Apokalypse

Gattung der religiösen Literatur
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Eine Apokalypse (griechisch: αποκάλυψις, „Enthüllung”, "Offenbarung") ist eine Literaturgattung, die von einer Vision des Weltuntergangs und der neuen oder verwandelten Welt berichtet. Das Verbum „apokalyptein” heißt „aufdecken”, was zuvor verborgen war: nämlich die unvorhersehbare, endgültige Zukunft der Weltgeschichte. Apokalypsen beziehen sich meist auch auf konkrete historische Ereignisse: Sie schildern radikale innerweltliche Veränderungen in Metaphern des Weltuntergangs oder deuten sie geistlich, indem sie sich auf eine endzeitliche Äonenwende oder ein Endgericht beziehen.

Apokalypsen sind also theologische Geschichtsdeutungen, die die kommende Geschichte aus der vergangenen und die vergangene von der zukünftigen her zu interpretieren suchen und so ein umfassendes Bild vom Weltlauf entwerfen. Dazu verwenden sie eine metaphorische und mythische Sprache: Konkrete historische Nationen, Personen und Ereignisse werden als Symbole und Bildmotive – häufig als „Tiere” – beschrieben. Oft erscheinen Engel als Offenbarer der Zukunft oder Deuter der Zukunftsvisionen. So ist ihre Enthüllung eng mit einer Engelslehre (Angelologie) verbunden.

A. Dürers apokalyptische Reiter

Auf dem Bild Die Apokalyptischen Reiter wird das Ende der Welt durch menschliche Reiter eingeläutet. Das bedeutet, dass die Menschen selbst für ihr Ende verantwortlich gemacht werden. Im Hintergrund sieht man einen Engel und Gott, der durch die Strahlen symbolisiert wird. Beide verhalten sich passiv; somit wird die Theorie vom Selbstverschulden der Menschen an ihrem Ende bestätigt.


Antike

Schon in den antiken Schöpfungsmythen Assyriens und Babyloniens, z.B. dem Gilgamesch-Epos, tauchen apokalyptische Vorstellungen auf. Im Zoroastrismus Persiens wird die Idee eines Endkampfes zwischen „Gut” und „Böse”, „Licht” und „Finsternis” geprägt. Von dort aus drang sie in den Hellenismus ein. Im normannischen Kulturkreis ist der Weltuntergang als Ragnarök - Schicksal der Götter - bekannt.

Judentum

Als Literaturgattung hatte die Apokalypse ihre Blütezeit im Judentum des zweiten Tempels (539 v. Chr.) bis zu dessen Zerstörung (70. n. Chr.). Spätere apokalyptische Literatur knüpfte meist an vorgegebene biblische Überlieferungen an. Streng genommen ist die Apokalyptik in der biblischen Überlieferung von der Prophetie zu unterscheiden: Der Prophet verweist auf ein bestimmtes, nahe bevorstehendes Ereignis (z.B. Jes 7,1-16). Der Seher oder Apokalyptiker entwirft ein Bild der Zukunft (z.B. Dan 7,1-15). Der Prophet kann seine Botschaft unmittelbar verkünden. Der Seher oder Apokalyptiker ist zur Erklärung dessen, was er gesehen hat, auf einen überirdischen Vermittler angewiesen: den angelus interpres (z.B. Dan 7,16-28).

Endzeiterwartungen begegnen schon im 8. Jahrhundert v. Chr. in der frühen Unheilsprophetie: Amos kündete im Nordreich Israel einen „Tag JHWHs” an, der „Finsternis, nicht Licht” für Israel bringen werde (Am 5,18-20). Micha verkündet Ähnliches im Südreich, verbunden mit einer endzeitlichen „Völkerwallfahrt” zum Zion, dem Tempelberg in Jerusalem (Mi 4,2-4). Jeremia greift 200 Jahre später auf Michas Unheilsprophetie zurück; seine Prophetie bezieht sich auf die politischen Ereignisse bis zur ersten Tempelzerstörung und Exilierung der judäischen Oberschicht (586 v. Chr.).

In der exilischen Prophetie Israels werden innergeschichtliche Gerichte, die Fremdherrscher an Israel vollstrecken, mit einem Völkergericht verbunden und universalisiert (z.B. Jes 2, Joel 4). Auch die Messiaserwartung ist tendenziell apokalyptisch, da der Messias die Unrechts- und Gewaltgeschichte der Welt abbricht und zu einem gerechten Ende führt (Jes 9). Bei Jesaja wird der Messias als Weltrichter dann schon mit der Vorstellung einer endgültigen Verwandlung des ganzen Kosmos einschließlich der Naturgesetze verknüpft (Jes 11).

Bei dem späteren Exilspropheten Ezechiel (Hesekiel) wird die Verkündigung des nahenden Endgerichts (Ez 7) mit Visionen verbunden, die auf vergangene Geschichte zurückblicken und diese „vorhersagen”: nicht nur die „Greuel” (Ez 8), die die Zerstörung des ersten Tempels (Ez 9) und den Untergang des Königtums (Ez 19) herbeiziehen, sondern auch den Sieg Nebukadnezars über Ägypten (Ez 29-32). Noch unverbunden damit tritt nun auch die Vorstellung einer jenseitigen Totenerweckung (Ez 37) hervor.

Im Buch Daniel (170 v. Chr.) verdichten sich diese Motive zur großen Vision vom Endgericht (Dan 7), das die endgültige Wende der ganzen Weltgeschichte bringen werde: Alle Gewaltherrschaft werde dann vernichtet werden. Der „Menschenähnliche” - Gottes ursprüngliches Ebenbild - erscheint, erhält Gottes volle Macht und verwirklicht damit die von den Propheten angekündete ewige Gottesherrschaft. Vom Messias und einer innergeschichtlichen Umkehr der Völker zum Gott Israels ist keine Rede mehr; dennoch bewahrt diese Apokalyptik Verheißungen der älteren Prophetie in der Situation akuter Existenzbedrohung Israels unter Antiochus IV..

Im 2. und 1. vorchristlichen Jahrhundert entstehen weitere Bücher mit apokalyptischer Thematik, z.B. der äthiopische Henoch, das Vierte Buch Esra und die „Kriegsrolle” von Qumran (etwa 130 v. Chr.). Davon wurde um 100 n. Chr. bei der Synode von Jawne aber nur das Buch Daniel als legitime Fortsetzung der biblischen Prophetie in den Kanon des jüdischen Tanach aufgenommen.

Urchristentum

Jesu Predigt vom Reich Gottes und vom Menschensohn ist durch und durch von der biblischen Prophetie und Apokalyptik geprägt. Aber die Unheilserwartung, die dort oft mit dem Weltende verbunden ist, wird nun im Anschluss an Deuterojesaja stärker eingebettet in die übergreifende Heilserwartung einer Rettung aller, auch der verlorenen und dem Endgericht verfallenen Kreaturen.

Jesu Kreuzestod wird von den Urchristen als stellvertretende Übernahme dieses Endgerichts, seine Auferweckung als rettende Vorwegnahme der endzeitlichen Wende der Weltgeschichte gedeutet. Sie sind die zentralen Heilsereignisse des christlichen Glaubenbekenntnisses: So wird die Apokalyptik zur „Mutter der christlichen Theologie” (Ernst Käsemann). Sie tritt in den Evangelien nun hinter die Verkündigung des schon gekommenen Christus zurück. Aber die „kleine Apokalypse” des Markusevangeliums (Mk. 13) wird von allen Evangelien übernommen. Besonders Matthäus malt das Endgericht als Selbstoffenbarung des Weltrichters und endgültige Entscheidung zwischen echten und falschen Nachfolgern Jesu aus (Mt. 24).

Ein insgesamt apokalyptisches Buch ist im Neuen Testament nur die Offenbarung des Johannes; unter anderen urchristlich-apokalyptischen Schriften wurde nur sie in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen. Sie wird daher im Christentum meist auch als Apokalypse bezeichnet. Sie knüpft deutlich an die älteren Motive des Danielbuches an: Der Seher erfährt in seinen Visionen durch Engel die Zukunft der Erde bis zum Weltende. Damit bewahrt das Urchristentum die Zukunftsdimension des Judentums: Das endgültige Heil durch den Heiland und Messias Jesus Christus und dem messianischen Reich (Off 1:1). Trotz bereits geschehener „Erlösung” durch das Opferblut Jesu steht die Erfüllung noch aus (Off 1:10).

Der Begriff Apokalyptik bezeichnet den gesamten Vorstellungskomplex, der in den „Apokalypsen” zum Ausdruck kommt. Der theologische Fachterminus für prophetische und apokalyptische Zukunftserwartungen ist die Eschatologie.

Grundgedanken der apokalyptischen Theologie

  • Die Apokalyptik ist auf Geschichte bezogen, erwartet die Wende vom Unheil zum Heil aber nicht mehr als ein Eingreifen Gottes in der Weltgeschichte, sondern als ein Eingreifen zu deren Beendigung. Insofern herrscht hier gegenüber der älteren Prophetie eine pessimistische Grundstimmung: Die ganze Menschheits- bzw. Weltgeschichte wird als Unheilsgeschichte gesehen, die einem schrecklichen Ende zutreibt.
  • An Gottes Herrsein in Bezug auf seine Vorsätze wird nicht gerüttelt: Gott selbst habe den plötzlichen, katastrophalen Abbruch der von ihm bis dahin geduldeten Weltgeschichte im Voraus festgelegt (Gedanke der Vorsehung Gottes - lateinisch Providentia Dei oder theologischer Determinismus).
  • Das endgültige, von Gott allein gesetzte Ende wird in oft als Endkampf Gottes gegen den Satan und seinen dämonischen und menschlichen Anhang (vgl. Höllensturz) verstanden, der zur von Gottvorbestimmten Zeit beginnt (Vergl. Mt Kapitel 24).
  • Dieser Endkampf zwischen „Gut” und „Böse”, Licht und Finsternis kann die Gestalt eines apokalyptischen Dualismus annehmen. Im Zoroastrismus und später im Gnostizismus wird dieser Kampf schon in die Schöpfungsgeschichten vorverlagert, so dass im Grunde zwei Gottheiten miteinander kämpfen (Siehe auch Off 12:7). Bereits in 1 Mose 3:15 wird vorhergesagt, dass der Schlange (Symbol für Satan und seine Nachfolger) der Kopf zermalmt werden würde. Das „böse Prinzip” und der Schöpfergott treten in Konflikt miteinander. Erlösung und Rettung sind erkennbar durch die Auferstehung der Toten (Off 11:18, 20:5,6,11) und ein Überleben des Strafgerichtes Gottes durch jene, die das Loskaufsopfer Jesu Christi durch Taufe angenommen haben(Off Kap 7:9, 13-17) sowie durch Errichten des Reiches Gottes auch auf Erden (Off. 12:10, Vater Unser).
  • In der biblisch-jüdischen Apokalyptik wird an der Einheit der an sich guten Schöpfung festgehalten: Die Welt wird gemäss dem Willen Gottes von grund auf verwandelt. Das Endgericht steht zu Beginn der Herrschaft Gottes und beendet die Herrschaft widergöttlicher Mächte die von Gott bis dahin geduldet wurden. Die Verwandlung der Welt ist allein Gottes Werk. Nur er kann die endgültige Gerechtigkeit bringen und weltweit durchsetzen. Sein Sieg steht seit undenklichen Zeiten her fest.
  • Mit diesen Grundgedanken sind eine Reihe von Motiven und Bildern verbunden: Dazu gehören auszugsweise die Cherubim bei Ezechiel, der Menschenähnliche bei Daniel oder die vier Apokalyptischen Reiter die sich auf höheren Befehl in auf den Weg machen. Die vier Apokalyptischen Reiter stehen als Symbole für 1. den siegreichen Messias (lat. Christus), 2. den Krieg, 3. Hungersnöte und 4. Krankheiten und Seuchen, denen der Tod gleich dicht dahinter nachfolgt. In Off Kapitel 21 kommt das Neue Jeursalm (hebr. doppelter Friede: Friede mit Gott und Friede mit den Menschen) vom Himmel auf die Erde.

Literatur

Allgemein

  • Richard Loibl (Hg.): Apokalypse. Bilder vom Ende der Zeit; Lahn-Verlag: Limburg / Kevelaer 2001; ISBN 3-7867-8395-0.

Mittelalter

  • Claude Carozzi: Weltuntergang und Seelenheil. Apokalyptische Visionen im Mittelalter; Fischer-Taschenbuch-Verlag: Frankfurt/Main 1996; ISBN 3-596-60113-4.
  • Bernard McGinn (Hg.): Apocalyptic spirituality : Treatises and letters of Lactantius, Adso of Montier, Joachim of Fiore, the Franciscan Spirituals, Savonarola, Transl. and introd. by Bernard McGinn, New York : Paulist Pr. 1979
  • Bernard McGinn: Visions of the end : apocalyptic traditions in the Middle Ages, New York : Columbia Univ. Pr., 1979. ISBN 0-231-04594-8
  • Bernard McGinn: Apocalypticism in the Western tradition, Aldershot : Variorum, 1994. ISBN 0-86078-396-0
  • Bernard McGinn (Hg.): The encyclopedia of apocalypticism, Band 2: Apocalypticism in Western history and culture, 1999. ISBN 0-8264-1072-3
  • Bernard McGinn: The State of Apocalyptic Studies, Vortrag Oslo August 8, 2000

Postmoderne Kulturtheorie

Religiöser Fundamentalismus und Apokalyptische Vorstellungen

Siehe auch

Wiktionary: Apokalypse – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Apokalypse – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien


http://12koerbe.de/apokalypse/qumran.htm

Bibliographien

Zur Offenbarung des Johannes

Rezension

Mittelalter

Rezeption

Religiöser Fundamentalismus