Der Liberalismus (von lat. liberalis: die Freiheit betreffend) ist eine politische Theorie, die eine besondere Spielart des westlichen Individualismus darstellt. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf dem Schutz des Einzelnen gegenüber dem Staat und anderen Bürgern.
Begriff
Der Begriff des Liberalismus selbst ist relativ schwer zu bestimmen, ohne auf den gesamten westlichen Individualismus Bezug zu nehmen. Allen Liberalismen ist gemein, dass diese die Freiheit des Einzelnen gegenüber der Wahrung von Gemeininteressen postulieren, dass sie moralische Gleichheit fordern und an Fortschritt durch Reform glauben.
- Politischer Liberalismus - Politisch zeigt sich dies einerseits in der Forderung nach Demokratie, andererseits aber in einer Ausbalancierung derselben durch Repräsentativität und Gewaltenteilung.
- Ökonomischer Liberalismus - Ökonomisch legen Liberale großen Wert auf privates Eigentum, da nur dieses die Freiheit des Einzelnen gewährleisten könne. Begründungen dafür können entweder naturrechtlichen Argumentationsmustern folgen oder primär auf die Effektivität eines auf Privateigentum basierenden Gesellschaftssystems verweisen. Naturrechtliche Begründungen dieser Art finden sich in Ansätzen bei Hugo Grotius und Samuel Pufendorf und werden von John Locke ausformuliert: Der einzelne besitze Eigentum an seinem Körper und folglich auch an der Arbeit seines Körpers. Er sei auch berechtigt, Dinge aus dem Naturzustand zu reißen, wenn er diese bearbeitet hat (beispielsweise den Boden, den jemand das erste mal bearbeitet). Ist das Ding aus dem Naturzustand gerissen, könne es dann nur noch durch Schenkung oder Tausch den Eigentümer wechseln. Zwang sei hiermit ausgeschlossen. In der Tradition dieser Begründung argumentieren beispielsweise die US-amerikanischen Founding fathers, Robert Nozick oder Ayn Rand. Die eher auf Effektivität beruhende Argumentation nimmt an, dass private Eigentümer am besten wissen, wo und wie eine optimale Allokation von Gütern stattfindet. Erster bekannter Vertreter dieser Theorie ist Adam Smith, explizit ohne naturrechtliche Komponente wird sie von Jeremy Bentham und John Stuart Mill vertreten, auf ein sozialdarwinistisches Extrem von Herbert Spencer getrieben und findet sich in der neueren Theorie beispielsweise bei James M. Buchanan oder Robert Axelrod.
Geschichte des Liberalismus
Obwohl der Begriff des Liberalismus erst relativ spät in Spanien entstand (1812), ist seine Geschichte doch älter. Er entwickelte sich zeitgleich mit der Aufklärung und stellte die Freiheit des Individuums in den Mittelpunkt seiner Theorie.
Während die politische Szene in England und den USA während des 18. und 19. Jahrhunderts fast vollkommen von Liberalen beherrscht wurde, hatten sie aufgrund gewerkschaftlicher Bewegungen in den kontinentaleuropäischen Ländern weit weniger Einfluss. Liberale standen oftmals zwischen Aristokratie und der beginnenden Arbeiterbewegung.
Während sich anfangs Liberale, radikale Demokraten und die Vorläufer der Arbeiterbewegung zusammen für eine Abschaffung der Adelsprivilegien einsetzten, änderte sich dies mit der Revolution von 1848. Erst um 1848 differenzierte sich die zuerst diffuse Opposition weiter aus. Die Hauptträger des Liberalismus, die bürgerlichen Schichten, neigten in Verbindung mit dem Nationalismus insbesondere in Deutschland dazu, nationale Einigung und Schutz des Eigentums als Vorbedingungen für die Erfüllbarkeit ihrer Forderungen nach Freiheit zu sehen.
Liberalismus in Deutschland
Erste Höhepunkte waren das Hambacher Fest 1832 und die Revolution von 1848.
In der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/1849 stellten die bürgerlich-liberalen Fraktionen Casino und Württemberger Hof (Heinrich von Gagern) die Mehrheit. Sie traten für eine konstitutionelle Monarchie, Volkssouveränität und parlamentarische Rechte ein.
Die Spaltung des deutschen Liberalismus erfolgte anhand von Bismarcks Reichsgründung. Waren vorher im liberalen Kanon die deutsche Einheit und die Etablierung bürgerlicher Freiheiten untrennbar miteinander verbunden, stellte die konservative Reichsgründung von oben das Auseinanderfallen von Nationalen und Freiheitlichen Zielen dar. Ein Teil entschied sich, Bismarck zu unterstützen und ging später in der nationalliberalen Partei auf, eine anderer war eher widerständig orientiert und bildete den Freisinn.
Mit dem Aufkommen der Sozialdemokratie verloren Liberale ihren Einfluss als prägende politische Kraft. Als Bismarck das noch heute in seine Grundzügen bestehende Sozialversicherungssystem einführte, vor allem um der als revolutionär eingeschätzten SPD in einer Doppelstrategie aus Verbot und Entgegenkommen politisch das Wasser abzugraben, schien das Schicksal der Liberalen um Eugen Richter besiegelt. Die Bewegung selbst spaltete sich in einen eher linksliberal-Wohlfahrtsstaatlichen Flügel (vor allem in den Hansestädten und Südwestdeutschland) und eine nationalliberal-großindustrielle Richtung (vor allem an Rhein und Ruhr).
Bei der Gründung der Weimarer Republik spielten die Liberalen eine entscheidende Rolle. In der Anfangsphase gründeten sich zwei liberale Parteien, die DDP und die DVP. Damals standen Persönlichkeiten wie Friedrich Naumann, Max Weber, Albert Einstein, Walter Rathenau, Gustav Stresemann, Hugo Preuß, Reinhold Maier, Theodor Heuss unter anderem für den Liberalismus.
Mit der Gründung der FDP - Die Liberalen wurde die Spaltung des Liberalismus in Deutschland endgültig erfolgreich überwunden. Seit Gründung der Bundesrepublik war die FDP unter anderem mit Thomas Dehler, Erich Mende, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel an den Bundesregierungen beteiligt. Die FDP ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die für sich in Anspruch nimmt, für den ganzheitlichen Liberalismus einzutreten.
Liberales Gedankengut findet sich daneben aber auch in den anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Insbesondere durch die wirtschaftsliberale Dominanz in der FDP sind nach der "Wende" 1982 einige Politiker wie Ingrid Matthäus-Meier oder Günter Verheugen in die SPD gewechselt.
Kritik
Das Problem des ökonomischen Liberalismus sehen seine Kritiker darin, dass die versprochenen Freiheiten durch ökonomische Zwänge erkauft würden. Wer nichts anderes zu verkaufen hat als seine Arbeitskraft befindet sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. Daher werfen Kritiker ein, dass der ökonomische Liberalismus nur für jene mit entsprechenden finanziellen Mitteln Freiheiten bringe (vergleiche Globalisierungskritik).
Bedeutende Liberale
Literatur
- Wolfgang Fach: Die Regierung der Freiheit; Frankfurt a.M., Edition Suhrkamp, 2003
Siehe auch: Klassischer Liberalismus, Manchesterliberalismus, Neoliberalismus, Considerations on Representative Government, Ordoliberalismus, Technoliberalismus