Mumia Abu-Jamal

US-amerikanischer Journalist und Strafgefangener
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Mumia Abu-Jamal (* 24. April 1954 in Philadelphia, Pennsylvania; eigentlich Wesley Cook) ist ein US-amerikanischer Journalist und schwarzer Politaktivist. 1982 wurde er wegen Mordes an einem Polizisten sowie wegen des Besitzes eines Werkzeuges zur Ausübung eines Verbrechens angeklagt und in einem umstrittenen Verfahren zum Tode verurteilt.

Leben

Abu-Jamal begann seine Karriere im Alter von 14 Jahren als Hilfspressesprecher in der Black Panther Party von Philadelphia. Er wurde von der BPP im Medienbereich ausgebildet und arbeitete im Informationsministerium der Partei. 1971/72 trat er aus der Partei aus. Vor seiner Verurteilung arbeitete Abu-Jamal als Journalist und übte verschiedene Nebentätigkeiten aus. Des Weiteren berichtete er als Reporter über die in Philadelphia lebende, von massiver Polizeigewalt bedrohte und beim Bürgermeister verhasste lose Gruppierung MOVE [1] und er war Vorsitzender der Journalistenvereinigung Association of Black Journalists von Philadelphia. Zum Zeitpunkt der Tat hatte er seinen Job bei dem Radiosender WHYY in Philadelphia aufgegeben und arbeitete als Taxifahrer.

Die Ereignisse 1981 und der erste Gerichtsprozess

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Am 9. Dezember 1981 hielt der weiße Polizist Daniel Faulkner Abu-Jamals Bruder William Cook an, nachdem dieser ohne Licht falsch durch eine Einbahnstraße gefahren war. Faulkner hatte per Funk bereits Verstärkung angefordert, so dass davon ausgegangen werden kann, dass Faulkner bereits einen gewissen Verdacht - begründet oder unbegründet - gehegt haben muss. Nach Angaben von Augenzeugen griff Cook den Polizisten an. Abu-Jamal kam (vermutlich zufällig) zur Szene hinzu. In einer darauf folgenden Auseinandersetzung wurde Faulkner zunächst in den Rücken getroffen, worauf dieser Abu-Jamal durch einen Schuss in die Brust verletzte und unmittelbar danach zusammenbrach. Faulkner wurde anschließend aus nächster Nähe durch einen Schuss ins Gesicht getötet, während er bereits auf dem Boden lag. Abu-Jamal wurde in unmittelbarer Nähe des Tatortes verhaftet, buchstäblich Sekunden nach dieser Tat, als weitere Polizisten eintrafen. Bei ihm wurde ein auf ihn zugelassener Revolver der Marke Charter Arms mit kurzem Lauf und fünf Patronenkammern sichergestellt, aus dem die tödlichen Schüsse auf Faulkner abgefeuert worden sein sollen. Die gefundenen Kugeln stimmten in Bezug auf Hersteller, Typ und Kaliber mit den Patronenhülsen in Abu-Jamals leergeschossener Waffe sowie mit den Charakteristiken des Laufs seiner Waffe überein, aber auch der Ballistiker der Staatsanwaltschaft konnte wegen der zu starken Verformung der Projektile nicht bestimmen, ob sie mit absoluter Sicherheit aus Abu-Jamals Waffe stammten. Die Kugel in Abu-Jamals Körper stammte aus der Waffe des Polizisten. Mehrere Zeugen identifizierten Abu-Jamal unabhängig voneinander als den Mann, der auf Daniel Faulkner geschossen hatte. Einer - umstrittenen - Zeugenaussage zufolge soll er bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus gerufen haben: "I shot the motherfucker and I hope the motherfucker dies."

Nach einem von Tumulten geprägten Prozess, bei dem Abu-Jamal mehrmals des Gerichtssaales verwiesen wurde und bei dem sich sein Bruder überraschend der Aussage enthielt, obwohl er das Tatgeschehen aus nächster Nähe beobachtet hatte, wurde Abu-Jamal am 3. Juli 1982 des Mordes an Daniel Faulkner für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Während des Prozesses bestand Abu-Jamal ursprünglich darauf, sich selbst zu verteidigen und verlangte weiterhin nach politischen Repräsentaten, die ihn verteidigen sollten, dies aus rechtlichen Gründen jedoch nicht konnten. Aufgrund seines Verhaltens im Gerichtssaal wurde ihm letzten Endes Anthony Jackson als Verteidiger zugesprochen (Quelle). Anthony Jackson hatte bereits Erfahrungen als Verteidiger in derartigen Fällen und wurde von der Black Journalists Association empfohlen.

Überraschenderweise gestand 1999 der Berufskiller Arnold Beverly, das Verbrechen im Auftrage der Mafia begangen zu haben, was bis heute jedoch sehr umstritten ist. Abu-Jamals Anwälte haben davon Abstand genommen, das Geständnis Arnold Beverlys in ihren Eingaben zu verwenden. Auch unter Abu-Jamals Unterstützern gilt das Geständnis mittlerweile als haltlos. Die Familie Faulkners und die US-amerikanische Polizeigewerkschaft Fraternal Order of Police (FOP) sind von der Schuld Abu-Jamals überzeugt. Im August 1999 rief die FOP auf ihrem zweijährlich stattfindenden Treffen zu einem Boykott gegen alle Personen und Organisationen, die die Freilassung Abu-Jamals forderten, auf. Um dies zu erreichen, wurde auf einer Webseite eine Liste mit den Namen dieser Personen und Organisationen veröffentlicht.

Erklärung Mumia Abu-Jamals zum Tathergang

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Mumia Abu-Jamal hat sich erstmalig nach fast 20 Jahren (am 3. Mai 2001) in Form einer eidesstattlichen Erklärung [2] zu den Geschehnissen geäußert. Darin behauptet er, er sei nach dem Beginn der Schießerei - an der er nicht beteiligt gewesen sei - über die Straße gelaufen, sei von einem Polizisten angeschossen worden und könne sich ab diesem Zeitpunkt an nichts mehr erinnern.

Zahlreiche Autoren wie z.B. Dave Lindorff widersprechen dieser Darstellung in der einen oder anderen Weise, da sie im Detail mit keiner der Zeugenaussagen übereinstimmen könne.[3] Abu-Jamal unterlässt es auch, sich in dieser Erklärung zu seiner Waffe zu äußern. Einigen Juristen zufolge hätte er nicht des Mordes in besonders schwerem Fall, sondern des Totschlages angeklagt werden können. Jedoch gilt diese Einschätzung des Falles als äußerst zweifelhaft, da die Entscheidung ob es Mord oder Totschlag war nur aufgrund einer genauen Kenntnis des Tathergangs getroffen werden kann.

Vorläufige Aufhebung des Todesurteils 2001

Im Dezember 2001 hob der zuständige Bundesrichter Yohn aus Philadelphia das Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers vorläufig auf. Gleichzeitig lehnte er den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und die Anhörung aller neuen Beweise für Jamals Unschuld ab. Der Schuldspruch blieb also bestehen und die Staatsanwaltschaft beantragte sofort die erneute Verhängung der Todesstrafe. Der Fall ist weiterhin gerichtsanhängig und eine höchstgerichtliche Entscheidung steht nach wie vor aus.

Fortgang am Bezirksgericht 2007

Am Donnerstag den 17. Mai 2007 um 9:30 (Ortszeit) wird es zu einer mündlichen Anhörung vor dem 3. Bundesbezirksgericht in Philadelphia kommen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft sind aufgefordert sich zu Ihren Anträgen befragen zu lassen. Der Verteidigung geht es darum, das im Juli 1982 gegen ihren Mandanten gefällte Todesurteil aufheben zu lassen, weil es wegen der rassistischen Verhandlungsführung des damals vorsitzenden Richters Albert Sabo und des Bezirksstaatsanwalts Joseph McGill gegen die US-Verfassung und internationale Menschenrechtsgarantien verstößt. [4] [5] Damit werden zwei weitere Punkte thematisiert werden, die für diese Anhörung Ende 2006 ebenfalls zur Erläuterung durch die Verteidigung vom Gericht zugelassen wurden. Die Staatsanwaltschaft fordert weiterhin die Todesstrafe und hatte zwischenzeitlich beantragt, dass sich das 3. Bezirksgericht für Befangen erklärt. Am 10. März 2007 erteilte das Bundesgericht der Staatsanwaltschaft eine scharfe Rüge wegen ihres unsachgemäßen Vorgehens und teilte mit, es werde sich mit dem Antrag nicht inhaltlich befassen.

Politische Arbeit aus der Haft

Trotz seiner Inhaftierung hat Abu-Jamal seine politische Arbeit fortgesetzt. Er veröffentlichte die Bücher Live from Death Row über das Leben im Gefängnis und Ich schreibe um zu leben, eine Sammlung von Essays und Reflexionen über gesellschaftliches Leben und individuellen Lebenssinn. Darüber hinaus liefert er Kommentare für linke Radiosendungen und eine wöchentliche Kolumne an jedem Samstag in der linken Tageszeitung Junge Welt, in welcher er eine strikt antiimperialistische Interpretation der Weltlage präsentiert.

Unterstützer

Mumia Abu-Jamal vor der Hinrichtung zu bewahren, wurde zu einem Anliegen der verschiedensten Gruppen innerhalb der Linken, in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, der Antiglobalisierungsbewegung und unter Gegnern der Todesstrafe. Human Rights Watch äußerte ernsthafte Bedenken über die Fairness des Verfahrens, insbesondere die starke Bezugnahme auf Abu-Jamals politische Arbeit während der Strafbemessungsphase (Human Rights Watch äußert sich jedoch nicht zur Schuldfrage). Amnesty International USA sprach, ohne über die Schuld Abu-Jamals eine Aussage treffen zu wollen, von einer Verletzung minimaler internationaler Standards im Bezug auf faire Verfahren und den Umgang mit der Todesstrafe. Die Menschenrechtsorganisation hat dazu u.a. auch einen Report veröffentlicht. [6] [7]

Bis heute werden auf zahlreichen Internetseiten Unterschriften gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an Abu-Jamal gesammelt, Lieder verschiedener Musiker (u.a. Rage Against The Machine, Anti-Flag, KRS-One, Immortal Technique, Bettina Wegner, Jonathan Richman und Freundeskreis) sind ihm gewidmet.

Seit der - zumindest vorläufigen - Aufhebung des Todesurteiles hat die Internationale Aufmerksamkeit im Fall Abu-Jamal allerdings deutlich nachgelassen.

Auszeichnungen

  • 2001 erhielt Abu-Jamal den Erich-Mühsam-Preis der Erich-Mühsam-Gesellschaft für „Personen und Gruppen, die sich mit Zivilcourage und Idealismus für soziale Gerechtigkeit und verfolgte Minderheiten einsetzen“
  • Im Oktober 2002 wurde Mumia Abu-Jamal die Ehrenmitgliedschaft der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) verliehen. [8]
  • Im Oktober 2003 wurde Mumia Abu-Jamal zum Ehrenbürger von Paris ernannt. Der Bürgermeister Bertrand Delanoë erklärte in einer Pressemitteilung, dass die Auszeichnung als Erinnerung an den Kampf gegen die Todesstrafe gedacht sei, die in Frankreich 1981 abgeschafft wurde. Am 29. April 2006 wurde Abu-Jamal ebenfalls zum Ehrenbürger von Saint Denis, einer Vorstadt von Paris. Weiterhin wurde eine neu gebaute Straße, die rue Mumia Abu-Jamal, im Stadtviertel Cristino Garcia nach ihm benannt. Im November 2006 hat die Stadt Philadelphia, Pennsylvania, die französische Hauptstadt und auch den Vorort Saint Denis wegen »Rechtfertigung von Verbrechen« verklagt.[9] [10]

Quellen

  1. Schwarzer Widerstand und Befreiungsbewegung seit dem 17. Jahrhundert in den USA, Seite 128f, April 1995
  2. Eidesstattliche Erklärung Mumia Abu-Jamals z.B. mindfully.org oder Revolutionary Worker (deutsche Übersetzung)
  3. Killing Time, D. Lindorff; Wettlauf gegen den Tod, M. Schiffmann
  4. »Breaking News«: Mündliche Anhörung im Fall Mumia Abu-Jamal am 17. Mai 2007 Freedom Now Online Bulletin des IVK, 25. März 2007
  5. Mumia Abu-Jamal Case Goes to Third Circuit - Prosecutor Admits Mumia Had No "True Defense", D. Lindorff, 7. Dezember 2006
  6. USA: Mumia Abu-Jamal -- Amnesty International calls for retrial; AI Index: AMR 51/020/2000; 17 February 2000
  7. A Life in the Balance - The case of Mumia Abu-Jamal; Report von Amnesty International
  8. Mit geeinter Kraft nach vorn, junge Welt, 7. Oktober 2002
  9. „Philadelphia verklagt Paris“, Spiegel Online, 12. November 2006
  10. Raoul Wilsterer: „Solidarität mit Mumia Abu-Jamal strafbar? Philadelphia verklagt Paris“, junge Welt, 14. November 2006

Werke

  • Mumia Abu-Jamal: … aus der Todeszelle, Bremen, Atlantik 1996, ISBN 3926529199
  • Mumia Abu-Jamal: Ich schreibe um zu leben, Bremen, Atlantik 1997, ISBN 3926529202
  • Mumia Abu-Jamal: Das Imperium kennt kein Gesetz, Bremen, Atlantik 2002, ISBN 3-926529-59-8
  • Mumia Abu Jamal: we want freedom – Ein Leben in der Black Panther Party, Bremen, Atlantik 2004, ISBN 3926529652

Literatur