Intelligenz

kognitive Leistungsfähigkeit
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. Mai 2007 um 10:24 Uhr durch Rickyy~dewiki (Diskussion | Beiträge) (Erbe-Umwelt-Debatte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Intelligenz (lat.: intelligentia „Einsicht, Erkenntnisvermögen“, intellegere „verstehen“) bezeichnet im weitesten Sinne die Fähigkeit zum Erkennen von Zusammenhängen und zum Finden optimaler Problemlösungen.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Bereiche der Problemstellungen werden auch unterschiedliche Arten von Intelligenz unterschieden. Eine gute allgemeine Definition gibt Thurstone, der mit der Multiple-Faktoren-Theorie folgende Einzelfaktoren nennt: räumliches Vorstellungsvermögen, Rechenfähigkeit, Sprachverständnis, Wortflüssigkeit, Gedächtnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, logisches Denken. Mit diesen Faktoren wird die Befähigung gegeben, mit Bildung und Wissen etwas anfangen zu können (was sozusagen im Gegensatz zu Weisheit steht, die dieses voraussetzt).

In der Psychologie ist Intelligenz ein Sammelbegriff für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, also die Fähigkeit, zu verstehen, zu abstrahieren und Probleme zu lösen, Wissen anzuwenden und Sprache zu verwenden.

Mit Intelligenz befassen sich die Allgemeine, die Differentielle und die Neuropsychologie.

Differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik

Die Persönlichkeits- und Differentiellen Psychologie ist Quelle eines Großteils der Forschung zum Konstrukt Intelligenz. In dieser Disziplin wird Intelligenz als Teilbereich der Persönlichkeit im weiteren Sinne gesehen. Dabei bemüht man sich darum, die unscharfen Begrifflichkeiten zu vermeiden, die im alltäglichen Sprachgebrauchs verwendet werden (Denkvermögen, Auffassungsgabe, Rationalität, Logik, Urteilsvermögen), um die geistigen Fähigkeiten des Menschen zu kennzeichnen, Intelligenz messbar zu machen und von anderen Konstrukten der psychologischen Forschung wie z.B. Kreativität abzugrenzen (vgl. diskriminante Validität, Testgütekriterien).

Aus der Grundlagendisziplin der differentiellen Psychologie geht die psychologische Diagnostik bzw. die Psychometrie als Anwendungsgebiet hervor. Hier bemüht man sich darum, quantitative Unterschiede der Intelligenz zwischen Menschen festzustellen. Als Fachbegriff der Psychometrie wurde „intelligence - Intelligenz“ in der Zeit um 1900 geprägt, wobei der inhaltliche Impuls aus dem englischen Sprachraum kam (Louis Leon Thurstone, Charles Spearman). Aktuelle Intelligenztests sind in der Regel adaptiv und passen sich in der Problemstellung dem Vermögen des Probanden an adaptives Testen.

Der Intelligenzquotient (IQ)

Für die Messung der psychometrischen Intelligenz (IQ) war die Forschung des Franzosen Alfred Binet von bahnbrechender Bedeutung, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gemeinsam mit Theodore Simon im Auftrag der französischen Regierung ein Testverfahren zur Einstufung und Auswahl von behinderten Vorschulkindern entwickelte. Er entwarf den sog. Staffeltest, in dem Aufgaben verwendet werden, die nur von Kindern bestimmter Altersklassen, nicht jedoch von jüngeren gelöst werden können. Binet vertrat den Ansatz, dass aus Aufgaben, die zwischen den Altersstufen differenzieren, also aus der Anzahl gelöster Aufgaben das sog. Intelligenzalter berechnet werden kann. Die Binet-Skala diente jedoch als Grundlage spezifischer Förderung von Schulkindern, deren biologisches Alter nicht mit dem Intelligenzalter übereinstimmte. Es war kein Ansatz, der zwischen Begabten und Unbegabten unterscheiden wollte. Da das Intelligenzalter für sich allerdings nur sehr schlecht interpretierbar ist, entwarf William Stern den Intelligenzquotienten, in dem das Intelligenzalter zum Lebensalter in Beziehung gesetzt wird: IQ = (IA / LA)·100.

Die Anzahl der richtigen Aufgaben sowie die Bearbeitungsgeschwindigkeit und der Vergleich mit Gleichaltrigen wurde somit zur empirischen Grundlage des frühen Intelligenzbegriffes, welcher „Intelligenz“ am IQ festmacht und nach wie vor bei wissenschaftlich validierten Intelligenztests (z. B. dem CFT3-Grundintelligenztest von Cattell/Weiss) bei erwachsenen Probanden und Kindern Anwendung findet. Eine Weiterentwicklung brachte die Informationspsychologie, die den IQ durch das Konzept des Arbeitsspeichers ersetzt, der ein physikalisches Maß der Intelligenz, insbesondere der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Gegenwartsdauer (s. Gedächtnisspanne) darstellt, deren Messeinheiten die verarbeiteten Bits pro Zeiteinheit bzw. Sekunden sind.

Da Sterns Konzept (IQ=Intelligenzalter/Lebensalter) sich als problematisch erwiesen hat, wurde später von anderen Forschern (David Wechsler) ein neues Intelligenzkonzept eingeführt, bei dem die Leistung des Einzelnen auf den Mittelwert der entsprechenden Altersklasse bezogen wird. Der mittlere IQ liegt nach dieser Definition, ebenso wie bei Stern, bei 100. 68 % der Bevölkerung haben einen IQ zwischen 85 und 115 (bei in Deutschland üblichen Intelligenztests mit einer Standardabweichung von 15). Nur ca. 2,2 % der Bevölkerung haben einen IQ über 130 (oft benutzt als Grenzwert für Hochbegabung) oder unter 70, was als Grenze zur geistigen Behinderung betrachtet wird. Da die Zuverlässigkeit der Testergebnisse mit zunehmender Abweichung vom statistischen Mittel sinkt, hat der IQ außerhalb der Grenzen zwischen 55 und 145 praktisch keine Bedeutung mehr. Es wäre zwar theoretisch denkbar, entsprechende Tests zu konstruieren, allerdings praktisch nicht durchführbar, da sich in diesem Bereich nur 0,26 % der Bevölkerung befinden.

Die Höhe der Intelligenz und Intelligenzstruktur ändern sich mit zunehmendem Lebensalter (siehe auch Altersintelligenz).

Intelligenzstrukturmodelle

Eine ausführliche Darstellung verschiedener Intelligenztheorien findet man hier: Intelligenztheorien.

Binet

Intelligenz ist ein Thema, das die Menschen in vielerlei Hinsicht beschäftigt. Die Frage, was jemanden intelligent macht oder wie man Intelligenz messen kann, wird häufig diskutiert und Theorien und Tests werden generiert. Alfred Binet hat den ersten Intelligenztest erarbeitet. Er verstand Intelligenz als ein Bündel zahlreicher Einzelfähigkeiten; dabei implizierte der entwickelte Test paradoxerweise, dass Intelligenz etwas einheitliches Ganzes sei. Ein mit faktorenanalytischen Methoden oder deren Vorläufern entwickeltes Strukturmodell gibt es von ihm jedoch nicht.

Spearman: Generalfaktor

Erste Modellvorstellungen im Hinblick auf die Struktur der Intelligenz entwickelte Charles Spearman 1904. Bei seinen Forschungen wendete er das Verfahren der Faktorenanalyse an, welches in den weiteren Modellen auch zur Anwendung kam. Eine Faktorenanalyse wird durchgeführt, um viele Variablen in wenige Gruppen einordnen zu können. Dabei hängt es von der Korrelation der einzelnen Variablen untereinander ab, welcher Gruppe sie zugehörig sind. Grundvoraussetzung ist natürlich die Annahme, dass hinter einer Reihe von Messwerten Faktoren stehen. Das bedeutet, dass man z. B. die Variablen „Ich prügele mich gerne“, „Ich beschimpfe gerne andere“ und „Manchmal bin ich so wütend, dass ich nicht mehr weiß was ich tue“ zu dem Faktor Aggression zusammenfassen kann. Die entstehenden Faktoren können einer weiteren Analyse unterzogen werden, wobei das Ergebnis dann Faktoren zweiter Ordnung sind. Das Verfahren lässt sich mehrere Male wiederholen. Spearman war der Ansicht, dass es nicht möglich sei, die reine Intelligenz eines Menschen zu messen. Diese würde sich vielmehr aus zwei Faktoren zusammensetzen. Der erste Faktor ist die generelle Intelligenz „g“, der zweite ist der bereichs-spezifische Anteil „s“. "s" ist dabei "g" hierarchisch untergeordnet, und bestimmt die Leistung einer Person in einem bestimmten Bereich, z. B. Rechenfertigkeit. D. h. es gibt mehrere s-Faktoren und nur einen g-Faktor.

Cattell: fluide vs. kristalline Intelligenz

Die Forschung in dieser Richtung gingen weiter und 1963 stellte Raymond Bernard Cattell sein Modell der „fluid and crystallized general intelligence“ vor, wobei er auch Spearmans Modell aufgriff und nach seinem Ermessen modifizierte. Er führte ebenfalls mehrere Faktorenanalysen durch und kam auf drei Ordnungsebenen. Dabei sind die Faktoren umso allgemeiner gehalten, je höher die Ordnung ist. Es gibt sechs Faktoren 1. Ordnung und zwar verbale, räumliche, logische und numerische Fähigkeiten, sowie Sprachfluss und Gedächtnis. Die Faktoren 2. Ordnung gliedern sich dann in die fluide und kristalline Intelligenz, auf die das größte Augenmerk gelegt wird. Die Faktoren 3. Ordnung schließlich sind die historische fluide Intelligenz und die allgemeine Lernerfahrung. Die beiden Faktoren 2. Ordnung besitzen unterschiedliche Eigenschaften. Die fluide Intelligenz ist für die Analyse von Aufgaben zuständig. Sie beinhaltet vor allem angeborene Leistungsfähigkeiten, ist daher auch als eher allgemein und instinktiv zu betrachten. Die bloße Fähigkeit, die Kapazität, zum Wissenserwerb ist ebenfalls durch die fluide Intelligenz zu begründen. Fähigkeiten wie logisches Denken oder die Herstellung und der Gebrauch von komplexen Bezügen ist diesem Faktor unterzuordnen und bestimmt vor allem das Vermögen sich neuen Problemen und Situationen anzupassen. Um diesen Teil der Intelligenz messbar zu machen, lassen sich kulturfreie Tests anwenden; das bedeutet, dass sich diese Tests nicht auf Allgemeinwissen beziehen, das ja kulturell unterschiedlich ist. Dabei kann man davon ausgehen, dass die fluide Intelligenz von der jeweiligen Testsituation beeinflusst wird. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die fluide Intelligenz sehr an intakte neuronale Strukturen und Prozesse gebunden ist und dementsprechend durch Krankheit oder Verletzung beeinträchtigt werden kann. Bei der Entwicklung ist etwa im Alter von 14/15 Jahren ein Stillstand zu verzeichnen und ab dem 22. Lebensjahr ist sie sogar etwas rückläufig.

Die von der fluiden Intelligenz z. T. abhängige kristalline Intelligenz hingegen bezieht sich auf die Ausführung einer Arbeit, das Lösen einer Aufgabe und zwar bezogen auf die Bildung, das Wissen. Hier gibt es nun die erwähnten kulturspezifischen Elemente. Das gespeicherte Wissen, die bisherigen Lernprozesse treten hier in den Vordergrund. Der Faktor zeigt sich besonders in verbalen, sowie numerischen oder mechanischen Fähigkeiten im Verstand und der Urteilsfähigkeit. Die kristalline Intelligenz ist am besten mit kulturspezifischen Tests zu erfassen. Dadurch, dass die kristalline Intelligenz das Wissen eines Menschen beinhaltet, lässt sich ein leichter Zusammenhang zur Persönlichkeit herstellen. Sie wird stark von Übung und Interesse beeinflusst. Bei der kristallinen Intelligenz ist die Entwicklung ca. zwischen dem 18. bis 20. Lebensjahr weitestgehend beendet, sie kann sich jedoch auch bis zum 50. Lebensjahr erstrecken. Cattell bemerkte 1973: „Die kristalline Intelligenz ist gewissermaßen das Endprodukt dessen was fluide Intelligenz und Bildung gemeinsam hervorgebracht haben.“

Was zum Verständnis noch erwähnt werden sollte ist, dass die kristalline Intelligenz nicht gleichzusetzen ist mit der Leistung; denn sie bezieht sich auf den Umgang mit komplexen Zusammenhängen, während die Leistung jegliches schulisches Wissen des Individuums abdeckt. Es lässt sich somit sagen, dass bisher durchgeführte Tests an Gültigkeit verlieren, wenn das Modell angenommen wird, da kristalline und fluide Intelligenz nie getrennt voneinander erfasst worden sind.

Jäger: Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS) - Operations- und Inhaltsfacetten

Ein weiterer Ansatz ist das Berliner Intelligenzstrukturmodell von Adolf Otto Jäger (1984). Dieser versuchte bei seinem Forschungsprojekt „Produktives Denken/Intelligentes Verarbeiten“ die konkurrierenden Modelle mit einer möglichst repräsentativen Variablenstichprobe des Leistungsbereichs, für den Geltung beansprucht wird, zu konfrontieren und ein Strukturmodell auf der Basis von Variablenstichproben, die die Vielfalt intellektueller Leistungsformen möglichst umfassend repräsentieren, zu generieren. Die repräsentative Variablenstichprobe wurde dadurch gewährleistet, dass bei den Untersuchungen aus ca. 2000 Aufgabentypen, 191 Aufgabenblöcke extrahiert wurden, die sich wiederum 98 Aufgabentypen zuordnen ließen. Das bedeutet, die Mannigfaltigkeit des Aufgabenmaterials der verschiedenen Modelle wurde beibehalten. Die Probanden waren Berliner Oberstufenschüler im Alter von 16-21 Jahren.

Bei Jägers Arbeiten ist ein deskriptives Modell entstanden, welches hierarchisch und bimodal strukturiert ist. Jäger extrahiert sieben hochgradig generelle Hauptkomponenten in zwei aufgestellten Modalitäten, wobei diese unterschiedliche Aspekte benennen, unter denen sich dieselben Gegenstände klassifizieren lassen. Die Modalität „Operationen“ setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

  • Bearbeitungsgeschwindigkeit (B; Arbeitstempo, Auffassungsleichtigkeit und Konzentrationskraft beim Lösen einfach strukturierter Aufgaben von geringem Schwierigkeitsniveau),
  • Gedächtnis (G; aktives Einprägen und kurz- oder mittelfristiges Wiedererkennen oder Reproduzieren von verbalem, numerischen und figural-bildhaftem Material),
  • Einfallsreichtum (E; flüssige, flexible und auch originelle Ideenproduktion, die an Verfügbarkeit vielfältiger Informationen, Reichtum an Vorstellungen und das Sehen vieler verschiedener Seiten, Varianten, Gründen für Möglichkeiten von Gegenständen und Problemen voraussetzt, wobei es um problemorientierte Lösungen geht, nicht um ungesteuertes Luxurieren der Phantasie) und der
  • Verarbeitungskapazität (Verarbeitung komplexer Informationen bei Aufgaben, vielfältiges Beziehungsstiften, formallogisch exaktes Denken und sachgerechtes Beurteilen von Informationen erfordern).

Die Modalität „Inhalte“ besteht aus den Fähigkeitsbündeln:

  • Sprachgebundenes Denken (Verbal; Fähigkeitsbündel entspricht dem Grad seiner Aneignung und Verfügbarkeit und scheint bei allen sprachgebundenen Operationen mitbestimmend zu sein),
  • Zahlengebundenes Denken (Numerisch; Fähigkeitsbündel entspricht dem Grad seiner Aneignung und Verfügbarkeit und scheint bei allen zahlengebundenen Operationen beteiligt zu sein) und dem
  • Anschauungsgebundenen Denken (Figural-bildhaft).

Die allgemeine Intelligenz „g“ umfasst alle sieben der genannten Hauptkomponenten. Die aufgeführten Strukturkomponenten, sowie „g“, sieht Jäger nicht als endgültig an; sie sollen eher als Modellkern angesehen werden, der offen ist für Ergänzungen weiterer operativer und inhaltsgebundener Einheiten, Ansiedlungen von Einheiten zwischen „g“ und den sieben Hauptkomponenten, Differenzierungen in speziellere Einheiten und die Ergänzungen weiterer Modalitäten.

Korrelate von Intelligenz

Personen mit einem niedrigeren IQ rauchen häufiger [1], nehmen häufiger Drogen und sind häufiger delinquent[2]. Einer der Gründe für eine kürzere Lebenserwartung könnte auch eine verlängerte Reaktionszeit sein. Diese könnte zum Beispiel dazu führen, dass weniger intelligente Personen häufiger im Straßenverkehr verunglücken[3].

Kritik am Intelligenzkonzept der differentiellen Psychologie

Neben einer Vielzahl weniger bedeutender Kritiken des Intelligenzkonzepts haben vor allem folgende Aspekte auch in der wissenschaftlichen Diskussion einige Bedeutsamkeit erlangt:

Alltagsrelevanz

Ausgangspunkt der Forschung zur Problemlösefähigkeit war, dass oft die mangelnde Augenscheinvalidität von Intelligenztests kritisiert wurde. Denn in der Realität ist Intelligenz vor allem als Fähigkeit zur Lösung nichttrivialer Probleme interessant. Die Lösung hochkomplexer Probleme über lange Zeiträume wird durch Intelligenztests scheinbar nicht getestet. Von Dietrich Dörner wurde daher auf Basis seiner Studien zu computersimulierten Problemlöseszenarien behauptet, dass Intelligenz und Problemlösefähigkeit voneinander unabhängig seien. Dies ist durch eine große Zahl von Studien anderer Autoren wie Joachim Funke und Heinz-Martin Süß mittlerweile widerlegt.

Ähnliche Kritik, der in ähnlicher Weise begegnet wird, äußern auch die Vertreter der praktischen und der emotionalen Intelligenz.

Trainierbarkeit

Wenn man Testaufgaben trainiert, kann man seinen IQ steigern. Forschung zur Trainierbarkeit von Intelligenz haben vor allem Karl Josef Klauer und Jürgen Guthke betrieben. Darüber hinaus hat es, vor allem in den Vereinigten Staaten, viele zum Teil auch sehr erfolgreiche Versuche gegeben, die Intelligenz von unterpriviligierten Kindern zu steigern. Dazu zählen Headstart, Das Milwaukee Project, das Abecedarian Early Intervention Project und das High/Scope Perry Preschool Project. Dies widerspricht jedoch nicht dem Intelligenzkonzept der differentiellen Psychologie, da hier nicht von perfekten Stabilitäten ausgegangen wird.

Motivationale Effekte

Ein Einflussfaktor auf die Validität eines Intelligenztests ist die Motivation. Diese kann sich auf die Leistung auswirken.

Stellenwert der Faktoren

Kritisiert wird oft die Reifikation von Faktoren. Der Paläontologe Stephen Jay Gould hat sowohl den „einen“ IQ, als auch Intelligenz aus verschiedenen, voneinander relativ unabhängigen Faktoren (primary mental abilities) zusammengesetzt, als wissenschaftlich fragwürdig und als ein untaugliches Konzept kritisiert.

Intelligenz aus der Sicht anderer Disziplinen

Allgemeine Psychologie

Die für den Begriff Intelligenz relevante Forschung auf dem Gebiet der Allgemeinen Psychologie bezeichnet man heute oft als Kognitive Psychologie. Diese wiederum greift auf Methoden und Erkenntnisse der Hirnforschung, der Entwicklungspsychologie und zunehmend auch der künstlichen Intelligenz zurück.

Neuropsychologie

Die Neuropsychologie beschäftigt sich unter anderem auch mit den neuronalen Grundlagen der Intelligenz bzw. der Verarbeitung von Signalen bzw. Information beim Menschen. Für die Intelligenz besonders relevant sind die Vorgänge im Großhirn (vgl. auch Cortex), wogegen das Kleinhirn (lat. Cerebellum) und phylogenetisch ältere Bereiche (z. B das Stammhirn) in der Forschung zu neuronalen Grundlagen der Intelligenz weniger Beachtung finden. Dies heißt jedoch nicht, dass Intelligenz in bestimmten Bereichen lokalisiert werden kann, eine gewisse dezentrale Organisation von Informationsverarbeitungsprozessen ist trotz allem nicht von der Hand zu weisen.

Soziologie

Die Intelligenz als Bezeichnung für die Gesamtheit aller Gebildeten wurde erstmals 1844 im Polnischen von K. Libelt gebraucht, 1846 im Russischen von W. G. Bielinski, im Deutschen später von u. a. Karl Kautsky, Karl Marx, Hugo Ball (Kritik der deutschen Intelligenz) und Adolf Hitler. Die Intelligenz als soziale Schicht war bis 1990 fester Bestandteil eines kommunistisch geprägten Gesellschaftsverständnisses. In der DDR verstand man unter Intelligenz, auch Geistesarbeiter oder Geistesschaffende genannt, die Gesamtheit aller Personen mit einem Hochschulabschluss oder Fachschulabschluss. Im westlichen Deutschland, wo der Begriff auch weite Verbreitung erlangte, konkurriert Intelligenz auch heute noch mit dem älteren Begriff Intellektuelle bzw. mit Akademiker oder erscheint gar als soziologischer Fachbegriff in der slawischen Form Intelligentsia.

Informatik

In der Informatik beschäftigt man sich mit dem Thema im Rahmen der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI). Sie bezeichnet die Nachbildung menschlicher Intelligenz innerhalb der Informatik. Die KI findet zunehmend Einsatz in der ingenieurwissenschaftlichen oder medizinischen Technik. Mögliche Anwendungsszenarien sind: Optimierungsprobleme (Reiseplanung, Schienenverkehr), Umgang mit natürlicher Sprache (automatisches Sprachverstehen, automatisches Übersetzen, Suchmaschinen im Internet), Umgang mit natürlichen Signalen (Bildverstehen und Mustererkennung). Aber auch in Computerspielen wird die KI oft für vom Computer gesteuerte Gegner verwendet. Sie reicht aber noch lange nicht an die menschliche Intelligenz heran, da es ein relativ neuer Teil der Informatik ist und Intelligenz noch nicht genau genug definiert wurde.

Erbe-Umwelt-Debatte

In der wissenschaftlichen Psychologie besteht heutzutage breiter Konsens, dass sowohl Vererbung als auch Umwelteinflüsse für die Intelligenzentwicklung eine Rolle spielen [4] [5]. Uneinigkeit herrscht allerdings darin, in welchem Umfang die einzelnen Faktoren relevant sind. Einige Autoren, wie z.B. Rowe (1997) weisen außerdem darauf hin, dass die relevanten Umwelteinflüsse meist nicht näher identifiziert werden können und dass es sich dabei um nicht familiär geteilte Umweltaspekte handelt, also um solche, die beispielsweise auf gemeinsam aufwachsende Geschwister in unterschiedlicher Weise wirken. [6] Das schließt zunächst nicht aus, dass Erziehung zu diesen Umwelteinflüssen gehört, da man aus der Erziehungsstil-Forschung weiß, dass dieselben Eltern ihre einzelnen Kinder unterschiedlich erziehen. Vertreter des Erbe-Standpunktes deuten dies jedoch so, dass Eltern mehrerer Kinder unterschiedlich auf verschiedene genetisch bedingte Temperamente ihrer verschiedenen Kinder reagieren (vgl. reziproker Interaktionismus).

Wie komplex das Zusammenwirken von Erbgut und Umwelt ist, ging bereits früh aus heute als klassisch eingestuften Experimenten zur Vererbung von Lernleistungen hervor. So wurden Ratten zunächst einem so genannten disruptiven Selektionsdruck mit dem Ziel ausgesetzt, ihre Lernleistung beim Durchqueren eines Labyrinths zu verändern. [7] Über sieben Generationen hinweg wurden – unter Aufrechterhaltung gleicher Haltungsbedingungen – zum einen jeweils nur die Nachkommen jener Mütter weiter gezüchtet, die in der Zuchtlinie der „klugen" Ratten besonders rasch das Durchqueren des Labyrinths lernten. Zugleich wurden in einer zweiten Zuchtlinie, ausgehend von der gleichen Anfangspopulation, die Nachkommen jener Mütter weiter gezüchtet, die das Durchqueren des Labyrinths besonders langsam lernten. Schließlich konnte man statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Testtieren der beiden Zuchtlinien nachweisen: Infolge der Entfernung der jeweils ungeeigneten Testtiere aus der Zucht hatten sich demnach Veränderungen der Lernfähigkeit ergeben, die nur durch eine Veränderung im Genpool der beiden Zuchtlinien erklärbar waren; die Lernfähigkeit der Ratten hat also eine genetische Basis. Rosenthal bietet noch eine andere Erklärung. Er argumentiert, dass es sich möglicherweise um einen sogenannten Versuchsleitereffekt gehandelt habe. In einem versuch untersuchte er Forscher, denen angeblich schlaue und dumme Ratten vorgeführt wurden. Das Ergebnis war, dass die eigentlich zufällig zugeordneten Ratten starke Unterschiede in erwarteter Form zeigten. Rosenthal führte das auf stärkere Zuneigung zu den angeblich schlaueren Ratten zurück [8].

Dass die Gene das Lernverhalten der Ratten aber nur unter bestimmten Umweltbedingungen determinieren, ergab einige Jahre später eine weitere Studie an Tieren solcher „intelligenten“ bzw. „unintelligenten“ Zuchtlinien. [9] Testtiere aus einer langsam lernenden Zuchtlinie wurden nun nämlich in besonders abwechslungsreich mit Tunnels, Rutschen und Spielzeug ausgestatteten Käfigen aufgezogen und gehalten; umgekehrt wurden Testtiere aus der rasch lernenden Zuchtlinie in einer besonders reizarmen Umgebung untergebracht: Unter diesen veränderten Umweltbedingungen war kein Unterschied zwischen den beiden Zuchtlinien mehr nachweisbar. Bei unverändertem Genpool in jeder der beiden Zuchtlinien ist dies ein Beleg dafür, dass die Umwelt die Lernleistung im Labyrinth maßgeblich beeinflusst. Die Autoren der Studie argumentierten daher, dass erst das Zusammenwirken von Erbe und Umwelt das sichtbare Verhalten hervor bringe und eine Trennung in angeboren und erworben letztlich weder sinnvoll noch möglich sei.

Zitate

„Intelligenz ist die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen.“

Carolus Slovinec

„Der Nachteil der Intelligenz besteht darin, dass man ständig gezwungen ist, dazuzulernen.“

„Intelligenz ist jene Eigenschaft des Geistes, dank derer wir schließlich begreifen, dass alles unbegreiflich ist.“

„Unsere Freunde sagten mir, sie seien leidend. Ich beklage sie sehr. Denn ich sehe, dass sie die Freuden der Intelligenz haben müssen, und auf die kommt es wahrscheinlich für sie vor allem an wie für jeden, der sie kennt.“

Marcel Proust: Im Schatten der jungen Mädchen, ISBN 3-51857875-8, S. 143f

„Das menschliche Gehirn ist unvergleichlich komplexer als etwa ein Stern; und darum wissen wir auch so viel mehr über Sterne als über das menschliche Gehirn. Und der komplexeste Aspekt des menschlichen Gehirns ist seine Intelligenz.“

„Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Jeder glaubt, er habe genug davon.“

„Intelligenz ist die Fähigkeit Informationen zu empfangen, zu entschlüsseln und brauchbar weiter zu vermitteln. Dummheit bedeutet, diesen Prozess an einer beliebigen Stelle zu unterbrechen.“

Robert Anton Wilson: der neue Prometheus

„Intelligenz ist das, was ein Intelligenztest misst.“

Quellen

  1. Ray, J.J. (1985). Smoking and intelligence in Australia. Social Science and Medicine, 20, 1279-1280
  2. Hirschi, T. & Hindelang, M. J. (1977). Intelligence and Delinquency: A Revisionist Review American Sociological Review, 42, 4, 571-87
  3. "Reaction Time Explains IQ's Association With Death", in: Psychological Science, Volume 16, Number 1, January 2005, S. 64-69(6)
  4. Asendorpf, J. (2004). Psychologie der Persönlichkeit. 3. Aufl. Heidelberg: Springer
  5. Amelang, M. & Bartussek, D. (2001). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. 5.Aufl. Stuttgart: Kohlhammer
  6. Rowe, D.C. (1997). Genetik und Sozialisation. Weinheim: BeltzPVU
  7. Tryon, R. C (1940): Genetic differences in maze-learning ability in rats. Yearbook of the National Society for the Study of Education, Band 39, S. 111–119. und Tryon, R. C. (1942): Individual differences. In: F. A. Moss (Hrsg.): Comparative psychology. New York: Prentice-Hall (berarbeitete Ausgabe)
  8. Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968): Pygmalion in the classroom. New York: Holt, Rinehart, & Winston
  9. Cooper, R. M., Zubek, J. P. (1958): Effects of enriched and restricted early environments on the learning ability of bright and dull rats. Canadian Journal of Psychology, Band 12, S. 159–164

Siehe auch

weiterführende Literatur

  • Amelang, M. & Bartussek, D. (1997). Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung (4. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer. Kapitel 12.2.2-12.3.7 S.194-225
  • Funke, J. & Vaterrodt-Plünnecke, B.(2004). Was ist Intelligenz? (2. Auflage). München: Beck. ISBN 3-4064-1888-0
  • Cattell, R. B. (1963). Theory of fluid and crystallized intelligence: A critical experiment. Journal of Educational Psychology, 54, S.1-22.
  • Enzensberger, H.M.: Im Irrgarten der Intelligenz. In: Neue Zürcher Zeitung, 11. November 2006
  • Guthke, J. (1980). Ist Intelligenz meßbar? Eine Einführung in die Probleme der psychologischen Intelligenzforschung und Intelligenzdiagnostik. (2. Auflage). Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften.
  • Gould, S.J.: Der falsch vermessene Mensch. ISBN 3-51-828183-6
  • Gouldner, A.W. (1980). Die Intelligenz als neue Klasse. Sechzehn Thesen zur Zukunft der Intellektuellen und der technischen Intelligenz.. Frankfurt am Main: Campus.
  • Holling, H., Preckel, F. & Vock, M.: Intelligenzdiagnostik. Kompendien Psychologische Diagnostik – Band 6. Hogrefe, Göttingen 2004, ISBN 3-8017-1626-0
  • Jäger, A. O. (1984). Intelligenzforschung: Konkurrierende Modelle, neue Entwicklungen, Perspektiven. Psychologische Rundschau 35, S.21-35.
  • von Mutius, B. (Hrsg.) (2004). Der falsch vermessene Mensch - Wie wir morgen denken werden. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN 3-608-94085-5
  • Neubauer, A. (1995). Intelligenz und Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung. Wien: Springer. ISBN 3-211-82735-8
  • Riemann, R. & Spinath, F. M. (2005). Genetik und Persönlichkeit. In J. Hennig & P. Netter (Hrsg.), Biopsychologische Grundlagen der Persönlichkeit (S. 539-629). Heidelberg: Spektrum (ISBN: 3-8274-0488-6)
  • Roth, E. Oswald, W.D. & Daumenlang, K. (1980). Intelligenz: Aspekte, Probleme und Perspektiven. (4. Auflage). Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 3-17-005665-4
  • Schulte, R. (1964) Intelligence. In: Sprachwissenschaftliches Colloquium Bonn (Hrsg.): Europäische Schlüsselwörter. Wortvergleichende und wortgeschichtliche Studien. Bd. II. Kurzmonographien I. Wörter im geistigen und sozialen Raum. (S. 18–49). München: Hueber.
Commons: Intelligenz – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Intelligenz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Intelligenz – Zitate