Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für Ideologien und Aktivitäten von Gegnern als parlamentarische Demokratie verfasster Staaten, die deren Gesellschaftssystem durch ein radikal-egalitäres ersetzen wollen und dazu teilweise auch Gewalt befürworten.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Begriff von Verfassungsschutz-Behörden eingeführt. Die Medien verwenden ihn seit den 1970er Jahren. In der Politologie ist der Begriff umstritten.[1][2]
Deutschland
Definition des deutschen Verfassungsschutzes
Siehe auch: Bundesamt für Verfassungsschutz
Unter dem Begriff Linksextremismus erfassen die Behörden deutschsprachiger Länder und Staaten[3] Gegner grundlegender Verfassungsprinzipien aus dem Lager der politischen Linken.
Der bundesdeutsche Verfassungsschutz beschreibt Linksextremisten wie folgt:
- Als erklärte Gegner der von ihnen als kapitalistisch, imperialistisch und rassistisch diffamierten rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland streben Linksextremisten nach wie vor die 'revolutionäre', d.h. grundlegende Umwälzung dieser Ordnung an. Alle Linksextremisten bekennen sich dabei grundsätzlich zur 'revolutionären Gewalt'. Ihre Aktivitäten zielen je nach ideologischer Ausrichtung – revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert – auf die Errichtung eines sozialistisch/kommunistischen Systems bzw. einer 'herrschaftsfreien' Gesellschaft ('Anarchie') ab.[4]
Folgen gewalttätiger Ausschreitungen zu der u. a. auch Antifagruppen aufforderten - 1. Mai Demonstration in Berlin im Jahr 2001.
Diese Beschreibung fasst unterschiedliche Weltanschauungen und Strömungen des Marxismus, Antikapitalismus, Anarchismus und Antiimperialismus zusammen, sofern diese eine gewaltsame Änderung des rechtsstaatlichen Systems der Bundesrepublik in Richtung Sozialismus/Kommunismus oder eines anarchistischen Gesellschaftsmodells anstreben. Das Ziel gewaltsamer Systemveränderung verbindet solche Gruppen grundsätzlich mit anderen „Extremisten", die ebenfalls die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder angreifen, indem sie die Amtsführung der Verfassungsorgane auf ungesetzliche Weise beeinträchtigen.[5]
Aus Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz missachten Linksextremisten demokratische Mehrheitsentscheidungen und lehnen deren Voraussetzung, das staatliche Gewaltmonopol, ab. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gelte ihnen wenig bis nichts. Ihr Handeln und dessen Folgen seien totalitär und diktatorisch und bedrohten damit die Freiheit des Einzelnen.
Dabei würden Linksextremisten geschickt Traditionen der Aufklärung instrumentalisieren, um sich als Radikaldemokraten darzustellen, die vorgeblich Unterdrückung und illegitime Herrschaft bekämpfen. Sie beanspruchten Frieden und soziale Gerechtigkeit als Ziele und sähen sich als Speerspitze des sozialen Fortschritts. Damit mobilisierten sie vorhandene anti-autoritäre Stimmungen nicht für mehr, sondern gegen die bestehende Demokratie. Ihr Feindbild sei nach wie vor der „freiheitliche Rechtsstaat". Dieser werde als „imperialistisches, rassistisches und faschistisches System" denunziert, das gewaltsam umzuwälzen sei. Dabei würden militante Aktionen häufig als „Gegengewalt" zur Durchsetzung eigener, sonst nicht mehrheitsfähiger Ziele legitimiert.
Linksextremisten besetzen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes heute die Themenfelder Antifaschismus, Antirassismus und Bereiche, welche soziale Benachteiligungen, vor allem die Globalisierung und den sogenannten Sozialabbau, in den Mittelpunkt rückten. Bei diesen Themen arbeiteten linksextremistische Gruppen mit Vertretern von Gewerkschaften und Attac zusammen. Das Thema Friedenskampf sei durch den Irakkrieg temporär wiederbelebt worden. Das Thema Anti-Atomkraft gehöre dagegen der Vergangenheit an. Gegen die angeblich faschistische und rassistische Politik des Staates agierten sie mit Demonstrationen und Veranstaltungen, aber auch mit „Militanz“.[6]
Wissenschaftlicher Diskurs
Hauptartikel: Radikalismus und Extremismus
Eckhard Jesse, ein Extremismusexperte für die Bundeszentrale für Politische Bildung und das Bundesministerium des Innern, begründet die Verfassungsschutzdefinition folgendermaßen:
- Unter die Sammelbezeichnung Linksextremismus fallen Anarchisten, für die zentrale Organisationsformen generell von Übel sind, 'autonome' Gruppierungen, die sich nicht an Autoritäten ausrichten und ein hohes Maß an Subjektivismus predigen – die Grenzen zum Terrorismus sind fließend – sowie verschiedenartige Spielarten des Kommunismus.
- Diese berufen sich in unterschiedlicher Ausprägung auf Marx, Engels, Lenin, Stalin, Trotzki oder Mao Zedong. Dabei ließen sich in der Vergangenheit grob drei Hauptströmungen voneinander unterscheiden: der an der Sowjetunion orientierte Kommunismus, der Maoismus und der Trotzkismus.
- Die erste Variante strebte mit Hilfe des Konzepts der friedlichen Koexistenz einen allmählichen Sieg des Kommunismus an. Der Zusammenbruch des Moskauer Kommunismus hat diese Strömung massiv erschüttert. Der Maoismus warf dem Kommunismus der sowjetischen Prägung vom Ende der 50er-Jahre an Revisionismus vor: Die Weltrevolution sei aufgegeben worden. Der in viele Richtungen zersplitterte Trotzkismus erteilte der Politik des 'real existierenden Sozialismus' in der Sowjetunion und in China eine entschiedene Absage und beklagt(e) deren 'bürokratische Entartung'."[7]
Diese unterschiedlichen Richtungen verbindet die Ablehnung der „kapitalistischen Klassengesellschaft". Eine Subsumierung heterogener Strömungen unter einen Homogenität suggerierenden Sammelbegriff ist in der Politologie allerdings umstritten. Horst Heimann folgend sind die Begriffe Linksradikalismus und Linksextremismus nicht einheitlich definiert.[1] Durch das Fehlen einheitlicher Unterscheidungskriterien ist eine Zuordnung problematisch. Daher werden laut dem Parteienforscher Gero Neugebauer beide Begriffe wissenschaftlich auch nur selten verwendet.
Umstritten ist aber vor allem auch der Oberbegriff Extremismus: Dieser beruht nach Neugebauer auf einem eindimensionalen Zuschreibungskonstrukt, aus dem sich vielfältige Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme ergeben. Der Terminus enthalte zudem eine politische Wertung, sei also ein normativer, kein analytischer Begriff. Er werde für Einstellungen, Verhaltensweisen, Institutionen und Ziele verwendet, die sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten.[2] Diese normative Perspektive liegt auch dem Begriff „Linksextremismus" zugrunde: Er bezeichne mit Gewaltmethoden verfolgte antikapitalistische Ziele als den einen von zwei Polen auf einer eindimensionalen Achse. Aufgrund dieser eindimensionalen Beurteilungsmethode betont der Ansatz auch die Gemeinsamkeiten zwischen Links- und Rechtsextremismus. Solche Gemeinsamkeiten sind etwa ein rigider Alleinvertretungsanspruch, die Ablehnung pluralistisch-demokratischer Systeme und ein Fanatismus, dem jedes zum Ziel führende Mittel legitim erscheint.
Dennoch werden auch von Befürwortern des Extremismuskonzeptes die fundamentalen Unterschiede zwischen den Extrempositionen nicht ausgeblendet:
- Zwischen rechten und linken Extremismen, Anarchisten und Kommunisten, Monarchisten und Neonationalsozialisten bestehen beträchtliche Divergenzen, so dass rechts- und linksextreme Gruppen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander oft heftig bekämpfen.[8]
Für Kritiker ist der Extremismusbegriff kein wissenschaftlich-analytischer Begriff. Er sei vielmehr ein „Arbeitsbegriff für die Verwaltungspraxis". Staatliche Institutionen verwendeten ihn, „um Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu identifizieren und ihr Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren."[9] Dabei ist Extremismus kein in Gerichtsurteilen oder Gesetzestexten definierter Rechtsbegriff.
Der Extremismusbegriff staatlicher Behörden wurde von dem damaligen Innenminister Werner Maihofer im Vorwort des Verfassungsschutzberichts 1974 eingeführt, um den bis dahin verwendeten Begriff des Rechts- bzw. Links-Radikalismus zu ergänzen. Extremismus sollte die konkrete Verfassungswidrigkeit linksgerichteter Bestrebungen kennzeichnen, während Radikalismus als nicht notwendig verfassungsfeindlich betrachtet wurde. Für die amtliche Einordnung ist entscheidend, ob eine Person oder Organisation als radikal oder extremistisch einzuschätzen ist, da daraus Verfassungsmäßigkeit oder -widrigkeit abgeleitet wird.
Diese Unterscheidung reicht Wissenschaftlern wie Gero Neugebauer jedoch nicht aus, um die Besonderheiten der jeweiligen linksextremen Einstellungen und Handlungen auch analystisch angemessen zu erfassen. Um kommunistische, sozialistische, sozialdemokratische, anarchistische, autonome, protestbewegte und terroristische Orientierungen und gegebenenfalls auch Herrschaftsformen richtig einordnen zu können, müsse zumindest nach der angestrebten Gestaltung der ökonomisch-sozialen Ordnung (staatliche Steuerung versus Marktsteuerung) und der politischen Ordnung (Libertarismus versus Autoritarismus) unterschieden werden. Bei den politischen Aktionsformen sei zumindest nach konventioneller, unkonventioneller bzw. gewalttätiger Partizipation zu unterscheiden.[10] Für die Verwaltungspraxis wird der Extremismusbegriff von Neugebauer jedoch ausdrücklich als wichtig und praktikabel eingeschätzt.
Viele Experten halten den Linksextremismus für politisch und ideologisch wesentlich inhomogener als den Rechtsextremismus. Damit wird auch begründet, dass sich zwar eine sozialwissenschaftliche Rechtsextremismusforschung, aber keine Linksextremismusforschung etabliert hat.
Geschichte
Mit der deutschen Studentenbewegung etablierte sich eine starke, außerparlamentarische linke Kraft in der Bundesrepublik.[11] Die große Mehrheit der damaligen Studentengeneration griff zwar staatliche Institutionen, nicht aber den Rechtsstaat als solchen an. Sie bezog sich auf die Parole Willy Brandts: „Mehr Demokratie wagen“. Teile der APO bildeten jedoch seit dem Tod von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 Gruppen, die auf verschiedene Weise den „bewaffneten Kampf“ befürworteten, planten und ausübten:
- die Bewegung 2. Juni
- die Revolutionären Zellen
- die Rote Armee Fraktion (RAF).
Vor allem die RAF steigerte ihre Gewaltaktionen in den 1970er Jahren kontinuierlich.[12] Die Aktionen begannen bei Brandanschlägen auf menschenleere Kaufhäuser und führten über Gefängnisausbrüche zu Entführungen und Ermordungen von Spitzenpolitikern.[13] Es folgten Sprengstoffanschläge unter Inkaufnahme des Todes Unbeteiligter sowie Geiselnahmen von Zivilisten im Zuge von Flugzeugentführungen.[14] Sie rechtfertigten dies nicht mit Berufung auf den Anarchismus oder Marxismus des 19. Jahrhunderts, sondern auf das Konzept der „Stadtguerilla“, bei dem Methoden des Guerillakampfes aus der dritten Welt in die „Metropolen“ der deutschen Industriegesellschaft übertragen wurden.
Man bezog sich u.a. auf die Fokustheorie Che Guevaras und das Vorgehen der Tupamaros in Uruguay[15]: Diese wollten nach der erfolgreichen Revolution in Kuba den Guerillakampf auch ohne Unterstützung der einheimischen Bevölkerung in andere Länder exportieren, um dort einen Umsturz der Machtverhältnisse zu erzwingen. Gruppen mit ähnlichen Handlungskonzepten waren die Roten Brigaden in Italien und die Action Directe in Frankreich.[16] Die RAF-Aktionen sollten Reaktionen des Staates provozieren, die der Masse die Augen für seine angeblich faschistische strukturelle Gewalt öffnen sollte.[17] Deshalb galten ihre Anschläge und Entführungen hervorgehobenen Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat mit tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung zum Nationalsozialismus. Die RAF blieb dabei jedoch völlig isoliert von der Arbeiterbewegung wie auch dem Großteil der Studentenbewegung. Dort löste die RAF eine heftige Debatte um die Gültigkeit von Rechtsnormen und die Grenzen und die Zweckmäßigkeit von Gewalt zum Erreichen der eigenen Ziele aus. Oft wurde dabei zwischen aus ihrer Sicht "legitimer Gewalt gegen Sachen" und illegitimer Gewalt gegen Personen unterschieden. Die Revolutionären Zellen und deren feministischer Ableger, die Rote Zora, schlossen Gewalt gegen bestimmte Repräsentanten der Staats- und Wirtschaftsmacht nicht generell aus. Doch selbst bei ihnen stieß der elitäre Führungsanspruch der RAF auf Ablehnung.[18] Später sammelten sich im autonomen Spektrum Gruppen mit unterschiedlichem antiimperialistischen oder antifaschistischen Selbstverständnis und einer Gewaltbereitschaft gegen Staatsorgane. Sie versuchten seit etwa 1980, die damals wachsende Friedensbewegung und die Atomkraftgegner im Sinne ihrer Ziele zu beeinflussen. Bei Demonstrationen verursachte der „schwarze Block“ nicht selten Sachbeschädigungen, und bei Gegendemonstrationen gegen Rechtsextremisten kam oft Gewalt gegen Personen hinzu. Die Zahl der Autonomen ging jedoch im Zuge der europäischen Einigung der späten 1980er Jahre stark zurück.[19]
Im Kontext neuer sozialer Bewegungen wie der Globalisierungskritik oder der Hartz-IV-Opposition versuchen noch vorhandene radikale oder extreme Gruppen heute, Anschluss an eine gesellschaftspolitische Opposition zu finden. Dabei ist zu beobachten, dass diese Gruppen ihre radikalen Forderungen teilweise moderaten Zielen unterordnen, um ihre eigentlichen Kernanliegen einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen.[20]
Diese Versuche zeigen sich etwa durch Mitarbeit als linksextrem eingestufter Gruppen bei Attac. Nach Darstellung der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) versuchen sie den Koordinierungskreis von Attac personell zu dominieren, und die Organisation für ihre Ziele zu instrumentalisieren.[21]
Gruppen
Zu den eher traditionell marxistisch orientierten linksextremen Organisationen zählt der deutsche Verfassungsschutzbericht 2006:[22]
- die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) mitsamt ihrer Jugendorganisation SDAJ.
- die VVN-BdA („Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten in der Bundesrepublik e. V.“) als ihr nahestehende Organisation
- Kommunistische Plattform und Marxistisches Forum in der Linkspartei
- die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)
- die Rote Hilfe e.V.
Zu den Trotzkisten, die mit „Entrismus“ gemäßigtere Parteien zu unterwandern suchten, zählt der Bericht:
- Linksruck
- Sozialistische Alternative Voran (SAV))
- Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB/IV. Internationale)
- internationale sozialistische linke (isl)
Zu autonomen Gruppen, die teilweise Gewalttaten mit terroristischen Ansätzen begingen, zählt der Bericht:
- die militante gruppe (mg)
- die Antideutschen
Er beobachtet auch autonome Vernetzungsbündnisse wie die
- Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO)
Zu den traditionellen Anarchisten gehören nach dem Bericht:
- die Freie Arbeiter Union – FAU
- die Gewaltfreie Aktion/Graswurzler
Zu den Zusammenschlüssen tendenziell linksextremer Globalisierungsgegner zählt der Bericht:
- die „Interventionistische Linke“ (IL)
- „Dissent! (plus X)“
- das „Revolutionäre Anti-G8-Bündnis“, eine Abspaltung von „Dissent!“
Als linksextremistisch beeinflusste Gruppen sieht der Bericht:
- die „Marx-Engels-Stiftung e. V.“ (MES)
- den „Bundesausschuss Friedensratschlag“ (BAF)
Publikationen
Der Bundesverfassungsschutz hält etwa 30 Verlage und Vertriebsdienste und etwa 220 von diesen verbreitete Zeitungen, Zeitschriften usw. mit einer Gesamtauflage von ca. 6,5 Millionen (2005: 7 Millionen) für zumindest teilweise linksextrem. Hinzu kämen zahlreiche unregelmäßige und teilweise konspirativ verbreitete Publikationen aus der autonomen Szene.
Als linksextrem betrachtet werden folgende bundesweit erscheinende Medien:
- die Tageszeitung Junge Welt (jW), herausgegeben vom Verlag „8. Mai GmbH“. Sie sei mit „ca. 12.000 Exemplaren ein bedeutendes Printmedium im linksextremistischen Bereich.“
- „DISPUT“, ein der PDS nahestehendes Monatsblatt
- „Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS“, monatlich
- „Marxistisches Forum“ und „PDS International“, unregelmäßig
- „Unsere Zeit“ (UZ), wöchentlich, Parteiorgan der DKP mit einer Auflage von ca. 7.000 (2005: ca. 6.300)
- „INTERIM“, ein zweiwöchentlich erscheinendes Szeneblatt der Autonomen
- „radikal“, ebenfalls ein sogenanntes Untergrundblatt der Autonomen.
- Beobachtet werden weitere mehr als 50 regionale Szenepublikationen wie „Swing“ (Frankfurt/Main), „Zeck“ (Hamburg) oder „incipito“ (Leipzig)
- „Rote Fahne“, wöchentlich, Parteiorgan der MLPD
- „REBELL“, das zweimonatliche Magazin des Jugendverbandes der MLPD
- „Lernen und Kämpfen“, mehrmals jährliches Hochschulblatt der MLPD
- „Galileo“, zweimal jährlich erscheiende Zeitung der Hochschulgruppe der MLPD.
- „DIE ROTE HILFE“, vierteljährlich erscheinende Zeitung der gleichnamigen Gruppe.
Als linksextreme Internetplattformen gelten dem Verfassungsschutz:
Die Einordnungen fallen je nach Bundesland zum Teil verschieden aus. Kritiker führen diese unterschiedlichen Wertungen auch auf die aktuellen Regierungskonstellationen des jeweiligen Landes zurück.
Verfassungsschutzberichte für 2004
Nach dem Bericht des Bundesverfassungsschutzes Extremismus in Deutschland vom Juni 2004 ist Linksextremismus weiterhin ein aktuelles Phänomen und „keine Fiktion, sondern leider unbestreitbare Realität“ (Otto Schily).[23]
Auch Sena Ceylanoglu, Historikerin und Referentin des Innenministeriums, sah in ihrem Bericht Linksextremismus in Deutschland heute diesen als aktuelle Bedrohung der bestehenden freiheitlichen Ordnung an. Dies werde zu Unrecht in Wissenschaft und Publizistik seit vielen Jahren ignoriert (S. 136). Zwar bilde der Linksextremismus wegen seiner organisatorischen Zersplitterung, Mitgliederschwund und Überalterung seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus nicht mehr die Hauptgefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands: Dennoch haben Linksextremisten durch ihre teilweise virtuos unter Beweis gestellte Fähigkeit, demokratische Organisationen zu unterwandern, mehr Einfluss als man annehmen könnte, wenn man allein die Mitgliederzahlen ihrer Organisationen betrachtet. Es ist bezeichnend, dass selbst eine inhaltlich erstarrte und verkrustete Partei wie die DKP bemerkenswerte Agilität unter Beweis stellt, wenn es darum geht, sich einen Platz in Organisationen wie ATTAC zu erkämpfen oder bei Vorbereitungen zu Großdemonstrationen mitzuwirken.
Verfassungsschutzbericht für 2006
Der Bericht des Bundesverfassungsschutzes für 2006[24] rechnet etwa 30.700 (2005: 30.600) Personen zu Organisationen und Gruppen, bei denen Anhaltspunkte für linksextreme Bestrebungen festzustellen seien. Diese verteilt er auf zwei Hauptströmungen:
- revolutionär-marxistische Gruppen mit traditionellen Klassenkampf-Konzepten. Dazu wurden 2006 etwa 25.000 (2005: 25.400) Personen gezählt. Die Mitgliederzahl ist seit Jahren rückläufig.
- autonome Gruppen mit anarchistischen Vorstellungen eines freien, selbstbestimmten Lebens in „herrschaftsfreien Räumen“, die alle staatlichen und gesellschaftlichen Normen ablehnen. Zu ihnen zählt der Bericht etwa 6.000 (2005: 5.500) Personen.
Die ca. 60.300 Mitglieder der Linkspartei. werden anders als 2004 wegen des „ambivalenten Erscheinungsbildes“ und Fusion mit der nicht als linksextrem eingestuften WASG nicht mehr gesondert ausgewiesen. Aber etwa 1.000 davon, die zur „Kommunistischen Plattform“ gehören, sowie weitere ungenannte Gruppen in der Partei werden weiterhin zu den Linksextremisten gezählt. Neben öffentlicher Agitation und Wahlbeteiligung versuchten besonders dem Trotzkismus zugeordnete Gruppen, nichtextreme Organisationen mit „Entrismuspolitik“ (Unterwanderung) zu beeinflussen. Gewaltbereitschaft sieht der Bericht vor allem bei den Autonomen. Diese suchten unter dem Begriff „Massenmilitanz“ direkte Konfrontation mit politischen Gegnern oder wandelten Demonstrationen zu „Straßenkrawallen“ um.
Der Bericht weist insgesamt 5.363 (2005: 4.898) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund aus: 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anteil Gewalttaten ging von 1.240 (2005) auf 1.209 um 3,8 Prozent zurück. Das Bundeskriminalamt erfasste 2.369 (2005: 2.305) vollendete oder versuchte Straftaten, darunter 862 (2005: 896) Gewalttaten, davon 754 Sachbeschädigungen, 444 Körperverletzungen, 195 Fälle von Landfriedensbruch, 115 Widerstandsdelikte, 44 Nötigungen oder Bedrohungen, 42 Brandstiftungen, 41 gefährliche Eingriffe in den Verkehr, eine Sprengstoffexplosion, ein versuchtes, aber kein vollendetes Tötungsdelikt.
423 Delikte richteten sich gegen Rechtsextremisten. Im Bereich Antiglobalisierung wurden 4 Delikte registriert, im Bereich der Antiatomkraftbewegung keins (anders als 2005 wegen der damaligen Castortransporte). Die meisten Straf- und Gewalttaten verzeichnete Berlin. Ein Großteil der registrierten linksextremen Widerstandsdelikte geht auf Zusammenstöße mit der Polizei bei Gegendemonstrationen gegen Rechtsextremisten zurück.
Traditionelle Aktionsfelder seien 2006 durch die Antiglobalisierungskampagne überlagert worden. Die Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm sei 2006 zum Fokus der ganzen linksextremen Szene geworden. Diese versuche so „einerseits ihre konzeptionelle und strategische Schwäche zu überwinden und andererseits das Thema für ihre weitergehenden Ziele in Richtung Systemüberwindung zu nutzen.“ Der G-8-Gipfel gelte in als Symbol der „Macht des globalen Kapitalismus“ und seiner „politischen und militärischen Gewalt“. Mehrere „Aktionskonferenzen“ hätten sich u.a. auf eine Großdemonstration, einen Alternativ-bzw. Gegengipfel und ein umfassendes Blockadekonzept verständigt. Neun Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge und Gebäude mit zum Teil erheblichen Sachschäden seien Teil der im Sommer 2005 begonnenen militanten Anti-G-8-Kampagne; diese gingen auch von örtlichen Einzeltätern aus, die sich im Kontext des Gipfels erhöhte mediale Aufmerksamkeit versprächen. G-8-Vorbereitungen nichtextremer Globalisierungsgegner beschreibt der Bericht nicht gesondert davon.
Den traditionellen Antifaschismus gegen „Nazi-Aufmärsche“, Einzelpersonen und Einrichtungen von Rechtsextremisten sieht der Bericht nur vordergründig als Bekämpfung rechtsextremer Strukturen. Ziel sei dabei vielmehr, die freiheitlich verfasste Demokratie zu überwinden und angebliche Wurzeln des Faschismus im Kapitalismus zu beseitigen. Im Internet gebe es Hacker-Angriffe auf rechtsextremistische Internetseiten; die gewonnenen Informationen über Personen aus der rechtsextremistischen Szene würden verbreitet.
Ein weiters Aktionsfeld ist das Thema „Antirepression“, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zunehmende Bedeutung für Linksextremisten gewonnen habe. Besonders Autonome betrachteten Sicherheitsgesetze, neue technische Fahndungsmittel, polizeiliche Gewaltprävention wie für den bevorstehenden G8-Gipfel als neue Qualität „staatlicher Repression“ und leiteten daraus Rechtfertigungen ihrer Gewalt ab.
Siehe auch
Quellen
- ↑ a b Horst Heimann: Linksradikalismus und Linksextremismus. In: Lexikon des Sozialismus, Köln 1986, S. 404
- ↑ a b Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen, Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen. In: Schubarth/Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz. Opladen 2001 (pdf-Auszug vom 4. Dezember 2003, S. 6ff)]; s. auch Hans-Gerd Jaschke, Politischer Extremismus, 2006, der den Begriff Linksextremismus nach problematisierenden Vorbemerkungen ebenfalls verwendet
- ↑ Zu Österreich s. Verfassungsschutzberichte des österreichischen Staatsschutzes, etwa Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, zu Schweiz s. den jeweiligen "Bericht Innere Sicherheit der Schweiz" des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), etwa Bericht 2006, zu Deutschland s. nachfolgende Belege
- ↑ Verfassungsschutzbericht 1999
- ↑ Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
- ↑ Extremismus in Deutschland, 2004, S. 141
- ↑ Eckhard Jesse, Linksextremismus. In: Everhard Holtmann (Hrsg.), Politik-Lexikon, München-Wien 2003, S. 356, zitiert nach Neugebauer, Extremismus.com
- ↑ Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. In: Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 272, Bonn 1994, S. 45 (zitiert nach Neugebauer, a.a.O. S. 2)
- ↑ Gero Neugebauer, a.a.O. S. 2
- ↑ Gero Neugebauer, a.a.O. S. 6
- ↑ Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung. Deutschland - Westeuropa - USA, 2001
- ↑ Wolfgang Kraushaar, Die RAF und der linke Terrorismus, 2 Bde., 2006
- ↑ Thorwald Proll, Daniel Dubbe, Wir kamen vom anderen Stern. Über 1968, Andreas Baader und ein Kaufhaus, 2003
- ↑ Stefan Aust, Der Baader Meinhof Komplex, 1998; Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977, 2002, Gerd Koenen, Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus, 2005
- ↑ Steffen Kailitz, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Eine Einführung, 2004, S. 88, S. 111ff. Wilhelm Heitmeyer, John Hagan, Internationales Handbuch der Gewaltforschung, S. 489ff.
- ↑ Wolfgang Gast, Internationale der Einäugigen RAF und Rote Brigaden: zwei Modelle des Scheiterns, in: Das Parlament, Nr. 36 / 04.09.2006 (Internet)
- ↑ Wolfgang Kraushaar, Karin Wieland, Jan Philipp Reemtsma, Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF, 2005
- ↑ Innenministerium NRW: Schutz und Sicherheit - Verfassungsschutz - Überblick - Linksextremismus - RZ und Rote Zora, Internet abgerufen am 11. Februar 2007
- ↑ Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland (PDF), Stand: Februar 2003
- ↑ Verfassungsschutzbericht Thüringen 2005, Linksextremismus (Internet)
- ↑ Arbeitspapier/Dokumentation: Herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung
- ↑ Verfassungsschutzbericht 2006 des Bundes (pdf)
- ↑ Bundesministerium des Innern: Extremismus in Deutschland - Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. Texte zur Inneren Sicherheit, Juni 2004, S. 5
- ↑ Verfassungsschutzbericht 2006, herausgegeben vom Bundesministerium des Innern, 10 559 Berlin (pdf, Vorabfassung)
Literatur
- Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., Bonn 1996
- Steffen Kailitz: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2004, ISBN 3531141937
- Patrick Moreau, Jürgen P. Lang: Linksextremismus. Eine unterschätzte Gefahr, Bonn 1996, ISBN 3416025431
- Manfred Agethen, Eckhard Jesse, Ehrhart Neubert (Hg.): Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3451280175
- Viola Neu: Das Janusgesicht der PDS. Wähler und Partei zwischen Demokratie und Extremismus,Verlag Nomos, 1. Auflage 2004, ISBN 3832904875
- Carl Joachim Friedrich: Totalitarismustheorie. In: Alfred Söllner u.a. [Hg.]: Totalitarismus. Eine Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts.
Zur Entstehung des Begriffs
- Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts: Darmstadt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft / VS-Verlag
- Karl Jaspers: Die geistige Situation der Zeit (1931).
kritisch
- Wolfgang Wippermann (1997): Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute. Darmstadt. Primus Verlag.
- Christoph Kopke/ Lars Rensmann (2000): »Die Extremismus-Formel«. In: Blätter für deutsche und internationale Politik.
Weblinks
- Publikationen zum Linksextremismus, Bundesamt für Verfassungsschutz
- Ideologische Grundlagen des Linksextremismus, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
- Extremismus in Deutschland - Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme (PDF), Bundesministerium des Innern, Juni 2004
- Wissenschaftliche Texte zum Linksextremismus, extremismus.com
- Internet und elektronische Kommunikation, Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen