie der Sprachen ein, die weder zum Afroasiatischen, noch zum Niger-Kongo, noch zum Khoisan gehören. Damit umfassen sie die ostsudanischen Sprachen und einige kleinere Sprachgruppen. Er versucht, die genetische Einheit dieser Gruppe nachzuweisen. (Vor allem diese letztere Einschätzung wurde von Greenbergs Gegnern kritisiert, obwohl Meinhof das "Sudanische" als eine Restkategorie definiert hatte, die sogar das heutige Niger-Kongo und das Nilosaharanische umfasst.)
Nach Greenberg
Literatur
Afrikanische Sprachen
- Joseph Greenberg: The Languages of Africa. Mouton, The Hague and Indiana University Center, Bloomington 1963.
- Bernd Heine und andere (Hrsg.): Die Sprachen Afrikas. Buske, Hamburg 1981.
- Bernd Heine und Derek Nurse (Hrsg.): African Languages. An Introduction. Cambridge University Press 2000.
- John Iliffe: Geschichte Afrikas. Beck, München 1997.
- George L. Campbell: Compendium of the World's Languages. Routledge, London 2000 (2. Auflage).
Niger-Kongo-Sprachen
- John Bendor-Samuel (Hrsg.): The Niger-Congo Languages: A Classification and Description of Africa's Largest Language Family. University Press of America, Lanham, New York, London 1989.
(Die einzige umfassende Darstellung des Niger-Kongo und seiner Untereinheiten, in der Klassifikation teilweise veraltet.) - Kay Williamson und Roger Blench: Niger-Congo. In: Bernd Heine u.a.: African Languages. Cambridge Univ. Press 2000.
- Paul P. De Wolf: Das Niger-Kongo (ohne Bantu). In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): Die Sprachen Afrikas. Buske, Hamburg 1981.
- Thilo C. Schadeberg: Das Kordofanische. In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): Die Sprachen Afrikas. Buske, Hamburg 1981.
- Derek Nurse und Gérard Philippson (Hrsg.): The Bantu Languages. Routledge, London - New York 2003.
- Wilhelm J.G. Möhlig: Die Bantusprachen im engeren Sinne. In: Bernd Heine u.a. (Hrsg.): Die Sprachen Afrikas. Buske, Hamburg 1981.
Siehe auch
Weblinks
- Ernst Kausen, Die Klassifikation der Niger-Kongo-Sprachen (DOC)
Klassifikation sämtlicher Niger-Kongo-Sprachen nach Williamson-Blench 2000 mit Sprecherzahlen aus Ethnologue 2005.