Die Leistungsbilanz ist Teil der Zahlungsbilanz eines Staates. Sie umfasst die
- Handelsbilanz mit den exportierten und importierten Waren
- Dienstleistungsbilanz mit den Dienstleistungen aus Reiseverkehr, Transport- und Versicherungsleistungen und Kapitalerträgen
- Übertragungsbilanz mit den geleisteten und empfangenen privaten und öffentlichen Übertragungen (also Überweisungen) von ausländischen Arbeitnehmern in ihre Heimatländer, den Beiträgen an internationale Organisationen und die Entwicklungshilfe
In der Leistungsbilanz werden also internationale Güterströme ebenso verbucht wie Übertragungen zwischen In- und Ausland. Der Saldo der Leistungsbilanz stellt eine wichtige ökonomische Größe dar.
Teilbilanzen der Leistungsbilanz
Die in den meisten Industrieländern betragsmäßig größte Teilbilanz der Leistungsbilanz ist die Handelsbilanz oder Außenhandelsbilanz, in der die Exporte und Importe von Sachgütern (Waren) erfasst werden. Die Warenexporte werden in der Zahlungsbilanz auf der Habenseite (anders als in der Buchführung in Bezug auf die Zahlungsbilanz auch Aktiva- bzw. Credit-Seite genannt) gebucht, da sie zu Zahlungseingängen führen. Warenimporte bucht man auf der Sollseite (in diesem Zusammenhang auch als Passiva- bzw. Debet-Seite bezeichnet).[1][2][3]
Laut Deutscher Bundesbank wurden 2006 in Deutschland Waren im Wert von 893,6 Mrd. Euro (FOB) ausgeführt und Waren im Wert von 731,5 Mrd. Euro (CIF) eingeführt. Der Außenhandelssaldo betrug demnach +162,2 Mrd. Euro und erreichte somit einen Höchststand. Dazu zählt die Bundesbank unter der Überschrift Ergänzungen zum Warenhandel eine Korrekturgröße von -18,6 Mrd. Euro.
In der Dienstleistungsbilanz werden alle Ex- und Importe von Dienstleistungen erfasst. Ein Dienstleistungsimport liegt vor, wenn Inländer vom Ausland angebotene Dienstleistungen in Anspruch nehmen (Beispiel: Ein Haarschnitt eines Deutschen in Holland oder der Reiseverkehr deutscher Touristen ins Ausland wären somit aus deutscher Sicht ein Dienstleistungsimport . Umgekehrt wären Beratungen eines ausländischen Unternehmens durch Deutsche oder der Besuch ausländischer Toristen in Deutschland aus deutscher Sicht ein Dienstleistungsexport).
Dienstleistungstransaktionen sind statistisch schwer zu erfassen, da diese nicht vollständig den Zoll- und Meldebestimmungen unterliegen, so dass teilweise nur auf Schätzungen zurückgegriffen werden kann. Der Dienstleistungsimport wird auf der Sollseite gebucht, weil er zu Ausgaben führt, der Dienstleistungsexport auf der Habenseite. 2006 lag der Dienstleistungssaldo bei -23,1 Mrd Euro, nachdem er 2004 noch bei -29,4 Mrd Euro gelegen hatte. Größter Bestandteil des Dienstleistungsverkehrs ist der Reiseverkehr mit einem negativen Saldo von -33,5 Mrd Euro (2006). Dieser Saldo fiel 2006 jedoch geringer aus als in den Vorjahren, weil auf der Einnahmenseite zusätzliche Einkünfte durch die im Sommerhalbjahr in Deutschland ausgetragene Fußballweltmeisterschaft eine wesentliche Rolle spielten.
Der Saldo der Handelsbilanz addiert mit der Dienstleistungsbilanz bildet den Außenbeitrag (zum Bruttoinlandsprodukt).
Die Deutsche Bundesbank zählt dann noch zur Leistungsbilanz als weitere Teilbilanzen die schon erwähnte Größe Ergänzungen zum Warenhandel und den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Primäreinkommen). Einkommen, die nach Deutschland fließen, werden auf der Haben-Seite verbucht. An Erwerbs- und Vermögenseinkommen floss 2006 ein positiver Saldo von +23,0 Mrd Euro aus dem Ausland nach Deutschland.
Außerdem gehört noch als Teilbilanz der Saldo der laufenden Übertragungen (Übertragungsbilanz) dazu, wobei nach Deutschland fließende Übertragungen auf der Haben-Seite verbucht werden. Zu den laufenden Übertragungen, die ins Ausland fließen, gehören zum Beispiel Mitgliedsbeiträge für internationale Organisationen.
Der Saldo der laufenden Übertragungen betrug 2006 -26,8 Mrd. Euro, es flossen also mehr Übertragungen ab als zu.
Insgesamt addieren sich diese Posten der Leistungsbilanz 2006 zu einem Leistungsbilanzsaldo von +116,6 Mrd. Euro. Dieser Einnahmenüberschuss kann sozusagen zur Finanzierung von anderen Zahlungsabflüssen dienen, die in anderen Teilbilanzen der Zahlungsbilanz erfasst werden. Bei den Vermögensübertragungen flossen aus Deutschland aber per Saldo -0,2 Mrd. Euro ins Ausland ab. Der Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Posten betrug +30,0 Mrd. Euro. Die Währungsreserven der Bundesbank zu Transaktionswerten verminderten sich um 2,9 Mrd. Euro, das geht aber mit +2,9 Mrd. Euro in die Zahlungsbilanz ein, da der Verkauf von Währungsreserven zu einer Einnahme aus dem Ausland führt. Diese drei Positionen erhöhten also noch einmal zusätzlich zum Leistungsbilanzüberschuss den Überschuss an Zahlungseingängen aus dem Ausland auf insgesamt +146,3 Mrd. Euro. Damit wurde an Zahlungsabgängen per Saldo -146,3 Mrd. Euro aus der Kapitalbilanz (inkl. der Veränderungen der Währungsreserven) finanziert. Kapital wurde also per Saldo im Ausland in der einen oder anderen Form angelegt. Insgesamt gleicht sich so die Zahlungsbilanz immer zu null aus.
Für einen derartigen Abfluss von Kapital gibt es zwei Möglichkeiten. Einerseits könnte man annehmen, dass Deutschland ein schlechter Unternehmensstandort ist und es sich somit nicht lohnt hier weiter zu investieren. Es kann aber auch sein, das es einfach nur andere Standorte (Emerging markets) gibt, wo man eine höhere Rendite auf das eingesetzte Kapital erhalten kann. Zwar handelt es sich hierbei vorerst um abfließendes Kapital. Die damit verbundenen Zinszahlungen können dazu verwendet werden um den zukünftigen heimischen Konsum zu finanzieren. Das kann sich z.B. auch dadurch ausdrücken, dass diese ausländischen Kapitaleinkünfte dafür verwendet werden, um die Lebensarbeitzeit zu verkürzen oder den Konsum im Alter zu finanzieren.
Leistungsbilanzsaldo
Der Leistungsbilanzsaldo ist die Summe der Salden aller Teilbilanzen (Warenhandel, Dienstleistungen, Ergänzungen zum Warenhandel, Primäreinkommen, laufende Übertragungen). Einen Leistungsbilanzsaldo größer Null bezeichnet man als Leistungsbilanzüberschuss, einen Saldo kleiner Null als Leistungsbilanzdefizit.
Außenbeitrag
Y | = | Bruttoinlandsprodukt |
C | = | Konsum |
I | = | Investitionen |
Ex | = | Exporte |
Im | = | Importe |
AU | = | Außenbeitrag |
Verwendungsgleichung des Sozialprodukts für eine offene Volkswirtschaft:
Der Außenbeitrag entspricht nicht dem Leistungsbilanzsaldo. Der Saldo der Leistungsbilanz ergibt sich aus dem Außenbeitrag plus dem Saldo der Bilanz laufender Übertragungen.
zu 1: Güter und Dienstleistungen, die im Laufe einer Wirtschaftsperiode bereitgestellt wurden
zu 2: gibt an, wohin die bereitgestellten Güter und Dienstleistungen gingen
Übersteigen die Exporte die Importe, so spricht man von einem positiven Außenbeitrag. Im umgekehrten Fall spricht man von einem negativen Außenbeitrag. Sind die Exporte gleich den Importen, dann handelt es sich um einen ausgeglichenen Außenbeitrag. Ein ausgeglichener Außenbeitrag ist eine gebräuchliche Definition des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts im Rahmen des Magischen Vierecks.
Implikationen eines positiven Leistungsbilanzsaldos
Ein Leistungsbilanzüberschuss kann unterschiedlich gedeutet werden: Einerseits stellt er einen Vermögenszuwachs des Inlandes dar (das Nettoauslandsvermögen steigt - was positiv zu deuten ist), andererseits bedeutet er aber auch den Abfluss von Kapital ins Ausland (was negativ zu deuten ist). Der Wert des Vermögens verändert sich dabei um den Saldo der Leistungsbilanz zuzüglich des Saldos der Bilanz der Vermögensübertragungen. Die Auseinandersetzung zwischen positiver und negativer Deutung wird in Deutschland in der politischen Diskussion unter den Schlagworten Exportweltmeister einerseits und schlechter Unternehmensstandort mit folgender Kapitalflucht andererseits abgehandelt.
Die Arbeitsmarktwirkungen eines positiven Außenbeitrags sind günstig: Da mehr Güter im Inland hergestellt werden als bei Vorliegen eines ausgeglichenen Außenbeitrags, ist auch ein größerer Einsatz von Arbeitskräften wahrscheinlich.
Implikationen eines negativen Leistungsbilanzsaldos
Die gleichen Gedankengänge lassen sich auf ein Land mit negativem Leistungsbilanzsaldo anwenden: Ein Land mit einem negativen Außenbeitrag importiert mehr, als es exportiert, was gleichbedeutend ist mit einem Vermögensrückgang (also einem Sinken des Nettoauslandsvermögens). Als problematisch angesehen wird ein negativer Außenbeitrag v. a. dann, wenn gleichzeitig (wie in den USA) ein Haushaltsdefizit vorliegt; man spricht in einem solchen Fall von einem Doppeldefizit oder aus dem englischen wörtlich übersetzt Zwillingsdefizit (twin deficit). Die Vermögensveränderung setzt sich dabei wieder aus dem Leistungsbilanzsaldo, von dem der Außenbeitrag ein Teilsaldo ist, und dem Saldo der Vermögensübertragungen zusammen.
Umgekehrt kann ein negativer Außenbeitrag aber auch positiv als Zufluss ausländischen Kapitals gedeutet werden, welches u. U. zu rentablen Investitionen eingesetzt wird.
Ein Leistungsbilanzdefizit bzw. ein Verbrauchsüberhang besteht ebenfalls, wenn im Inland der Gesamtverbrauch (Absorption) größer als die eigene Wertschöpfung (Bruttoinlandsprodukt) ist. Dies kann beispielsweise durch öffentliche Transfers oder Kapitalimporte der Fall sein.
Ein extremes Beispiel mit einem sehr hohen Leistungsbilanzdefizit sind die neuen Bundesländer:
2002 betrug der Gesamtverbrauch 366 Milliarden Euro, das Bruttoinlandsprodukt jedoch nur 253 Milliarden Euro. Es liegt somit ein Leistungsbilanzdefizit bzw. ein Vebrauchsüberhang von 45% vor. So ein hohes Leistungsbilanzdefizit ist in der Wirtschaftsgeschichte vorher noch nie vorkommen.