Ziegenmelker

Art der Gattung Ziegenmelker (Caprimulgus)
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Der Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus), auch als Europäischer Ziegenmelker bezeichnet, ist neben dem Rothals-Ziegenmelker (Caprimulgus ruficollis) der einzige europäische Vertreter der Vogelfamilie der Nachtschwalben (Caprimulgidae). Die Art ist in 4-5 Subspezies aufgeteilt, von denen die Nominatform C. e. europaeus und die in Südeuropa beheimatete Unterart C. e. meridionalis in Europa vorkommen. Die weiteren Verbreitungsgebiete der Art sind NW-Afrika, die gemäßigten bis subtropischen Zonen Asiens bis zum Baikalsee, NW-Indien sowie die Mongolei.

Ziegenmelker
Ziegenmelker
Ziegenmelker
Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Classis: Vögel (Aves)
Vorlage:Ordo: Schwalmartige (Caprimulgiformes)
Vorlage:Familia: Nachtschwalben (Caprimulgidae)
Vorlage:Subfamilia: Caprimulginae
Vorlage:Genus: Ziegenmelker (Caprimulgus)
Vorlage:Species: Ziegenmelker (C. europaeus)

Aussehen

Der Ziegenmelker ist ein langgestreckter gut drosselgroßer Vogel mit großem, flachem Kopf, sehr kurzem aber sehr breitem Schnabel, der von lagen, vom Schnabelgrund ausgehenden Borsten umgeben ist. Die kurzen Füßchen mit stark verlängerter Mittelzehe sind in der Feldbeobachtung kaum zu sehen. Das Gefieder ist graubraun rindenfarbig mit helleren Binden und schwarzer Kritzelung. Die Flügel sind ungewöhnlich lang, dabei aber ziemlich schmal; im letzten Drittel der Flügelunterseite erscheint eine markante weiße Flügelbinde, auch die äußeren Steuerfedern des langen Schwanzes sind weiß, während die mittleren dunkel schwarzbraun gefärbt sind. Bei den annähernd gleich großen und gleich schweren Weibchen fehlen die weißen Abzeichen an Flügeln und Schwanz. Im Flug wirkt der Vogel bedeutend größer und falkenähnlich.

Stimme

Die Anwesenheit der im Brutgebiet territorialen Art wird vor allem durch ihren Gesang festgestellt. Meist von einer erhöhten Singwarte vorgetragen, lässt er sich am ehesten mit dem Geräusch eines entfernt vorbeifahrenden Kleinmotorrades vergleichen; er wird stundenlang fast ohne Pause in der Abenddämmerung und nachts vorgetragen. Dieses in Tonhöhe und Lautstärke variierende Schnurren wechselt bei größerer Erregung von quoorrooorrrorrr... nach erreeerreerrreerrreeerr... Wenn es plötzlich abbricht, kann man manchmal sehr hohe gedehnte diiieüüh Elemente und mehrmaliges recht lautes Flügelklatschen vernehmen. Auch Knappgeräusche sind vor allem während der Insektenjagd zu hören.

Verbreitung in Europa

Die heimischen Unterarten brüten im gesamten Europa mit Ausnahme Islands, Schottlands, Südportugals, und der Peloponnes. Auch auf den meisten Mittelmeerinseln ist die Art vertreten. In Skandinavien ist nur der Süden besiedelt. In Mitteleuropa ist er ein seltener, lückig verbreiteter Brutvogel, häufiger kommt er in Spanien sowie in den osteuropäischen Staaten vor.

Lebensraum

Seine bevorzugten Lebensräume sind Heide– und Trockenmoorgebiete, auch lichte, sandige Kiefernwälder mit großen Freiflächen, Kahlschläge sowie Windbruchsgebiete vermag er zu besiedeln. In Mitteleuropa zeigen Sekundärlebensräume wie Truppenübungsplätze oder stillgelegte Tagebauflächen die größten Bestandsdichten. Im Allgemeinen ist der Ziegenmelker als wärmeliebende Art eher ein Bewohner der Niederungen, doch bei günstigem Nahrungsangebot brütet er bis in den subalpinen Bereich.

Nahrung und Jagdverhalten

Obwohl sich der Ziegenmelker offenbar rein optisch orientiert, ist er sowohl in den Brut- als auch in den Überwinterungsgebieten ausschließlich dämmerungs– und nachtaktiv. Den Tag verbringt der Vogel auf dem Boden, oft auch mit eingezogenen Kopf und Beinen in Längsrichtung auf Ästen ruhend.

Die Nahrung des Ziegenmelkers besteht aus den unterschiedlichsten Fluginsekten; von denen größere und weichhäutige Arten (z. B. Nachtschmetterlinge) Käfern vorgezogen werden. Die Beute wird meist im Flug, seltener in Ansitzjagd in der Art der Fliegenschnäpper erbeutet, wobei vielfältige Flugjagdmethoden, vom wendungsreichen, gaukelnden Suchflug bis zum falkenähnlichen, reißenden Jagdflug Anwendung finden. Erst kurz vor Erreichen der Beute reißt der Ziegenmelker seinen tief gespaltenen Schnabel auf, der so einen wirkungsvollen Fangkescher bildet.

Brutbiologie

Der Ziegenmelker führt eine Brutsaisonehe. Meist brütet die Art nur einmal im Jahr, kommt es jedoch zu einer Zweitbrut, ist dies fast immer eine Schachtelbrut. Die zwei Eier werden ohne jede nestbauliche Aktivität auf vegetationslosem, trockenem Untergrund abgelegt und fast ausschließlich vom Weibchen etwa 18 Tage bebrütet. Die Nestlingszeit, während der beide Elternteile füttern, beträgt weniger als 20 Tage. Zweitbruten werden nicht selten von einem unverpaarten Männchen, das der Revierinhaber duldet, als Bruthelfer mitversorgt. Die Jungvögel verlassen meist ohne besondere Dispersionsflüge bald nach dem Selbstständigwerden in Zugrichtung das Aufwuchsgebiet.


Wanderungen

In seinem gesamten Verbreitungsgebiet ist der Ziegenmelker obligater Zugvogel, der meist einzeln (seltener in kleinen Zuggemeischaften) zieht. Er ist Breitfrontzieher und überquert Alpen, Mittelmeer und Sahara ohne Umgehungsstrategien. Die europäischen Vögel verlassen ihre Brutgebiete vor allem im September, die Jungvögel bald nach dem Flüggewerden. Die Hauptüberwinterungsgebiete beginnen im Südsudan und erstrecken sich bis zur Kapprovinz, wobei die verschiedendsten Biotope und Höhenstufen aufgesucht werden können, sofern nur genügend Freiflächen zur Jagd zur Verfügung stehen. Auch die asiatischen Unterarten scheinen diese Überwinterungsgebiete zu bevorzugen. Im Brutgebiet kommen die ersten Ziegenmelker nicht vor Mitte April an, die Mehrzahl kehrt erst in der ersten und zweiten Maidekade heim.

Bestandsentwicklung

Wie bei anderen Fluginsektenjägern ( z.B. Rötelfalke, Blauracke oder verschiedenen Würgerarten ) gingen die Ziegenmelkerbestände in weiten Teilen Europas sehr stark zurück. Dafür sind in den Brutgebieten vor allem Habitatzerstörung sowie weiter intensivierter Pestizideintrag verantwortlich; aber auch in den Überwinterungsgebieten scheint sich die zunehmende Verwendung von Pestiziden verstärkt schädlich auszuwirken. In manchen Regionen zeigt sich jedoch vor allem in den letzten Jahren durch die Nutzung von Sekundärlebensräumen eine deutliche Bestandserholung. Europaweit ist die Art als D (declining) eingestuft. In Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, in Tschechien und Österreich erscheint der Ziegenmelker auf den Roten Listen.

Namensgebung

Der seltsame Name, der in einigen Sprachen auftaucht ( z. B. ital. Succiacapre ) geht auf einen alten Volksaberglauben zurück, der Vogel sauge an den Eutern von Weidetieren. Diese Meinung mag dadurch entstanden sein, dass man häufig Ziegenmelker in der Nähe von Ziegen, Rindern und Schafen fliegen sah, wenn man abends die Tiere in die Ställe zurück trieb. Die Anwesenheit der Vögel hat jedoch nichts mit der Milch dieser Tiere zu tun, sondern mit den blutsaugenden Insekten, die diese anlocken.

Besondere Anpassung

Wie die ihnen nahestehenden Segler können Ziegenmelker bei längerem Nahrungsmangel in einen Zustand der Hypothermie verfallen. Ausgelöst wird dieser energiesparende Hungerschlaf immer vom Nahrungsmangel und damit einhergehenden Gewichtsverlust. Einige nordamerikanische Verwandte (z.B. Poorwill, Phaenoptilus nutalli) haben diese Anpassung soweit entwickelt, dass man von einem winterschlafähnlichen Zustand sprechen kann.

Literatur

  • Bauer/Berthold: Die Brutvögel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. Aula-Wiesbaden. 1997. S. 268f.
  • HBV. Bd. 9. S. 643-668