Śrī Aurobindo (अरविन्द घोष) (* 15. August 1872; † 5. Dezember 1950) war ein indischer Nationalist, Philosoph, Hindu-Mystiker und Guru.
Leben
Geboren wurde er als Aurobindo Ackroyd Ghose in Kalkutta (Indien). Sein Vater hieß Dr. K. D. Ghose und seine Mutter Swarnalata Devi. Der Vater, der selbst in England gelebt hatte, wollte für seine Kinder eine westliche Ausbildung und schickte Aurobindo und seine Geschwister auf die Loretto-Klosterschule in Darjeeling. Im Alter von sieben Jahren kam Aurobindo an die St. Paul's School in London. Dort lernte er Latein, Griechisch und die klassischen westlichen Schulfächer. Während seiner Zeit an der St. Paul's School erhielt er den Butterworth Prize für Literatur, den Bedford Prize für Geschichte und ein Stipendium für die Universität Cambridge. Im Jahr 1893 kehrte er nach Indien zurück.
In den folgenden Jahren arbeitete Sri Aurobindo für den Gaekwar von Baroda, Maharaja Sayajin Rao erst in der Verwaltung des Fürstentums Baroda und schliesslich am Baroda-College als Französisch-Lehrer, später als Professor für Englisch und dann als Vorstand des Colleges. In Baroda lernte er Sanskrit und verschiedene andere indische Sprachen, besonders Bengali, Maharati und Gujarati. Während der Baroda-Zeit, im April 1901, heiratete Sri Aurobindo Mrinalini Bose, die 1918 einen frühen Tod starb.
1906 verließ Sri Aurobindo Baroda und ging nach Kalkutta - als Vorstand des neugegründeten "Nationalen Bengalischen College". Ebenfalls 1906 begann Sri Aurobindo mit der Herausgabe des Journals, "Bande Mataram", das zum Sprachrohr der "Nationalist Party" wurde. Er wollte die Idee der Unabhängigkeit im Denken seiner Landsleute festigen und gleichzeitig eine Partei und schließlich die ganze Nation zu intensiver und organisierter politischer Aktivität bewegen, die zur Verwircklichung dieses Ideals führen sollte. Sri Aurobindos erstes Anliegen in dem Journal war, die vollständige Unabhängigkeit Indiens als politisches Ziel offen und nachhaltig zu propagieren; er war der erste Politiker in Indien, der den Mut aufbrachte, dies öffentlich zu tun. Diese Tätigkeit als Herausgäber von Bande Mataram brachte ihn ins Ranpenlicht der Öffentlichkeit. Von da an war er, was er faktisch schon eine Zeitlang gewesen war, nämlich der prominenteste Führer der Partei. Während dieser Zeit politischer Aktivität wandte sich Sri Aurobindo verstärkt der Ausübung und des Studiums der indischen Yoga-Lehren und Yoga-Übungen zu. Eine entscheidende Wende nahm dies Kennenlernen des Yoga, als er im Dezember 1907 mit dem Guru Vishnu Bhaskar Lele aus Maharashtra zusammentraf. Durch dessen Hilfe vertiefte sich Sri Aurobindos Kenntnis und Erfahrungsweite der Yoga-Inhalte so sehr, dass er nun seiner eigenen Idee der Yoga-Entwicklung folgte.
Nach einem Jahr der Inhaftierung und dem folgenden Freispruch beendete Sri Aurobindo 1909 seine politische Laufbahn und wandte sich nun der Weiterentwicklung seines Yoga-Ideals zu.
1910 fuhr Sri Aurobindo nach Pondicherry in Südindien, wo er bis zu seinem Ableben am 5. Dezember 1950 blieb. Er begann nun den "Integralen Yoga" zu entwickeln, im Sinne einer modernen, zukunftsweisenden, umfassenden Bewußtseinsentwicklung (Integral = umfassend; Yoga = Bewußtseinsentwicklung).
1914 machte er die Bekanntschaft mit Mira Alfassa und ihrem Ehemann Paul Richard. Gemeinsam mit ihnen begann er die Veröffentlichung der philosophischen Zeitschrift "Arya", in der bis 1920 die meisten seiner Hauptwerke zum ersten mal veröffentlicht wurden.
1920 kam Mira Alfassa, nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Japan, zu Sri Aurobindo in Pondicherry und blieb dort bis zu ihrem Ableben am 17. November 1973.
Nach 1920 leitete sie den Haushalt der sich um Sri Aurobindo gebildet hatte.
Dieser Haushalt wuchs bis 1926 zu einer kleinen Gemeinschaft heran, die ab dem 24. November 1926 Sri Aurobindo Ashram genannt wurde. Während diesen Jahren begannen die Mitglieder des Haushalts und der Gemeinschaft Mira Alfassa mehr und mehr "Die Mutter" zu nennen, so dass sie im Laufe der Zeit allgemein als "Die Mutter bekannt wurde.
Während der Zeit des Nazitums und des zweiten Weltkriegs wandten sich Sri Aurobindo und Mira Alfassa entschieden gegen Hitler und die Nazi-Ideologie, hinter denen sie zutiefst unmenschliche Kräfte und die Mächte des Bösen sahen "deren Sieg die Versklavung der Menschheit an die Tyrannei des Bösen bedeutet hätte und einen Rückschritt auf dem Weg der Evolution, und besonders der spirituellen Evolution der Menschheit, der nicht nur zur Versklavung Europas, sondern auch von Asien und damit von Indien führen würde ..." (Sri Aurobindo) Da es nach Aurobindos Ansicht um eine Verteidigung der Zivilisation ging, trat er für die Allierten ein, obschon Indien damals von England beherrscht wurde. Er erhoffte sich nach dem 2. Weltkrieg eine Ära von Frieden und Union unter den Nationen.
Nach 1945 besprachen Sri Aurobindo und Mira Alfassa zukünftige Pläne für eine internationale Sri Aurobindo Universität und die Konzeption des Modells einer zukunftsorientierten Stadt geistiger Freiheit, die eine Heimat für Menschen aus aller Welt sein sollte, die ein Leben des Friedens und der bewußten Selbstentwicklung führen wollen.
Śrī Aurobindo verstarb im Dezember 1950.
Entwicklungen nach Śrī Aurobindos Tod
1951 gründete Mira Alfassa die Internationale Sri Aurobindo Universität in Pondicherry.
1956 gründete Mira Alfassa gemeinsam mit dem Inder Surendranath Jauhar den Sri Aurobindo Ashram in Delhi.
1968 gründete Mira Alfassa Auroville in Südindien als Ausweitung des Sri Aurobindo Ashrams, Pondicherry.
1968 wurde in Südindien die spirituelle Stadt Auroville gegründet, in der modellhaft ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben aller Nationen und Kulturen der Welt praktiziert werden soll. Die Gründerin Mira Alfassa ("The Mother") war seit 1914 Weggefährtin Aurobindos und leitete seit 1950 seinen Ashram. Auroville beruft sich auf die spirituellen Ideale von Aurobindo und Mira Alfassa.
1969 machte der Künstler, Philosoph und Musiker Michel Montecrossa die Bekanntschaft mit Mira Alfassa die sich zu einer kreativen Freundschaft entwickelte. Aus dieser Begegnung und den gemeinsamen Gesprächen entwickelten sich, in der Zeit von 1969 bis 1973, die Grundlagen für Mirapuri, die Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Italien.
Nach dem Tod Mira Alfassas († 17. November 1973) gab es in der Bewegung Streitigkeiten und Abspaltungen.
Die Sri-Aurobindo-Bewegung in Europa
1978 gründete Michel Montecrossa am 15. August Mirapuri in Norditalien und einige Jahre später Miravillage in Süddeutschland als erste Zweigstelle von Mirapuri.
Mirapuri, sich auf das Werk von Sri Aurobindo und Mira Alfassa berufend, ist ein futuristisch ausgerichtetes Lebensgemeinschafts- und Stadtprojekt in Norditalien an dem Menschen teilnehmen können, die sich "den Traum eines freudigen, kreativen und innerlich wie äusserlich erfüllenden Lebens verwirklichen wollen". Innere Grundlage ist dabei der von Sri Aurobindo und Mira Alfassa entwickelte Integrale Yoga. Das Ziel des Integralen Yoga von Sri Aurobindo und Mira Alfassa und das Ziel von Mirapuri und Miravillage ist es, "die bewußte Einheit von Geist und Materie zu leben und alle Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben in Frieden, Freiheit und Weltoffenheit zu verkörpern".
Die Śrī-Aurobindo-Bewegung, die im Westen zu den zu Neuen religiösen Bewegungen gezählt wird, ist heute vor allem in Italien und im deutschsprachigen Raum tätig.
Zitate
- "Wenn dein Ziel groß ist und deine Mittel klein, handle trotzdem.
- Durch dein Handeln allein werden auch deine Mittel wachsen."
Kritik
Kritik an Śrī Aurobindos Lehre
Während des Ersten Weltkrieges verfasste Aurobindo Ghose das Buch The Human Cycle, das 1955 auf deutsch als Zyklus der menschlichen Entwicklung erschien. Darin entwirft er, so meinen Kritiker, eine spirituelle und auch rassisch definierte Elite, die über die minderwertige Masse herrschen soll. In den Deutschen sieht er die »größte und höchste nordische Rasse« und in Deutschland die höchstentwickelte Nation: »Die Eroberung der Welt durch deutsche Kultur ist der gerade Weg zum Fortschritt der Menschheit.« Ferner preist er die reinigende Wirkung großer Kriege. Da das Ausmerzen der Minderwertigen zum Fortschritt gehöre, sieht er die historische Rolle Deutschlands so: »Logischerweise hielt sich (...) die deutsche Rasse für allein befähigt (...). Weniger fähige (...) sollten germanisiert werden, andere hoffnungslos dekadente, wie die lateinische Rasse in Europa und Amerika, oder von Natur unterlegenere wie die große Mehrzahl der Afrikaner und Asiaten sollten, wenn möglich, wie die Hereros ersetzt oder, (...) beherrscht, ausgeplündert und ihrer Inferiorität entsprechend behandelt werden. So würde (...) die menschliche Rasse ihrer Vollkommenheit entgegengehen.« (Zit. nach [1]. Originaltext: Chapter V: True and False Subjectivism).
Dazu ist festzuhalten, dass die entsprechenden Zitate aus einem Text stammen, der die Weltsicht der Nationalisten beschreibt, aber nicht Aurobindos eigene Ansichten wiedergeben.
Kritik an Bewegungen, die sich auf Śrī Aurobindos Lehren berufen
Die evangelische Informationsstelle Kirchen–Sekten–Religionen in der Schweiz kritisiert eine »offenkundig totalitäre maßlose Muttermystik« der Sri-Aurobindo-Bewegung.
Die, nach eigenen Angaben, von Sri Aurobindo inspirierte Sri-Chimoy-Bewegung wird als Totalitäre religiöse Gruppe angesehen.
Werke
Auswahl an Werken Aurobindos
- Bases of Yoga, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-77-9
- Bhagavad Gita and Its Message, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-78-7
- Dictionary of Sri Aurobindo's Yoga, (compiled by M.P. Pandit), Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-74-4
- Essays on the Gita, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-18-7 (Essays über die Gita)
- The Future Evolution of Man, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-940985-55-1
- The Human Cycle: The Psychology of Social Development, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-44-6
- Hymns to the Mystic Fire, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-22-5
- The Ideal of Human Unity, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-43-8
- The Integral Yoga: Sri Aurobindo's Teaching and Method of Practice, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-76-0
- The Life Divine, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-61-2 (Das göttliche Leben)
- The Mind of Light, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-940985-70-5
- The Mother, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-79-5
- Rebirth and Karma, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-63-9
- Savitri: A Legend and a Symbol, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-80-9
- Secret of the Veda, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-19-5 (Das Geheimnis des Veda)
- Sri Aurobindo Primary Works Set 12 vol. US Edition, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-93-0
- Sri Aurobindo Selected Writings Software CD Rom, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-88-8
- The Synthesis of Yoga, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-65-5
- The Upanishads, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-23-3
- Vedic Symbolism, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-30-2
Literatur
- Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen. Konkret Literatur Verlag, Neuausgabe 1997, ISBN 3-89458-159-X
- Frank Nordhausen und Liane v. Billerbeck: Psycho-Sekten. Fischer, 2000, ISBN 3-596-14240-7
- Michel Montecrossa: Mirapuri, Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Europa, Italien. Band 1: Grundlage im Werk von Sri Aurobindo und Mira Alfassa in der Zeit von 1872–1950. Mirapuri-Verlag, 2001, ISBN 3-922800-72-6
Weblinks
- Biografisches
- Werke
- Literatur
- Vortrag über seine Philosophie
- Die Evangelische Informationsstelle Kirchen-Sekten-Religionen über die Sri-Aurobindo-Bewegung
- Jutta Ditfurth über den Rassismus bei Sri Aurobindo Ein Artikel von Jutta Ditfurth u.a. über Aurobindos Einfluss auf Rudolf Bahro
- Die Aktion für Geistige und Psychische Freiheit über Sri Chinmoy