Gratiszeitungen sind periodisch (täglich oder wöchentlich) erscheinende, kostenlos verteilte Printmedien mit redaktionellen Inhalten. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich aus Inseratenerlösen. Die Verteilung erfolgt in der Regel entweder im öffentlichen Raum (z.B. an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel bei Pendlerzeitungen) oder an alle Haushalte in einem bestimmten Erscheinungsgebiet (Regionale Gratis-Wochenzeitungen, in Deutschland Anzeigenblätter genannt). Der Großteil der Gratiszeitungen erscheint im Tabloid- bzw. Kleinformat. Die inhaltliche Ausrichtung von Gratiszeitungen, der Anteil der redaktionellen, von den Anzeigen unabhängigen Berichterstattung sowie deren Qualität sind äußerst unterschiedlich. Pauschalurteile über diese Mediengattung beherrschen oft die Diskussion, sind aber wissenschaftlich nicht haltbar (weil oft mit Gegenbeispielen widerlegbar).
Den Markteintritt von Gratiszeitungen empfanden die jeweils etablierten Kaufzeitungsverlage seit je als Bedrohung. Als Reaktion darauf versuchten die etablierten Verlage in der Vergangenheit vergeblich, durch rechtliche Auseinandersetzungen ein Verbot der Gratis-Konkurrenz zu erreichen. Mittlerweile haben Gratiszeitungen einen Siegeszug rund um den Erdball angetreten und die etablierten Kaufzeitungsverlage sind selbst in das Gratiszeitungsgeschäft eingestiegen. Heute gibt es kaum ein größeres Verlagshaus, das nicht selbst Gratiszeitungen herausgibt oder an Gratiszeitungsverlagen beteiligt ist.
(Neue) Gratistitel verdoppelten in den letzten fünf Jahren ihre Auflagen auf zusammen 41 Millionen Exemplare, die vor allem Jugendliche lesen; nach Angaben vom WAN Mai / 2007.
Geschichte der Gratis-Tageszeitungen
Als erste Gratis-Tageszeitung der Welt gilt heute der "Manly Daily", der erstmals im Juli 1906 in New South Wales (Australien) erschien. Er umfasste zwei Seiten und hatte eine Auflage von 1.000 Exemplaren. Es gibt ihn noch (Auflage: 91.000), inzwischen in Murdochs News Corporation.
Die Geschichte der kostenlosen Tageszeitungen in den USA geht zurück in die 40er Jahre. Der Verleger Dean Lesher gründete in Walnut Creek die Zeitung Contra Costa Times, die bis in die 60er Jahre hinein kostenlos blieb. Die Zeitung gehört heute zu MediaNews, dem viertgrößten Zeitungsverlag der USA.
Ihren Siegeszug in Europa erlebte die Gratis-Tageszeitung mit der Gründung von metro 1995 in Stockholm. Metro International ist in Europa heute in der Tschechischen Republik, Ungarn, den Niederlanden, Finnland, Italien, Polen, Griechenland, Spanien, Dänemark, Frankreich und Portugal aktiv. Ausgaben in der Schweiz und dem Vereinigten Königreich wurden wieder eingestellt. Die Schibsted-Verlagsgruppe ist mit ihrem Gratis-Tageszeitungskonzept 20 Minuten in mehreren Europäischen Ländern (Schweiz, Frankreich, Spanien) engagiert.
Deutsche Gratiszeitungen
In Deutschland erscheinen zahlreiche regionale Wochen- oder Sonntagsblätter als Gratiszeitungen mit sehr unterschiedlichen Redaktionsanteilen und in sehr unterschiedlicher Qualität. Eine umstrittene und mittlerweile überholte Rechtsprechung (die Verfahren wurden durch die etablierten Kaufzeitungsverlage angestrengt) aus den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts untersagte es den Gratisblättern, sich "Zeitung" zu nennen. Daher entstand der - ausschließlich in Deutschland gebräuchliche - Gattungsbegriff "Anzeigenblätter".
Der Versuch der Schibsted-Verlagsgruppe im Jahre 1999 in Köln die Gratis-Tageszeitung 20 Minuten zu lancieren, mündete im so genannten Kölner Zeitungskampf. Die ansässigen Kaufzeitungsverlage DuMont und Axel Springer reagierten mit der Herausgabe von Konkurrenz-Gratisblättern und brachen einen langwierigen Rechtsstreit vom Zaun. Schibsted zog sich 2001 mit herben Verlusten vom deutschen Markt zurück, die beiden Kölner Konkurrenzblätter wurden ebenfalls eingestellt. Erst 2003 entschied der Bundesgerichtshof, dass Gratiszeitungen wettbewerbsrechtlich unbedenklich und daher im Sinne der Pressefreiheit erlaubt sind. Trotzdem wurde seit dem Kölner Zeitungskampf in Deutschland keine Gratis-Tageszeitung mehr auf den Markt gebracht.
Schweizer Gratiszeitungen
Die Liste der unzähligen Schweizer Gratiszeitungen wird durch die "stillen Riesen"[1] , die in Millionenauflagen gedruckten Blätter der Grossverteiler, Coopzeitung und Migros-Magazin (ehemals WIR BRÜCKENBAUER), angeführt.
Die Gratiszeitung 20 Minuten gesellte sich 1999 etwa gleichzeitig mit ihrer inzwischen vom Markt verschwundenen Konkurrentin Metropol zur Flut der in Zürich bereits wöchentlich und täglich kostenlos angebotenen Zeitungen und Zeitschriften. Sie wird seit 2004 als die auflagen- und leserstärkste Tageszeitung der Schweiz gehandelt.
Im Mai 2006 erschien mit heute im Ringier-Verlag eine weitere Gratiszeitung, die zunächst einmal nur in Basel, Bern und Zürich verteilt wird. heute tritt nur bedingt in Konkurrenz zu 20 Minuten, da sie nachmittags erscheint und somit die erste Abendzeitung in der deutschsprachigen Schweiz seit 1977 ist.
Als Pendant zu Le Matin erscheint in der Westschweiz in Lausanne auch das Gratisblatt Le Matin Bleu.
Free TV Schweiz und das Tagblatt der Stadt Zürich erscheinen seit 2006 nur noch einmal in der Woche.
Seit September 2006 liegt schweizweit in 1100 Kiosken täglich mit CASHdaily das Gratispendant zur wöchentlich erscheinenden Wirtschaftszeitschrift CASH auf.
Anmerkungen
- ↑ Stille Riesen, NZZ, 14.10.05
Österreichische Gratiszeitungen
Als regionale Wochenzeitungen haben sich Gratiszeitungen in der österreichischen Medienlandschaft längst ihren Platz erobert. Sie erscheinen flächendeckend, meist in mehreren Mutationen als Gratiszeitungsringe und auch Bundesländer übergreifend. Der größte Gratiszeitungsring sind die in vier Bundesländern (Tirol, Salzburg, Burgenland, Niederösterreich) erscheinenden Bezirksblätter des Print Zeitungsverlages, der zu 100 Prozent im Eigentum der Moser Holding steht. Die Styria Medien AG gibt unter anderem die Steiermark Woche und die Kärntner Woche heraus. Verbandsmäßig organisiert sind die österreichischen Gratiszeitungen im Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM).
Die Ära der Gratis-Tageszeitungen in Österreich begann in Wien im Jahre 2001. Als ein internationaler Konzern für Wien eine tägliche Gratis-Tageszeitung plante, warf der Verlag der Kronenzeitung, der reichweitenstärksten Zeitung Österreichs, selbst ein tägliches Gratisblatt auf den Markt, nämlich den in der Wiener U-Bahn verteilten U-Express. Um die Mutterzeitung nicht allzu sehr zu kannibalisieren allerdings ohne einige publikumswirksame Elemente (wie z.B. dem Fernsehprogramm). Der U-Express wurde gegen den Willen von Krone-Chef Hans Dichand auf Wunsch der deutschen Miteigentümerin WAZ nach wenigen Jahren im März 2004 eingestellt. Nur wenige Monate später, im September 2004, erschien aber eine neue, kostenlose und etwas umfangreichere Zeitung für die U-Bahn namens Heute. Medieninhaber ist die AHVV Verlags GmbH. Als Geschäftsführerin fungiert neben Wolfgang Jansky die Schwiegertochter von Krone-Chef Hans Dichand, Eva Dichand. Sie ist zudem Herausgeberin des Blattes.
Heute ist mittlerweile nach Niederösterreich, Graz und Linz expandiert. In Graz ist ihr die Styria Medien AG (Kleine Zeitung) zuvor gekommen. Seit dem 22. Mai 2006 gibt Styria dort die Gratis-Tageszeitung OK heraus.
Weitere Gratis-Tageszeitungen erscheinen in Innsbruck mit Neue Express von der Moser Holding, und Oberösterreich mit Oberösterreichs Neue vom Medienhaus Wimmer.
Literatur
- Piet Bakker: Free Daily Newspapers; Business Models and Strategies, in: JMM Journal of Media Management 4 (3), 180-187 (2002)
- Thomas Driendl: Der Markt für Gratiszeitungen in Österreich. Diplomica-Verlag, 2005 (zugleich Diplomarbeit, Universität Innsbruck) – ISBN 3-832-44076-3
- Marcus Haas: Die geschenkte Zeitung. Bestandsaufnahme und Studien zu einem neuen Pressetyp in Europa. Lit Vlg. Hopf, Münster 2005 ISBN 3-825-88632-8
- Nikolaus Lahusen: Inhalt und Schranken der Pressefreiheit - Die rechtliche Problematik des Gratisvertriebs von Tageszeitungen. Schriften zum Medienrecht, Bd. 6. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2004 ISBN 3-8300-1664-6
- Robert G. Picard: Strategic Responses to Free Distribution Daily Newspapers, in: The International Journal on Media Management, Volume 3, No. 3, 2001, S. 167-172
- Carly L. Price: Threats and Opportunities of Free Newspapers. INMA (International Newspaper Marketing Association), Dallas 2002.