Hanseat ist ein sozialstruktureller Begriff, der die Oberschicht der drei Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck bezeichnet.
Geschichte
Hanseat war ursprünglich die Bezeichnung für den Bürger einer Hansestadt. Nach dem Untergang der Hanse im 17. Jahrhundert wurde die Tradition von den drei Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck übernommen, die in einem Vertrag von 1716 ihre Rechte und Pflichten festlegten. Sie übernahmen anderthalb Jahrhunderte später den Begriff „Hansestadt“ in ihre Staats- und Stadtnamen. Ungeachtet weiterer Hansestädte wie z.B. Rostock, Wismar oder Stralsund werden heute einzig in den Bewohnern von Hamburg, Bremen und Lübeck im Sinne eines soziologischen Gruppenbegriffs die Erben jenes Städte- und Kaufmannsbundes gesehen, mit denen der Begriff eines Hanseaten verbunden ist.
Wandel zum „Klassenbegriff“
Dabei findet zugleich eine Einschränkung statt, welche eine Ausweitung des Begriffs auf etwa alle gebürtigen oder gar eingemeindeten Stadtbürger ausschließt. Wenn von Hanseaten gesprochen wird, findet bewußt oder unbewußt gemeinhin eine Einschränkung auf den jenen mächtigen Kaufmannsstand statt, der dem „hanseatischen“ seinen Nimbus verleiht. Der Kaufmannsstand war in den Handelsstaaten stets der der erste, am meisten geachtete und vorherrschende Stand.[1] Wer nicht zu den Kaufleuten gehörte, mußte mindestens Rechtsgelehrter sein, um den hanseatischen Ehrentitel beanspruchen zu können. „Hanseat“ war und ist weniger eine genaue und transparente Definition als vielmehr ein von den „Hanseaten“ selbstgewählter oder ihnen zugewiesener Ehrentitel.
„In Hamburg wurde sehr genau zwischen dem großen und dem kleinen Bürgerrecht unterschieden, und nur wer dank seiner ökonomischen Verhältnisse imstande war, das große Bürgerrecht zu erwerben, verfügte über die uneingeschränkte Handels- und Gewerbefreiheit, durfte in den Senat, die Bürgerschaft und andere Ämter gewählt werden – und das waren nur wenige. Die vermögenden Großkaufleute gaben in den Hansestädten den Ton an.“[2] „Sie sicherten aus eigener Verfügungsgewalt die Macht ihres Standes und ihrer Klasse, grenzten sich in Rang und Habitus gegen die kleinen Kaufleute, die „Krämer“ ab und betrachteten sich mit einigem Recht als Herrscher ihrer Stadt. Auf gleicher Höhe standen nur noch die Juristen, denn auch die Advokatur wurde ja als freies und selbständiges Gewerbe angesehen. Großkaufleute und Juristen beanspruchten also die Rolle der „eigentlichen Hanseaten“ für sich.“[3]
Negative Abgrenzung
Bereitet die positive Bestimmung des Begriffs des „Hanseaten“ gelegentlich Schwierigkeiten, so steht andererseits fest, dass kein Adeliger „Hanseat“ sein konnte. Schon im Stadtbuch von 1276 wurde Rittern das Wohnen innerhalb der Wälle Hamburgs untersagt.[4] Erst nach der Reichsgründung 1871 nahmen einzelne Hamburger Kaufleute einen Adelstitel entgegen - nicht ohne teils offene Kritik ihrer Standesgenossen, denen das Sozialprestige eines bürgerlichen Namens einer der ältesten Bürgerrepubliken Europas mehr galt.[5]
Ähnliches gilt heute noch für die Annahme von „Auszeichnungen fremder Herren“. Auch dies geht auf Hamburger Stadtrecht aus dem 13. Jahrhundert zurück. Die Tatsache, dass die „äußerlich sichtbaren Ordensinsignien den Dekorierten vor seinen Kollegen und Mitbürgern als einen vorzüglicheren auszeichnen sollen“, galt schon damals als ein Umstand, der in entschiedenem Widerspruch zum bürgerlichen Geiste der Verfassung stehe. („Es gibt über dir keinen Herren und unter Dir keinen Knecht.“) So ist es nach Hamburgischer Ordenspraxis bis heute noch allen Senatoren, Bürgerschaftsabgeordneten und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst ausdrücklich untersagt, Auszeichnungen anzunehmen – auch nach ihrer Pensionierung. Der Hanseat bekomme seinen Lohn in dem Bewusstsein erfüllter Pflicht, nicht etwa durch Auszeichnungen.
Hanseatische Familien
Literatur
- Kurt Grobecker: Hanseatische Lebensregeln, Hamburg 1985
- Rudolf Herzog: Hanseaten. Roman der Hamburger Kaufmannswelt, Berlin 1909
- Andreas Schulz: Weltbürger und Geldaristokraten. Hanseatisches Bürgertum im 19. Jahrhundert, München 1995
- Matthias Wegner: Hanseaten, Berlin 1999
- Arne Cornelius Wasmuth: Hanseatische Dynastien. Alte Hamburger Familien öffnen ihre Alben, Hamburg 2001
- Susanne Wisborg: Wo er steht, ist Hamburg. Unbekannte Geschichten bekannter Hanseaten, Hamburg 1992