Fremde-Situations-Test

entwicklungspsychologisches Experiment zur Testung der sicheren Bindung zwischen Mutter und Kind
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Beim Die fremde Situation ("Strange Situation Test" 1970-1978) handelt es sich um ein von Mary Ainsworth entwickeltes entwicklungspsychologisches Experiment, das die Kriterien John Bowlbys für eine sichere Bindung zwischen Kind und Mutter nachweisen soll. Diese Testsituation dient als Möglichkeit der empirischen Überprüfung der Bindungstheorie nach Bowlby.

Einführung

 
Spielendes Kind: Exploratives Verhalten

Marry Ainsworth gelang es, Bowlbys Bindungsmodell in einer standardisierten Situation beobachtbar zu machen. Dafür erdachte sie eine qualitative Testsituation. In dieser Situation finden 12 bis 18 Monate alte Kinder die typischen Gegebenheiten vor, die nach Bowlbys Theorie sowohl Bindungs- als auch Exploratives Verhalten aktivieren, in einer annähernd natürlichen Situation vor. Dadurch können Unterschiede in dem Bindungs- und Explorationsverhalten beobachtet werden [1] [2].

Versuchsablauf

Der Test wird in einem Zimmer durchgeführt, dessen Fußboden in schwarze und weiße Quadrate (zur Erleichterung von Entfernungsmessungen) eingeteilt ist. Lautäußerungen sind für die (verdeckt aufgestellten) Versuchsbeobachter hörbar und Abläufe durch eine Beobachtungsscheibe sichtbar.

Versuchspersonen: Babys (männlich/weiblich) zwischen 12 und 18 Monaten

Helfer: Mütter (bis auf 2 Frauen alles Hausfrauenmütter) und fremde Frau (Assistentin)

  1. Mutter (M) setzt Baby (B) bei Spielzeug ab (bis 30 Sek.).
  2. Mutter setzt sich auf Stuhl und liest Zeitschrift (30 Sek.) - nach spätestens 2 Minuten erfolgt Klopfsignal, woraufhin B zum Spielen animiert werden soll, wenn B noch nicht spielt.
  3. Fremde Frau (F) betritt Raum und setzt sich auf Stuhl - schweigt 1 Minute - danach Gespräch zwischen F und M (1 Min.). - F beschäftigt sich mit B (3 Min.). - M verlässt Raum und lässt Handtasche zurück (Wie verhält sich das Kind zur Fremden, gibt es Trennungsprotest?).
  4. Sollte das Kind weinen, beschäftigt sich F mit ihm, ansonsten bleibt F auf dem Stuhl sitzen.
  5. M spricht vor der Tür - kommt herein - nimmt B hoch und begrüßt es. - M setzt B zum Spielzeug und versucht es zum Spielen zu animieren. - F verlässt Raum - nach 3 Min. verlässt M den Raum, lässt jedoch die Handtasche zurück.
  6. B für 3 Min. allein.
  7. F spricht vor der Tür - F betritt den Raum - passt Verhalten dem des Babys an (z. B. trösten oder mitspielen).
  8. M öffnet Tür, bleibt kurz stehen - hebt B hoch - F verlässt den Raum.

Der Vorgang wird videotechnisch aufgezeichnet und bewertet. Untersuchungsgegenstand ist in erster Linie die kindliche Reaktion in den Trennungs- und Wiedervereinigungsmomenten, um die individuellen Unterschiede in der Bewältigung von Trennungsstress festzustellen [1].

Ergebnis

  1. Bindungskriterien bestätigen sich.
  2. Hauptthese Bowlbys stimmt nicht.

Ursachen für unterschiedliche Bindung

Das Interaktionsverhalten zwischen Kind und Bindungsperson (normalerweise die Mutter) ist ausschlaggebend für die Entwicklung einer sicheren Bindung. Das bedeutet, dass die Bindungsperson Signale des Kindes bemerkt, zutreffend interpretiert und angemessen und prompt darauf reagiert. Werden diese Anforderungen durch die Bindungsperson nicht erfüllt, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung eines unsicheren (ambivalenten oder vermeidenden) Bindungsmusters beim Kind.

Nachfolgeuntersuchungen

1980 von V.Grossmann (Uni Bielefeld)

  • Versuchspersonen: 46 Kinder (bei den Kindern im Alter von 12 Monaten führte man den SST mit der Mutter durch, bei den Kinder im Alter von 18 Monaten dagegen mit dem Vater.)
  • These: Das Kind kann auch zu zwei Personen eine sichere Bindung (B-Bindung) herstellen. (Monotropie sollte in Frage gestellt werden)
  • Ergebnis Grossmann:
  1. Kinder können Bindung zu 2 Personen aufbauen
  2. Die mit dem Kind verbrachte Zeit ist nicht wesentlich für Bindungsqualität
  3. Die Mutter wird nicht grundsätzlich dem Vater vorgezogen

Main/Cassady (1988/1985)

Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, ob das Bindungsverhalten bis zum dritten Lebensjahr und darüber hinaus konsistent und unverändert bleibt. Bei diesem Versuch wurde das Spielverhalten und die Strategien zur Konfliktlösung mit Gleichaltrigen untersucht. Darüber hinaus wurde mit den Kindern über ein Familienfoto und fiktive Trennungssituationen gesprochen.

Versuchspersonen: 5 bis 6-jährige Kindergartenkinder, die bereits mit 12 und 18 Monaten zuvor mit Mutter und Vater getestet wurden.

Spielverhalten

Während Kinder ein sicheres Spielverhalten zeigten und nur bei Misslingen die Hilfe der Erzieherin in Anspruch nahm, spielten unsicher gebundene Kinder nur wenig und hatten ein angespanntes Verhältnis zu Anderen.

Sprechen über Familienfoto

Sicher gebundene Kinder sprechen offen – auch kritisch – über die Situation und die Personen, während unsicher gebundene Kinder aktives Ignorierverhalten zeigen.

Fiktive Trennungssituation

Hierbei wurden die Kinder dazu aufgefordert, ihre Gedanken zu einer fiktiven Trennung (Eltern verreisen) zu äußern. Kinder mit einer sicheren Bindung zeigten Trauer, brachten jedoch auch konstruktive Vorschläge zur Überbrückung der Trennung. Unsicher gebundene Kinder zeigten jedoch großen Trennungsschmerz (Verlust der Eltern wird als endgültig bzw. unabänderlich verstanden) oder zeigten kein Interesse.

  1. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Oerter.
  2. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Dornes.