Internationaler Strafgerichtshof

ständiges internationales Strafgericht
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Der Internationale Strafgerichtshof (Abk.:IStGH, engl. International Criminal Court (ICC)) ist ein ständiges Gericht mit Gerichtsbarkeit über Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression (noch nicht definiert, eine Definition soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen). Der IStGH ist eine unabhängige internationale Organisation, deren Beziehungen zum UN-System über ein Kooperationsabkommen mit den UN geregelt ist. Sitz des Gerichtshofs ist Den Haag.

Statut

Die Grundlage des IStGH ist das so genannte Rom-Statut. Auf eine Definition des Aggressionstatbestands konnte sich die Gründungskonferenz nicht einigen. Bis diese nicht vorliegt, übt der IStGH seine Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression nicht aus (vgl. Art. 5 Abs. 2 Rom-Statut). Zudem konnte die Forderung nach universeller Zuständigkeit nicht durchgesetzt werden. Zur Rechenschaft gezogen werden kann ein Täter grundsätzlich nur dann, wenn er einem Staat angehört, der das Statut ratifiziert hat oder wenn die Verbrechen auf dem Territorium eines solchen Vertragsstaates begangen wurden.

Das IStGH-Statut enthält Regelungen zum Straf-, Strafprozess-, Strafvollstreckungs-, Gerichtsorganisations-, Rechtshilfe- und Auslieferungsrecht. Als Kernpunkte des IStGH sind grundsätzlich hervorzuheben: Zuständigkeit und Gerichtsbarkeit für die o. g. "schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes" berühren; Vorrang der nationalen Gerichtsbarkeit, soweit diese existiert und fähig und willens ist, die Strafverfolgung tatsächlich zu betreiben; die individualstrafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen, unabhängig eines von ihnen bekleideten, offiziellen Amtes; die prinzipielle Möglichkeit zur Annahme freiwilliger, finanzieller Beiträge von natürlichen und juristischen Personen; und schließlich die Konstitutierung als ständige Einrichtung. Im Statut sind grundlegende Strafrechtsprinzipien verankert, z.B. der Grundsatz nullum crimen sine lege und ne bis in idem sowie das Rückwirkungsverbot und das Analogieverbot. Die Anklagebehörde kann Ermittlungsverfahren kraft Amtes einleiten.

Geschichte

Das Rom-Statut wurde am 17. Juli 1998 mit 120 Ja-Stimmen gegen 7 Nein-Stimmen bei 21 Enthaltungen von der UN-Bevollmächtigtenkonferenz in Rom angenommen. Nach Hinterlegung der 60. Ratifikationsurkunde ist das Rom-Statut am 1. Juli 2002 in Kraft getreten. Die feierliche Vereidigung der ersten 18 Richter fand am 11. März 2003 statt. Erster Chefankläger ist Luis Moreno-Ocampo. Das Statut wurde inzwischen von über 90 Staaten ratifiziert.

Ablehnung des IStGH

Härtester Opponent des IStGH sind die USA, die durch den Abschluss bilateraler Verträge mit IStGH-Vertragsparteien und anderen Staaten eine Auslieferung von US-Staatsangehörigen an den IStGH vorsorglich auszuschließen suchen. 2002 wurde der American Servicemember Protection Act rechtskräftig, der den US-Präsidenten implizit dazu ermächtigt, eine militärische Befreiung von US-Staatsbürgern vorzunehmen, die sich in Den Haag vor dem IStGH verantworten müssen. Eine Zusammenarbeit mit dem Gericht wird US-Behörden verboten. Zudem könnte allen Staaten, die nicht Mitglied der NATO sind und das Statut ratifizieren, die US-Militärhilfe gestrichen werden.

Hauptkritikpunkte der USA am IStGH sind:

  • Fehlen eines Normenkontrollverfahrens.
  • Die gemäß Art. 120 des Statuts von Rom gegebene Zuständigkeit des IStGH für Straftaten, die durch Staatsangehörige von Nicht-Unterzeichnerstaaten auf dem Territorium eines Unterzeichnerstaates begangen worden sein sollen. Insoweit besteht ein Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen.
  • noch nicht vorhandene Definition des Tatbestandes der Aggression.
  • mangelnde Kontrolle des Anklägers.
  • Umgehung der Kompetenzen des Sicherheitsrates.
  • Die Komplementarität des IStGH, die dem IStGH erlaubt, eine Beurteilung des Willens und der Fähigkeit der Strafverfolgungsorgane des betroffenen Staates selbst und abschließend zu beurteilen.
  • Fehlende demokratische Legitimation der Vereinten Nationen. Die weit überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten setzt sich aus totalitär geführten Staaten zusammen (Stand: November 2004), deren Regierungsmitglieder ohne freie, geheime und gleiche Wahl an die Macht gekommen sind. Würden demokratische Staaten diesen totalitär geführten Staaten über das Instrumentatium der UNO Einflußmöglichkeiten auf ihre Justizapparate gewähren, würden die Bürger der Demokratien sich damit dem Diktat ausländischer Machthaber zumindest teiweise beugen und damit auch Einfluß auf ihre Politik zulassen.
  • Seitens der USA wird das Fehlen einer Jury (Geschworene) im IStGH bemängelt. Die Gewährleistung einer Jury ist ein elemtarer Grundsatz des amerikanischen Verständnisses eines Rechtsstaates ("rule of law") und ein oberstes Verfassungsprinzip. Das Vorenthalten einer Jury kommt in den USA einer Grundrechtsvorenthaltung gleich. Die amerikanischen Kritiker führen dazu an, dass die Anerkennung eines IStGH (der ohne Geschworene urteilt) verfassungswidrig wäre und verfassungsrechtlich unmöglich ist.

Weitere wichtige Staaten wie Russland, die Volksrepublik China, die Türkei, Israel, Indien oder Pakistan haben das Statut ebenso wie die USA nicht ratifiziert.

Befürwortung des IStGH

Für eine Verwirklichung des IStGH auch gegen den Widerstand der USA und anderer Staaten haben sich insbesondere die Länder der Europäischen Union bemüht. Eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung des IStGH hatte auch die Coalition for the International Criminal Court (CICC), ein Zusammenschluss von weltweit mehr als 1.500 Nichtregierungsorganisationen, die 1995 vom World Federalist Movement initiiert wurde. Die CICC wurde zum großen Teil von der EU finanziert, wodurch sie sich dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzte.

Kritiker monieren, dass hinter der sie wenig überzeugenden Sorge vor "willkürlichen Prozessen" gegen US-Bürger, mit der die Bush-Regierung ihre Ablehnung des IStGH begründet, die begründete Angst vor durchaus berechtigten Verfahren stehe. Die seit Dezember 2003 bekannt gewordenen Misshandlungen von Kriegsgefangenen im Irak seitens Angehörigen der US-Militärpolizei, die laut im Juni 2004 offiziell publizierten Regierungspapieren auf Genehmigung und auf Anweisungen aus der Militärführungsebene erfolgten, haben dazu geführt, dass der US-Antrag auf Verlängerung der Immunität vor dem UN-Sicherheitsrat am 24. Juni 2004 mangels Erfolgsaussicht zurückgezogen wurde.

Siehe auch