Evolution

allmähliche Veränderung vererbbarer Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation
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Biologische Evolution ist die Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation. Diese Merkmale sind in Form von Genen kodiert, die bei der Fortpflanzung kopiert und an den Nachwuchs weitergegeben werden. Mutationen oder andere zufällige Veränderungen dieser Gene können veränderte oder neue Merkmale verursachen. Diese führen zu erblich bedingten Unterschieden (Genetische Variation) zwischen Individuen. Evolution findet statt, wenn diese Unterschiede in einer Population seltener oder häufiger werden. Dies geschieht entweder durch Natürliche Selektion, die durch den unterschiedlichen Reproduktionsvorteil der Merkmale verursacht wird, oder zufällig durch Genetische Drift.

Natürliche Selektion tritt auf, weil Individuen mit Merkmalen, die für das Überleben und die Fortpflanzung vorteilhaft sind, mehr Nachwuchs produzieren können als Individuen ohne diese Merkmale. Daher werden sie mehr Kopien ihrer vererbbaren Merkmale in die nächste Generation einbringen. Dies führt dazu, dass vorteilhafte Merkmale im Laufe der Zeit häufiger werden, während unvorteilhafte seltener werden. Durch diesen Prozess können über viele Generationen unterschiedliche Anpassungen an Umweltbedingungen entstehen. Wenn genetische Differenzen innerhalb oder zwischen Populationen von Lebewesen einer Art immer zahlreicher werden, kann sich diese Art in neue Arten aufspalten (Speziation). Die Ähnlichkeit zwischen den Lebewesen legt nahe, dass alle bekannten Arten von einer einzigen ursprünglichen Art abstammen und durch diesen Prozess der allmählichen Verstärkung von Unterschieden entstanden sind.

Die Theorie der Evolution durch Natürliche Selektion wurde erstmals ausführlich von Charles Darwin in seinem 1859 erschienenen Buch On the Origin of Species dargestellt. In den 1930er Jahren wurde Darwins natürliche Selektion mit den Mendelschen Regeln zur Vererbung verbunden, daraus entstand die Synthetische Theorie der Evolution. Mit ihrer außerordentlichen erklärenden und vorhersagenden Kraft wurde diese Theorie zum zentralen organisierenden Prinzip der Modernen Biologie. Sie liefert die Erklärung für die Vielfalt des Lebens auf der Erde.

Der Evolutionsbiologe Ernst Mayr bezeichnet Evolution als den wichtigsten Begriff in der gesamten Biologie und ergänzt, daß die Bedeutung des Konzeptes weit über die Grenzen der Biologie hinausgeht[1].

Geschichte der Evolutionstheorie

Hauptartikel Geschichte der Evolutionstheorie

 
Charles Darwin im Alter von 51 Jahren, kurz nach der Veröffentlichung des Buches The Origin of Species

Ideen zur Evolution, wie die gemeinsame Abstammung und die Umwandlung von Arten, gab es mindestens seit dem 6. Jahrhundert vor Christus, wo sie von dem griechischen Philosophen Anaximander vertreten wurden.[2] Eine größere Vielfalt solcher Ideen wurde im 18. Jahrhundert entwickelt und 1809 vertrat Lamarck die Auffassung, dass die Umwandlung von Arten durch Vererbung von Anpassungen geschieht, welche die Eltern während ihres Lebens erwerben (Lamarckismus). Diese Ideen wurden in England als eine Bedrohung der politischen und religiösen Ordnung betrachtet und vom wissenschaftlichen Establishment heftig bekämpft.

1858 präsentierten Charles Darwin und Alfred Russel Wallace gemeinsam zwei verschiedene Arbeiten zur Theorie der Evolution durch natürliche Selektion in der Linnean Society of London.[3] Diese Veröffentlichung wurde kaum beachtet, aber das von Darwin dann 1859 veröffentlichte Buch The Origin of Species unterstützte die Theorie sehr ausführlich und führte zu einer immer größeren Akzeptanz der Idee, das es Evolution wirklich gab. Darwins spezifische Thesen zur Evolution, wie der Gradualismus und die natürliche Selektion, stießen anfangs auf erhebliche Widerstände. Lamarckisten argumentierten, das zum Beispiel Enten ihre Schwimmhäute durch ihre ständigen Versuche zu paddeln erworben hatten, und nicht durch einen Selektionsprozess, bei dem Enten mit etwas Haut zwischen den Zehen Enten ohne solche Häute im natürlichen Wettbewerb überlegen waren. Da die Experimente zur Unterstützung des Lamarckismus jedoch ohne positives Ergebnis blieben, wurde diese Theorie zugunsten des Darwinismus fallengelassen.

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Gregor Mendels Arbeiten zur Vererbung von Merkmalen bei Erbsen bildeten die Grundlagen der Genetik

Darwin konnte jedoch nicht erklären, wie Merkmale von Generation zu Generation weitergegeben werden und warum sich Variationen dieser Merkmale nicht durch Vererbung vermischten. Der Mechanismus dafür wurde 1865 von Gregor Mendel geliefert, dessen Forschungen offenlegten, das bestimmte Eigenschaften in einer genau definierten und vorhersagbaren Weise vererbt werden.[4]

Als Mendels Arbeiten im Jahr 1900 wiederentdeckt wurden, führten unterschiedliche Meinungen über Voraussagen der ersten Genetiker und Biostatistiker zur Geschwindigkeit der Evolution zu einem tiefen Graben zwischen dem Mendelschen und dem Darwinschen Modell der Evolution. Dieser Graben wurde schließlich in den 1930er Jahren durch die Arbeit von Biologen wie Ronald Fisher überwunden. Das Endergebnis war eine Kombination der Darwinschen Natürlichen Selektion mit den Mendelschen Regeln, die Synthetische Theorie der Evolution, die auch als Neodarwinismus bezeichnet wird.[5]

Schließlich wurde durch die Identifikation der DNA als das genetische Material durch Oswald Avery im Jahr 1944 und die Entschlüsselung der Struktur der DNA durch James Watson and Francis Crick im Jahr 1953 die physische Basis der Vererbung geklärt. Seitdem sind Genetik und Molekularbiologie zentrale Bestandteile der Evolutionsbiologie.[6]

Indizien

Abgestufte Ähnlichkeiten

Die vergleichende Biologie (Morphologie, Anatomie, Biochemie, Ethologie) liefert Beobachtungen, die es erlauben, die Organismen in ein System abgestufter Ähnlichkeiten einzuordnen. Dabei lassen sich Merkmalsgruppen gegeneinander abgrenzen. Die rezenten Organismen lassen sich horizontal gruppieren.(siehe dazu Systematik, Taxonomie, Kladistik)

Historische Abfolge

System Beginn vor Mio. Jahren Entwicklungen
Quartär 1,8 Eiszeitliche Tier- und Pflanzenwelt
Paläogen u. Neogen („Tertiär“) 65 Radiation der Säugetiere; erste Primaten und Hominiden
Kreide 135 Entwicklung der Bedecktsamer, Massenaussterben (u. a. Dinosaurier)
Jura 203 Radiation der Dinosaurier, erste Vögel (Archaeopteryx)
Trias 250 Erste Säugetiere, Dinosaurier und Flugsaurier
Perm 295 Radiation der Reptilien, „Säugetierähnliche Reptilien“, Massenaussterben
Karbon 355 Radiation der Amphibien, erste geflügelte Insekten
Devon 408 Farne, Schachtelhalme und Bärlappe entwickeln sich, Landgang der Arthropoden und Wirbeltiere
Silur 435 erste Landpflanzen, Radiation der Fische
Ordovizium 500 Kopffüßer erscheinen, erste „kiefertragende Fische
Kambrium 540 Burgess-Fauna“, Arthropoden, Chordaten (Conodonten), Wirbeltiere (kieferlose Fische) erscheinen
Proterozoikum (Erdfrühzeit) 2500 Pilze, erste vielzellige Tiere: Hohltiere, Bilateria („Ediacara-Fauna“)
Archaikum (Erdurzeit) 4560 Einzelliges Leben entsteht (Bakterien, Archaeen, Eukaryoten), Stromatolithen

Phylogenetische Systematik

Veraltete Konzepte

  • Scala naturae (Stufenleiter der Evolution, durch Evolution werden die Organismen immer höher entwickelt, komplexer und vollkommener, siehe Anagenese)
  • Typologie
  • Biogenetische Grundregel (Haeckel)
  • Evolution durch Vererbung von Modifikationen (Lamarckismus/Neolamarckismus)
  • Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Makro- und Mikroevolution. Heutzutage werden diese Begriffe zur Unterscheidung der untersuchten Zeitrahmen und der verwendeten Methoden genutzt. Ein prinzipieller Unterschied existiert nicht.
  • Additive Typogenese

Geografische Verbreitung

Embryonalentwicklung

Mechanismen

Hauptartikel: Evolutionsfaktoren

Die phylogenetische (stammesgeschichtliche) Veränderung der Organismen wird durch drei Mechanismen erzeugt:

  1. Genetische Variabilität (Genetische Variation): Durch Mutationen und Rekombinationen werden neue Gene und damit neue Eigenschaften erzeugt.
  2. Selektion (Auslese): Diese neuen Eigenschaften werden durch die Umwelt entweder eliminiert oder durch Vererbung an die nächste Generation weitergegeben.
  3. Zufallswirkungen: siehe Gendrift und Gründereffekt. Die Verbreitung von Zufallswirkungen wird unterstützt durch Isolation.

Als Evolutionsfaktor oder Evolutionsmechanismus bezeichnet man alle Vorgänge und Prozesse, die zu Veränderungen der Allelfrequenzen im Genpool einer Population führen. Die Züchtung von Nutz-, Haus- und Zootieren, vor allem aber von Nutz- und Zierpflanzen stellt eine der wenigen Möglichkeiten dar, Evolutionsfaktoren auch experimentell zu untersuchen.

Mutation

Hauptartikel: Mutation

Mutation ist ein Mechanismus, der zur genetischen Variation führt. Veränderungen im genetischen Material können auf verschiedene Weise erfolgen (bei Modifikationen findet keine solche Veränderung statt).

Punktmutationen
Durch Röntgenbestrahlung konnte aus der zweizeiligen Gerste eine sechszeilige und mehltauresistente Mutante erzeugt werden, wobei nur einzelne Basen in der Basensequenz der DNA verändert sind (Punktmutation).
Segmentmutationen
Beim Wildweizen Triticum aestivum unterscheidet sich die eingrannige variatio baidaricum von der zweigrannigen var. stramineonigrum durch eine Translokation eines Chromsomenabschnittes (Segmentmutation).
Genommutationen
Bei Genommutationen findet eine Vermehrung des genetischen Materials durch Polyploidisierung (Vervielfachung des Chromosomensatzes) oder Polytänisierung (Vervielfachung der Chromatide eines Chromosoms). Dies führt bei den Pflanzen - 47 % aller Bedecktsamer (Magnoliophyta) sind polyploid - oft zu einer Größenzunahme von Organen und Zellen und zu einer Erhöhung des Gehalts an bestimmten Stoffen (Gigaswuchs, Luxurierung). Diese Veränderungen des Genoms treten nicht nur bei der Züchtung von Kulturpflanzen sondern auch bei Wildpflanzen unter natürlichen Bedingungen auf.

Polyploidisierungen führen in der Regel auch zu reproduktiver Isolation.

Beispiele:

Auf Grund von Genomuntersuchungen lässt sich der Verlauf der Entstehung der mehr als 20 Sorten des Weizens rekonstruieren. Dabei spielt der Mechanismus der Polyploidisierung durch Hybridisierung (Bastardisierung) eine besondere Rolle: Neue Merkmale entstehen durch Vermehrung des Genoms: So gehen die 42 Chromosomen des hexaploiden Genoms (AABBDD) bei Triticum aestivum (Saatweizen, früheste Funde ca. 6000 v. Chr. in Anatolien) auf die jeweils 14 Chromosomen von drei Stammarten zurück:

  1. Triticum boeticum (Wildeinkorn, früheste Funde in Syrien, ca. 8000 v. Chr.)
  2. Triticum searsii, aus dem durch Vermischung mit dem Wildeinkorn der Wildemmer Triticum dicoccoides mit 28 Chromsomen (Genom AABB) entstand. (Früheste Funde des Kultur-Emmers Triticum dicoccum ca. 7000 v. Chr. im Iran.)
  3. Zuletzt steuerte der Ziegenweizen Aegilops squarrosa sein Genom (DD) bei.

Bei Tieren ist eine Bastardisierung zwischen verschiedenen Arten oder gar Gattungen nicht bekannt.

Selektion

Evolution ist bei Populationen festzustellen, die sich nicht im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befinden, deren Allel- und Genotypenfrequenz sich folglich mit der Zeit ändern.

Evolutionsfaktoren, also Faktoren, die das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht stören:

  • Genetische Drift in sehr kleinen Populationen
  • Genfluss zwischen zwei Populationen durch Zu- und Abwanderungen
  • Mutationen verändern den Allel-Bestand einer Population
  • Nicht-zufällige Paarungen (Inzucht, sortengleiche Paarung, "female choice")
  • Natürliche Selektion als Mechanismus der adaptiven Evolution
  • Mutationen und Rekombinationen verursachen die genetische Variabilität

Artbildung

Die Bildung neuer Arten (siehe auch: Artbildung) beruht im Wesentlichen auf reproduktiver Isolation: reproduktiv voneinander isoliert sind Lebewesen, wenn sie nicht in der Lage sind, gemeinsam fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen. Dies erfolgt in drei Schritten:

  1. Zwei (selten auch mehrere) Populationen einer Art sind durch Barrieren voneinander getrennt. Normalerweise ist dies eine geographische Isolation, beispielsweise durch geologische (Gebirgsbildung, Grabenbrüche), klimatische Vorgänge oder die Neubesiedlung von Inseln oder anderen abgetrennten Lebensräumen. Eine reproduktive Isolation kann auch durch andere ökologische Faktoren (neue Nahrungsquelle und damit veränderte Mikrohabitate) oder Verhaltensänderungen initiiert werden.
  2. Getrennte Evolution beider Populationen, die zu unterschiedlichen Genpools führt (zum Beispiel durch Mutation oder Gendrift)
  3. Entwicklung genetischer Inkompatibilitäten, die die Vermischung der Arten auch bei Wegfall der Barrieren verhindern sowie von Verhaltensänderungen, die die Kopulation unwahrscheinlich machen.

Die Mechanismen der reproduktiven Isolation lassen sich unterscheiden in

Langfristiger Formenwandel

Einteilung und Entwicklungen

Seit ihrer ursprünglichen Formulierung wurde die darwinsche Evolutionstheorie in vielfacher Hinsicht weiterentwickelt. Insbesondere unter Mitwirkung von Ernst Mayr entstand die erweiterte Synthetische Theorie der Evolution. Durch die Einbeziehung der informationstheoretisch geprägten Systemtheorie nach Ludwig von Bertalanffy entwickelte die Wiener Schule (unter anderem Rupert Riedl) die Systemtheorie der Evolution.

Auch die Frage, wo die Selektion ansetze, ist Modifikationen unterzogen. So geht die darwinistische Theorie davon aus, dass die Selektion auf der Ebene des Phänotyps ansetze, und die Selektion zum Überleben der bestangepassten Organismen (survival of the fittest) führe. In Abgrenzung davon wurde der Begriff vom "Eigennutz des Gens" (Richard Dawkins: The Selfish Gene, 1976) geprägt, wonach auch Gene, die zu einer Beeinträchtigung der Fortpflanzungswahrscheinlichkeit des Organismus führen, selektiert werden, sofern sie Merkmale hervorrufen, die die Verbreitung dieses Gens unterstützen. Auf diese Weise wird beispielsweise das (scheinbar) altruistische Verhalten in vielen Bereichen der Biologie erklärt, wie beispielsweise das Verhalten der Arbeiterinnen bei verschiedenen sozial organisierten Insekten (vor allem Ameisen), die auf den eigenen Fortpflanzungserfolg völlig verzichten, da sie aus bestimmten genetischen Gründen (Haplodiploidie) mit potentiellen Geschwistern näher verwandt sind als mit potentiellen eigenen Nachkommen.

Aktuell diskutierte Probleme

  • Die Koevolution. Die Entwicklung von Symbiosen ist vielfach noch ungeklärt, es fehlt bislang an Modellen, wie die tiefgreifenden Abhängigkeiten von Symbiosepartnern (beispielsweise bei Flechten) entstehen konnten. Ebenso fehlt noch das Verständnis für das Zustandekommen der wechselseitigen Anpassungen von Insekten und Blütenpflanzen. Sehr oft hat man aber fossil oder rezent Zwischenstufen gefunden, welche die parallele Evolution verständlich machen.
  • Die Evolution der Evolutionsmechanismen. Hier hat die Molekularbiologie in jüngerer Zeit deutlich veränderte Einsichten gebracht. Ging man in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts noch davon aus, dass die DNA-Sequenz direkt das entscheidende Genmaterial darstelle, so haben die Entdeckung der Introns, Exons sowie des Splicings und insbesondere des alternativen Splicings gezeigt, dass die Ursachen der genetischen Variabilität bereits auf molekularer Ebene Evolutionsprozessen unterworfen sind.
  • Die Evolution tiefgreifender Änderungen (Makroevolution), etwa auf der Ebene von Tierstämmen. Solange als Ursachen der Variabilität nur Genmutationen, Chromosomenmutationen, Genommutationen und Rekombination im Zuge der Meiose erkannt waren, war schwer vorstellbar, wie sich bestimmte Merkmale ohne Zwischenstufen ohne eigenen Selektionsvorteil entwickelt haben könnten. Solche Erscheinungen findet man speziell bei Eukaryonten. Die Entdeckung des alternativen Splicings bei Eukaryonten hat Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass DNA-Sequenzen multifunktionell seien und - je nach Splicing - zu unterschiedlichen Proteinen führen können. Zudem codiert ein erheblicher Teil der DNA nicht für Proteine. Auch die Genregulation bringt neue Aspekte in die Evolutionsforschung. So kann es einen Selektionsvorteil darstellen, phylogenetisch alte und nicht zur Proteincodierung benutzte DNA-Sequenzen im Genom zu konservieren, da damit die Ausprägung neuer Merkmale durch verändertes Splicing oder Änderungen der Genregulation weitaus schneller und tiefgreifender sein kann als es durch einen Austausch von DNA-Basen der Fall wäre.
  • Die Evolution von Religiosität bzw. religiösen Fähigkeiten des menschlichen Gehirns. Nachdem in der sog. Neurotheologie, die Religion als Produkt neurobiologischer Vorgänge beschreiben wollte, und der betont religionskritischen Memetik noch populärwissenschaftliche Elemente überwogen, gibt es vor allem in Europa inzwischen breitere, interdisziplinäre Arbeiten und Erkenntnisfortschritte zur Biologie der Religiosität. Von religiös-weltanschaulichen Diskussionen um den oft vermuteten Widerspruch von Religion und Evolution ist diese Debatte insofern zu trennen, als eine evolutionsbiologische Beschreibung der Emergenz von Religiosität Glaubensannahmen erkenntnistheoretisch weder beweisen noch widerlegen kann.

Politischer und religiöser Stellenwert

Die Evolutionstheorie wurde auch politisch bekämpft oder ausgebeutet. Historisch sind vor allem die sozialdarwinistischen oder rassistischen Ausbeutungen der Theorie zu nennen (z.B. sozialdarwinistisch begründeter Rassismus in der Zeit des Nationalsozialismus). Andererseits galt Darwinismus z.B. als sozialdemokratisch (ein Vorwurf im Kaiserreich), marxistisch (bei einem Teil der NSDAP) bzw. als positiver Bezugspunkt der Arbeiterbildung oder wurde als Utopie des Züchtungsstaates mit eugenischen Theorien in Zusammenhang gebracht. Evolutionstheoretiker haben sich an den unterschiedlichsten Fronten dieses Kampfes auch politisch betätigt.

Gegner der Evolutionstheorie vertreten die Auffassung, die Entstehung des Lebens oder des Menschen samt seinen Eigenschaften wie dem Bewusstsein oder ähnlichem sei extrem unwahrscheinlich und müsse deshalb durch ein intelligentes Wesen oder einen Gott eingeleitet oder vollzogen worden sein. Mit einigen religiösen Gruppierungen besteht seit der Veröffentlichung von Darwins Die Entstehung der Arten eine Kontroverse, die sich vor allem in den USA um die Thematik der Evolution im Schulunterricht dreht. Besonders in einem Religionsunterricht, der sich eng an den Wortlaut der biblischen Schöpfungsgeschichte hält, wird der Gegensatz zum heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand offensichtlich. Sofern die Kritik an Darwin und dem Ergebnis der Evolutionsforschung sich auf die biblische Schöpfungsgeschichte stützt, wird sie in der Öffentlichkeit als Kreationismus bezeichnet. Die allgemeine Haltung vieler Christen, nicht nur von Katholiken, leugnet die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie zwar nicht, postuliert aber hinter allem Gott als Creator Spiritus.[7]

Beispiel

 
Verschiedene Darwinfinken

Darwinfinken

Eines der bekanntesten Beispiele für das Wirken der Evolution sind die Darwinfinken (Emberizidae) auf den Galapagosinseln 965 Kilometer vor der Küste Ecuadors. Auf der isoliert gelegenen Inselgruppe vulkanischen Ursprungs, deren älteste Insel vor fünf bis 10 Millionen Jahren entstand, entwickelten sich aus einer Vorgängertart 14 verschiedene Arten. Dabei änderten sich vor allem die Schnabelform, das Federkleid und die Größe der Vögel. Namensgeber ist Charles Darwin, der die unterschiedlichen Arten auf seiner Weltreise 1836 sammelte.

Literatur

Primärliteratur

  • Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution, Parey-Verlag, Hamburg 1967.
  • Douglas J. Futuyma: Evolutionsbiologie. Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet von Barbara König. Birkhäuser Verlag, Basel 1990.
  • Günther Osche, Evolution. Grundlagen, Erkenntnisse, Entwicklungen der Abstammungslehre, Herder-Verlag, Freiburg 1972.
  • Charles Darwin: Die Entstehung der Arten, Reclams Universal Bibliothek 3071
  • Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen, Kröner, 2002
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens, Fischer 2005 ISBN 3-5961-6128-2
  • Ulrich Kull: Die Evolution des Menschen, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung Stuttgart, 1979, ISBN 3476201147.
  • Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink: Evolutionsbiologie, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg 2001, ISBN 3-540-41880-6.
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie, 2. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 2006, ISBN-10 3-8252-8318-6
  • Werner Ebeling: Physik der Evolutionsprozesse, Akademie-Verlag, Berlin, ISBN 3055006224
  • Hoimar von Ditfurth: Am Anfang war der Wasserstoff, Knaur, ISBN 342603395X
  • Hoimar v. Ditfurth: Der Geist fiel nicht vom Himmel, Hoffmann und Campe, ISBN 3455089674
  • Jörg Blech, Rafaela von Bredow, Johann Grolle: Darwins Werk, Gottes Beitrag. Der Spiegel 52/2005, S. 136 - 147 (2005), ISSN 0038-7452
  • Wuketits, Franz M. (2005): Evolution. Die Entwicklung des Lebens. (Beck Wissen) München: Beck.
  • Ernst Mayr: Das ist Evolution. Goldmann 2005, ISBN 3442153492 * Ernst Mayr: Artbegriff und Evolution. Parey-Verlag, Hamburg/Berlin 1967, * Rupert Riedl: Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie. Die Helden, ihre Irrungen und Einsichten. Springer-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-540-43668-5
  • Heinrich Meier (Hrsg.): Die Herausforderung der Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Piper-Verlag, München 1992 (Serie Piper, Band 997), ISBN 3-492-10997-7
  • Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Parey 2001, ISBN 3-8263-3348-9
  • Mathias Gutmann: Die Evolutionstheorie und ihr Gegenstand. Beitrag der Methodischen Philosophie zu einer konstruktiven Theorie der Evolution. Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 1996 (Studien zur Theorie der Biologie, Band 1), ISBN 3-86135-045-9
  • Sven P. Thoms: Ursprung des Lebens. Frankfurt: Fischer 2005 ISBN 3-5961-6128-2
  • Richard Dawkins: The Selfish Gene. Reissued in new covers. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-286092-5 (dt.: Das egoistische Gen)
  • Richard Dawkins: The Blind Watchmaker. Reissued. Penguin, London u.a. 2000, ISBN 0-14-029122-9
  • Rüdiger Vaas: Evolutionsforscher entdecken: Was Glaube nützt in: Bild der Wissenschaft. Konradin, Leinefelden-Echterdingen 02/2007 (Titelgeschichte)
  • David Quammen: Der Gesang des Dodo. Eine Reise durch die Evolution der Inselwelten. Ullstein-Taschenbuchverlag, München 2001, ISBN 3-548-60040-9

Originalarbeiten

Einzelnachweise

  1. Ernst Mayr: Das ist Evolution. C. Bertelsmann Verlag, 2003, ISBN 3-570-12013-9
  2. Henry Fairfield Osborn:From the Greeks to Darwin: An Outline of the Development of the Evolution Idea. Macmillan and Co.; 1905
  3. A. R. Wallace & C. Darwin: On the Tendency of Species to form Varieties, and on the Perpetuation of Varieties and Species by Natural Means of Selection. Jour. of the Proc. of the Linnean Society (Zoology), 3 (July 1858): 53-62 [1]
  4. F. Weiling: Historical study: Johann Gregor Mendel 1822-1884. Am. J. Med. Genet. 40, 1; 1991: S. 1-25; Diskussion S. 26
  5. Peter J. Bowler 1989: The Mendelian Revolution: The Emergence of Hereditarian Concepts in Modern Science and Society. Johns Hopkins University Press; Baltimore; 1989 ISBN 978-0801838880
  6. zum Beispiel U. Kutschera & K. Niklas: The modern theory of biological evolution: an expanded synthesis. Naturwissenschaften 91, Heft 6; 2004: S. 255-276.
  7. Der Spiegel: Papst weist Naturwissenschaft in die Schranken 12. April 2007