Sterbehilfe

verschiedene Formen der Sterbebegleitung und des begleiteten Suizids
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Sterbehilfe (griech. εὐθανασία, von Vorlage:Polytonisch, „gut” und Vorlage:Polytonisch, „Tod”) ist ein Oberbegriff für kontrovers diskutiertes Handeln oder Unterlassen, welches das Sterben beschleunigt.

Sterbehilfe in diesem Sinne bezieht sich nicht nur auf unheilbar Kranke, beispielsweise Patienten mit Krebs-Erkrankungen, sondern auch auf Menschen mit schweren Behinderungen, beispielsweise anenzephale Neugeborene, Menschen im Wachkoma, Patienten mit Alzheimerscher Demenz im fortgeschrittenen Stadium oder Patienten im Locked-in-Syndrom. Dieser Artikel beschäftigt sich mit diesem weiten Begriff der Sterbehilfe.

Sterbehilfe bedeutet im heutigen Sprachgebrauch, den Tod eines Menschen durch fachkundige Behandlungen herbeizuführen, zu erleichtern oder nicht hinauszuzögern. Der früher gebräuchliche Begriff Euthanasie wird aufgrund seines Bedeutungswandels durch die nationalsozialistische Rassenhygiene heute im deutschen Sprachgebrauch nicht mehr synonym gebraucht.

In Europa haben Länder wie die Niederlande, Belgien oder die Schweiz die Sterbehilfe liberalisiert; dies wird in anderen europäischen Ländern auch gefordert.

Arten der Sterbehilfe

Zu unterscheiden ist die Sterbehilfe von

  • der in Deutschland straflosen Beihilfe zum Suizid (anders in den Niederlanden; dort ist der assistierte Suizid aktive Sterbehilfe),
  • dem in Deutschland straflosen Ausschalten von Geräten (wie Beatmungsgeräte) oder das Unterlassen von Reanimationsversuchen nachdem der Hirntod bereits eingetreten ist,
  • der in Deutschland straflosen Hilfe im Sterben: Verabreichen von Medikamenten, die schmerzstillend sind und das Leben nicht verkürzen während des Sterbeprozesses.

Man unterscheidet bei der Sterbehilfe zumeist

  • Aktive Sterbehilfe („Tötung auf Verlangen”, Schweiz: aktive direkte Sterbehilfe, Niederlande: Euthanasie)
  • Passive Sterbehilfe („Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen bei Schwerkranken“),
  • Indirekte Sterbehilfe (Schweiz: indirekte aktive Sterbehilfe, Niederlande: Double-effect)

Aktive Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe ist die Durchführung von lebensverkürzenden Maßnahmen auf Grund des tatsächlichen oder mutmaßlichen Wunsches dieser Person.

Gabe von direkt tödlichen Medikamenten

Aktive Sterbehilfe erfolgt oft durch Verabreichung einer Überdosis eines Schmerz- und Beruhigungsmittels, Narkosemittels, Muskelrelaxans, Insulin, durch Kaliuminjektion oder eine Kombination davon.

Ist der tatsächliche Wille nicht zu ermitteln, kann eine Patientenverfügung hierfür einen Anhaltspunkt geben. Eine Tötung ohne Vorliegen einer Willensäußerung des Betroffenen wird allgemein nicht als aktive Sterbehilfe, sondern als Totschlag oder Mord aufgefasst.

Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland (Vorlage:Zitat de § des Strafgesetzbuches), in Österreich (§ 75, 77, 78 des österr. Strafgesetzbuches) und der Schweiz (Art. 111, 113, 114 des Schweizerischen Strafgesetzbuches) verboten. In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe ebenfalls verboten (Art. 293 des Strafgesetzbuches), allerdings nicht strafbar, wenn sie von einem Arzt unter Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten begangen wurde und dem Leichenbeschauer Meldung erstattet wurde.

Gabe von schmerzstillenden aber lebensverkürzenden Medikamenten

Indirekte Sterbehilfe (Gabe von schmerzstillenden, aber lebensverkürzenden Medikamenten)

Passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe (bewusstes Sterbenlassen) nennt man die Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen bei Schwerkranken oder Unfallopfern. Ausreichend ist schon, dass durch die Maßnahme das Leben kurz verlängert worden wäre.

Unter die passive Sterbehilfe fallen beispielsweise folgende Maßnahmen:

Im Einzelfall wird auch das Einstellen von lebenserhaltenden Maßnahmen hierunter gefasst.

Diese Form der Sterbehilfe ist strafgesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ist aber ggf. als Tötung durch Unterlassen strafbar. Sterben lassen durch Unterlassen ist in der BRD zumindest nach Vorlage:Zitat de § StGB wegen unterlassener Hilfeleistung oder Vorlage:Zitat de § StGB, Misshandlung von Schutzbefohlenen, strafbar. Evtl. kommen auch andere Tötungsdelikte in Betracht. Anders kann es nur aussehen, wenn die Person selbst die Ernährung willentlich eindeutig und aufgeklärt ablehnt.

Hierbei ist zu unterscheiden:

  • Ein einvernehmlicher Verzicht auf weitere Maßnahmen wird nicht bestraft wenn sie auf Verlangen eines einwilligungsfähigen Patienten erfolgt. Bei jetzt nicht einwilligungsfähigen Patienten gelten frühere Patientenverfügungen als wichtige Informationsquelle für den dann Ausschlag gebenden „mutmaßlichen Willen“ des Patienten. In Deutschland wird diese Fallgruppe strafrechtlich nicht von Vorlage:Zitat de § StGB sondern von Vorlage:Zitat de §, Vorlage:Zitat de § StGB erfasst. Die Einwilligung führt - obwohl die Patienten über ihr Leben nicht verfügen dürfen - zu einer Rechtfertigung des Arztes, da dieser die Ablehnung einer weiteren Behandlung durch den Patienten angesichts des bevorstehenden Todes im Sinne der Menschenwürde (Vorlage:Zitat Art GG) respektieren muss.
  • Äußerst problematisch ist der einseitige Verzicht auf weitere Maßnahmen (sowohl Nichtaufnahme als auch Nichtfortführung) durch den Arzt. Dieser wird aber in der Praxis recht häufig auftreten. Der Abbruch ist einseitig, wenn ihn der Patient ablehnt oder sich dazu nicht geäußert hat und dies auch nicht mehr kann. Hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
    • Die erste typische Situation ist ein Unfallopfer, das sich nicht mehr äußern kann aber große Schmerzen hat. Hier darf der Arzt die Schmerzen auch mit Medikamenten lindern, die lebensverkürzend sind, wenn andere Medikamente nicht stark genug wirken. In Deutschland wird auch diese Fallgruppe wie der einvernehmliche Verzicht strafrechtlich nicht von Vorlage:Zitat de § StGB sondern von §§ 212, 13 StGB erfasst. Die Einwilligung führt - obwohl die Patienten über ihr Leben nicht verfügen dürfen - zu einer Rechtfertigung des Arztes, da dieser die Ablehnung einer weiteren Behandlung durch den Patienten angesichts des bevorstehenden Todes im Sinne der Menschenwürde (Vorlage:Zitat Art GG) respektieren muss.
    • Eine andere typische Situation ist der einige Jahre im Koma liegende Patient, bei dem die Chance auf ein Wiedererwachen medizinisch gegen Null tendiert. Ein Schmerzlinderungsinteresse besteht hier nicht, der Abbruch der Behandlung kann aber im Einzelfall unzumutbar werden. Die juristische Diskussion bezieht sich hier auf ethische Kategorien: So wird vorgetragen, Aufgabe des Arztes sei die Erhaltung und Sicherung der menschlichen Selbstverwirklichungsfähigkeit. Da wo keine Kommunikation mehr möglich sei und es am Bewusstsein fehle, ende die ärztliche Garantenpflicht für das Leben des Patienten. Andere nennen Stichworte wie „Schicksalhaftigkeit“, „Sinnlosigkeit weiterer Behandlung“ oder die „Natürlichkeit des Todes“. Letztlich muss aber auch hier die Menschenwürde (Vorlage:Zitat Art GG für Deutschland) in den Blick genommen werden, die neben dem Recht auf ein würdevolles Leben auch das Recht auf einen würdigen Tod beinhaltet.

Der deutsche Bundesgerichtshof fordert in diesen Fällen, bei denen Eilentscheidungen durch den Arzt nicht geboten sind, die Einholung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (analog zu Vorlage:Zitat de § BGB) als notwendig an. Hierzu ist zunächst die Bestellung eines rechtlichen Betreuers nötig, sofern kein Bevollmächtigter aufgrund einer allgemeinen oder einer Vorsorgevollmacht tätig ist.

Indirekte Sterbehilfe (Gabe von schmerzstillenden, aber lebensverkürzenden Medikamenten)

Indirekte Sterbehilfe ist der Einsatz von Medikamenten zur Linderung von Beschwerden, die als Nebenwirkung die Lebensdauer verkürzen. Dies erfolgt in Krankenhäusern regelmäßig mit Morphium im Endstadium der Krebserkrankungen. Dieser Fall ist in der Strafrechtswissenschaft in Deutschland höchst kontrovers diskutiert worden. Im Ergebnis sind sich alle Meinungen einig, dass der Arzt hier straffrei bleiben muss. Eine Mindermeinung will die Tötungsrelevanz eines auf Schmerzmilderung zielenden Verhaltens bereits im Tatbestand verneinen. Die überwiegende Ansicht sieht den Arzt gerechtfertigt durch eine Mischung von Notstand und rechtfertigender Pflichtenkollision. Dadurch wird ausgeschlossen, dass der Arzt „Exzesse“ vollführen kann, sich also außerhalb der notwendigen Sorgfalt und damit des erlaubten Risikos bewegt. Nach Ansicht des höchsten deutschen Strafgerichts Bundesgerichtshof kann sogar die Nichtverabreichung notwendiger Schmerzmittel mit der Begründung, keinen vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, als Körperverletzung (Vorlage:Zitat de § bis Vorlage:Zitat de § Strafgesetzbuch) oder unterlassene Hilfeleistung (Vorlage:Zitat de § Strafgesetzbuch) bestraft werden (vgl. Palliativmedizin).

Auch die terminale Sedierung kann unter Umständen als indirekte Sterbehilfe angesehen werden.

Aus medizinischer Sicht ist die "indirekte Sterbehilfe" in der Praxis sehr selten, weil korrekt eingesetzte Opiate (z.B. Morphium) oder Benzodiazepine das Sterben entgegen früherer Ansichten in der Regel nicht verkürzen, sondern sogar leicht verlängern. Die juristische Diskussion zu diesem Thema erscheint deshalb manchen Palliativmedizinern als eher akademische Debatte.

Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid)

Selbsttötung mit Hilfe einer Person, welche ein Mittel zur Selbsttötung bereitstellt; dies geschieht oft in der Form, dass ein Arzt eine tödliche Dosis eines Barbiturats verschreibt und sie dem Patienten nach Hause bringt. Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland nicht strafbar, die häufig verwandten Wirkstoffe dürfen aber für diesen Zweck nicht verordnet werden, es handelt sich deshalb u.U. um einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz.

In der Schweiz ist Hilfe zur Selbsttötung nicht strafbar, sofern kein egoistisches Motiv vorliegt (Art. 115 des Strafgesetzbuches), ist aber gemäß den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) nicht „Teil der ärztlichen Tätigkeit“. Bekannt sind in der Schweiz die Organisationen Dignitas und EXIT, welche Hilfestellung und Ärzte vermitteln.

In den Niederlanden ist die vorsätzliche Hilfe zur Selbsttötung verboten (Art. 294 des Strafgesetzbuches), allerdings nicht strafbar, wenn sie von einem Arzt unter Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten begangen wurde und dem Leichenbeschauer Meldung erstattet wurde.

Im US-Bundesstaat Oregon ist der ärztlich assistierte Suizid im Death with Dignity Act geregelt.

Bekannte Fälle von Sterbehilfe

  • Emily Gilbert: Die 73jährige US-Amerikanerin aus Fort Lauderdale (Florida) bat ihren Ehemann Roswell Gilbert im März 1985 wegen eines unheilbaren Knochenleidens um Sterbehilfe. Ihr Mann gab ihr zunächst Schmerztabletten und erschoss seine Frau mit einer Pistole. Der 76jährige Roswell Gilbert wurde von einem Gericht zu 25 Jahren Haft verurteilt.
  • Ramón Sampedro: Der Spanier war 30 Jahre lang mit einem hohen Querschnitt vom Hals abwärts gelähmt. Seine Geschichte wurde in dem Film Das Meer in mir verfilmt. Dem Spanier wurde auf seinen Wunsch hin von Freunden ein Glas Wasser mit Zyankali so in die Nähe seines Mundes gestellt, dass er selbst mit einem Strohhalm daraus trinken konnte und daraufhin 1998 starb.
  • Terri Schiavo: Eine US-Amerikanerin aus Saint Petersburg (Florida), die bei einem Zusammenbruch eine durch Sauerstoffmangel ausgelöste schwere Gehirnschädigung erlitten hatte und sich in der Folge von 1990 bis zu ihrem Tod 15 Jahre lang im Wachkoma befand. Terris Ehemann klagte schließlich die Einstellung der künstlichen Ernährung und damit 2005 den Tod seiner Ehefrau vor einem US-amerikanischen Gericht ein.
  • Vincent Humbert: Ein Franzose, der seit September 2000 gelähmt und blind war, bat im Dezember 2002 um Sterbehilfe. Diese wurde ihm von offizieller französischer Seite nicht gewährt. Seine Mutter spritzte ihm daraufhin im September 2003 Natriumpentobarbital. Er fiel in ein Koma und von den Ärzten wurden die lebenserhaltenden Maschinen daraufhin abgeschaltet. Sein Fall führte in Frankreich zu einer Änderung der Gesetzeslage.
  • Piergiorgio Welby (* 26. Dezember 1945 in Rom; † 20. Dezember 2006 ebd.) war ein Italiener, seit seinem 18 Lebensjahr an Muskeldystrophie leidend, der im Jahr 2006 um Sterbehilfe bat. Diese Hilfe wurde ihm von dem Anästhesisten Mario Riccio am 20. Dezember 2006 gewährt.

Von diesen Tötungen können unterschieden werden die einzelnen oder teilweise in Serie durchgeführten Tötungen von Patienten durch professionelle Pflegekräfte, die sich im anschließenden Strafverfahren auf „mutmaßliche Sterbehilfe“ als Entschuldigungsgrund berufen. Dabei handelte es sich nicht um eine länger bestehende vertrauensvolle Beziehung zwischen zwei Personen - zum Teil konnten, im juristischen Sinne, niedere Beweggründe als Motiv der Handlungen vermutet oder sogar bewiesen werden.

Probleme der Sterbehilfe

Die Abgrenzung der aktiven zur passiven Sterbehilfe oder auch der indirekten Sterbehilfe ist im Einzelfall äußerst schwierig. Die Sterbehilfe steht im Spannungsfeld zwischen

Die stärksten Konflikte existieren bei der aktiven Sterbehilfe und hier besonders in der unterschiedlichen Gewichtung des Willens eines schwer leidenden Menschen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht jedes diskutierte Beispiel einer aktiven Sterbehilfe auch hierunter fällt. So ist das Vorbereiten einer Suizidsituation, die der Patient eigenständig nutzt, in Deutschland eine straflose Beihilfe zum Suizid. (Beispiel: Ein Patient schluckt selbst ein nicht verschreibungspflichtiges Gift, das ihm jemand auf Verlangen besorgt hat.

Befürworter der aktiven Sterbehilfe betonen, dass der Wille des Patienten in allen Fällen die Zulässigkeit einer medizinischen Maßnahme definiert, dass aber ausgerechnet in der Frage, wie und wann zu sterben, diese Entscheidungshoheit genommen würde. Mit Blick auf bestimmte Erkrankungen wird auch die als unmenschlich und sinnlos empfundene Sterbephase hervorgehoben, der die Erkrankten dann hilflos ausgeliefert seien. Als Argument wird hier oft angeführt, dass Menschen etwas verwehrt wird, was jedem leidenden Hund selbstverständlich zukomme. Gegner der aktiven Sterbehilfe betonen dagegen, dass es eine Pflicht zur Leidensminderung nur als Teil der Pflicht zur Lebenserhaltung gibt, jedoch kein Recht auf Tötung, der dann eine Pflicht zur Tötung eines Anderen entsprechen müsste. Außerdem sei die existentielle Bedrohung gerade geeignet, eine rationale Entscheidung unmöglich zu machen. Die Erkenntnisse über die Psychologie Sterbender zeigten eine fast regelmäßig auftretende Depressionsphase, welche den geäußerten Sterbewunsch zum Teil als Ausdruck einer vorübergehenden Störung erscheinen ließen.

Gegen die Extrembeispiele hoffnungslos schwer Leidender wird vor allem auf die Erfahrungen der Palliativmedizin und der Hospizbewegung verwiesen, die zeigten, dass auch schwerstleidende Menschen ihr Leben nicht vorzeitig beenden wollten, solange ihre Leiden gelindert würden und sie menschliche Zuwendung und Geborgenheit erfahren könnten. Daneben werden auch verschiedene Dammbruchargumente beispielsweise in Bezug auf den Lebensschutz und das ärztliche Selbstverständnis vorgebracht. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass durch eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ein gesellschaftlicher Druck auf schwerkranke und sterbende Menschen entstehen würde, um ihren eigenen Tod zu bitten. Ökonomische Zwänge im Gesundheitsbereich und schwindende familiäre und soziale Bindungen könnten diesen Druck zusätzlich verstärken.

Katholischer Standpunkt zur aktiven Sterbehilfe

Stellvertretend für die katholischen Christen hat die holländische Katholische Bischofskonferenz mit ihrer „Pastoralen Handreichung” gegen aktive Sterbehilfe protestiert, in der sie festschreibt:

„Das Ersuchen um aktive Sterbehilfe ist der Versuch, den letzten Gang des Lebens vollständig in die eigene Hand zu nehmen. Dies ist nicht vereinbar mit der Übergabe seiner selbst in die liebende Hand GOTTES, wie sie sich in den kirchlichen Sakramenten ausdrückt ...
Euthanasie ist keine Lösung für das Leiden, sondern eine Auslöschung des leidenden Menschen.”

Inzwischen betreiben auch katholische und evangelische Kirche Hospize (mit).

Deutsche Geschichte der Sterbehilfe nach dem Zweiten Weltkrieg

Die deutsche Geschichte der freiwilligen Sterbehilfe (im Englischen: voluntary euthanasia) für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg begann gewissermaßen am 7. November 1980, und zwar mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. Vorausgegangen war dieser Gesellschaft eine bereits von 1976-1980 in Nürnberg existierende „Initiative für Humanes Sterben auf Wunsch von Sterbenden“. Diese wurde federführend vom Bund für Geistesfreiheit, von der Humanistischen Union und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) geleitet.Vorlage:Cite Eine Wende trat ein, als der damalige Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg im März 1979 zum Landesvorsitzenden (Bayern) dieser Vereinigung gewählt wurde. Im Jahr 1978 machte die damalige deutsche Bundesregierung an die Kirchen eine Anfrage, ob man nach britischem Vorbild Sterbehospize einrichten solle. Die christlichen Kirchen lehnten dies kategorisch ab. Daraufhin drängte Atrott zur Gründung einer von den genannten Organisationen unabhängigen Sterbehilfegesellschaft, deren Präsident er wurde. In Abgrenzung zu Formen der Euthanasie vor dem zweiten Weltkrieg in Deutschland stand nun das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Vordergrund. Deshalb wurde der Begriff der Euthanasie - im Unterschied zum angelsächsischen Raum - durch den Begriff „Sterbehilfe” ersetzt, um so einen begrifflichen Unterschied zwischen selbst- und fremdbestimmtem Tod zu setzen. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) vertrat dagegen eine abgestufte Form der Sterbehilfe (Sterbebegleitung, passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe) und setzte sich nur in solchen Fällen für aktive Sterbehilfe ein, in denen mit anderen Formen der Sterbehilfe keine Hilfe zu leisten war, und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass der Sterbende dies tatsächlich will. Um dies sicherzustellen, war die Methode verbreitet, den Sterbewilligen aufgelöstes Zyankali durch einen Strohhalm trinken zu lassen und so seinen Willen zu sterben unter Beweis zu stellen. Die auf diese Weise verwirklichten Sterbehilfefälle der Hermy Eckert und Ingrid Frank, die in anderen Ländern Nachahmung fanden, brachten Atrott, Julius Hackethal und der DGHS ein lautes Echo in der Presse ein.

Da durch die moderne Entwicklung von medizinischen Möglichkeiten zur Lebensverlängerung ein Leben in vielen Fällen immer noch ein wenig verlängert werden kann, auch wenn es nur ein Vegetieren oder gar Abquälen wäre, ist das Thema der passiven Sterbehilfe immer weiter in die aktuelle Diskussion gekommen. Unvermeidlich ist auch das verwandte Thema der aktiven Sterbehilfe nicht auszublenden. Verschiedene Moral- und Rechts-Philosophen haben, diesem Bedarf entsprechend, das Thema in den letzten Jahrzehnten auch bearbeitet. Das geschieht meist eher in akademischen Zirkeln; wenn diese Diskussion in die (deutsche) Öffentlichkeit gerät, kann das zu dramatischen Ereignissen führen: Eine große Debatte wurde zum Beispiel 1989 entfacht, als an der Universität Duisburg ein Proseminar über die „Praktische Ethik“ von Peter Singer veranstaltet werden sollte. Hier zeigte sich, dass dieses Thema, das im Ausland mit einiger Sachlichkeit behandelt wurde und wird, in Deutschland noch immer von der nationalsozialistischen Vergangenheit so überschattet ist, dass vielen eine Betrachtung, die erst verstehen und erst dann kritisieren will, ausgesprochen schwer fällt. - Später gab es auch einen Aufschrei in den deutschen Medien, als Peter Singer mit Helga Kuhse ein Buch veröffentlichte mit dem Titel „Muß dieses Kind am Leben bleiben?“. Dieses Buch diskutiert offen die Frage, ob es nicht einige Fälle schwerstbehinderter Neugeborener gäbe, die unter ganz bestimmten Bedingungen mit Zustimmung der Eltern und der zuständigen Ärzte auch aktiv getötet werden dürften, um ihr Leid zu begrenzen. Hier wurde schon die Fragestellung als solche von Behindertenverbänden (irrtümlich) als Angriff auf ihr Leben deklariert und - wo Proteste nicht reichten - auch gewaltsam unterbundenVorlage:Cite. Es war diesen militanten Behindertenverbänden durch Einschüchterung sogar möglich, die Besetzung von akademischen Stellen, z.B. an der Universität Hamburg, zu beeinflussen.Vorlage:Cite - In den letzten zehn Jahren ist dieses Thema nicht mehr in der öffentlichen Diskussion an prominenter Stelle aufgetaucht. Aber die offenen Fragen, die sich aus der Entwicklung der modernen Medizin ergeben und die diese Diskussion motivieren, bestehen weiterhin und verlangen nach einer ethischen und rechtlichen Antwort. - Im europäischen und angelsächsischen Ausland ist die Ausgangslage für diese Diskussion unbelasteter - dort findet sie weiterhin statt.

Aktuelles

Deutschland
Der 66. Deutsche Juristentag hat sich am 20. September 2006 mit großer Mehrheit für eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe und der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ausgesprochen. Das bedeutet, dass Behandlungsabbrüche und das Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen auch schon vor der Sterbephase rechtlich erlaubt sein sollen. Im Strafgesetzbuch soll ausdrücklich klar gestellt werden, dass sich Ärzte in solchen Fällen nicht strafbar machen. Hierzu hat sich unverzüglich eine kontroverse Debatte in der Öffentlichkeit ergeben. Ende 2006 wurde aus den Reihen des Bundestags die Vorlage zweier Gesetzesentwürfe zur gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe und der Patientenverfügung angekündigt.

Der Bundestag befasst sich seit dem 28. März 2007 mit einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe im Zivilrecht. Hierzu wurden mehrere Gesetzesentwürfe aus den Reihen des Bundestags vorgelegt, die eine unterschiedliche Reichweite von Patientenverfügungen beinhalten:

Frankreich
Über 2000 französische Ärzte, Schwestern und Pfleger erklärten im März 2007 öffentlich, Patienten beim Sterben geholfen zu haben. Dieser Schritt wird als ein Hilferuf an Öffentlichkeit und Gesetzgeber betrachtet.

Siehe auch

Literatur

  • Betty Rollin (1985, Neuauflage Oktober 1998): "Last Wish", ISBN 1891620010 Public Affairs, deutsche Ausgabe (1986): "Der letzte Wunsch", ISBN 3502186359, Verlag Scherz, München
  • Karl Beine (1998): "Sehen, Hören, Schweigen ... " Lambertus-Verlag, Freiburg, 348 S. ISBN 3-7841-1049-5 (Die erste Untersuchung der Einstellung zur aktiven Sterbehilfe bei ärztlichem und Pflegepersonal in Deutschland im Jahr 1993).
  • Helga Kuhse, Peter Singer (1993): Muß dieses Kind am Leben bleiben?, ISBN 3891311109
  • Peter Singer (1994): Praktische Ethik, Ditzingen, ISBN 3-15-008033-9
  • Wilhelm Uhlenbruck (1997): Selbstbestimmtes Sterben, Berlin, ISBN 3-926445-15-7
  • Norbert Hoerster (1998): Sterbehilfe im säkularen Staat. Frankfurt am Main, ISBN 3-518-28977-2
  • Udo Benzenhöfer: Der gute Tod. Euthanasie und Sterbehilfe in Geschichte und Gegenwart. Beck, München 1999, ISBN 3-406-42128-8
  • Thomas Klie, Johann-Christoph Student (2001): Die Patientenverfügung – was Sie tun können, um richtig vorzusorgen. 7. Auflage. Herder, Freiburg, ISBN 3-451050-44-7
  • Eva Schumann (2006): Dignitas - Voluntas - Vita. Überlegungen zur Sterbehilfe aus rechtshistorischer, interdisziplinärer und rechtsvergleichender Sicht. Göttinger Antrittsvorlesung im Januar 2006. Universitätsverlag, Göttingen, ISBN 3-938616-49-0 (Volltext, PDF)
  • Edgar Dahl (Juli 2006): Dem Tod zur Hand gehen. Der ärztlich-assistierte Suizid in Oregon. In: Spektrum der Wissenschaft, S. 116–120
  • Oliver Tolmein (2006): Keiner stirbt für sich allein - Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung. C. Bertelsmann, München 2006; 255 S. ISBN 3-570008-97-5. Dazu Rezension von Elisabeth Wehrmann in Die Zeit, Nr. 03 vom 11.01.2007
  • Weitere Literatur, insbes. Zeitschriftenbeiträge

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