Leuchter-Report

Pseudowissenschaftliches, den Holocaust leugnendes Gutachten
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Der sogenannte Leuchter-Report geht zurück auf den selbsternannten Experten für Hinrichtungs-Technik, Fred A. Leuchter. Dieser hatte den Report 1988 im Auftrag des Holocaustleugners Ernst Zündel gefertigt. Absicht des Reports war es, den unter dem nationalsozialistischen Regime erfolgten Massenmord an Menschen in den Gaskammern der Konzentrations- und Vernichtungslager in Abrede zu stellen.

Hintergrund

1988 wurde gegen Ernst Zündel, der in Toronto / Kanada wohnte, wegen seiner holocaustleugnenden Aktivitäten Anklage erhoben. Zündel versuchte, aus diesem Prozess öffentlichkeitswirksames Kapital zu schlagen. Aus diesem Grund beauftragte er Leuchter als „Gutachter“, der der Frage, ob in den Gaskammern der Vernichtungslager der Nationalsozialisten Menschenvergasungen stattgefunden haben, nachgehen sollte. Leuchter hielt sich drei Tage im Konzentrationslager Auschwitz sowie einen Tag im Konzentrationslager Majdanek auf, um dort – weder von Behörden noch von Museumsleitungen autorisiert und somit zwangsläufig unter konspirativen Bedingungen - Untersuchungen an den Wänden von Gaskammern durchzuführen. Heraus kam der sog. Leuchter-Report, der von dem kanadischen Gericht, das über Zündel zu urteilen hatte, als unglaubwürdig eingestuft wurde.

Die Schwerpunkte des Leuchter-Berichts

Die Kapazität der Gaskammern und Krematorien

Leuchter stellte in seinem Report fest, dass die Kapazitäten der Gaskammern und Krematorien in Auschwitz nicht geeignet gewesen seien, sechs Millionen Menschen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs zwecks Tötung aufzunehmen.

Bewertung

Die Erkenntnis, dass es nicht sechs Millionen Menschen allein in Auschwitz waren, die in Gaskammern umgekommen sind, ist schon zur Zeit, in der Leuchter seinen Report schrieb, nicht neu gewesen. Schon seit den 60er Jahren wurden die ursprünglich sehr hoch angesetzten Schätzungen revidiert. Die Opferzahl in Auschwitz liegt bei ca. 1,1, Millionen, die aus dem gesamten Reichsgebiet sowie den besetzten Gebieten bei ca. sechs Millionen. Insoweit war Leuchters These keine Neuerung in der Geschichtsforschung.

Konzentration von Cyanid-Verbindungen in Entwesungskammern und den Gaskammern der Krematorien

Ein Wort zu Zyklon B

Zyklon B ist ein hochwirksames Insektizid. Es setzt Blausäure (HCN), frei. Zyklon B ist ein in Form von Tabletten oder Pillen verbreitetes, mit dem Gas durchsetztes Trägermaterial. In Kontakt mit Eisen und Beton bildet es Cyanid-Verbindungen.

Leuchters Schlussfolgerung

Da sich in den sogenannten Entwesungskammern, die im Konzentrationslager Auschwitz für die Entlausung von Kleidungsstücken eingerichtet worden waren, höhere Konzentrationen von Cyanid-Verbindungen befanden als in den Gaskammern der Krematorien I (= befindlich im Stammlager Auschwitz) und II bis V (= befindlich im Nebenlager Auschwitz-Birkenau), stellte Leuchter die Behauptung auf, dass in den Gaskammern der Krematorien keine Menschenvergasungen stattgefunden haben könnten. Dies frei nach der Assoziation: Wenn für so kleine Läuse solche großen Mengen an Zyklon B benötigt wurden, hätte eine Vergiftung von Menschen ja noch viel mehr Blausäure beansprucht und die Konzentration der Cyanid-Verbindungen in den Menschengaskammern hätten deutlich höher sein müssen.

Bewertung

Blausäure ist für Warmblüter (und dazu gehören Menschen) erheblich giftiger als für Läuse. Von Ungeziefer befallene Kleidung musste daher erheblich länger und in erheblich höherer Konzentration dem Gas ausgesetzt sein. Um Läuse abzutöten, verwendet man das Gas in einer Konzentration von bis zu 16.000 ppm (parts per million) bei einer Anwendungsdauer von bis zu 72 Stunden. Hingegen sind schon 300 ppm über einen Zeitraum von 15 Minuten für Menschen tödlich. Anders als bei einer Entlausung wurden in den Gaskammern der Krematorien somit

  • geringere Mengen an Blausäure
  • für einen kürzeren Zeitraum

eingesetzt. In Konsequenz konnte die freigesetzte Blausäure bei den Vergasungen von Menschen nur weniger Cyanid-Verbindungen bilden.

Auch einen weiteren Aspekt verschweigt der Leuchter-Report: Die für die Entlausung vorgesehenen Entwesungskammern waren zu Kriegsende intakt geblieben. Die Gaskammern der Krematorien versuchte die SS mehr oder weniger erfolgreich zu sprengen (von Krematorium II und III sind Teile zerstört, Krematorium IV und V sind Ruinen), um ihre Existenz vor der anrückenden Roten Armee zu verbergen. Die zerstörten Gebäude waren somit über 40 Jahre lang Witterungseinflüssen ausgesetzt, ihre Wände zum Teil erheblich ausgewaschen worden.

Erhalten geblieben ist die Gaskammer des Krematoriums I im Stammlager Auschwitz. Nach der Errichtung des Nebenlagers Birkenau war ihre Funktion als Gaskammer obsolet, es wurde ein Schutzbunker daraus gebaut. Nach dem Krieg wurde die ursprüngliche Version der Gaskammer für die Besucher des Konzentrationslagers Auschwitz wiedererrichtet. Auch ihre Wände enthalten Spuren von Cyanid-Verbindungen, die geringe Konzentration erklärt sich hier aus dem Umstand, dass diese Gaskammer nur kurze Zeit in Betrieb war und zum Schutzbunker umfunktioniert wurde.

Die explosiven Eigenschaften von Zyklon B

Leuchter erklärte, der Einsatz von Zyklon B in den Gaskammern der Krematorien sei schon deswegen unmöglich gewesen, weil die Verbindung von Zyklon B mit großer Hitze seine explosiven Eigenschaften auslöse.

Bewertung

Leuchter verschweigt, dass die explosiven Eigenschaften von Zyklon B nur bei entsprechend hoher Konzentration ausgelöst werden. Blausäure ist in einer Konzentration von 300 ppm für Menschen nach wenigen Minuten tödlich, die für eine Explosion nötige Minimalkonzentration von Blausäure liegt jedoch bei 56.000 ppm.

Gefährdung des Räumkommandos der Gaskammern

Da aufgrund von Augenzeugenaussagen fest stand, dass nach dem Tod der Opfer in einer Gaskammer ca. 30 Minuten später das Räumkommando die Leichen aus der Gaskammer schaffte, behauptete Leuchter, dass es sich nur um eine Erfindung handeln könnte. Die hohe Giftigkeit des Gases setze voraus, dass die Räumlichkeiten mindestens 10 Stunden belüftet werden. Somit hätte die Räumung der Gaskammern 30 Minuten nach der Vergasung den sicheren Tod des Räumkommandos bedeutet.

Bewertung

Leuchter verschweigt, dass in den Gaskammern Entlüftungsanlagen eingebaut waren. Die Giftigkeit war durch langjährige Erfahrungen mit der Entlausung von Kleidungsstücken bekannt, deshalb wurden vorsorglich Maßnahmen getroffen, die die Notwendigkeit einer längeren Außerbetriebnahme obsolet machten. Überdies wurden bei der Räumung der Gaskammer häufig zusätzlich Gasmasken eingesetzt.

Bewertung des Gutachtens durch das kanadische Gericht

Was Leuchter dem kanadischen Gericht vorgelegt und als Zeuge unterstrichen hatte, wurde von den Richtern als unglaubwürdig eingestuft. Der Vorsitzende Richter äußerte in seinem Urteil, mit welchem Zündel nach dem kanadischen false-news-Gesetz wegen "Verbreitung falscher Nachrichten" (= konkret wegen seiner holocaustleugnenden Aktivitäten) verurteilt wurde:

"Es ist seine (Leuchters) in dem Report geäußerte Meinung, dass es dort niemals Vergasungen oder Hinrichtungen gegeben habe. Meiner Meinung nach, und nach dem, was hier vorgetragen wurde, liegt es jenseits seiner Befähigung, eine solche Meinung begründet vertreten zu können ... Es mangelt ihm an Kompetenz zu beurteilen, was an den besagten Orten durchgeführt werden konnte oder nicht, wie er in seinem Bericht pauschal behauptet."

Literatur

  • Jean-Claude Pressac: Auschwitz: Technique and operation of the gas chambers. (Beate Klarsfeld Foundation 1989) – Wissenschaftliche Untersuchung der Methoden zum Völkermord (und Widerlegung des Leuchter-Reports)
  • Jean-Claude Pressac: Die Krematorien von Auschwitz. Die Technik des Massenmordes. ISBN 3-492-03689-9
  • Wolfgang Benz (Hrsg.): Dimensionen des Völkermords. Die Zahl der Opfer des Nationalsozialismus., München 1991.
  • Markus Tiedemann: „In Auschwitz wurde niemand vergast.“ 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt. ISBN 3-570-20990-3
  • Deborah Lipstadt: Leugnen des Holocaust. Rechtsextremismus mit Methode. Reinbek bei Hamburg,1996. ISBN 3-499-60101-X
  • Brigitte Bailer-Galanda u.a. (Hg.): Die Auschwitzleugner. Berlin 1997. ISBN 3885206005
  • Jürgen Zarusky: Leugnung des Holocaust. Die antisemitische Strategie nach Auschwitz. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Aktuell – Amtliches Mitteilungsblatt. Jahrestagung 9./10. Nov.1999, Marburg. Auch als Internet-Veröffentlichung (pdf-Dokument) erhältlich.