Gazelle

Überbegriff für Tierarten aus der Gruppe der Hornträger
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Gazellen (Gazella) sind im engeren Sinne eine Gattung von Antilopen, die hauptsächlich in den Savannen Afrikas, aber auch in Asien verbreitet ist. Im weiteren Sinne wird manchmal auch die gesamte Unterfamilie der Gazellenartigen als Gazellen bezeichnet.

Gazellen
Mhorr-Gazellen (Gazella dama mhorr)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Paarhufer (Artiodactyla)
Vorlage:Subordo: Wiederkäuer (Ruminantia)
Vorlage:Familia: Hornträger (Bovidae)
Vorlage:Subfamilia: Gazellenartige (Antilopinae)
Vorlage:Genus: Gazellen (Gazella)

Alle Gazellen sind schnelle Läufer, die über längere Zeit Geschwindigkeiten von 50 km/h durchhalten können. Sie zeichnen sich durch einen schlanken, zierlichen Körper, einen flachen Rumpf und einen meist geraden Rücken aus. Der Schwanz besitzt oft eine Endquaste.

Das Verbreitungsgebiet der Gazellen umfasst ganz Afrika beidseits der Sahara sowie Asien von Palästina und der arabischen Halbinsel über Nordindien und Zentralasien bis ins westliche China. Der Lebensraum ist immer offenes Gelände, meistens Grassteppen, bei manchen Arten auch Wüsten und Halbwüsten.

Die weiblichen Gazellen leben mit ihren Jungen in Herden einer Größe von zehn bis dreißig Tieren; allerdings kann die Herdengröße in den afrikanischen Savannen auch Hunderte oder gar Tausende von Einzeltieren umfassen. Männliche Gazellen leben in den ersten Lebensjahren in eigenen Junggesellenherden, ehe sie territorial werden. Dann beanspruchen sie alle Weibchen, die ihr Revier betreten, das sie gegen konkurrierende Männchen verteidigen.

Arten

Traditionell wird die Gattung der Gazellen in drei Untergattungen und 17 Arten geteilt.

In A catalogue of the genus Gazella (1988) untersuchte Colin Groves die Verwandtschaftsbeziehungen neu und kam dabei zu dem Schluss, dass die Abweichungen der Untergattung Nanger groß genug seien, um eine eigene Gattung zu rechtfertigen. Thomsongazelle, Rotstirngazelle und Algerische Gazelle bildeten eine weitere eigene Gruppe, und die Cuviergazelle sei ebenfalls von den übrigen Gazellen zu trennen. Die Thomsongazelle und die Rotstirngazelle seien nach Groves ein und dieselbe Art. Andere Zoologen sehen die Saudi-Gazelle als eine Unterart der Dorkasgazelle und die Jemen-Gazelle als eine Unterart der Arabischen Gazelle an.

Dorkasgazelle

Bevor die Tierwelt der ostafrikanischen Savannen mit den Thomson- und Grantgazellen zu großer Bekanntheit gelangte, galt die Dorkasgazelle (Gazella dorcas) als typische Gazelle. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Nordafrika südwärts bis zur Sahelzone, Israel, Libanon, Jordanien, Syrien, Irak, das westliche Saudi-Arabien und den Jemen. Als Wüstentier tarnt sie ihre sandfarbene Oberseite vor der Umgebung. Die Unterseite ist weiß, die Flanke rotbraun. Sie kann ein Leben lang ohne Wasser auskommen, da sie ihren Flüssigkeitsbedarf nur aus den Pflanzen zu decken vermag. Die IUCN stuft die Art als gefährdet ein, da sie noch immer durch übermäßige Bejagung seltener wird. So unternehmen reiche Familien aus den Golfstaaten oftmals Jagdreisen in die Sahara, bei denen die Antilopenjagd an die Ausmaße einer Militäroperation heranreicht; die Gazellen werden aus Flugzeugen und Motorfahrzeugen geschossen. Dorkas ist das griechische Wort für "Gazelle"; dagegen entstammt das Wort "Gazelle" dem arabischen ghazal. Der deutsche Name der Art ist also aus zwei Bezeichnungen der Gattung zusammengesetzt.

Saudi-Gazelle

Die Saudi-Gazelle (Gazella saudiya) war einst von Kuwait und Saudi-Arabien bis nach Jemen verbreitet. Durch übermäßige Bejagung starb sie Mitte des 20. Jahrhunderts aus. Es gibt noch einige Exemplare in Zoos, bei diesen handelt es sich nach neueren Untersuchungen allerdings ausschließlich um Hybride mit anderen Gazellenarten.

Indische Gazelle

Die Indische Gazelle (Gazella bennettii) ist im südlichen Iran, in Pakistan und im nördlichen Indien verbreitet. Während sie vor allem in Pakistan sehr selten geworden ist, gibt es noch etwa 10.000 Gazellen dieser Art in indischen und iranischen Schutzgebieten.

Edmigazelle

Die Edmigazelle (Gazella gazella) hatte einst eine weite Verbreitung von Ägypten über Vorderasien bis auf die Arabische Halbinsel. Man unterscheidet fünf Unterarten, von denen zwei gefährdet und drei in unterschiedlichem Maße bedroht sind:

  • Arabische Berggazelle (G. g. cora) in Saudi-Arabien und Oman; ausgestorben in Jemen. Etwa 10.000 Tiere leben noch, davon 90 % in Oman. Durch Bejagung nimmt der Bestand weiter rapide ab (25 % Rückgang von 1996 bis 2003). Gefährdet.
  • Farasan-Gazelle (G. g. farasani), nur auf den zu Saudi-Arabien gehörenden Farasan-Inseln im Roten Meer. Da die Inseln ein Naturreservat sind, ist diese Unterart am wenigsten bedroht. Es gibt etwa 1000 Exemplare dieser Unterart.
  • Palästina-Berggazelle (G. g. gazella) in Nord-Israel und im Libanon; ausgerottet in Syrien, Jordanien und Ägypten. Nachdem die Bestandszahlen durch einen Ausbruch der Maul- und Klauenseuche auf 3000 gefallen sind, wurde die Unterart als bedroht eingestuft. In Israel ist sie streng geschützt.
  • Akaziengazelle (G. g. acaciae) in Süd-Israel; dies ist offenbar eine Reliktpopulation, die nach dem Ende der Eiszeit im Arawa-Tal nördlich von Elat isoliert wurde. In den 1950ern lebten hier einige hundert Gazellen auf einer Fläche von 7,5 km². Durch Umleitung von Gewässern wurde dieses Tal nicht mehr ausreichend mit Wasser versorgt, was ein Massensterben auslöste. Heute gibt es noch etwa zwanzig dieser Gazellen. Sie sind streng geschützt, allerdings auch einer Bejagung durch Wölfe und Schakale ausgesetzt.
  • Maskat-Gazelle (G. g. muscatensis) in der nördlichen Küstenregion des Oman; durch Straßenbau und Zersiedlung des Lebensraums wurden diese Gazellen extrem selten; ihr Bestand lag zuletzt unter hundert.

Jemen-Gazelle

Die Jemen-Gazelle (Gazella bilkis) ist ausgestorben. 1951 wurden fünf Exemplare in den Bergen nahe der Stadt Ta'izz geschossen. Die Art war zuvor unbekannt, und hiernach gab es nie wieder eine Sichtung dieser Art. Die fünf ausgestopften Exemplare befinden sich in der Obhut des Naturhistorischen Museums von Chicago. Neuere Untersuchungen dieser Gazellen legen die Vermutung nahe, dass die Jemen-Gazellen in Wahrheit Arabische Gazellen waren.

Arabische Gazelle

Die Arabische Gazelle (Gazella arabica) ist seit langem ausgestorben. Sie ist nur von einem männlichen Exemplar bekannt, das offenbar um 1825 geschossen wurde und sich heute in Berlin befindet. Verbreitet war sie offenbar in Saudi-Arabien, wo sie noch im 19. Jahrhundert ausgestorben zu sein scheint.

Spekegazelle

Die Spekegazelle (Gazella spekei) ist weitgehend auf Somalia beschränkt; gelegentlich wandern die Tiere auch über äthiopisches Territorium. Diese Gazelle lebt in steinigen Halbwüsten. Sie hat ein beigebraunes Fell mit einem schwarzen Flankenstreifen. Als Besonderheit haben Spekegazellen eine Querfalte der Haut über dem Nasenrücken. Als Alarmruf können sie die Nase zu Tennisballgröße aufblasen. Beim Entlassen der Luft entsteht ein Geräusch wie ein Pistolenschuss. Spekegazellen werden von der IUCN als gefährdet eingestuft, ihr tatsächlicher Status ist aber kaum bekannt. Benannt sind sie nach dem britischen Afrikaforscher John Hanning Speke.

Cuviergazelle

Die bedrohte Cuviergazelle (Gazella cuvieri) lebt nur in einigen Tälern des Atlas-Gebirges. Wenige hundert dieser Gazellen leben heute noch.

Rotstirngazelle

Die Rotstirngazelle (Gazella rufifrons) ist in den Savannen Westafrikas verbreitet. Ihr Fell ist hellbraun, mit einem schmalen, schwarzen Flankenstreifen. Namengebend ist ein rotbrauner Fleck auf der Stirn. Als eine Unterart der Rotstirngazelle wird die Heugelin-Gazelle (G. r. tilonura) im äthiopisch-sudanesischen Grenzgebiet angesehen. Nach neueren Untersuchungen ist die Rotstirngazelle selbst vielleicht nur eine Unterart der Thomsongazelle.

Thomsongazelle

 
Thomsongazelle

Von allen Gazellen ist die Thomsongazelle (Gazella thomsonii) am häufigsten. Sie ist in Tansania und Kenia verbreitet; isoliert vom Hauptverbreitungsgebiet lebt eine weitere Population, die als eigene Unterart (Mongalla-Gazelle, G. t. albonotata) abgetrennt wird, im südlichen Sudan. Etwa 1 Million Thomsongazellen leben in der ostafrikanischen Savanne. Nach dem Streifengnu ist die Thomsongazelle das häufigste Huftier der Serengeti. Einzelne Herden bestehen oft aus mehreren tausend Tieren.

Im Ökosystem der Serengeti spielen die Gazellen eine bedeutende Rolle. Ausgewachsene Thomsongazellen erreichen Geschwindigkeiten von 60 km/h und können Angreifern oft entkommen, nicht aber dem Gepard, der der schlimmste Feind der Gazellen ist.

Die Thomsongazelle ist nach dem schottischen Afrikaforscher Joseph Thomson benannt.

Algerische Gazelle

Die Algerische Gazelle (Gazella rufina) ist ausgestorben. Drei Museumsexemplare zeugen heute noch von dieser Gazelle des Atlas-Gebirges, die ein dunkelrotes Fell hatte. Die letzte Algerische Gazelle wurde wahrscheinlich 1894 geschossen.

Gazella atlantica

Auch diese Gazellen-Art ist längst ausgestorben. Man hielt sie lange für ein Tier des Pleistozäns, nach neuen Erkenntnissen hat sie aber noch im Jahr 1000 v. Chr. im heutigen Algerien gelebt, war also dort ein Zeitgenosse des Menschen.

Kropfgazelle

Die Kropfgazelle (Gazella subgutturosa) ist unter den Gazellen eine Besonderheit, da bei ihr nur die Männchen Hörner tragen und die Weibchen hornlos sind. Bei allen anderen Gazellen tragen beide Geschlechter Hörner. Das Verbreitungsgebiet reicht vom Osten der Arabischen Halbinsel über Iran, Afghanistan und Pakistan in den Nordwesten Indiens sowie über Usbekistan und Xinjiang bis in die Mongolei und die Mandschurei. In diesem großen Gebiet bewohnt sie Wüsten und Halbwüsten.

Ihren Namen trägt die Kropfgazelle, weil den Männchen zur Paarungszeit die Kehle anschwillt, so dass der Eindruck eines Kropfs erweckt wird.

Es gibt heute noch etwa 130.000 Kropfgazellen. Von diesen leben allein 100.000 in der Mongolei, während die übrigen über die restlichen Halbwüsten Asiens verstreut sind. In vielen Ländern ist die Kropfgazelle durch illegale Jagd stark bedroht. Nahezu ausgestorben ist sie zum Beispiel in Turkmenistan, Pakistan und auf der arabischen Halbinsel.

Dünengazelle

Die Dünengazelle (Gazella leptoceros) ist eine an das Leben in der Sahara angepasste Gazelle mit einem cremeweißen Fell und extrem schlanken Hörnern. Die Hufe sind stark verbreitert, um nicht im Sand einzusinken. Um der Hitze auszuweichen, ist die Dünengazelle nachtaktiv. Sie braucht nicht zu trinken, sondern deckt ihren Flüssigkeitsbedarf ganz aus der Nahrung. Die IUCN stuft die Dünengazelle als bedroht ein.

Damagazelle

Die Damagazelle (Gazella dama) ist in der Färbung sehr variabel. Die östlichen Populationen sind braun und weiß gemustert, während die westlichen Damagazellen fast rot sind. Alle Damagazellen haben aber einen weißen Fleck an der Kehle, durch den sie zu identifizieren sind. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich über den Südrand der Sahara in den Staaten Mali, Niger, Tschad und Sudan. Hier unternehmen sie jahreszeitliche Wanderungen zwischen der Wüste und der Sahelzone.

Die Bedeutung des Namens ist umstritten. Während manche den Namen auf den Damhirsch (lateinisch Dama) zurückführen, sehen andere eher das arabische dammar ("Schaf") als Bestandteil des Namens.

Sömmerringgazelle

Die Sömmerringgazelle (Gazella soemmerringii) ist eine Gazelle mit beigefarbener Ober- und weißer Unterseite. Charakteristisch ist die Kopfzeichnung: Ein breiter schwarzer Streifen zieht sich von der Nase zur Stirn und wird von zwei schmalen weißen Streifen gesäumt. Das Verbreitungsgebiet umfasst Steppen und Halbwüsten in Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia. Benannt ist diese Gazelle nach dem deutsch-polnischen Wissenschaftler Samuel Thomas Sömmerring (1755-1830).

Grantgazelle

Die Grantgazelle (Gazella granti) ist nach der Thomsongazelle die häufigste Gazellenart. Dies trifft vor allem auf die Populationen in Kenia, Tansania und Uganda zu, während die nördlichen Bestände in Äthiopien, Sudan und Somalia sehr viel kleiner sind. 350.000 Grantgazellen leben in den Savannen Ostafrikas und bilden dort Herden, die mehrere hundert Tiere umfassen können. Das Fell ist oberseits beigebraun und unterseits weiß. Von der Thomsongazelle ist sie leicht durch das Fehlen des schwarzen Flankenstreifens zu unterscheiden.