Jassir Arafat

palästinensischer Politiker und Friedensnobelpreisträger (1929–2004)
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Jassir Arafat (* 27. August 1929 in Kairo, Ägypten; † 11. November 2004 in Clamart, Frankreich) eigentlich Muhammad 'Abd al-Rahmān 'Abd al-Ra'ūf 'Arafāt al-Qudwa al-Husainī, arabisch: محمد عبد الرحمن عبد الرؤوف عرفات القدوة الحسيني, genannt Abu 'Ammār, arab.: أبو عمار) war zuletzt palästinensischer Politiker und vom 12. Februar 1996 bis zu seinem Tod am 11. November 2004 Präsident der palästinensischen Autonomiegebiete.

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Jassir Arafat 1999
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Arafat (r.) mit Ehud Barak (l.) und Bill Clinton in Oslo

Er erhielt zusammen mit Shimon Peres und Jizhak Rabin im Jahre 1994 den Friedensnobelpreis.

Leben

Jassir Arafat wurde in Kairo, Ägypten, als Sohn eines erfolgreichen Kaufmanns geboren.

Als Führer der palästinensischen Nationalbewegung gibt er in seiner offiziellen Biografie jedoch Jerusalem als Geburtsort an. Sein Vater stammte aus Gaza und seine Mutter aus einer angesehenen Jerusalemer Familie. Sie hatten in den 1920er Jahren geheiratet und waren nach Kairo gezogen. Als Arafat etwa vier Jahre alt war, starb seine Mutter. Er kam zur Familie seiner Mutter nach Jerusalem, das damals zum britischen Mandatsgebiet Palästina gehörte. Er lebte teilweise auch in Gaza, bis sein Vater wieder heiratete. Nach Kairo zurückgekehrt, ging er dort zur Schule. Später besuchte er die Universität und studierte Elektrotechnik. Eine Zeitlang beschäftigte er sich mit jüdischer Kultur, hatte jüdische Bekannte und las zionistische Werke z. B. von Theodor Herzl.

1946 kam er unter den ideologischen Einfluss des SS-Mannes und in Europa als Kriegsverbrecher verfolgten Mohammed Amin al-Husseini, der in Ägypten Asyl gefunden hatte und hier versuchte, Mitstreiter für seine antijudaistischen Ziele zu finden. Dieser wurde später zum politischen Mentor der Palästinenser. Arafat, der ein Neffe al-Husseinis war, sah in ihm einen "großen Helden". Gelegentlich wird Arafat unterstellt, er habe seinen Namen geändert um die Verwandtschaft zu dem Kriegsverbrecher und Antisemiten zu vertuschen.

Arafat wurde nun ein palästinensischer Nationalist und beschaffte u. a. Waffen, die nach Palästina geschmuggelt wurden. In Kairo hatte sich Jassir Arafat mit Abdel Khader al-Husseini angefreundet, der die Einheiten palästinensischer Araber in der Region Jerusalem anführte. Als Arafat von Abdel Khader al-Husseinis Tod im Kampf am Kastel-Berg im April 1948 hörte, brach er sein Studium in Kairo ab und meldete sich zum Kampf in Palästina. Er trat der Moslem-Bruderschaft bei, die im Gazastreifen und in der Schlacht bei Kfar Darom kämpfte.

Als sich die ägyptische Armee am 15. Mai 1948 in den Palästinakrieg einschaltete, wurde ihm und seiner Einheit befohlen, abzuziehen. Dies war für Arafat ein prägendes Erlebnis. Er beschuldigte später die arabischen Staaten immer wieder des Verrates, weil sie den Palästinensern nicht geholfen hätten, die Schlacht zu gewinnen, und ihnen nicht erlaubt hätten zu kämpfen. Die palästinensischen Araber erlitten eine deutliche Niederlage gegen Israel. 750.000 Palästinenser waren nun staatenlos.

In den 1950er Jahren wurde er in die ägyptische Armee eingezogen und kämpfte im Suezkrieg 1956 gegen die Kolonialmächte Frankreich und England und galt als Sprengstoffexperte. Er war Leutnant in der ägyptischen Armee. Danach arbeitete er als Ingenieur in Kuwait und wurde dort ein erfolgreicher Bauunternehmer.

1959 gründete er in Kuwait die Bewegung zur Befreiung Palästinas (Al-Fatah). Durch aktive Teilnahme bei der Schlacht von Karame 1968 begründet er seinen Heldenmythos und ist seit 1969 Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO.

Wurde die Schlacht von Karame als ein erster historischer Sieg der PLO angesehen, so erlitt diese unter seiner Führung 1970 mit dem Schwarzen September eine schwere Niederlage. Er musste zunächst nach Kairo fliehen, während die PLO-Stützpunkte aus Jordanien in den Libanon verlegt werden mussten. Als Ergebnis des israelischen Libanonfeldzugs gegen sein Hauptquartier in Beirut 1982 musste er nach Tunesien ausweichen.

Nach langem Exil kehrte er in Folge des Autonomieabkommens 1994 in die Palästinenser-Gebiete zurück.

1995 erhielt Arafat den Deutschen Medienpreis in Baden-Baden.

2000 verhandelte Arafat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und US-Präsident Clinton in Camp David über die Schaffung eines palästinensischen Staates. Die Verhandlungen scheiterten jedoch. Der abtretende Präsident Clinton und Barak, der kurz darauf in allgemeinen Wahlen von seinem politischen Gegner Ariel Scharon abgelöst wurde, gaben Arafat die alleinige Schuld am Scheitern dieser Verhandlungen. Aus Clintons Umgebung war später zu erfahren, dass die US-israelischen Angebote an Arafat viel weniger weit gingen, als öffentlich behauptet wurde.

Stattdessen begann ein neuer Palästinenseraufstand, die so genannte zweite Intifada oder Al-Aksa-Intifada. Sie ist, im Gegensatz zur ersten Intifada, ein blutiger Aufstand, der auf palästinensischer Seite bisher fast 3000, auf israelischer über 1000 Menschenleben gekostet hat. Im Verlauf dieser zweiten Intifada hat Israel große Teile der autonomen Palästinensergebiete wieder besetzt und betreibt dort eine Politik der gezielten Tötung von Exponenten der radikalen Palästinenserorganisationen wie Hamas oder Dschihad. Seit 2001 wurde der in Ramallah lebende Arafat von Israel mehrfach unter Hausarrest gestellt.

Am 11. September 2003 fasste die israelische Regierung den Beschluss, Arafat zu „beseitigen“. Mit einem Hubschrauber sollte er ins Exil nach Nordafrika gebracht werden. Der stellvertretende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert dachte sogar laut über Arafats Ermordung nach. Nach dem Ausweisungsbeschluss gingen zehntausende Palästinenser protestierend auf die Straße. Arafat appellierte an die Bevölkerung, Widerstand gegen den Beschluss zu leisten. Er wolle lieber „sterben, als sich zu ergeben“. Der Ausweisungsbeschluss wurde international kritisiert.

Am 14. September 2003 stellte der stellvertretende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert auch ein Attentat auf Arafat als eine legitime Möglichkeit seiner Entfernung dar. Am 16. September 2003 ließen die USA eine Resolution des Weltsicherheitsrates gegen die Ausweisung Arafats an ihrem Veto scheitern. Deutschland enthielt sich.

Verheiratet war er seit November 1991 mit Suhā at-Tawīl (سهى الطويل), mit der er eine Tochter namens Zahwa (* 24. Juli 1995 in Neuilly-sur-Seine) hat. Seit Beginn der zweiten Intifada, also seit 2001, leben Frau und Tochter in Paris und Arafat zahlte ihnen monatlich 100.000 US-Dollar.

Arafats Vermögen auf Schweizer Bankkonten wird auf 900 Millionen US-Dollar geschätzt.

Arafats Tod

Als in der Nacht zum 28. Oktober 2004 eine akute Verschlechterung von Arafats Gesundheitszustand eintrat, hatte er bereits über eine Woche wegen einer Entzündung seines Verdauungstraktes nichts gegessen. Israelische Medien vermuteten zunächst einen Schlaganfall. Nachdem er wiederbelebt worden war, verlor er immer wieder das Bewusstsein. Am folgenden Tag wurde Arafat zur weiteren Behandlung nach Paris geflogen. Die israelische Regierung hob aufgrund seiner schweren Krankheit das Reiseverbot auf und gestattete ihm auch, wieder ins Westjordanland zurückzukehren.

Es ist davon auszugehen, dass der 3 Jahre dauernde Hausarrest in seinem Hauptquartier in Ramallah, der Arafat von israelischer Seite aufgezwungen wurde, seine Gesundheit massiv beeinträchtigt hat.

Am 4. November verschlechterte sich der Zustand Arafats noch einmal erheblich, es wurde vom eingetretenen Hirntod, einem tiefen Koma des Stadiums IV und seinem bevorstehenden Tod berichtet. Ab dem 9. November wurde der Hirntod dementiert, jedoch jede Stunde mit Arafats Tod gerechnet. Am Tag darauf versagten die Nieren und die Leber, ein Abschalten der lebenserhaltenden Geräte wurde aber zunächst abgelehnt. Wegen der langen Nahrungslosigkeit wurde der Blutkreislauf geschädigt und ihm fehlten rote Blutkörperchen. Deswegen wurde es schwierig, ihn intravenös zu ernähren und es kam zu einer Gehirnblutung. Am 11. November 2004 um 3.30 Uhr (MEZ) starb Arafat.

Die Palästinenserführung ernannte den Parlamentspräsidenten Rauhi Fattu zum vorläufigen Nachfolger. In Kairo ist die offizielle Trauerfeier am Flughafen am 12. November um 10 Uhr (Ortszeit) geplant. Am Tag darauf soll Arafat in Ramallah beigesetzt werden. Sein Wunsch, in Ost-Jerusalem bei dem Tempelberg begraben zu werden, wurde von den israelischen Behörden mit dem Argument abgelehnt, Bin Laden würde man auch nicht in Washington begraben.

Literatur

  • Danny Rubinstein: Yassir Arafat. Vom Guerillakämpfer zum Staatsmann. Palmyra Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-930378-09-4. (Übersetzung von The Mystery of Arafat, 1995)

Fotoarchiv:

Psychologische Analyse Arafats:

Einige kritische Betrachtungen: