Unternehmen Merkur
Vorlage:Schlacht Die Luftlandeschlacht um Kreta, „Unternehmen Merkur“, war eine Schlacht im Zweiten Weltkrieg und zugleich die erste große Luftlandeoperation der Geschichte. Nach der Einnahme Griechenlands im Verlauf des Balkanfeldzuges 1941 wurde das von alliierten Truppen verteidigte Kreta durch die deutsche Wehrmacht erobert und bis 1945 besetzt.
Vorgeschichte
Kreta war aus britischer Sicht von strategischem Interesse. Der Besitz Kretas würde nach Ansicht der britischen Führung wegen seiner geographischen Lage den Schutz Ägyptens und Maltas erhöhen. Sie bereitete deswegen die Besetzung Kretas logistisch vor. Als am 28.Oktober 1940 Italien Griechenland angriff und Athen von London Hilfe erbat, landeten schon am ersten November Vorauskommandos aus Alexandria auf Kreta. In den folgenden Monaten folgten einige britische Infanterieverbände und Luftabwehreinheiten.Die Verteidigungsmöglichkeiten wurden aber nicht wesentlich verstärkt. Athen zog die Masse der auf Kreta stationierten Verbände im November 1940 an die Epirus-Front ab. Bis Februar 1941 wurden drei Landestreifen für die Verbände der Royal Air Force eingerichtet, in Maleme, Réthymnon und Heraklion. Zu Beginn des Jahres 1941 standen gerade noch 1.000 griechische Soldaten auf der Insel.
Mitte April 1941 zeichnete sich die Niederlage der vom britischen Expeditionskorps unterstützten griechischen Armeen ab. Als etwa 250 deutsche Transportflugzeuge nach Plowdiw in Bulgarien gebracht wurden und als die deutschen Fallschirmjäger nach ihrem Einsatz in Korinth Griechenland nicht wieder verliessen, rechnete die britische Führung mit einem deutschen Luftlandeunternehmen. London beschloss, seine Truppen aus Griechenland abzuziehen. Auf Anweisung Churchills wurde ein Teil des britischen Expeditionskorps nach Kreta transportiert, um eine wirkungsvolle Verteidigung zu ermöglichen. Die Masse der britischen Truppen wurde nach Ägypten evakuiert. Churchill sah trotz der Vorbehalte, die die britischen Oberbefehlshaber im Nahen Osten wegen ihrer unzureichenden militärischen Kapazitäten äußerten, die Gelegenheit gekommen, den deutschen Fallschirmjägern erhebliche Verluste zuzufügen. Zudem erwartete er von dem Entschluß, Kreta zu verteidigen, günstige Auswirkungen auf die Türkei und den gesamten Nahen Osten.
Angesichts der aussichtslosen militärischen Lage beging der griechische Ministerpräsident Koryzis Selbstmord. Die griechischen Armeen kapitulierten vor der deutschen 12.Armee. Der griechische König Georg II. bildete eine neue Regierung unter Emanuel Tsouderos, die von Kreta aus den Widerstand gegen die Achsenmächte fortsetzen wollte. Sie verliessen das griechische Festland am 23. April 1941.
Aus deutscher Sicht boten die britischen Stützpunkte auf Kreta und Malta den Briten die Möglichkeit, den Schiffsverkehr der Achse nach Nordafrika zu behindern. Von Kreta aus waren auch Vorstöße der Briten in die Ägäis möglich. Außerdem befürchtete Hitler, daß von Kreta aus Luftangriffe auf die rumänischen Erdölfelder geführt werden könnten, die für den geplanten Überfall auf die Sowjetunion von großer Bedeutung waren. Auch die deutsche Seekriegsleitung drängte auf eine Eroberung Kretas. Sie ging davon aus, dass die Verdrängung der Briten aus dem Mittelmeer entscheidend für die weitere Kriegsführung gegen England sei. Die Luftwaffe ging davon aus, von Kreta aus den Nachschubverkehr der Briten durch den Suez-Kanal lahmlegen zu können.
Bereits am 15. April 1941 hatte General Alexander Löhr im Führerhauptquartier am Semmering Hermann Göring die Idee einer Eroberung Kretas durch Luftlandetruppen vorgeschlagen. Er erhielt nun den Auftrag, mit Luftlandetruppen, Fallschirmjägerverbänden und der Unterstützung der 5. Gebirgsdivision das Unternehmen Merkur durchzuführen.
Militärische Lage und Planung vor dem Angriff
Deutscher Angriffsplan
Göring beauftragte die Luftflotte 4 in Wien mit der Planung und Durchführung der Operation. Dem General der Flieger Löhr wurde dazu das XI. Fliegerkorps unter Student mit seinen Luftlande- und Fallschirmjägerverbänden unterstellt. Die Jagd- und Bomberstaffeln des VIII. Fliegerkorps unter Richthofen sollten ihren Schutz übernehmen, sowie nach Erringung der Lufthoheit, aktiv die kämpfenden Bodentruppen unterstützen. Außerdem sollte die 12.Armee in Griechenland Teile der 5. Gebirgsdivision zur Verstärkung des XI. Fliegerkorps abstellen und aus Teilen der 6. Gebirgsdivision Reserven bilden. Weil der deutschen Marineführung im Mittelmeerraum naturgemäß keine nennenswerten Schiffsverbände zur Verfügung standen, wurde Italien um Unterstützung gebeten.
Löhrs Plan sah vor, zunächst die Hauptstadt Chania und den größten Flugplatz Kretas, Maleme, mit Luftlande- und Fallschirmtruppen zu erobern, und danach nach Osten vorzustoßen. Student und sein Stab wollten dagegen alle wichtigen Punkte der Insel gleichzeitig aus der Luft angreifen und danach auf den eroberten Flugfeldern Heeresverbände landen lassen, die den Rest der Insel besetzen sollten. Richthofens Jagdverbände reichten aber für die Sicherung einer größeren Zahl von Absetzorten nicht aus. Deswegen sah der endgültige Plan vor, nur 4 Punkte aus der Luft zeitlich gestaffelt anzugreifen. Im ersten Anflug in den Morgenstunden des Angriffs sollte wie in Löhrs Plan das Gebiet von Chania und Maleme angegriffen werden, im zweiten Anflug am Nachmittag Rethymnon und Heraklion.
Angesichts der britischen Überlegenheit auf See entschloss sich das XI. Fliegerkorps, den größten Teil der Soldaten auf dem Luftweg zu transportieren, zumal dem „Admiral Südost“ Schuster nur zwei Schiffsstaffeln mit zusammen etwa 60 Motorseglern zur Verfügung standen. Die Italiener übernahmen den Schutz dieser improvisierten Flotte von Griechenland über die Insel Milos nach Kreta. Nach der Sicherung von Brückenköpfen und Anlandungsstellen durch Luftlandetruppen sollten weitere Truppen und Kriegsmaterial per Schiff auf die Insel gebracht werden.
Der ursprünglich früher geplante Angriff wurde wegen Engpässen in der Versorgung mit Flugbenzin auf den 20. Mai gelegt. Schon in den ersten Maitagen begannen jedoch Verbände des VIII. Fliegerkorps mit Aufklärungsflügen und anschließenden Angriffen auf Konvois und Schiffe der Briten. Ab der zweiten Maiwoche wurde der britische Schiffsverkehr an der Nordseite Kretas, wo die wichtigsten Häfen lagen, praktisch blockiert. Von Anfang Mai rund 27.000 Tonnen eingeschifften wichtigen Nachschubes für Kreta, konnten nur ca. 3.000 Tonnen gelandet werden, während der Rest umkehren musste[1].
Deutscherseits sah man einen schnellen und kontrollierten Schlag von Gebirgs- und Fallschirmjägern vor. Diese waren gut ausgebildet und besaßen auf Grund ihrer ausschließlich leichten Ausrüstung zwar nur eine geringe absolute Feuerkraft, bedingt durch ihre hohe Mobilität und Motivation, sowie ihren großen Korps- und Kampfgeist einen hohen Einsatzwert.
Für die Überführung dieser Kräfte nach Kreta war GenMaj. Konrad verantwortlich, der zehn „Kampfgruppen z.b.V.“ mit 493 Transportmaschinen Ju 52 und rund 100 Lastenseglern zur Verfügung hatte. Das zur Sicherung und Unterstützung eingeplante VIII. Fliegerkorps hatte 280 Bomber, 150 Sturzkampfbomber, 180 Jagdflugzeuge und 40 Aufklärer zur Verfügung. Zur See war die Kriegsmarine mit 2 Dampferstaffeln und 2 Motorseglerstaffeln beteiligt. Die Sicherung erfolgte durch die italienische Marine (Kpt.z.S. Peccori-Giraldi) mit 2 Zerstörern und 12 Torpedobooten, mehreren U-Booten, Schnellbooten und Minensuchern[2].
Die Deutschen verfügten über 15.000 Fallschirmjäger der 7. Flieger-Division, die nach der Eroberung eines Flugfeldes von etwa 14.000 Gebirgsjägern durch Lufttransporte unterstützt werden sollten. Weitere Verstärkung sollte dann auch über See angelandet werden. Dazu kamen 46 Kampf- und 16 Jagdflugzeuge der Italiener auf dem Dodekanes.
Der deutsche Militär-Nachrichtendienst Abwehr unterschätzte erheblich die tatsächliche Anzahl feindlicher Soldaten auf Kreta und war der Ansicht, auf der Insel seien maximal 15.000 britische Soldaten und nur wenige griechische Truppen stationiert. Die Bevölkerung Kretas sei den Deutschen wohlgesonnen. Dort befänden sich viele antimonarchische Kräfte, welche die alte griechische Regierung abgelehnt hätten. Die Aufklärung der 12. Armee ging zwar von mehr Truppen aus, unterschätzte aber die tatsächlichen Zahlen ebenfalls.
Bewaffnung der deutschen Soldaten
Die Fallschirmjäger besaßen beim Absprung nur Handwaffen, da Maschinengewehre und ähnliches Gerät in besonderen Behältern abgeworfen wurde. Das sollte den Absprung aus dem Flugzeug erleichtern. Die Fallschirme der Waffenbehälter waren farbig markiert. Die Deutschen setzten auf Kreta mit dem Leicht-Geschütz 40 (LG40) eine neue Panzerabwehrwaffe ein, die leichter war als die bisherigen Waffen. Rund 25 % der Truppen hatte man mit MP40-Maschinenpistolen ausgerüstet, für alle 8 bis 12 Soldaten war ein MG34-Maschinengewehr vorgesehen. Schwere Waffen wie Feldkanonen oder gar Haubitzen standen den luftgelandeten „Leichten Infanterieverbänden“ nicht zu Verfügung.
Verteidigungsvorbereitungen der Briten und Griechen
Am 30. April wurde General Freyberg, der die neuseeländischen Truppen auf griechischem Festland unter General Wavell befehligt hatte, das Kommando auf Kreta übertragen und mit den Verteidigungsvorbereitungen, die den Decknamen „Scorcher“ bekamen, begonnen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das britische Expeditionskorps, das vorher in Griechenland gekämpft hatte und evakuiert wurde, noch zum Teil auf der Insel, etwa 30.000 Mann. Das ursprüngliche Inselkontingent umfasste etwa 5.000 Soldaten, dazu kamen noch etwa 2.500 kretische Gendarmen.
Die griechischen Soldaten waren schlecht ausgerüstet, da zu Beginn des Balkankrieges alle neueren und schweren Waffen aufs Festland geschafft worden waren. Die meisten Gewehre waren deutscher und österreichischer Herkunft (im Rahmen des Versailler Vertrags beschlagnahmt). Weiter waren veraltete Maschinengewehre unterschiedlicher Fabrikate und Kaliber vorhanden. Außerdem herrschte Munitionsmangel, die Briten hatten für viele griechische Waffen keine entsprechende Munition in ihren Beständen.
Durch die Evakuierung waren die britischen Einheiten auf der Insel stark vermischt und mussten neu geordnet werden. Dem Oberbefehlshaber der Royal Navy im Mittelmeer, Admiral Cunningham gelang es trotz der Angriffe deutscher Flugverbände auf seine Schiffe, etwa 7.000 nicht benötigte Soldaten von der Insel abzuziehen, rund 2.000 Mann an Kampftruppen auf die Insel zu schaffen und die ärgsten Lücken in Ausrüstung und Bewaffnung zu schließen.
Es mangelte an schweren Waffen, nur 85 Artillerie-Geschütze konnten aus eroberten italienischen Beständen aufgeboten werden. Zur Flugabwehr konnte die britische Armee 50 Flak-Geschütze und 24 Scheinwerfer einsetzen. An gepanzerten Fahrzeugen verfügten die Verteidiger nur über 16 veraltete Cruiser Mk I-, neun Matilda- und 16 leichte Mk VI-Panzer. Für die Panzer stand aber hauptsächlich panzerbrechende Munition zur Verfügung, deren Einsatz gegen Infanterie wenig sinnvoll ist. Auch gab es kaum Ersatzteile für die Panzer und das Gelände erschwerte ihren Einsatz. So wurden einige Panzer in befestigte Stellungen eingebaut. Der bei Fallschirmjäger-Anlandungen angezeigte bewegliche Einsatz von Panzerkräften wurde dadurch zusätzlich behindert.
Der Bestand der Royal Air Force umfasste Anfang Mai sechsunddreißig Maschinen auf Kreta, wobei nur die Hälfte einsatzfähig waren. Diese Flugzeuge wurden einen Tag vor dem deutschen Angriff nach Ägypten verlegt, um sie der Vernichtung zu entziehen und für andere Einsätze zu erhalten[3]. Unmittelbar vor der Verlegung flogen die Briten aber noch Angriffe gegen die deutschen Häfen. Daraus schlossen wiederum die Deutschen, dass die Engländer die Vorbereitungen für "Merkur" erkannt hatten[4]
Die Royal Navy kontrollierte weiterhin die See um Kreta, die Lufthoheit hatten jedoch die Achsenmächte.
Alliierter Verteidigungsplan
Freyberg ging von einem kombinierten Luft-See-Angriff aus und legte die Masse seiner Truppen an die Nordküste in den Bereich Maleme-Chania-Súda-Bucht mit dem Auftrag, Hauptstadt, Flugplatz und Hafen zu halten. Es befanden sich
- in Maleme die 2. Neuseeländische Division, 11.500 Mann, darunter 3.500 Griechen
- in Chania/Súda verschiedene britische und australische Einheiten, 17.400 Mann, davon 930 Griechen
- in Réthymnon die 19.Australische Brigade, 4.800 Mann, davon 3.200 Griechen
- in Heraklion die 14. britische Brigade, davon 2.700 Griechen
Jedoch konnten die Briten die deutsche Verschlüsselungsmaschine Enigma auslesen und waren deshalb über die Angriffspläne in annährend allen Einzelheiten informiert. Abgehört wurden fast alle Funksprüche zwischen dem Oberkommando der Luftwaffe und den in Griechenland mit der Vorbereitung und Planung befassten militärischen Stäbe, so dass die Alliierten gezielte Abwehrmaßnahmen einleiten konnten und General Freyberg daraufhin die Verteidigung der Flugfelder verstärken ließ. Er musste jedoch einsehen, dass die schlechte Ausbildung von Teilen und die schlechte Ausstattung aller seiner Truppen eine effektive Verteidigung erschwerten.
Freyberg plante daher, die Flugfelder so zu beschädigen, dass diese unbenutzbar geworden wären. Doch wurde ihm dies vom Oberbefehlshaber der britischen Armee Wavell untersagt. Wavell ging davon aus, dass allein das Wissen über den Angriffsplan reichen würde, um den Angriff abzuwehren, und eine Zerstörung der Flugfelder nur eine schnelle Ausstattung der Insel mit eigenen Flugzeugen verhindert hätte. Bis heute ist diese Entscheidung umstritten; sie gilt als ein Grund für den deutschen Sieg. Die deutschen Transportflieger nahmen allerdings teilweise bewusste Bruchlandungen auf Stränden und Feldern in Kauf. Einige Historiker glauben, dass für die deutsche Führung der Verlust einer beträchtlichen Anzahl von Flugzeugen nachrangig war beziehungsweise einkalkuliert wurde. Im Vordergrund hätte allein der Erfolg des Angriffs gestanden, der somit auch ohne die Eroberung von Flugfeldern gelungen wäre.
Operationsverlauf
1. Tag: 20. Mai
Am Dienstag dem 20. Mai gegen 07:15 Uhr begann Unternehmen Merkur mit der Bombardierung der vorgesehenen Absetzzonen durch die deutsche Luftwaffe. Die deutschen Kräfte wurden in drei Formationen gegliedert: Die Gruppe West (GenMaj. Meindl) wurde bei Malemes, die Gruppe Mitte (GenLt. Süßmann) bei Chania und an der Sudabucht und schließlich die Gruppe Ost (GenMaj. Ringel) im Raume Heraklion angesetzt. Das Absetzen der ersten Welle gelang fast ohne Schwierigkeiten und nur sieben der fast 500 aufgestiegenen Ju 52 gingen verloren[5]. Doch beim Niederschweben sind die Fallschirmjäger bereits einem unerwartet hohem Sperrfeuer ausgesetzt. Viele Fallschirmjäger wurden bereits in der Luft verwundet oder getötet. Selbst wenn sie es schafften zu landen, mussten sie sich, nur leicht bewaffnet, erst zu den Waffenbehältern durchkämpfen. Während bei Malemes die britische Flugabwehr praktisch sofort außer Gefecht war und das Bombardement noch im Gange war, begannen bereits westlich des Flugplatzes Gleiter, die unmittelbar nach der Landung mit Granatwerfern beschossen wurden, in echter oder in Bruchlandung niederzugehen[6]. Jedoch mussten die angelandeten Soldaten sofort zur Verteidigung übergehen, so dass die Ziele einer sofortigen Eroberung eines Flughafen scheiterten.
Durch zeitliche Verzögerungen, -zum einen mussten die zu ihren Stützpunkten zurückgekehrten Transportmaschinen z.T. mühsam mit Handpumpen aus Fässern aufgetankt werden, zum anderen war eine größere Ansammlung von Flugzeugen in der Luft wegen der enormen Staubentwicklung beim Start nicht möglich-, erwies sich das geplante Zusammengehen von Bomber- und Transportverbände als undurchführbar. So wurde die zweite Welle gegen 16:15 Uhr bei Réthymnon und um 17:30 Uhr bei Iráklion verspätet abgesetzt, nachdem der vorausgangende Bombenangriff schon einige Zeit vorher stattfand und die entstandenen Schäden notdürftig beseitigt worden waren.
Die zweite Welle der deutschen Luftlandeverbände erlitt deshalb ebenfalls schwere personelle Ausfälle im Abwehrfeuer. Gegen Ende des Tages hatten die Deutschen keines ihrer Ziele erreicht. Dennoch zeichneten sich auf britischer Seite erste Probleme ab. Es mangelte an Fahrzeugen, hauptsächlich an sachgemäß bewaffneten Panzern, aber vor allem an Kommunikationsmitteln, um wenigstens die vorhandenen Fahrzeuge gegen die einzelnen deutschen Widerstandsnester zum Einsatz zu bringen. Dadurch konnten die deutschen Fallschirmjäger ihre fieberhaft und nur andeutungsweise errichteten Stellungssysteme behaupten.
Aber auch die deutschen Landungstruppen hatten ihre Probleme mit der Kommunikation; so gingen die vorgesehenen 200-Watt-Funksender beim Aufprall der Lastensegler zu Bruch und die Gruppe West und Mitte hatte keine Verbindung zum fernen Gefechtsstand in Athen. So hatte der kommandierende General des XI. Fliegerkorps keine Kenntnis darüber, dass der Angriff auf den Flugplatz Malemes gescheitert war, der Kommandeur der 7. Fliegerdivision Kreta gar nicht errreichte, weil er über der Insel Ägina abstürzte und dass manche der Landeeinheiten nur noch über ein Bruchteil ihrer Kampfstärke verfügten[7].
Die einzelnen Einheiten der Fallschirmjäger waren teilweise weit verstreut und wurden durch die große Anzahl feindlicher Truppen und das mörderische Abwehrfeuer überrascht, da die Aufklärung weit geringeren Widerstand prognostiziert hatte, während die britischen Truppen wegen der schonungslosen und draufgängerischen Art und Weise der Landung sowie der Kampfstärke der Landetruppen überrascht waren.
Die Einnahme des Flugfeldes Maleme konnten die Neuseeländer im Nahkampf verhindern. Auch wurden viele Fallschirmjäger vom Wind weit von ihren Landezielen abgebracht und landeten in der Landschaft verteilt. Sie konnten sich dann am Boden neu gruppieren und einzelne Verteidigungsstellungen ausheben.
Als General Student in der Nacht vom 20. zum 21. Mai über die Lage auf Kreta unterrichtet wurde, befahl er, alle zur Verfügung stehenden Kräfte vordringlich auf die Einnahme des Flugplatzes bei Malemes zu konzentrieren.
2. Tag: 21. Mai
In der Nacht zum 21. Mai wurde jede im Südosten Europas verfügbare deutsche Transportmaschine nach Kreta abgezogen, um die Versorgungsflüge für die schwer kämpfenden Fallschirmjäger zu unterstützen, da innerhalb kurzer Zeit über 150 Maschinen Ju 52 während der Kampfhandlungen ausgefallen waren. Dazu stellte die Luftwaffe hauptsächlich die erst kürzlich nach den Iran aufgenommenen Versorgungsflüge ein[8].
Am Mittwoch, dem 21. Mai 1941 sprang der bereits 52-jährige Oberst Ramcke bei Malemes ab und übernahm anstelle des verwundeten Gen.Maj. Meindl die Führung über die Gruppe West. Das Flugfeld bei Maleme lag neben einem Hügel, Höhe 107, von dem es einsehbar war. Aus dieser Position heraus konnten die deutschen Truppen dann neu koordiniert das Flugfeld von Maleme gegen 17.00 Uhr einnehmen. Die Landebahn selbst lag jedoch unter dem Beschuss der britischen Granatwerfer, Geschütze und Maschinengewehre. Trotzdem landeten die ersten Ju 52 auf den Pisten und dem westlich angrenzenden unebenen Gelände unter hohen Verlusten. Schrittweise gelang es den Deutschen ihre Stellung auszubauen. Ein nächtlich unternommener Gegenangriff der Briten drang bis zum Rand des Flugplatzes vor, jedoch musste der Angriff bei Tagesanbruch beim Wiedererscheinen der deutschen Luftwaffe eingestellt werden[9].
Die Royal Navy fing in der Nacht einen Konvoi der Deutschen ab, der weitere Soldaten hätte anlanden sollen.
3. Tag: 22. Mai
In der Nacht zum 22. Mai sollten zwei neuseeländische Bataillone das Flugfeld zurück erobern. Aber die deutschen Truppen hatten es mittlerweile so stark gesichert, dass der Angriff abgewehrt werden konnte. Im Gegenzug schafften es die deutschen Truppen, unterstützt von Sturzkampfbombern (Stukas), aus dem geschaffenen Brückenkopf auszubrechen. Die Alliierten mussten sich daraufhin immer weiter in die östlichen Teile der Insel zurückziehen, um einem möglichen Flankenangriff zu entgehen, der ihre rasche Einkesselung und Vernichtung bedeutet hätte.
Evakuierung der Alliierten vom 28. Mai bis zum 1. Juni
Am 28. Mai beschloss die Londoner Regierung, Kreta aufzugeben. Von Sfakia aus, einer bergigen Region im Südosten, sollte die Royal Navy möglichst viele Truppen nach Ägypten bringen. Bis zum 1. Juni wurden mehr als 16.000 Soldaten nach Ägypten evakuiert.
Die deutschen und mittlerweile angelandete italienische Truppen versuchten, den fliehenden alliierten Truppen den Weg abzuschneiden. Gebirgsjäger und Kradschützen konnten sich wesentlich schneller in dem gebirgigen Gelände bewegen. Die erbitterte Gegenwehr der Alliierten verhinderte allerdings größere Einkreisungen, so dass nur Teile der Layforce eingekesselt werden konnten. Der britische Schriftsteller Evelyn Waugh, der sich als Brigade-Major der Layforce unter den eingekreisten Soldaten befand, konnte zusammen mit dem Kommandanten der Truppe Robert Laycock in einem Panzer die deutschen Linien durchbrechen und die Insel verlassen. Die übrigen Soldaten starben entweder im Kampf oder wurden gefangen genommen. Insgesamt gerieten etwa 5000 Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Die deutsche Luftwaffe griff die an der Evakuierung beteiligten Schiffe der Royal Navy an und versenkte neun Kreuzer und Zerstörer. Als Generale der Armee daraufhin die Befürchtung äußerten, dass die Royal Navy die Evakuierung stoppen würde, um die Schiffe zu retten, widersprach der britische Admiral Sir Andrew Browne Cunningham: „It takes three years to build a ship, it takes three centuries to build a tradition.“ (dt. Es braucht drei Jahre um ein Schiff zu bauen, es braucht drei Jahrhunderte um eine Tradition aufzubauen).
Da die schweren Waffen fast vollständig zerstört oder bereits aufgegeben waren, wurde die Munition an Partisanen verteilt. Etwa 500 Commonwealth-Soldaten zogen sich in die umliegenden Bergen zurück, nachdem der Hafen Chora Sfakion von den Deutschen erobert und die Evakuierung abgebrochen worden war. Teile der Landbevölkerung leisteten ihnen und den griechischen Soldaten Beistand.
Die Deutschen hatten nach offiziellen Angaben Verluste von 6.200 Soldaten zu beklagen, darunter 3.714 Gefallene und 2.494 Verwundete. 1945 schätzte jedoch die australische Kriegsgräberkommission die deutschen Verluste auf etwa 17.000 Mann.
Militärische Bewertung der Operation
Nach dieser verlustreichen Luftlandeoperation untersagte Hitler weitere größere Luftlandeeinsätze, so dass auch die Vorbereitungen zur Einnahme Maltas (→ Unternehmen Herkules) gestoppt wurden. Die Vorbereitung der Einnahme Maltas und die damit mögliche Bedrohung der britischen Besitztümer und Protektorate im Nahen Osten und in Ägypten war immerhin ein wesentlicher Grund für die Besetzung Kretas gewesen. Hauptmotiv für den Verzicht auf eine Invasion Maltas war aber wohl der bevorstehende Überfall auf die Sowjetunion. So blieben die Befürchtungen der Alliierten, dass Deutschland nach dem Balkanfeldzug eine Entscheidung im Mittelmeerraum und in Afrika anstreben würde, grundlos.
Der Verzicht auf weitere Luftlandeoperationen, vor allem im Russlandfeldzug, wird von vielen Militärhistorikern als Fehler angesehen. Besonders in Russland mit seinen tiefen Operationsgebieten wären solche Einsätze wohl erfolgversprechend gewesen. Die Fallschirmjäger wurden aber nur noch als Elite-Infanterie eingesetzt.
Der Sieg auf Kreta 1941, trotz hoher eigener Verluste über einen zahlenmäßig überlegenen Verteidiger errungen, bewies den außergewöhnlich hohen Kampfwert der deutschen Fallschirmtruppe.
Die Westalliierten waren von der Schlagkraft der deutschen Fallschirmjäger beeindruckt. Sir Winston Churchill befahl darauf den Aufbau von britischen Luftlandeeinheiten. Die Alliierten unternahmen im Verlaufe des Krieges große Luftlandungen während der Landung auf Sizilien, der Landung in der Normandie, der Luftlandung während der Operation Market Garden, mit der größten Luftlandung während der Operation Varsity 1945.
Partisanenkämpfe
Während der Kämpfe hatten sich auch Teile der Bevölkerung Kretas bewaffnet und gelandete Fallschirmjäger getötet, gefoltert und verstümmelt. Der Widerstand gegen die Besatzung war entgegen den deutschen Vermutungen hoch. Nach der Eroberung befanden sich noch zahlreiche griechische Militärangehörige, die sich ihrer Uniformen entledigt hatten und in Zivil Widerstand leisteten, auf der Insel.
Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) meldete am 30. Mai
- „Bei den Kämpfen auf Kreta sind deutsche Soldaten nach ihrer Verwundung in so tierischer Weise verstümmelt worden, wie es im Verlaufe dieses Krieges bisher nur im Feldzug gegen Polen vorgekommen ist. Die deutsche Wehrmacht wird mit allen Mitteln dafür Sorge tragen, dass die Anständigkeit und Ritterlichkeit des Kampfes gewahrt bleibt. Mit dem härtesten Strafgericht wird sie daher die für diese barbarischen Verstümmelungen verantwortliche Truppe oder die schuldigen Einwohner treffen.“
Student erließ am 31. Mai folgenden Befehl:
- „Es kommt nun darauf an, alle Maßnahmen mit größter Beschleunigung durchzuführen, unter Beiseitelassung aller Formalien und unter bewußter Ausschaltung von besonderen Gerichten. Bei der ganzen Sachlage ist dies Sache der Truppe und nicht von ordentlichen Gerichten. Sie kommen für Bestien und Mörder nicht in Frage.“
Bereits nach der Besetzung der Insel wurden daher am 2. Juni auf Anordnung von General Kurt Student eine unbekannte Anzahl von Zivilisten erschossen. Noch während der Kampfhandlungen erging, wie ihr Kommandeur am 4. Juni 1941 berichtet, für die 5. Gebirgsdivision der Befehl, für jeden deutschen Verwundeten oder Gefallenen 10 Kreter zu erschießen, Gehöfte und Dörfer, in denen deutsche Truppen beschossen werden, niederzubrennen und in allen Orten Geiseln für „Sühnemaßnahmen“ zu nehmen.
Wegen des Widerstandes der Partisanen während der Invasion wurden zwei Sonderunternehmen durchgeführt. In Zusammenhaupt mit dem Reichssicherheitshauptamt, das die Fahndungslisten und die standesgerichtlichen Urteile erstellte, wurden eine Anzahl von Personen gefangengenommen. Beim Sonderunternehmen Völkerbund, das von der 5. Gebirgsdivision geführt wurde, wurden 110 Männer zum Tode verurteilt und erschossen, weitere 39 Zivilisten bei bewaffnetem Widerstand oder „auf der Flucht“.
Unter anderem wegen des Widerstandes der Landbevölkerung wurden in der Folge bis zu 50.000 Mann deutsche Besatzungstruppen auf Kreta stationiert. Alleine in den folgenden drei Monaten fielen weitere 2.000 Kreter den Maßnahmen der deutschen Truppen zum Opfer.
Prominente Teilnehmer an der Schlacht
Unter den deutschen Truppen befanden sich auch als Fallschirmjäger der Boxweltmeister Max Schmeling und der spätere Politikwissenschaftler und einzige Brigadegeneral der Reserve der Bundeswehr, Friedrich August Freiherr von der Heydte. Beide überstanden die Landung und den Krieg, Schmeling wurde allerdings verletzt.
Drei Nachkommen des berühmten preußischen Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher die Brüder Wolfgang, Lebrecht und Hans-Joachim von Blücher wurden während der ersten zwei Tage der Landungsoperation getötet.
Auf britischer Seite nahm der Autor Evelyn Waugh an den Kämpfen teil.
Siehe auch
Quellen
- ↑ Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Scherz Verlag 1948, Seite 492.
- ↑ Janusz Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Düsseldorf 1985, Seite 462
- ↑ Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg Seite 493
- ↑ Kriegstagebuch des OKW Teilband II, Hrsg. Percey E. Schramm, Graefe Verlag München 1982, Seite 395 ff. Mit Eintrag vom 19. Mai wird dokumentiert, dass Engländer Luftangriffe auf deutsche Einsatzhäfen führen und die Vorbereitungen für Merkur erkannt haben. Die Insel Antikythera sollte gestern, Kreta soll morgen weggenommen werden
- ↑ Janusz Piekalkiewicz Der Zweite Weltkrieg, Band 2, Seite 462
- ↑ Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg Seite 494
- ↑ J. Piekalkiewicz: Der Zweite Weltkrieg, Seite 463
- ↑ J. Piekalkiewizc, Der Zweite Weltkrieg, Seite 463
- ↑ Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg, Seite 493. Nach Churchill schien das deutsche Oberkommando gegen Verluste gleichgültig: Mindestens 100 Transportmaschinen sollen in diesem Raume zu Bruch gegangen sein.
Literatur
- Antill, Peter: Crete 1941: Germany's Lightning Airborne Assault, Osprey Publishing, Oxford 2005, ISBN 1-8417-6844-8
- Beevor, Antony: Crete: The Battle and the Resistance, John Murray Ltd, 1991. Penguin Books, 1992. Pbk ISBN 0-14-016787-0 Boulder : Westview Press, 1994. LCCN 93047914
- Buckley, Christopher. Greece and Crete 1941, London, 1952. Greek pbk edition (in English): P. Efstathiadis & Sons S.A., 1984. Pbk ISBN 960-226-041-6
- Bundesarchiv (Hrsg.): Europa unterm Hakenkreuz, Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Jugoslawien, Griechenland, Albanien, Italien und Ungarn (1941-1945), Band 6. Hüthig Verlagsgemeinschaft, Berlin, Heidelberg 1992, ISBN 3-8226-1892-6
- Clarke, Alan: The Fall of Crete. – Weidenfeld Military, November 2000 – ISBN 0304352268
- Kiriakopoulos, G.C.: The Nazi Occupation of Crete 1941-1945, Praeger, London 1995, ISBN 0-275-95277-0
- Churchill, Winston: Der Zweite Weltkrieg
- Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd.3, Der Mittelmeerraum und Südosteuropa, Stuttgart 1984, ISBN 3-421-06097-5
- Piekalkiewicz, Janusz: Der Zweite Weltkrieg 1941-1942
- Zentner, Christian: Der Zweite Weltkrieg - Ein Lexikon-
Fernsehdokumentation
- Andrew Thompson, BBC, Hitler, Churchill und die Fallschirmjäger (Weblink)