Ruderalvegetation

Pflanzenwelt von menschlich tiefgreifend überprägten Standorten
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Ruderalfluren (vom lat. rudera, = "eingestürzte Gemäuer, Steinschutt") sind nicht durch die Natur entstandene, sondern auf menschlichen Einfluss zurückzuführende Biotope. Ursprünglich wurden darunter nur Pflanzengesellschaften auf Bauschutt o.ä. verstanden, der Begriff bezieht sich mittlerweile aber auf alle durch menschlichen Einfluß gestörte, meist trockenwarme Standorte.

Brachfläche im ersten Jahr
Brachfläche im zweiten Jahr
Brachfläche nach 3-4 Jahren
Brachfläche nach 5-6 Jahren
Brachfläche nach 7-8 Jahren
Brachfläche nach 9-10 Jahren

Typische Ruderalfluren finden sich auf Aufschüttungen, auf Schuttplätzen, an Bahndämmen und Bahnhöfen, in Industrie- und Gewerbegebieten und sonstigen Brachflächen.

Häufig auf Ruderalfluren anzutreffende Pflanzen sind z.B. Beifuß, Brennesseln, Schwarzer Holunder und Königskerze.

Ruderalfluren, -flora, -flurengesellschaft

Gemeint sind Pflanzengesellschaften, die entweder im Rahmen einer so genannten ruderalen Strategie eigenmächtig Besitz ergreifen von brachliegenden Flächen unbewachsenen Erdbodens oder solche, die auf Grund einer ungestörten natürlichen Entwicklung bisher vorhandene Pflanzen verdrängen bzw. sich ihnen gegenüber durchsetzen. Ruderale Pflanzen sind also Erstsiedler (Pioniervegetation) vegetationsfreier Wuchsplätze, die sich gemeinsam dadaurch auszeichnen, relativ viele Samen zu bilden, deren Haltbarkeit oft länger als fünf Jahre beträgt. Sie wachsen sehr schnell, können individuenstarke Bestände aufbauen, die wiederum eine starke Invasionskraft ihrer Verbreitung erzeugen.

Pflanzenbeispiele und ihre Bodenanspüche

Normale Gartenrohböden

Typische Vertreter der Ruderalflurengesellschaften auf normalen Gartenrohböden sind Vogelmiere (Stallaria media), Knöterich (Polygonum-Arten), Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris)...

Böden mit höherem Humusanteil

Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Giersch (Aegopodium podagraria), Große Brennnessel (Urtica dioica) ...

Junge, wasserdurchlässige Böden

Oft Dachtrespenrasen (Bromus tectorium), Mäusegerstenrasen (Hordeum murinum), Nachtkerze (Oenothera biennis) und einzelne Gräser ...

===Wasserdurchlässige, kiesige Böden=== Natternkopf-Steinkleegesellschaften (Echium- und Melilotius-Arten), ruderalisierte Trockenrasen (Brometalia erecti) und ausdauernde Hochstaudengesellschaften (Artemisietea-Arten) ...

Rohböden aus Schotter und Steinen

Felsgräser (Sedo-Scleranthetea-Arten) und Borstgrasrasen (Nardetalia-Arten) ...

Nasse Böden mit Lehm und Ton

Lehmacker-Wildkrautgesellschaften (Chenopodietea-Arten), Huflattich (Tussilago farfara) sowie Tritt- und Flutrasen (Plantagineta majoris) ...

Bauschuttgemische

Weidenröschen (Epilobium-Arten) und Rautengesellschaften (Plutaceae).

(Gliederung der Rohböden aus Literatur 'Ackerland und Siedlungen' - C. Fink und A. Otte bei Claus-Peter Hutter.)

Entwicklung einer Ruderalflur

Die Lebenszeit derartiger Pflanzengesellschaften an einem Ort ist unter mitteleuropäischen Verhältnissen meistens zeitlich begrenzt. Bleiben sie einer natürlichen Entwicklung überlassen, setzt unter den Pflanzenarten ein Verdrängungskampf ein, wobei sich nur wenige Arten in oft großer Anzahl durchsetzen und in deren Schutz wiederum andere Arten die nächste Gesellschaft bilden. So dominieren später in großen Beständen - je nach Standortbedingungen und benachbarter Vegetation - oft Große Brennnessel (Urtica dioica), Brombeere (Rubus-Arten), Goldrute (Solidago-Arten), Beifuß (Artemisia vulgaris), Klette (Arctium-Arten), Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) oder Sommerflieder (Buddleja davidii) ..., aus denen heraus sich dann durch Samenanflug erste Ansätze so genannter Vorwälder bilden können (Gehölzarten der Gattungen Ahorn, Weide, Eberesche, Esche, Robinie etc.).

Der Zeitraum der Entwicklung einer vegetationsfreien Brache zum Wald dauert in der Regel 10 Jahre oder länger.