Rote Armee
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Rote Armee (russisch Рабоче-Крестьянская Красная Армия - Rabotsche-Krestjanskaja Krasnaja Armija, "rote Arbeiter- und Bauernarmee") war die Bezeichnung für die Streitkräfte sozialistischer Republiken. Meist bezeichnet der Begriff die Streitkräfte der Sowjetunion zwischen 1918 und 1946. Sie wurde unter maßgeblicher Beteiligung Leo Trotzkis in der Revolutionszeit aufgebaut. Die Bezeichnung entstand im Verlauf des russischen Bürgerkrieges, als die Gegner als "Weiße Armee" bezeichnet wurden.
Von 1946 bis zum Ende der Sowjetunion 1991 hieß die Armee der UdSSR offiziell Sowjetarmee, umgangssprachlich wurde sie aber weiterhin oft als Rote Armee bezeichnet. Seit 1927 existierte in China ebenfalls eine Rote Armee, die 1949, mit der Gründung der Volksrepublik China, in Volksbefreiungsarmee umbenannt wurde.
Auch in Bayern gab es 1919 eine Rote Armee. Sie war von der KPD im Zusammenhang der bayerischen Revolution gegründet worden und spielte in der Zeit der Münchner Räterepublik eine - allerdings nur episodenhafte - Rolle.
Gründung und Struktur
Die Rote Armee wurde durch einen Beschluss des Rates der Volkskommissare am 15. Januar (28. Januar n.d. Julianischen Kalender) 1918 gegründet. Sie ging aus der bereits vorher existierenden Roten Garde hervor. Leo Trotzki, Volkskommissar von 1918 bis 1924, sah sich als "Gründer" der Roten Armee. Es gibt aber vor allem unter den ehemaligen zaristischen Militärspezialisten durchaus andere Auffassungen zu Trotzki.
Der später in der Sowjetunion als offizieller Tag der Roten Armee ausgerufene Feiertag am 23. Februar ging auf den erste Tag zurück, an dem 1918 in Petrograd und Moskau Soldaten rekrutiert wurden, als auch auf den ersten Tag, an dem es zu Siegen bei Kämpfen zwischen der Roten Armee und den Truppen des Deutschen Reiches bei Pskow und Narwa kam. Der bis zum zum Ende der Sowjetunion wichtige Feiertag wird noch heute als Tag der Verteidiger des Vaterlandes gefeiert.
Bei ihrer Gründung war die Rote Armee eine Freiwilligenarmee ohne Rangabzeichen oder besondere Hervorhebungen einzelner Mitglieder. Kommandierende wurden demokratisch gewählt. Am 29. Mai 1918, mitten im Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution allerdings wurde die allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 40 Jahren ausgerufen.
Da ein Mangel an Offizieren vor allem in höheren Kommandofunktionen bestand, wurden anfangs auf freiwilliger Basis Generale und Offiziere der zaristischen Armee gewonnen. Darunter waren auch Generale, die unter dem Zaren Fronten und Armeen befehligt hatten oder in hohen Stabsfunktionen tätig waren. Beispiele dafür sind Brussilow, Bontsch-Brujewitsch, Parski, Klembowski, Gutor. Jeder Einheit der Roten Armee wurde ein Politkommissar oder Politruk (политический руководитель, politischer Führer) zugeteilt, der die Autorität besaß, Befehle von Kommandeuren aufzuheben, die gegen die Prinzipien der KPdSU verstießen. Dies verminderte zwar einerseits die militärische Effizienz, stellte aber andererseits die politische Zuverlässigkeit der Armee gegenüber der Partei sicher, angesichts der Tatsache, dass die Armee auf in der Zarenzeit ausgebildete Offiziere angewiesen war.
1918 wurden ehemalige Offiziere der Zarenarmee einberufen, wobei eine überwiegende Mehrheit treu ihren Dienst versah. Viele dieser Offiziere dienten auch noch im zweiten Weltkrieg und danach in der Sowjetarmee. Beispiele dafür sind Schaposchnikow, Wassiljewski, Rokossowski, Goworow. Die ursprünglich als Erbe des Zarismus abgeschafften Berufsoffiziere wurden 1935 wieder eingeführt. Den Generalstab bildeten Offiziere. Es gab nach Rapallo auch auf militärischem Gebiet eine deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit zwischen den Weltkriegen im gegenseitigen Vorteil. So soll beispielsweise General Guderian an einer sowjetischen Militärakademie studiert haben. Während der großen Stalinschen Säuberungen, vor allem in den Jahren 1937 bis 1939, wurden höhere Offiziere allerdings getötet oder in Gulags geschickt, da sie als eine Gefahr für die Machtposition Stalins angesehen wurden.
Zweiter Weltkrieg
Im Juni 1941, zur Zeit des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion umfasste die Rote Armee etwa 1,5 Millionen Mann. Schon durch die "Säuberungen" des Offizierskorps militärisch geschwächt, traf sie der deutsche Einmarsch überraschend. In den ersten Kriegswochen verlor die Armee fast jedes Gefecht, hunderttausende Soldaten wurden gefangen genommen.
Die sowjetische Staatsführung änderte als Reaktion auf diese Niederlagen ihre Strategie im Umgang mit der Armee. Die Propaganda zielte nicht mehr auf die politische Dimension des Klassenkampfes ab und wandte sich stattdessen den patriotischen Gefühlen der Bevölkerung zu, bezog sich positiv auf die vorrevolutionäre russische Geschichte. Der Krieg gegen die deutschen Angreifer wurde als "Großer Vaterländischer Krieg" bezeichnet, eine Bezugnahme auf den "Vaterländischen Krieg" gegen Napoleon Bonaparte 1812. Traditionelle russische Helden wie Alexander Newski und Michail Kutusow wurden ein wichtiger Teil der Propaganda, Repressionen gegen die Russisch-orthodoxe Kirche hörten auf; die traditionelle Praxis, Waffen vor dem Gefecht zu segnen, wurde wieder eingeführt. Politkommissare wurden zeitweilig abgeschafft, militärische Ränge, Orden und Medaillen wieder eingeführt.
Während des Großen Vaterländischen Krieges zog die Rote Armee zwischen 15 und 20 Millionen Männer ein, von denen etwa 7 bis 10 Millionen getötet wurden. Sowjetische Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, kamen zu einem großen Teil durch Hunger oder gezielte Tötung ums Leben. Nach dem blutig errungenen Sieg über Deutschland und der Einnahme von Berlin 1945 stiegen das Prestige und der politische Einfluss der Roten Armee in der Sowjetunion immens.
Um den endgültigen Schritt von einer revolutionären Miliz zu einer regulären Armee eines souveränen Staates zu markieren, wurde die Rote Armee 1946 in Sowjetische Armee umbenannt.
Die Rote Armee in Finnland
Beginnend mit einem Luftangriff auf Helsinki, überfiel die Rote Armee 1939 das sie in keiner Weise bedrohende Finnland. Die zahlenmäßig weit unterlegene finnische Armee vermochte sich aber im so genannten Winterkrieg erfolgreich zu verteidigen, auch wenn Finnland territoriale Einbußen hinnehmen musste. Insgesamt war der Winterkrieg ein Desaster für die Rote Armee.
Die Rote Armee in Ostasien
1939 kam es auch zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen Japan und der UdSSR, in der die Rote Armee als eine der ersten Armeen Panzer wie Kavallerie einsetzte und damit die japanischen Truppen einschloss und vernichtend schlug. Da Hitler zu dem Zeitpunkt nicht glaubte, dass Deutschland Russland besiegen könne, verzichtete er auf einen Beistand, was Japan dazu veranlasste, eine Friedensvereinbarung mit Russland zu unterzeichnen, die wiederum Russland im späteren Krieg gegen Deutschland den Rücken freihielt (zusammen mit dem von den Alliierten verhängten Ölembargo und der mangelnden Fähigkeit der Japaner, Panzer in großen Mengen zu bauen). Zum Ende des zweiten Weltkriegs brach Russland dieses Abkommen und die Rote Armee eroberte unter anderem die Kurilen, die seither Zankapfel zwischen Japan und Russland sind.
Die Rote Armee in Polen
Die Rote Armee besetzte 1939 den östlichen Teil Polens, nachdem Hitler und Stalin Polen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt hatten (Hitler-Stalin-Pakt). 1941, im Zuge des "Unternehmen Barbarossa" genannten Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion, verließ die Rote Armee Polen.
Im Sommer 1944 beschloss die polnische Heimatarmee, die einen freien demokratischen Staat Polen wollte, nicht auf den "Befreier" "Russland" zu warten und rief am 1. August 1944 in Warschau zum Aufstand gegen die deutsche Besatzung auf. Die Rote Armee hatte sich während des Aufstandes in Warschau bis an die Grenzen und Vororte der Stadt herangekämpft, unterstützte die Aufständischen jedoch in keiner Weise, sondern wartete vor den Toren der Stadt, während die deutschen Besatzer den Aufstand niederschlugen und Warschau nahezu dem Erdboden gleich machten.
Die Rote Armee im Baltikum
Nach dem Hitler-Stalin-Pakt besetzte die Rote Armee die drei baltischen Staaten, wo sie in mehreren Wellen einen nicht geringen Teil der Bevölkerung in sibirische und zentralasiatische Lager deportierte, was in vielen Fällen einem Todesurteil gleichkam. Zehntausende versuchten aus Angst vor der Roten Armee oft in wenig seetüchtigen Booten nach Schweden zu fliehen, wobei viele ertranken.
Die Rote Armee in Deutschland
Die historische Bewertung der Roten Armee in der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist unterschiedlich: Einerseits kämpfte die UdSSR an der Seite der anderen Alliierten in der Anti-Hitler-Koalition und befreite viele KZ, darunter auch das KZ Auschwitz-Birkenau. Anderseits werden ihr Gewaltexzesse am Ende des Zweiten Weltkrieges, die von manchen als Rache der Verbrechen der Wehrmacht gesehen werden, vorgeworfen. Lew Kopelew, der als Offizier der Roten Armee die Gewaltexzesse kritisierte, fand kein Gehör bei seinen Vorgesetzten und wurde deswegen zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Ähnlich erging es Alexander Solschenizyn.
Besonders im deutschen kollektiven Gedächtnis blieben die Vergewaltigungen haften. Die bekannt gewordenen Tatsachen wurden zum einen mit Erschrecken aufgenommen, zum anderen wurden sie aber ebenso politisch instrumentalisiert, sowohl zur Legitimation des in der frühen Bundesrepublik herrschenden Antikommunismus, als auch, um im Vergleich die Taten der Nationalsozialisten zu verharmlosen. Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielte die "Schändung deutscher Frauen" eine wichtige Rolle in der Kriegspropaganda. In der DDR war es hingegen nicht möglich, das Thema in der Öffentlichkeit zu erwähnen.
Zahlreiche Tagebuchaufzeichnungen, Berichte und Briefe belegen jedoch, dass Vergewaltigungen in erheblicher Zahl stattfanden. Nach neuesten Schätzungen sind 1945 zwischen Frühsommer und Herbst 110.000 Mädchen und Frauen vergewaltigt worden. Weit höhere Schätzungen reichen bis zu 800.000 Opfern, die Quellenlage in diesen Punkten ist jedoch unklar. Insgesamt wird die Zahl der Opfer während des gesamten Vormarsches der Roten Armee auf etwa 1,9 Millionen geschätzt. Die Führung der Roten Armee versuchte, das Problem seit Juni 1945 einzudämmen, jedoch anfangs wenig erfolgreich. Ab dem frühen Herbst wurden überführte Täter bestraft, die Bestrafung selbst wurde vom lokalen Kommandaten verhängt und konnte vom mehrtägigen Arrest bis zu einigen Jahren Straflager reichen. Kam es zu einer Vergewaltigung mit Todesfolge, wurde der schuldige Soldat meist zur Abschreckung erschossen. Erst durch die Einrichtung der Besatzungsregierung in Berlin konnte das Problem dort entschärft werden. Seit Mitte 1947 wurde die Rote Armee auch räumlich von der Wohnbevölkerung getrennt. Im März 1949 schließlich erließ das Präsidium des Obersten Sowjets einen Erlass, der das Strafmaß vereinheitlichte und erhöhte. Eine Vergewaltigung zog zwingend eine Strafe von 10 bis 15 Jahren im Arbeitslager nach sich, schwere Fälle (Minderjährige, Gruppen, Vergewaltigung mit Körperverletzung) eine Strafe von 10 bis 20 Jahren.
Aus Angst vor der Roten Armee kam es im Mai 1945 in Demmin zu der größten Massenselbsttötung in der deutschen Geschichte. Etwa 900 Einwohner beendeten vor und nach dem Einmarsch der russischen Armee ihr Leben. Der Grund für die Massenselbstötung war auch der Mord eines nationalsozialistischen Apothekers an russischen Soldaten. Dieser hatte vorgegeben, mit den Soldaten den Sieg feiern zu wollen und dabei diese und sich selbst vergiftet. Die Folge war, dass die Rote Armee besonders hart in dieser Kleinstadt durchgriff.
Literatur
- Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. Deutsche Ausgabe: Fischer, Frankfurt am Main 1990 ISBN 3-596-26627-0 - Trotzki war zuerst Kommissar für äußere Angelegenheiten (Außenminister), dann Kriegskommissar (Kriegsminister) der UdSSR und hat die Rote Armee mit aufgebaut.
- Ilko-Sascha Kowalczuk und Stefan Wolle: Roter Stern über Deutschland. Ch. Links Verlag, Berlin 2001 ISBN 3-86153-246-8
- Helke Sander und Barbara Johr (Hrsg.): Befreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigungen, Kinder. Kunstmann, München 1992. (als Taschenbuch: Fischer, Frankfurt am Main 1995 ISBN 3-596-12644-4)
Weblinks
- http://free.polbox.pl/s/schwert/Katyn.html - In Katyn ermordete die Rote Armee rund 20.000 polnische Soldaten und Polizisten
- http://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1929/leben/index.htm Leo Trotzkis Biografie online.